Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band X
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Die Geschichte der messingnen Stadt.

Ferner kam mir zu Ohren, daß einst in alten Zeiten und längstentschwundenen Tagen zu Damaskus in Syrien ein König von den Chalifen, Namens Abd el-Melik, der Sohn des MerwânFünfter Omajjadenchalife 685-705. Der im weitern Verlauf der Geschichte erwähnte Emir Mûsā ist der Eroberer Spaniens., lebte. Als dieser eines Tages, umringt von den Großen seines Reiches, den Königen und Sultanen, dasaß und sie hierbei auch auf die Geschichte der vergangenen Völker zu sprechen kamen und auf die Überlieferungen von unserm Herrn Salomo, dem Sohn Davids, – Frieden auf beide! – und die Herrschaft und Macht, die Gott, der Erhabene, ihm über die Menschen, Dschinn, Vögel, Tiere und andere Wesen gegeben hatte, sagten einige: »Wir hörten von den Früheren, daß Gott, – Preis Ihm, dem Erhabenen! – keinem ähnliches als unserm Herrn Salomo verlieh und daß unser Herr Salomo Macht zu etwas hatte, was sonst niemand vermag, daß er nämlich die Dschinn und die Mâride und Satane in kupferne Flaschen einzusperren pflegte, die er mit geschmolzenem Blei verschloß und mit seinem Siegelring versiegelte.«

Fünfhundertundsiebenundsechzigste Nacht

Da sagte Tâlib: »Es stieg einmal ein Mann mit einer Gesellschaft zu Schiff und fuhr gen IndienNach der Breslauer Ausgabe war der betreffende Mann Tâlibs Großvater und sein Reiseziel war Sizilien, welches nach dem folgenden richtiger ist. Außer den durch Klammern bezeichneten Einschaltungen sind noch vereinzelte Einschübe und Verbesserungen nach der Breslauer Ausgabe vorgenommen., als sich unterwegs ein Sturm erhob und sie im Dunkel der Nacht zu einem der Länder Gottes, des Erhabenen, verschlug. Bei Tagesanbruch kamen zu ihnen aus den Höhlen jenes Landes Leute von schwarzer Farbe und nacktem Leib heraus, als wären es wilde Tiere, die kein Wort von dem, was zu ihnen gesprochen wurde, verstanden. Nur ihr König, der von ihrer Art war, verstand Arabisch. Als sie nun das Schiff und die Menschen, die sich auf ihm befanden, erblickten, kam der König, von einem Trupp seines Gefolges begleitet, zu ihnen heraus, begrüßte sie, hieß sie willkommen und fragte sie nach ihrem Glauben. Da gaben sie ihm über sich Auskunft, und er erwiderte ihnen: »Seid unbesorgt.« Als er sie aber nach ihrem Glauben befragte, fand er, daß jeder von ihnen einer andern Religion anhing, und daß sie nichts von der Religion des Islams und der Entsendung unsers Herrn Mohammed – Gott segne ihn und spende ihm Heil! – wußten, und der König sagte zu ihnen: »Vor euch ist noch kein Mensch zu uns gekommen.« Hierauf bewirtete er sie mit dem Fleisch von Vögeln, wilden Tieren und Fischen, da sie keine andere Speise hatten. Dann stiegen sie vom Schiff ans Land, um sich die Stadt zu besehen, und gewahrten einen Fischer, welcher gerade sein Netz ins Meer geworfen hatte und fischte. Als er es wieder herauszog, befand sich im Netz eine kupferne, mit Blei verschlossene und versiegelte Flasche, welche den Stempel des Siegelringes Salomos, des Sohnes Davids – Frieden auf beide! – trug. Da nahm der Fischer die Flasche ans Land und brach sie auf, worauf ein bläulicher Rauch aus ihr bis zu den Wolken des Himmels stieg; und wir hörten eine abscheuliche Stimme rufen: »Ich bereue, ich bereue, o Prophet Gottes!« Hierauf verwandelte sich der Rauch zu einer Gestalt von entsetzlichem Aussehen und furchtbarer Größe, deren Haupt bis zu den Gipfeln der Berge reichte, um dann vor unsern Augen zu verschwinden. Während nun die Herzen der Leute vom Schiff vor Furcht beinahe aus dem Leibe gerissen wurden, kehrten sich die Schwarzen gar nicht daran, weshalb der Mann zum König zurückkehrte und ihn über den Vorfall befragte. Da sagte der König: »Wisse, das war einer der Dschinn, welche Salomo, der Sohn Davids, in seinem Zorne in diese Flasche sperrte und, nachdem er sie mit Blei verschlossen hatte, ins Meer warf. Wenn die Fischer ihr Netz auswerfen, ziehen sie häufig solche Flaschen heraus, aus denen, wenn sie zerbrochen werden, ein Dschinnī herauskommt, welcher, im Glauben, Salomo sei noch am Leben, reuig spricht: »Ich bereue, o Prophet Gottes!«

Der Fürst der Gläubigen Abd el-Melik, der Sohn des Merwân, verwunderte sich über diese Geschichte und rief: »Preis sei Gott! In der That, dem Salomo war ein mächtiges Reich verliehen!« Unter den Anwesenden befand sich aber auch En-Nâbigha ez-Zubjânī, welcher sagte: »Tâlib hat auch Wahres berichtet, wofür das Wort des ersten Weisen zeugt:

Und Gott sprach zu Salomo: Steh auf und sei Chalife,
Walte als Herrscher mit Eifer und Fleiß!
Wer dir gehorcht, den ehre ob seines Gehorsams,
Und wer sich widersetzt, den sperr' auf ewig ein!

Weshalb er sie in kupferne Flaschen sperrte und ins Meer warf.«

Dem Fürsten der Gläubigen gefielen diese Worte, und er rief: »Bei Gott, ich möchte wohl einmal solch eine Flasche sehen!« Da sagte Tâlib bin Sahl zu ihm: »O Fürst der Gläubigen, du hast die Macht hierzu, ohne daß du dein Land zu verlassen brauchst. Schicke nur zu deinem Bruder Abd el-Asîs bin Merwân, daß er dir solche Flaschen aus dem Maghrib besorgt, indem daß er an Mûsā schreibt und ihm befiehlt von dem Maghrib zu dem erwähnten Gebirge zu reiten und dir von dort so viele Flaschen zu beschaffen, als du begehrst; denn jenes Gebirge stößt an die Grenzen seiner Provinz.« Der Fürst der Gläubigen billigte diesen Vorschlag und sagte: »Tâlib, du hast recht gesprochen, und ich wünsche, daß du in betreff dieser Sache als mein Gesandter zu Mûsā bin Nuseir ziehst; du sollst das weißeDie Omajjaden führten ein weißes Banner. Tâlib wird durch dasselbe zum Bevollmächtigten des Chalifen erklärt. Banner haben und alles, was du an Geld, Ehren und dergleichen begehrst, und ich will an deiner Stelle für deine Familie sorgen.« Tâlib versetzte: »Freut mich und ehrt mich, o Fürst der Gläubigen!« Und der Chalife entgegnete: »Ziehe hin mit Gottes, des Erhabenen, Segen und Hilfe!« Hierauf befahl er, daß sie ihm einen Brief an seinen Bruder Abd el-Asîs, den Vicekönig von Ägypten, und einen anderen an Mûsā, den Vicekönig vom Maghrib schrieben, letzterem gebietend, sich in Person auf die Suche nach den salomonischen Flaschen zu machen und seinen Sohn als Regenten über das Land zu bestellen. Auch solle er Führer mit sich nehmen, weder Geld noch Leute sparen, und nicht verziehen und Entschuldigungen vorbringen. Hierauf siegelte der Chalife die beiden Briefe und befahl Tâlib bin Sahl, ihm dieselben überreichend, sich zu beeilen und die Banner über sein Haupt zu pflanzen. Dann gab er ihm Geld und Reisige und Mannen zu seinem Geleit und befahl, während sich Tâlib zur Fahrt nach Ägypten aufmachte, sein Haus mit allen Bedürfnissen zu versehen.

Fünfhundertundachtundsechzigste Nacht

Als Tâlib bin Sahl mit seinen Gefährten das Land zwischen Syrien und Ägypten durchmessen hatte, holte ihn der Emir von Ägypten ein und bewirtete ihn bei sich während der Zeit seines Aufenthalts aufs gastlichste und ehrenvollste. Alsdann gab er ihm einen Boten nach Oberägypten zum Emir Mûsā bin Nuseir mit, welcher auf die Nachricht von Tâlibs Kommen ihm erfreut zum Empfang entgegenzog. Tâlib überreichte ihm das Schreiben und er nahm es; und, als er es gelesen und seinen Inhalt begriffen hatte, führte er es an sein Haupt und sagte: »Ich höre und gehorche dem Fürsten der Gläubigen.« Dann berief er, da er dies für das beste hielt, die Großen seines Reiches, und als sie erschienen waren, befragte er sie nach ihrer Ansicht in betreff des Schreibens. Da erwiderten sie: »Wenn du einen suchst, daß er dir den Weg dorthin weist, so laß den Scheich Abd es-Samad bin Abd el-Kuddûs es-Samûdī kommen; derselbige ist ein kundiger vielgereister Mann, der alle die Steppen und Wüsten und Meere und Länder und ihre Bewohner und Wunder kennt. Laß ihn kommen, er wird dich überall hinführen.« Da befahl der Emir ihn herzubringen, und, als er vor ihm erschien, siehe, da war's ein alter Scheich, den der Jahre Kreislauf und der Zeiten Flucht schwach und gebrechlich gemacht hatte. Der Emir Mûsā begrüßte ihn und sagte zu ihm: »Scheich Abd es-Samad, siehe, unser Gebieter, der Fürst der Gläubigen Abd el-Melik bin Merwân, hat uns das und das geboten; ich aber kenne jenes Land zu wenig, und man sagte mir, du kennest es und seiest der Wege kundig. Hast du Lust den Auftrag des Fürsten der Gläubigen auszurichten?« Da versetzte der Scheich: »Wisse, o Emir, die Reise dorthin ist beschwerlich und von langer Dauer, und der Pfade sind wenig.« Nun fragte ihn der Emir: »Wie lange währt die Reise dorthin?« Und der Scheich erwiderte: »Es ist ein Weg von zwei Jahren und etzlichen Monden hin und ebenso viel zurück, und unterwegs giebt's viel der Fährlichkeiten und Schrecknisse und der märchenhaften Dinge und Wunder. Nun bist du aber ein Glaubensstreiter, und unser Land liegt nahe dem Feind, so daß während deiner Abwesenheit die Nazarener leicht hervorbrechen können. Es ist daher erforderlich, daß du über dein Reich einen Regenten als deinen Stellvertreter einsetzest.« Mûsā erwiderte: »Jawohl;« und so setzte er seinen Sohn Hārûn als seinen Stellvertreter ein, indem er ihm Treue schwören ließ und seinen Truppen gebot, sich ihm nicht zu widersetzen, sondern ihm in allen seinen Befehlen zu gehorchen. Und die Truppen hörten auf seine Worte und gehorchten ihm. Sein Sohn Hārûn aber war ausgezeichnet durch Tapferkeit und ein berühmter Held und trutziger Degen, und der Scheich Abd es-Samad gab ihm zu verstehen, daß der Ort, den sie im Auftrage des Fürsten der Gläubigen aufzusuchen hatten, nur vier Monate entfernt und am Meeresstrand gelegen wäre, und daß überall auf dem Wege die Stationen einander dicht folgten und Gras und Quellen vorhanden wären. »Gott,« so schloß er, »wird uns die Fahrt durch deinen Segen leicht machen, o Vicekönig des Fürsten der Gläubigen!« Dem Emir Mûsā aber, der ihn fragte, ob bereits vor ihnen ein König jenes Land betreten hätte, antwortete er: »Jawohl, o Fürst der Gläubigen; das Land gehörte dem König von Alexandria, Dārân dem Rumäer.«Nach der Breslauer Ausgabe.[Dann sagte der Scheich zu ihm: »O Emir, nimm tausend Kamele zum Tragen des Wassers, tausend für die Reisezehrung und außerdem irdene Krüge mit.« Der Emir fragte ihn: »Weshalb sollen wir dies thun?« Und er erwiderte: »Auf unserm Wege liegt eine Wüste, die Wüste von KairawânCyrene. geheißen, die vierzig Tagesreisen breit ist und wenig Wasser hat. Keinen Laut hört man in ihr, kein menschliches Wesen schaut man daselbst, und es weht dort der Samûm und andere Winde, El-Dschudschâb geheißen, welche die Wasserschläuche austrocknen; doch so man das Wasser in irdenen Gefäßen mit sich führt, kann ihm nichts geschehen.« Da sagte Mûsā: »Du hast recht,« und ließ von Alexandria eine Menge irdener Bierkrüge holen. Dann nahm er seinen Wesir und zweitausend Panzerreiter zu sich und ritt aus, von niemand weiter begleitet als von der Reiterei, den Kamelen und dem Scheich, der auf seinem Klepper als Wegweiser voranritt. Die Karawane zog unverdrossen des Weges bald durch bewohnte Gefilde und bald durch Ruinen, bald durch öde Wüsten und bald durch wasserlose, tote, durstige Striche, bald wieder zwischen himmelhohen Bergen ein volles Jahr lang. Als sie nun eines Nachts wieder gereist waren, gewahrten sie am Morgen, daß sie vom Wege abgeirrt waren und sich in einer unbekannten Gegend befanden. Da rief der Führer: »Es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen! Beim Herrn der Kaaba, wir sind vom Weg abgekommen!« Als der Emir Mûsā dies vernahm, fragte er: »Was ist geschehen, o Scheich?« Der Scheich erwiderte: »Wir sind vom Weg abgekommen.« »Und wie kam das?« fragte Mûsā. Er versetzte: »Die Sterne waren des Nachts nicht zu sehen, so daß ich mich nicht nach ihnen richten konnte.« Nun fragte Mûsā: »Und in welchem Lande befinden wir uns jetzt?« Der Scheich entgegnete: »Ich weiß es nicht; ich sehe diese Gegend heute zum erstenmale.« Da sagte der Emir: »So führe uns zu dem Fleck zurück, an welchem wir von unserm Wege abbogen.« Der Scheich entgegnete jedoch: »Ich weiß nicht mehr, wo es war.« Infolgedessen sagte Mûsā. »So laß uns weiter ziehen, vielleicht wird uns Gott dorthin führen oder uns doch in seiner Allmacht recht leiten.« Hierauf zogen sie bis zur Mittagszeit weiter, als sie zu einem ebenen, hübschen und ganz gleichmäßigen Gefilde gelangten, als wäre es das Meer, wenn es ruhig und still daliegt, und bald darauf erblickten sie am Horizont einen hohen und großen schwarzen Gegenstand, mitten über dem ein Rauch zu den Wolken des Himmels aufzusteigen schien. Da ritten sie auf den Gegenstand zu, bis sie ihm nahe gekommen waren, und siehe, da war es ein hoher Bau mit festen Fundamenten, furchtbar und gewaltig wie ein hoher Berg, aus schwarzen Steinen erbaut, mit dräuenden Zinnen und einem Thor aus chinesischem Eisen, das mit seinem Blitzen und Blinken die Blicke blendete und die Sinne verwirrte. Rings um das Gebäude befanden sich tausend Stufen, und was ihnen aus der Ferne Rauch geschienen hatte, da es mitten über dem Schloß aufstieg, war eine Kuppel von Blei, deren Höhe hundert Ellen betrug, und die aus der Ferne wie Rauch aussah. Bei ihrem Anblick verwunderte sich der Emir Mûsā, zumal das Schloß unbewohnt dalag; der Führer aber sprach: »Laßt uns näher treten und das Schloß beschauen, um uns an ihm eine Lehre zu nehmen.« Mit einem Male, als er sich vergewissert hatte, rief er: »Es ist kein Gott außer Gott, und Mohammed ist der Gesandte Gottes!« Da sagte der Emir Mûsā zu ihm: »Ich sehe, du preisest und heiligest Gott, den Erhabenen, und du scheinst dich zu freuen.« Der Scheich erwiderte: »O Emir, freue dich, denn Gott – gesegnet sei Er, der Erhabene! – hat uns aus den öden Wüsten und den verschmachtenden Steppen befreit.« Mûsā fragte: »Woher weißt du dies?« Und der Scheich versetzte: »Wisse, mein Vater erzählte mir, er hätte von meinem Großvater gehört, daß er auf seiner Reise durch diese Gegend, in der wir vom Wege abirrten, zu diesem Schloß und von hier zur messingnen Stadt gekommen wäre. Bis zu dem Orte, den du aufsuchst, sind nur noch zwei volle Monde, doch mußt du dich am Strande halten und dich nicht von ihm entfernen, denn es befinden sich dort Tränken, Cisternen und Halteplätze, welche König Iskender Zul Karnein auf seinem Zuge nach dem Maghrib anlegte, als er unterwegs dürre Striche, Wüsten und öde Flächen sah.« Da rief der Emir Mûsā: »Gott erfreue dich mit guter Botschaft! Kommt, lasset uns näher treten und dies Schloß und seine Wunderdinge anschauen,] da es eine Lehre ist für alle, die sich belehren lassen.« Hierauf schritt der Emir Mûsā, begleitet von dem Scheich Abd es-Samad und seiner nächsten Umgebung, auf das Schloß zu, dessen Portal sie offen fanden. Es hatte hohe Pfeiler, und unter den Stufen, die zu ihm hinaufführten, befanden sich zwei breite Stufen aus buntem Marmor, wie man dergleichen bisher nicht gesehen hatte. Die Decken und Mauern waren mit Gold, Silber und edlem Gestein eingelegt, und über dem Thore befand sich eine Tafel mit jûnânischen Schriftzeichen beschrieben. Da fragte der Scheich Abd es-Samad: »Soll ich's lesen, o Emir?« Und Mûsā erwiderte: »Tritt herzu und lies, und Gott segne dich, denn alles, was wir auf dieser Reise erleben, rührt von deinem Segen her!« Da las er es, und siehe es standen folgende Verse darauf:

Hier schaust du ein Volk, das nach seinen gewaltigen Werken
Die Herrschaft beweint, die ihm entrissen;
Und das Schloß hier giebt dir die letzte Kunde
Von stolzen Herren, die nun im Staube ruhn.
Der Tod hat sie vertilgt und getrennt,
Und im Staube verloren sie ihre Schätze all;
Als hätten sie zur Rast nur die Lasten abgenommen
Und wären dann schnell wieder heimwärts gezogen.

Da weinte der Emir Mûsā, bis er in Ohnmacht sank, und rief: »Es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Lebendigen, dem Ewigen, der immerdar währt!« Hierauf trat er ins Schloß, dessen Schönheit und Bauart ihn verwirrten. Nachdem er die Bilder und Statuen, die sich dort im Schloß befanden, betrachtet hatte, fand er über einer der Thüren gleichfalls Verse geschrieben und sagte zum Scheich: »Tritt herzu und lies.« Da trat der Scheich herzu und las folgende Verse:

Wie viele Scharen kehrten in alter Zeit
Unter ihre Rundzelte ein und fuhren wieder von hinnen!
Schau denn, wie der Wandel der Zeit mit andern verfuhr,
Der solche Gewaltige überfiel.
Gemeinsam teilten sie all ihre Schätze
Und verließen ihre Freuden hier und fuhren von hinnen.
Wie viele Freuden genossen sie! Was alles aßen sie!
Doch sanken sie in den Staub und wurden gefressen.

Da weinte der Emir Mûsā bitterlich, die Welt ward gelb in seinem Angesicht, und er rief: »Fürwahr, zu einem großen Ding sind wir erschaffen!«Zur Anbetung Gottes und zum Gericht. Alsdann nahmen sie das Schloß weiter in Augenschein und fanden, daß es unbewohnt und ausgestorben dalag, mit öden Höfen und feiernden Räumen. Mitten im Schloßhof stand ein hoher, in den Himmel ragender Kuppelbau, um welchen vierhundert Gräber errichtet waren. Beim Nähertreten fand der Emir Mûsā eines unter ihnen aus Marmor erbaut, in welchen folgende Verse gegraben waren:

Wie oft stand ich im Streit und wie viele erschlug mein Schwert,
Was sah ich nicht alles hier kommen und gehn!
Was aß ich für Speisen, was trank ich für Wein,
Wie viel Dirnen entzückten mein Ohr mit Gesang!
Was hab ich befohlen, was hab ich verwehrt,
Wie viele trotzige Burgen erstürmt
Und draus den Schmuck der Schönen geraubt!
In meiner Thorheit doch frevelt' ich hier,
Nach Dingen zu streben, die morgen ein Nichts.
Drum, Mann, geh sorglich mit dir zu Rat,
Bevor du den Becher des Todes trinkst.
Nicht lange, dann streut man den Staub dir aufs Haupt,
Und du ruhst in der Grube, zerfallen zu Staub.

Da weinten der Emir Mûsā und alle seine Begleiter; dann trat er an den Kuppelbau heran, welcher acht Thüren aus Sandelholz hatte, die mit goldenen Nägeln und silbernen Sternen beschlagen und mit allerlei kostbaren Edelsteinen eingelegt waren. Auf der ersten Thür standen folgende Verse:

Was ich hinter mir ließ, ließ ich aus Großmut nicht hinter mir,
Sondern wie jeder, vom Verhängnis und Beschluß ereilt.
So lange ich fröhlich lebte und reich beglückt,
Hütete ich wie ein grimmer Löwe mein Gehege;
Ich hatte nimmer Ruhe und gab kein Senfkorn fort aus Geiz,
Selbst wenn man mich ins höllische Feuer geworfen hätte,
Bis ich getroffen wurde vom Schicksalsspruch
Des hochherrlichen Gottes, des Schöpfers und Erschaffers.
Als mir ein naher Tod verhängt war,
Vermochte ich ihn nicht mit all meinen Listen abzuwehren;
Meine Truppen, die ich um mich geschart, nützten mir nichts,
Und kein Freund und kein Nachbar konnten mir helfen.
Mein ganzes Leben lang plackt' ich mich auf der Fahrt zum Tode,
Sei's heute im Glück und morgen in Nöten und Drangsal.
Sind die Beutel voll und legst du Dinar zu Dinar,
Bevor noch der Morgen graut, gehört alles einem andern,
Und deine Erben holen dir einen Kameltreiber und einen Totengräber.
So trittst du einsam am Tag deines Gerichts vor Gott,
Beladen mit Sünde, Verbrechen und schweren Lasten.
Drum laß dich nicht betrügen von der Welt und ihrem gleißenden Schein,
Und schau, wie sie verfuhr mit deiner Familie und deinem Nachbar.

Als der Emir Mûsā diese Verse vernahm, weinte er bitterlich, bis er in Ohnmacht sank; als er dann wieder zu sich kam, trat er in den Dom und erblickte darinnen ein langes, grausenerregendes Grab mit einer Tafel aus chinesischem Eisen; da trat der Scheich Abd es-Samad näher und las folgende Inschrift: Im Namen Gottes, des Unvergänglichen, der ewig und immerdar währt, – im Namen Gottes, der nicht geboren ward und nicht gebärt, – und dem keiner gleich an Wesen und Wert: – im Namen Gottes, des Herrn der Macht und Majestät, – im Namen des Lebendigen, der nimmer vergeht!Vgl. hierzu die 112. Sure, das antichristliche, antitrinitarische Bekenntnis der Gotteseinheit: Sprich: Gott ist der einige Gott, der Gott, der ewig währt, der nicht geboren ward und nicht gebärt, und dem keiner gleich an Wesen und Wert.

Fünfhundertundneunundsechzigste Nacht

Nachdem der Scheich Abd es-Samad diese Worte gelesen hatte, fand er folgendes auf der Tafel geschrieben: Des Ferneren: O du, der du zu dieser Stätte gelangst, laß dich belehren durch die Ereignisse der Zeit und des Schicksals Wandlungen, die du hier schaust, und nicht betrügen von der Welt, und ihrem Tand und all ihrem Falsch, ihrer Lüge, ihrem Trug und gleißendem Schein. Denn siehe, die Welt ist schmeichlerisch, arglistig und trügerisch, und alle ihre Dinge sind nur entlehnt, die der Verleiher von dem Leiher wieder einfordert. Wie des Schläfers Wahngebilde ist sie und wie des Träumenden Traum, wie die Fata Morgana der Wüste, die der Dürstende für Wasser nimmt; und Satan schmückt sie mit Gleißen für den Menschen bis zum Tod. Das ist die Art der Welt; drum vertraue nicht auf sie und neige dich nicht ihr zu, denn sie verrät den, der sich auf sie stützt und sich in seinen Angelegenheiten auf sie verläßt. Falle nicht in ihre Stricke und hänge dich nicht an ihre Säume. Siehe, ich besaß viertausend braune Rosse im Stall und freite tausend hochbusige, jungfräuliche Königstöchter, schön wie Monde, von denen mir tausend Söhne gleich trotzigen Löwen geboren wurden, und tausend Jahre lebte ich fröhlichen Herzens und Sinns und sammelte Schätze, wie sie kein König der Erde besaß. Mein Glück, wähnte ich, müßte ewig dauern, doch ehe ich mich's versah, stieg der Zerstörer der Freuden, der Trenner der Vereinigungen, der Veröder der Behausungen, der Verwüster der Wohnstätten und der Vertilger von Groß und Klein, von Säuglingen, Kindern und Müttern, zu uns hernieder. So saßen wir sicher in diesem Palast, bis der Beschluß des Herrn der Welten, des Herrn der Himmel und der Erden, zu uns niederstieg; da traf uns die Strafe der offenbaren Wahrheit,Die Strafe Gottes. und es starben täglich zwei von uns, bis eine große Zahl von uns vertilgt war. Als ich sah, daß Vernichtung in unsere Wohnungen eingekehrt war und sich dort niedergelassen und uns ins Meer des Todes versenkt hatte, da ließ ich einen Schreiber kommen und befahl ihm, diese Verse, Ermahnungen und Lehren aufzuschreiben, und ließ sie mit dem Zirkel auf diese Thore, Tafeln und Gräber aufzeichnen. Ferner hatte ich auch ein Heer von tausendmal tausend Zügeln, Degen mit Lanzen und Panzern, mit scharfen Schwertern und starken Vorderarmen. Ich befahl ihnen, die Panzerhemden anzuziehen, die schneidigen Schwerter umzugürten, die grausigen Lanzen einzusetzen und die ungeduldigen Rosse zu besteigen; und, als der Beschluß des Herrn der Welten, des Herrn der Erde und der Himmel, auf uns niederkam, sprach ich zu ihnen: »Ihr Reisige und Mannen all zu Haus, könnt ihr wohl von mir abwehren, was der allgewaltige König auf mich herniedersandte?« Die Mannen und die Reisigen vermochten es jedoch nicht sondern sprachen: »Wie sollen wir mit dem streiten, dem kein Kämmerling den Weg versperrt, dem Herrn der Thür, die keinen Thürhüter hat?« Da sprach ich zu ihnen: »Bringt mir die Schätze her.« Ich hatte aber tausend Cisternen und in jeder Cisterne tausend Centner roten Goldes und ebensoviel an weißem Silber außer Perlen, Edelsteinen und dergleichen Kostbarkeiten, wie sie kein König der Erde besaß. Sie gehorchten meinem Befehl, und ich sprach zu ihnen, als sie die Schätze vor mich gebracht hatten: »Könnt ihr mich mit all diesen Schätzen loskaufen oder mir mit ihnen auch nur noch einen Tag mehr erkaufen?« Sie aber vermochten es nicht und ergaben sich dem Verhängnis und Schicksal, und ich ergab mich ebenfalls in Gottes Verhängnis und Heimsuchung, bis er meine Seele nahm und mich in meiner Grube wohnen ließ; und so du nach meinem Namen fragst, ich bin Kûsch, der Sohn des Schaddâd, des Sohnes Ads des Größern.

Ferner standen noch auf der Tafel die Verse:

So du meiner gedenkst nach meiner Zeit,
Nach dem Wechsel der Tage und den Ereignissen,
Wisse, Schaddâds Sohn bin ich, der über die Sterblichen herrschte
Und über jedes Land in aller Welt.
Verächtlich waren mir alle die trotzigen Scharen,
Und Syrien diente mir von Ägypten an bis zu Adnân.Das ist: bis zum Lande Adnâns. Das Land Adnâns ist Arabien.
Ich herrschte hochberühmt und demütigte Könige,
Und das Volk der Erde bebte vor meiner Macht.
Stämme und Heerscharen sah ich in meiner Hand
Und sah, wie die Länder und ihre Bewohner mich fürchteten.
Wenn ich zu Pferd stieg, sah ich als meines Heeres Zahl
Auf wiehernden Rossen tausendmal tausend Zügel.
Geld und Gut auch besaß ich in zahlloser Menge,
Das ich für die Wechsel der Zeiten mir aufgespeichert hatte.
Gern hätt' ich mit all meinem Gut meine Seele losgekauft,
Um den Tod noch für eine Stunde hinauszuschieben,
Doch Gott wollte nichts als seines Willens Erfüllung,
Und so ward ich von meinen Brüdern getrennt.
Der Tod, der Sterblichen Trenner, besuchte mich,
Und vom Ruhm mußt' ich hinüber ins Haus der Verachtung.
Dort fand ich all meine früheren Thaten wieder,
Für die ich verpfändet bin, ein Sünder zuvor.
Darum bedenk', daß du auf dem Rande von Tod und Leben bist,
Und hüte dich vor den Unfällen des Schicksals!

Beim Anblick dieses Totenfeldes weinte der Emir Mûsā, bis er in Ohnmacht sank. Als sie dann den Palast auf allen Wegen durchwanderten und seine Zimmer und Lustplätze in Augenschein nahmen, kamen sie auch zu einem marmornen Tisch auf vier Füßen, auf welchem geschrieben stand: An diesem Tisch speisten tausend einäugige Könige und tausend mit gesunden Augen, die alle die Welt verließen und in den Gräbern und Grüften wohnen.

Alles dies schrieb der Emir Mûsā auf und nahm aus dem Palast nichts weiter als den Tisch mit sich. Dann zog er mit den Truppen weiter, der Scheich Abd es-Samad als Führer ihnen voran, bis sie nach Verlauf von drei Tagen zu einem hohen Hügel gelangten, auf welchem sie einen kupfernenIm Arabischen heißt Messing »gelbes« Kupfer. Doch wird auch sehr häufig nur »Kupfer« gesagt, so daß der Reiter ebenso gut aus Messing bestehen könnte. Reiter erblickten, auf dessen breiter Lanzenspitze, die mit ihrem Blitzen fast die Augen blendete, folgendes geschrieben stand: O du, der du zu mir kommst, wenn du den Weg zur messingnen Stadt nicht weißt, so reibe die Handfläche dieses Reiters, der sich dann umdrehen wird. Schlag die Richtung ein, nach welcher er schaut, wenn er wieder stehen geblieben ist, und sei unbesorgt und ohne Furcht, denn auf diesem Wege gelangst du nach der messingnen Stadt.

Fünfhundertundsiebzigste Nacht

Wie nun Mûsā die Handfläche des Reiters rieb, kehrte er sich wie der blendende Blitz um und wendete sich nach einer andern Richtung als sie zuvor inne gehabt hatten, worauf sie sich in dieser Richtung aufmachten und fanden, daß es ein richtiger Weg war. Nachdem sie manche Nacht und manchen Tag weitergezogen waren, und weite Landstrecken durchmessen hatten, gewahrten sie mit einem Male eine schwarze steinerne Säule, in welcher eine Gestalt bis zur Achselgrube steckte, die zwei Flügel und vier Hände hatte. Zwei Hände glichen Menschenhänden, die beiden andern aber sahen wie Löwentatzen aus und hatten eiserne Krallen; das Haar auf dem Kopfe der Gestalt glich Pferdeschweifen, ihre beiden Augen funkelten wie zwei Kohlen, und ein drittes Auge, das sie hatte, stand auf ihrer Stirn und glich einem feuersprühenden Luchsauge. Die Gestalt selber war schwarz und lang und rief: »Preis dem Herrn, der diese harte Prüfung und schmerzliche Strafe über mich bis zum Tag der Auferstehung verhängt hat!« Als die Leute diese Gestalt erblickten, verloren sie vor ihrem schrecklichen Aussehen völlig den Verstand und kehrten sich zur Flucht. Der Emir Mûsā aber fragte den Scheich Abd es-Samad: »Was ist das?« Der Scheich erwiderte: »Ich weiß es nicht.« Hierauf sagte der Emir: »Tritt an die Gestalt heran und frag sie, vielleicht giebt sie uns über sich Auskunft.« Da versetzte der Scheich: »Gott hüte den Emir, siehe, wir fürchten uns vor der Gestalt!« Der Emir erwiderte jedoch: »Fürchte dich nicht; er kann euch und andern in seiner Lage nichts thun.« Da trat der Scheich Abd es-Samad an die Gestalt heran und fragte sie: »Gestalt, wie heißest du, was bist du, und wer hat dich in solchem Bilde hierher gebracht?« Da versetzte die Gestalt: »Was mich anlangt, so bin ich ein Ifrît von den Dschinn und heiße Dâhisch, Sohn des Aamasch; ich bin hier festgebannt durch die Hochherrlichkeit, eingesperrt durch die Allmacht und gestraft, so lange Gott, der Mächtige und Herrliche, es will.« Nun sagte der Emir Mûsā zum Scheich Abd es-Samad: »Frag ihn, warum er hier in dieser Säule eingesperrt ist.« Der Scheich that es, worauf der Ifrît erwiderte: »Meine Geschichte ist wunderbar; einer der Söhne Iblîs hatte ein Götzenbild aus rotem Karneol, dessen Obhut mir anvertraut war, und einer der Könige des Meeres diente ihm, groß an Macht und hehr an Herrlichkeit, der tausendmal tausend Streitern der Dschânn gebot, die vor ihm die Schwerter schwangen und in der Not seinem Rufe Folge leisteten. Alle Dschânn, die ihm gehorchten, standen unter meinem Befehl und Gehorsam und folgten meinen Befehlen, Rebellen alles gegen den Sohn Salomos, des Sohnes Davids, – Frieden auf beide! – Ich aber pflegte in den Bauch des Götzen zu kriechen und ihnen von dort aus Befehle und Verbote zu erteilen. Nun pflegte auch die Tochter jenes Königs eifrig vor jenem Götzenbild zu dienen und sich häufig vor ihm niederzuwerfen, die das schönste Mädchen ihrer Zeit war, strahlend in Schönheit, Anmut, Eleganz und Vollkommenheit. Als man Salomo – Frieden sei auf ihm! – ihre Schönheit beschrieb, schickte er eine Botschaft an ihren Vater und ließ ihm sagen: »Verheirate mich mit deiner Tochter, zerbrich deinen Karneolgötzen und bezeuge, daß es keinen Gott außer Gott giebt, und daß Salomo der Prophet Gottes ist. So du dieses thust, soll unser Gut dein Gut und unsere Schuld deine Schuld sein; so du es aber nicht thust, so mach' dich bereit zur Rechenschaft und zieh' dein Totenhemd an, denn ich komme mit unwiderstehlichen Heerscharen zu dir, die das Blachgefild bedecken und dich machen sollen wie den gestrigen Tag, der für immer vergangen ist.« Als der Bote Salomos – Frieden sei auf ihm! – zum Könige kam, zeigte er sich hochmütig, hoffärtig, stolz und rebellisch und sprach zu seinen Wesiren: »Was ratet ihr in der Sache Salomos, des Sohnes Davids, der meine Tochter von mir begehrt und heischt, daß ich meinen Karneolgötzen zerbrechen und seinen Glauben annehmen soll?« Da versetzten sie: »Großmächtiger König, kann Salomo dir dieses anthun, wo du mitten in diesem großen Ocean lebst? Und so er auch zu dir käme, könnte er dich doch nicht bezwingen, denn die Mâride von den Dschinn würden mit dir streiten und du würdest dir von deinem Götzen, dem du dienst, Hilfe wider ihn erflehen, und er würde dir beistehen und dir den Sieg über sie verleihen. Das Rechte ist daher, daß du deinen Herrn, d. h. das Götzenbild aus rotem Karneol, um Rat fragst und hörst, welche Antwort er dir giebt. Giebt er dir den Rat wider ihn zu streiten, so streite wider ihn, wenn nicht, so thu's nicht.« Infolgedessen machte sich der König sofort auf, und suchte seinen Götzen auf, nachdem er ihm Opfer dargebracht und Tiere geschlachtet hatte; er fiel vor ihm auf sein Antlitz nieder, weinte und sprach die Verse:

»O mein Herr, ich kenne deine Macht gar wohl,
Siehe, Salomo vermißt sich dich zerbrechen zu wollen.
O mein Herr, ich suche Hilfe von dir,
Gebiete, und ich gehorche deinem Befehl.«

Ich aber, – so erzählte der Ifrît, der zur Hälfte in der Säule steckte, dem Scheich Es-Samad und den andern, die ihn umgaben, – kroch in meiner Thorheit, in meiner Unvernunft und Unbekümmertheit um Salomos Macht in den Bauch des Götzen und hob an die Verse zu sprechen:

»Was mich anlangt, so fürcht' ich mich nicht vor ihm,
Da ich um alle Dinge weiß;
Will er streiten mit mir, so schreit' ich voran zum Streit
Und will die Seele ihm reißen aus seinem Leib.«

Als der König meine Antwort vernahm, stärkte er sein Herz und entschloß sich wider Salomo, den Propheten Gottes, – Frieden sei auf ihm! – zu streiten und ihm die Spitze zu bieten. Infolgedessen ließ er den Gesandten Salomos vor sich kommen und ihn jämmerlich prügeln, worauf er ihn mit einer schimpflichen Antwort Salomo zurückschickte, indem er ihn bedrohte und ihm durch den Gesandten sagen ließ: »Deine Seele hat dir eitle Wünsche eingegeben; willst du mir etwa mit lügnerischen Worten drohen? Wer zu dem andern kommt, ob du oder ich, das fragt sich noch.« Als nun der Bote zu Salomo zurückgekehrt war und ihm alles, was ihm zugestoßen und widerfahren war, erzählt hatte, ergrimmte er gewaltig und sein Entschluß war gefaßt. Er hob seine Heerscharen aus von den Dschinn, den Menschen, den Tieren, den Vögeln und Reptilien und befahl seinem Wesir Ed-Damerjât dem König der Dschinn, die Mâride von allen Orten zusammenzubringen, worauf dieser ihm sechshunderttausendmaltausend Satane zusammenbrachte. Alsdann befahl er Asaf, dem Sohn des Berechia, ihm seine Menschenheerscharen zu versammeln, deren Anzahl tausendmaltausend oder mehr betrug. Nachdem er alle diese Streiter mit Wehr und Waffen versehen hatte, setzte er sich mit allen seinen Truppen, den Menschen und den Dschinn, auf seinen Teppich und zog mit ihnen durch die Luft, während die Vögel ihm zu Häupten flogen und die Tiere unter dem Teppich mitliefen, bis er sich auf seinem Gestade niederließ, daß die ganze Insel von seinen Heerscharen wimmelte.

Fünfhundertundeinundsiebzigste Nacht

Hierauf schickte er einen Boten an den König und ließ ihm sagen: »Hier bin ich nun gekommen; verteidige dein Leben gegen das, was auf dich niedergekommen ist, oder unterwirf dich mir, bekenne meine Apostelschaft, zerbrich deinen Götzen, diene dem Einigen, dem allein Anbetungswürdigen, verheirate mir deine Tochter gesetzmäßig und sprich, du samt den Deinigen: Ich bezeuge, daß es keinen Gott giebt außer Gott, und ich bezeuge, daß Salomo der Prophet Gottes ist. So du dieses sprichst, sollst du Gnade erhalten und Frieden haben; weigerst du dich aber, so wirst du dich vergeblich auf dieser Insel vor mir verschanzen, denn Gott – gesegnet sei der Erhabene! – hat dem Winde befohlen mir zu gehorchen; und so werde ich ihm gebieten mich auf meinem Teppich zu dir zu tragen, daß ich dich zu einem Exempel und einem warnenden Beispiel für andere mache.« Als nun der Gesandte bei dem König eintraf und ihm die Botschaft des Propheten Gottes Salomo – Frieden sei auf ihm! – überbrachte, sagte der König zu ihm: »Was er von mir begehrt, ist mir ganz unmöglich, sag' ihm daher, daß ich zu ihm herauskommen werde. Da kehrte der Bote wieder zu Salomo zurück und überbrachte ihm die Antwort; der König aber schickte zu dem Volk seines Landes und scharte tausendmaltausend von den Dschinn, die unter seiner Hand waren, zusammen, zu denen er noch die Mâride von den Inseln des Meeres und den Bergesgipfeln hinzunahm, worauf er seine Truppen ordnete, die Rüstkammern öffnete und die Waffen unter sie verteilte. Desgleichen aber stellte auch der Prophet Gottes Salomo – Frieden sei auf ihm! – seine Truppen in Schlachtreihe auf und befahl den wilden Tieren sich in zwei Reihen, die einen zur Rechten und die andern zur Linken seiner Mannschaft, aufzustellen und die Pferde der Feinde zu zerreißen, während er den Vögeln gebot auf der Insel zu bleiben und beim Angriff den Gegnern mit den Flügeln ins Gesicht zu schlagen und ihnen mit dem Schnabel die Augen auszuhacken; und sie versetzten: »Wir hören und gehorchen Gott und dir, o Prophet Gottes.« Hierauf ließ sich Salomo, der Prophet Gottes, einen marmornen, mit Edelsteinen besetzten und mit Platten von rotem Gold beschlagenen Thron hinsetzen und stellte seinen Wesir Asaf, den Sohn des Berechia, auf den rechten, seinen Wesir Ed-Damerjât auf den linken Flügel, ferner die Könige der Menschen zu seiner Rechten, die der Dschinn zu seiner Linken und die wilden Tiere, die Vipern und Schlangen vor sich. Alsdann marschierte das ganze Heer wider uns los und stritt mit uns auf weitem Plan zwei Tage lang; am dritten Tage überfiel uns jedoch das Unheil und Gottes, des Erhabenen, Beschluß ereilte uns. Der erste, welcher Salomo angriff, war ich mit meinen Truppen, und ich sprach zu meinen Gefährten: »Bleibt auf euerm Platz, während ich wider sie ins Feld trete und Ed-Damerjât zum Zweikampf herausfordere.« Und siehe, da trat er auch schon wider mich ins Feld wie ein riesiger Berg mit lohenden Feuern und aufsteigenden Rauchsäulen und warf eine feurige Sternschnuppe nach mir, der ich jedoch auswich, so daß sie mich verfehlte. Dann warf ich eine feurige Schnuppe nach ihm, die ihn traf; sein Schaft kam jedoch meinem Feuer zuvor, und er stieß einen so gewaltigen Schrei gegen mich aus, daß die Berge davon erbebten, und ich glaubte, der Himmel wäre über mich eingestürzt. Dann befahl er seinen Streitern uns anzugreifen, worauf sie alle zumal wider uns und wir wider sie anstürmten; einer schrie wider den andern, die Feuer flammten in heller Lohe, der Rauch stieg hoch auf und die Herzen waren nahe am Zerspringen; zu Fuß kämpften die einen, die Vögel hoch in der Luft, die Tiere im Staub und ich maß mich mit Ed-Damerjât, bis er mich und ich ihn ermüdet hatte. Schließlich ward ich so matt, daß mich meine Gefährten und Truppen im Stich ließen, und daß meine Stammesgenossen sich ebenfalls zur Flucht wendeten, worauf der Prophet Gottes Salomo schrie: »Nehmt jenen gewaltigen Tyrannen gefangen, jenen Unseligen, Verfluchten!« Da focht Mann wider Mann und Dschinnī wider Dschinnī; Salomos Heerscharen stürmten wider die unsrigen, zur Rechten und Linken von den wilden Tieren umgeben, welche die Rosse zerrissen und die Streiter zerfleischten, während die Vögel über uns flatterten und den Streitern die Augen bald mit den Krallen und bald mit dem Schnabel ausrissen oder ihnen mit den Schwingen ins Gesicht schlugen, bis die Mehrzahl von uns wie Palmenstümpfe am Boden lag, und unser König floh, und wir Salomos Beute wurden. Was mich anlangt, so flüchtete ich mich auf meinen Schwingen vor Ed-Damerjât, doch folgte er mir einen Weg von drei Monaten, bis er mich einholte, [Einschaltung nach der Breslauer Ausgabe.und sich auf mich stürzte, während ich vor Müdigkeit niederfiel, worauf er mich fesselte. Da sprach ich zu ihm: »Bei Ihm, der dich erhöht und mich erniedrigt hat, laß mich leben und führe mich vor Salomo, – Frieden sei auf ihm!« – Als er mich nun vor Salomo geführt hatte, empfing mich dieser in der übelsten Weise, indem er diese Säule bringen und aushöhlen ließ, worauf er mich in dieselbe steckte und mich mit seinem Siegelring versiegelte. Nachdem er mich versiegelt und gefesselt hatte, übergab er mich dem Ed-Damerjât, der mich hierherbrachte und mich hier aufstellte, wie du es siehst. Bis zum jüngsten Tage muß ich in diesem Gefängnis bleiben, und ein mächtiger Engel ist mit der Obhut über mich beauftragt.«

Fünfhundertundzweiundsiebzigste Nacht

Als der Dschinnī ihnen seine Geschichte von Anfang an bis zur Einsperrung in der Säule erzählt hatte, verwunderten sich die Leute über ihn und seine schreckliche Gestalt, und der Emir Mûsā rief: »Es giebt keinen Gott außer Gott! Fürwahr, er hatte Salomo ein mächtiges Reich verliehen!« Der Scheich aber sprach zum Dschinnī: »Du da, ich möchte dich gern um Auskunft nach etwas fragen.« Der Ifrît versetzte: »Frag, wonach du willst.« Da fragte er: »Giebt es hier an diesem Ort Ifrîten, die seit Salomos Tagen – Frieden sei auf ihm! – in kupferne Flaschen eingesperrt sind?« Der Ifrît erwiderte: »Jawohl, im Meer El-Karkar, an dessen Strand ein Volk aus Noahs Stamm lebt, – Frieden sei auf ihm! – denn die Sündflut kam nicht zu ihrem Land, und sie leben dort abgeschnitten von allen Kindern Adams.« Hierauf fragte der Scheich: »Und wo ist der Weg zur messingnen Stadt und der Ort, wo die Flaschen liegen? Wie weit ist es von uns bis zu ihm?« Er erwiderte: »Es ist nahe.« Da verließen sie ihn, nachdem er ihnen den Weg gezeigt hatte, und zogen weiter, bis sie von fern einen großen schwarzen Gegenstand mit zwei einandergegenüberliegenden Feuern erblickten, worauf der Emir Mûsā den Scheich fragte: »Was bedeutet das Schwarze da mit den beiden gegenüberliegenden Feuern?« Der Führer entgegnete: »Freue dich, o Emir, dies ist die messingne Stadt, denn so ist sie in dem Buch der vergrabenen Schätze, das ich bei mir habe, beschrieben. Ihre Mauern bestehen aus schwarzem Gestein, und sie hat zwei Thüren aus andalusischem Messing, die dem Beschauer aus der Ferne wie zwei einandergegenüberliegende Feuer vorkommen, nach denen sie auch die messingne Stadt heißt.« Hierauf zogen sie weiter, bis sie nahe an die Stadt herangekommen waren und nun sahen, daß sie hoch in den Himmel ragte und stark befestigt war; die Höhe ihrer Mauern betrug achtzig Ellen und die Zahl ihrer Thore fünfundzwanzig, die jedoch nicht von außen zu sehen waren.] Da machten der Emir Mûsā, der Scheich Abd es-Samad und die Truppen Halt und bemühten sich ein Thor oder doch einen Weg, der in die Stadt hineinführte, ausfindig zu machen, bis der Emir Mûsā, als alles Suchen vergeblich gewesen war, sagte: »Tâlib, wie sollen wir in die Stadt gelangen? Wir müssen unbedingt ein Thor finden und hineingehen.« Tâlib versetzte: »Gott helfe dem Emir! Möge er hier zwei oder drei Tage Rast machen, daß wir, so Gott will, der Erhabene, Mittel und Wege finden, in die Stadt zu gelangen.« Infolgedessen befahl der Emir Mûsā einem seiner Pagen ein Kamel zu besteigen und rings um die Stadt zu reiten, ob er vielleicht die Spur von einem Thore oder eine niedrigere Stelle der Mauer, als sie hier vor sich hatten, fände. Da setzte sich der Page auf und ritt zwei Tage und Nächte, ohne sich auszuruhen, im Trabe rings um die Stadt, bis er am dritten Tage wieder, verblüfft von dem Umfang und der Höhe der Stadt, bei seinen Gefährten eintraf und sprach: »O Emir, die niedrigste Stelle der Mauer ist hier, wo ihr euch gelagert habt.« Hierauf nahm der Emir Mûsā Tâlib bin Sahl und den Scheich Abd es-Samad und stieg mit ihnen auf einen Hügel, von dem man die Stadt überschauen konnte. Als sie den Hügel erstiegen hatten, sahen sie eine Stadt, wie sie keines Menschen Auge großartiger gesehen hatte, mit hohen Schlössern, schimmernden Kuppeln und wohlerhaltenen Häusern; Flüsse durchströmten sie, die Bäume waren beladen mit Früchten, und die Gärten prangten in scharlachner Farbe. Die Stadt war mit Thoren festversichert, doch lag sie leer und ausgestorben da, und man hörte keinen Laut in ihr und sah kein menschliches Wesen; nur die Eulen stöhnten in ihr, die Vögel kreisten über ihre Plätze und die Raben krächzten in ihren Straßen und weinten über ihre entschwundenen Bewohner. Der Emir Mûsā stand da und rief, voll Kummer über ihre Leere und Verlassenheit von jeglichem Bewohner: »Preis Ihm, den die Wechsel und Zeiten nicht ändern, der die Geschöpfe in seiner Allmacht erschaffen hat!« Während er aber Gott, den Mächtigen und Herrlichen, lobpreiste, fiel sein Blick seitwärts, und er sah sieben Tafeln aus weißem Marmor in der Ferne schimmern. Da trat er an dieselben heran, und als er nun sah, daß auf dieselben Schriftzüge eingegraben waren, befahl er dem Scheich Abd es-Samad sie zu lesen. Infolgedessen trat der Scheich an sie heran und fand, sie betrachtend, Warnungen, Ermahnungen und Drohungen für Leute von Einsicht auf ihnen eingegraben. Auf der ersten Tafel stand in jūnânischer Schrift: O Menschensohn, wie achtlos bist du doch um das, was vor dir liegt! Fürwahr, deine Jahre haben es dich vergessen lassen. Weißt du nicht, daß der Becher des Todes für dich bis zum Rand gefüllt ist, und daß du ihn binnen kurzem hinunterschlucken wirst? Denk daher an deine Seele, bevor du in deine Grube hinunterfährst. Wo sind die Könige, welche die Länder beherrschten und Gottes Diener erniedrigten und Heere anführten? Bei Gott, der Zerstörer der Freuden, der Trenner der Vereinigungen und der Verwüster der Wohnungen fuhr nieder auf sie und trug sie aus den weiten Palästen hinüber in die engen Gräber.

Am Fußende der Tafel standen dann noch folgende Verse:

Wo sind die Könige und wo der Erde Bewohner?
Verlassen haben sie, was sie gebaut und bewohnt haben,
Und ruhn in den Gräbern als Pfänder ihrer Werke,
Wo sie nach ihrer Vernichtung verwesten.
Wo sind ihre Heere? Sie schirmten nicht und frommten nichts;
Und wo sind die Schätze, die sie zusammengescharrt und aufgespeichert hatten?
Der Spruch des Herrn des Thrones brach über sie herein,
Und da schützte sie kein Gut und kein Asyl.

Als der Emir Mûsā diese Verse vernahm, schrie er laut auf und rief mit thränenüberströmten Wangen: »Bei Gott, Weltentsagung, das ist das Glück und die höchste Weisheit!« Alsdann ließ er sich Tinte und Papier bringen und schrieb sich alles, was auf der ersten Tafel stand, auf. Hierauf trat er an die zweite Tafel und fand folgendes auf ihr geschrieben: O Menschensohn, was hat dich bethört, den Alten der Tage zu mißachten, und zu vergessen, daß dein Ende einst naht? Weißt du nicht, daß die Welt das Haus der Vergänglichkeit ist, in welchem niemand eine bleibende Stätte findet? Und doch schaust du auf sie und mühst dich um sie? Wo sind die Könige, welche den Irâk bevölkerten und die Länder der Erde beherrschten? Wo sind sie, die da wohnten in Isfahân und im Lande Chorāsân? Der Bote des Todes rief sie, und sie antworteten ihm, und der Herold der Vergänglichkeit lud sie ein, und sie riefen ihm zu: »Lebbeik, Lebbeik! Hier bin ich, hier bin ich!« Und so frommte ihnen nichts von allem, was sie gebaut und hoch aufgeführt hatten, und, was sie zusammengescharrt und aufgespeichert hatten, schirmte sie nicht vor ihrem Untergang.

Am Fußende standen dann noch folgende Verse geschrieben:

Wo sind sie, die diese Stätten erbauten und krönten
Mit hohen Söllern, wie nirgends Bauten zu schaun?
Streiter und Kämpen scharten sie um sich aus Furcht
Vor Gottes Beschluß, und doch wurden sie gedemütigt
Wo sind die Chosroen, die in unzugänglichen Burgen hausten?
Sie haben ihr Land verlassen, als wären sie nie gewesen.

Da weinte der Emir Mûsā und rief: »Bei Gott, wir sind zu einem großen Ding erschaffen!« Nachdem er dann die Worte, die auf dieser Tafel standen, sich ebenfalls aufgeschrieben hatte, trat er an die dritte Tafel, –

Fünfhundertunddreiundsiebzigste Nacht

auf welcher er folgendes geschrieben fand: O Menschensohn, an der Weltliebe hast du dein Gefallen und deines Herrn Gebot lässest du unbeachtet. Alle Tage deines Lebens streichen dahin, und doch bist du zufriedenen und ungetrübten Sinnes. Bereite dir die Zehrung für den Tag der Wiederkehr und rüste dich zur Rechenschaft vor dem Herrn der Menschenkinder.

Unten auf der Tafel standen dann folgende Verse:

Wo sind sie, die alle Länder bevölkerten,
Sind und Hind, und trotzig und stolz einherfuhren?
Die SendschSansibar. und Habasch und Nubien sich fügsam machten,
Nachdem sie sich rebellisch und hoffärtig gezeigt hatten?
Erwarte keine Kunde von dem, was im Grabe ruht,
Nie und nimmermehr wird dir einer Auskunft geben.
Der Zeitenumschwung traf sie mit seinem Schlag,
Und die Schlösser, die sie erbauten, halfen ihnen nichts.

Der Emir Mûsā weinte über diese Verse bitterlich und trat an die vierte Tafel heran, auf welcher er folgendes geschrieben fand: O Menschenkind, wie lange soll noch dein Herr mit dir Langmut haben, wo du tagaus tagein im Meer deines nichtigen Spiels versunken bist? Ist dir etwa offenbart, daß du nimmer sterben würdest? O Menschenkind, laß dich nicht durch die Unterhaltung und Zerstreuung deiner Tage und Nächte und Stunden bethören; wisse, der Tod lauert auf dich, bereit, auf deine Schulter zu springen, und kein Tag vergeht, da er nicht am Morgen mit dir erwacht und am Abend mit dir zur Ruhe geht. Hüte dich drum, daß er dich nicht überfällt, und mach' dich bereit für ihn. Wie ich es trieb, so treibst du es auch: du vergeudest deine ganze Lebenszeit und bringst dich um deiner Tage Lust und Freud'. Horch daher auf mein Wort, und nimm den Herrn der Herren zum Hort, denn die Welt ist ohne Bestand wie ein Spinnenhaus.

Am Fuße der Tafel fand er dann noch folgende Verse:

Wer legte das Fundament zu diesen Riesenbauten,
Wer führte sie auf und baute sie so hoch?
Wo ist das Volk, das die Burgen bewohnte?
Ach, alle mußten die Festen verlassen.
In den Gräbern ruhn sie gebettet als Pfand für den Tag,
Da alles Verborgne ans Licht kommt.
Nichts ist bleibend als allein Gott, der Erhabene,
Und ewig währe seine Herrlichkeit!

Weinend schrieb der Emir Mûsā auch alles dies nieder und [Einschaltung nach der Breslauer Ausgabe.trat dann an die fünfte Tafel, auf welcher folgendes geschrieben stand: O Menschenkind, was ist's, das dich vergessen macht den Gehorsam gegen deinen Schöpfer und Hervorbringer, der dich in deiner Kindheit speiste und auferzog? Wie kannst du seiner Huld mit Undank lohnen, wo er in seiner Güte auf dich schaut und in seiner Gnade seinen schützenden Vorhang auf dich niederwallen läßt? Wahrlich, sicherlich kommt eine Stunde für dich bitterer als Aloe und heißer als Kohle! Beschicke dich daher für sie, denn wer vermag ihre Galle zu versüßen und zu ersticken ihre Kohle? Und gedenke der Völker und Fürsten, die vor dir lebten, und nimm dir eine Lehre an ihnen, bevor du untergehst.

Dann standen noch folgende Verse auf ihr geschrieben:

Wo sind die Könige, die Könige der Erde? Sie sind vergangen
Und ruhen nun hier mit allen ihren Schätzen.
Wenn einst sie zu Roß stiegen, dann sahest du Streiter hinter ihnen,
Von denen die Welt erfüllt ward, wenn sie zu Roß stiegen.
Wie viele Könige demütigten sie zu ihrer Zeit!
Wie viele Heere besiegten und vernichteten sie!
Doch der Befehl des Herrn des Thrones erging eilend zu ihnen,
Und nach dem heitersten Leben traf sie des Schicksals Unheil.

Verwundert hierüber, schrieb der Emir Mûsā auch alle diese Worte auf und trat an die sechste Tafel, auf welcher folgendes geschrieben stand: O Menschensohn, glaub' nicht, daß die Sicherheit ewig dauert, wo der Tod ob deinem Haupte besiegelt ist. Wo sind deine Väter? Wo deine Brüder? Wo deine Lieben und Freunde? Alle sind sie gefahren in den Staub der Gräber und getreten vor den Herrlichen, den Vergebenden, als hätten sie nicht geschmaust und gezecht; dort weilen sie nun als Pfand für ihre Werke. So sorge für deine Seele, bevor du ins Grab mußt.

Ferner standen noch folgende Verse auf ihr:

Wo sind die Könige, die Könige der Franken?
Wo sind die Bewohner von Tanger?
Ihre Werke sind in einem Buche verzeichnet,
Das der Einige, der Amensprechende, als Beweis vorbringen wird.

Verwundert hierüber, schrieb der Emir, der Sohn des Nuseir, auch diese Worte auf und rief: »Es giebt keinen Gott außer Gott! Wie schön war dieses Volkes Glaube!« Dann traten sie an die siebente Tafel, auf welcher folgendes stand: Preis Ihm, der über alle seine Geschöpfe den Tod verhängt hat und allein lebt und nimmer stirbt! O Menschenkind, laß dich nicht durch deine Tage und ihre Wonnen bethören noch auch durch deine Stunden und die Freuden, die sie bringen; denn wisse, der Tod sucht dich heim und sitzt schon auf deiner Schulter. Hüte dich daher, daß er dich plötzlich überfällt, und mach dich bereit für seinen Ansprung. Wie mir, so ergeht es auch dir. Du vergeudest deines Lebens Gut und deiner Stunden Freude. Hör' auf mein Wort, nimm den Herrn der Herren zum Hort und wisse, daß die Welt nicht besteht, sondern wie ein Spinnengewebe zerweht, und daß alles auf ihr aufhört und vergeht. Wo ist der Mann, der den Grund zu Amid legte und es erbaute? Der Fārikin erbaute und so stolz aufführte?Zwei Städte in Mesopotamien. Wo ist das Volk der Burgen? Wohl wohnten sie darinnen, doch fuhren sie nach ihrer Herrlichkeit in die Gräber. Sie wurden vom Tode geraubt, und so werden auch wir heimgesucht werden; denn niemand währet immerdar als allein Gott, der Erhabene, Er der vergebende Gott. –

Verwundert hierüber, schrieb Mûsā auch alle diese Worte auf] und stieg dann wieder vom Hügel herunter, doch war die Welt vor seinen Augen winzig geworden. Als er zu den Truppen kam, überlegten sie den ganzen Tag, wie sie wohl in die Stadt gelangen könnten, und er sprach zu seinem Wesir Tâlib bin Sahl und den Vornehmsten seiner Umgebung: »Wie stellen wir es nur an in die Stadt zu gelangen, daß wir ihre Wunder schauen? Vielleicht könnten wir auch etwas darinnen finden, wodurch wir des Fürsten der Gläubigen Gunst gewinnen könnten.« Tâlib bin Sahl erwiderte: »Gott erhalte des Emirs Glück! Wir wollen eine Leiter machen und sie erklimmen, um auf diese Weise, wenn es möglich ist, von innen zum Thor zu gelangen.« Da versetzte der Emir Mûsā: »Dasselbe war mir ebenfalls bereits in den Sinn gekommen und dies ist der beste Rat.« Hierauf rief er Schreiner und Schmiede und befahl ihnen Holz zurecht zu machen und eine Leiter zu bauen und mit Eisen zu beschlagen.

Die Leute machten sich sofort in bedeutender Anzahl ans Werk und arbeiteten einen vollen Monat lang, bis sie eine starke Leiter hergestellt hatten, worauf sie dieselbe aufrichteten und an die Mauer lehnten, mit welcher sie genau die gleiche Höhe hatte, als wäre sie zuvor für sie angefertigt. Der Emir Mûsā verwunderte sich hierüber und sagte: »Gott segne euch! Eure Arbeit ist so gelungen als hättet ihr für die Leiter Maß genommen.« Alsdann fragte er seine Leute: »Wer von euch will diese Leiter erklimmen und auf der Mauer entlang gehen und einen Weg ausfindig machen, wie er in die Stadt hinuntersteigen kann, um sich dieselbe anzuschauen und uns zu vermelden, wie wir das Thor aufbekommen?« Da sagte einer von ihnen: »Ich will hinaufsteigen, o Emir, und hinunterklettern und das Thor öffnen.« Und der Emir Mûsā versetzte: »Steig hinauf, und Gott segne dich!« Da klomm der Mann zur Leiter hinauf; als er aber oben angelangt war und sich nun aufrichtete und die Stadt betrachtete, klatschte er plötzlich in die Hände, schrie so laut er konnte: »Du bist schön,« und stürzte sich in die Stadt hinunter, daß er völlig zermalmt wurde. Da sagte der Emir Mûsā: »So that ein Vernünftiger; was mag da ein Verrückter erst anstellen! Wenn alle unsere Gefährten das gleiche thun, so bleibt keiner von uns übrig, und wir sind nicht imstande unser Anliegen und den Auftrag des Fürsten der Gläubigen auszurichten. Macht euch marschbereit, wir haben nichts mehr mit dieser Stadt zu schaffen.« Einer von ihnen sagte jedoch: »Vielleicht steht ein anderer fester.« Darauf stieg der zweite, dritte, vierte und fünfte auf die Mauer, und so fort einer nach dem andern, bis zwölf Mann hinaufgestiegen waren und es alle dem ersten gleich gethan hatten. Da sagte der Scheich Abd es-Samad: »Dies ist allein meine Sache, denn der Erfahrene ist nicht wie der Unerfahrene.« Der Emir Mûsā versetzte: »Thu' es nicht, ich will's nicht leiden, daß du auf die Mauer steigst, denn, so du umkommst, sterben wir alle bis auf den letzten Mann, da du des Volkes Führer bist.« Der Scheich Abd es-Samad entgegnete ihm jedoch: »Vielleicht bringt es meine Hand durch Gottes, des Erhabenen, Willen zu Wege.« Als sich nun alles Volk damit einverstanden erklärte, daß der Scheich Abd es-Samad hinaufstiege, erhob er sich und sprach, um sich Mut zu machen: »Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen!« Hierauf erklomm er die Leiter, indem er dabei fortwährend Gottes Namen anrief und die Verse der RettungGewisse Koranverse, die als Talisman gesprochen werden. hersagte, bis er oben auf der Mauer angelangt war und mit einem Male, wie er nun auf die Stadt zuschaute, ebenfalls mit den Händen zu klatschen begann. Da riefen ihm alle Leute zu: »O Scheich Abd es-Samad, thu's nicht! Stürz' dich nicht hinunter!« und jammerten: »Wir sind Gottes, und zu Ihm führt unser Weg zurück! Wenn sich der Scheich Abd es-Samad hinunterstürzt, so sind wir alle verloren.« Der Scheich Abd es-Samad aber lachte nun über die Maßen und setzte sich für eine lange Weile, Gottes, des Erhabenen, Namen anrufend und die Verse der Rettung hersagend; dann erhob er sich wieder und rief, so laut er konnte: »O Emir, seid unbesorgt! Gott, der Mächtige und Herrliche, hat Satans List und Tücke durch den Segen der Worte ›Bismillâhi er-Rahmâni er-Rahîmi, Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen,‹ abgewendet.« Da fragte ihn der Emir: »Was sahst du, o Scheich?« Er versetzte: »Als ich oben auf der Mauer anlangte, sah ich zehn Mädchen, schön wie Monde, die mir zuriefen –

Fünfhundertundvierundsiebzigste Nacht

und mit den Händen Zeichen gaben, zu ihnen herunterzukommen, wobei es mir vorkam, als befände sich ein großes Wasser zu meinen Füßen. Schon wollte ich mich gleich unsern Gefährten zu ihnen hinunterstürzen, als ich dieselben tot daliegen sah. Da nahm ich mich zusammen und recitierte etwas aus Gottes, des Erhabenen, Buch, worauf Gott ihre List und Zauberei von mir abwendete und sie mich verließen, so daß ich mich nicht hinunterstürzte. Zweifellos aber ist dieser Zaubertrug ein Werk der Bewohner dieser Stadt, einen jeden, der auf sie hinunterschauen oder in sie eindringen will, fernzuhalten, wie unsere Gefährten, die unten tot am Boden liegen.« Hierauf schritt er oben auf der Mauer entlang, bis er zu den beiden Messingtürmen kam, in denen er zwei Thore aus Gold sah, ohne Vorlegeschlösser an ihnen zu erblicken oder sonst eine Art und Weise, es zu öffnen, zu entdecken. Da blieb er lange Zeit stehen und schaute suchend umher, bis er mit einem Male mitten auf einem der Thore einen Reiter aus Messing erblickte, welcher seine Hand ausstreckte, wie wenn er ein Zeichen gäbe, und auf der etwas geschrieben stand. Da las es der Scheich Abd es-Samad, und siehe, da stand folgendes geschrieben: Reibe den Nagel in meinem Nabel zwölfmal, dann wird sich das Thor öffnen. Da betrachtete er den Reiter genau, bis er einen starken und festen Nagel fand, und rieb diesen zwölfmal, worauf das Thor sofort mit Donnerschall aufsprang. Dann trat der Scheich Abd es-Samad, der ein gebildeter und gelehrter Mann war und alle Sprachen und Schriften kannte, ein und gelangte in einen langen Gang, der ihn auf einer Reihe Stufen in einen Raum mit hübschen Bänken hinabführte, auf denen tote Männer saßen, über deren Häupter prächtige Schilde, scharfe Schwerter, besehnte Bogen und gekerbte Pfeile hingen; hinter dem Stadtthor aber befanden sich eine eiserne Stütze, hölzerne Barrikaden, feine Schlösser und andere feste Versicherungen. Da sprach der Scheich Abd es-Samad bei sich: »Vielleicht befinden sich die Schlüssel bei jenen Toten,« und ging zu ihnen. Als er nun unter ihnen auf einer hohen Bank einen Scheich sitzen sah, welcher der Oberste unter ihnen zu sein schien, meinte er: »Wer weiß, vielleicht sind die Schlüssel der Stadt bei diesem Scheich; möglichenfalls ist er der Stadtpförtner, und die andern sind seine Untergebenen.« Mit diesen Worten trat er an ihn heran und fand, wie er sein Kleid hob, die Schlüssel an seinem Leib hängen. Bei diesem Anblick flog dem Scheich Abd es-Samad fast der Verstand vor Freuden fort; er nahm die Schlüssel, trat wieder ans Thor, öffnete die Schlösser, zog an dem Thor, den Barrikaden und Versicherungen, bis er sie losbekommen hatte, und nun sprang das Thor infolge seiner Größe, seiner schreckenerregenden Beschaffenheit und seiner starken Versicherungen mit lautem Donnergetöse auf. Da rief er: »Allāh Akbar! Gott ist groß!« und die Leute erwiderten ihm hocherfreut mit dem gleichen Ruf und dankten ihm für seine That, während sich der Emir Mûsā ebenfalls darüber freute, daß der Scheich Abd es-Samad unversehrt geblieben war und das Thor geöffnet hatte. Als nun aber alle Truppen um die Wette durchs Thor eindringen wollten, rief ihnen der Emir Mûsā zu und sagte zu ihnen: »Ihr Leute, wenn wir alle auf einmal eindringen, so sind wir nicht sicher, daß uns irgend etwas zustößt; es soll daher nur die eine Hälfte eintreten und die andere zurückbleiben.« Hierauf trat der Emir Mûsā mit der Hälfte seiner Mannschaft, die alle ihre Kriegswehr trugen, durchs Thor ein, und begruben zunächst ihre toten Gefährten. Dann sahen sie die Pförtner, Eunuchen, Kämmerlinge und Offiziere auf seidenen Pfühlen liegen, doch waren alle tot. Hierauf gelangten sie zum Bazar der Stadt, der lauter hohe Gebäude von gleicher Größe hatte, und fanden die Läden offen, die Wagen aufgehängt, die Messinggefäße aufgereiht, die Châne mit Waren aller Art angefüllt, doch saßen die Kaufleute tot auf ihren Bänken, teils mit eingetrockneter Haut, teils mit verfaulten Knochen, eine Lehre für alle, die sich belehren lassen. Weiter gewahrten sie dann vier Bazare mit getrennten Läden, die alle voll reichem Gut waren; doch verließen sie dieselben und begaben sich zum Seidenwarenbazar, auf dem sie Seidenstoffe und Brokate, durchwirkt mit rotem Gold und weißem Silber auf bunten Farben, fanden, doch lagen ihre Besitzer tot auf roten Ziegenledern da, wiewohl es fast so aussah, als wollten sie sprechen. Von hier gelangten sie zum Bazar für Juwelen, Perlen und Hyazinthen und von diesem zum Bazar der Geldwechsler, die in Läden voll Gold und Silber auf allerlei seidenen Teppichen saßen. Von hier gelangten sie zum Bazar der Parfümeure, deren Läden mit allerlei Parfüms und mit Moschusblasen, Ambra, Aloe, Nedd, Kampfer und dergleichen Spezereien angefüllt waren; doch lagen die Inhaber der Läden alle tot da, und nichts Eßbares befand sich bei ihnen. Nahe bei dem Bazar der Parfümeure stießen sie auf ein fest erbautes und schön verziertes Schloß, und traten in dasselbe ein, in dem sie nun entrollte Banner, gezückte Schwerter, besehnte Bögen, Schilde, die an goldenen und silbernen Ketten aufgehängt waren, und vergoldete Helme fanden. In der Vorhalle jenes Schlosses standen Bänke aus Elfenbein, beschlagen mit gleißendem Gold und mit Seide, auf denen Männer lagen, deren Haut an ihrem Gebein zusammengeschrumpft war; ein Thor hätte sie für Schlafende gehalten, doch waren sie aus Mangel an Nahrung umgekommen und hatten den Tod geschmeckt. Als der Emir Mûsā dies sah, blieb er stehen, Gott, den Erhabenen heiligend und preisend und betrachtete die Schönheit jenes Schlosses, seinen festen Bau, und seine kunstvolle und solide Ausführung. Der größte Teil seiner Malereien war in Lazur ausgeführt, und rings um dasselbe standen folgende Verse geschrieben:

Betrachte, was du hier schaust, o Mann,
Und sei auf der Hut, bevor du von hinnen fährst.
Bereite dir guten Proviant, daß du dich seiner erfreust,
Denn alle Häuserbewohner müssen von hinnen ziehn.
Betrachte ein Volk, das sich seine Wohnungen schmückte
Und in den Staub sank als Pfand für seine Werke.
Sie bauten, doch frommten ihnen die Bauten nichts, und Schätze sammelten sie,
Doch all ihr Geld errettete sie nicht, als ihre Todesstunde schlug.
Wie oft hofften sie auf Dinge, die ihnen nicht verhängt waren,
Und dann fuhren sie zu den Gräbern, und all ihr Hoffen war umsonst.
Vom Gipfel der Macht und Herrlichkeit wurden sie gestürzt
In enge Grabesniedrigkeit, – eine schlimme Behausung!
Und als sie begraben waren, rief eine Stimme ihnen zu:
Wo sind die Throne, die Kronen und all der Schmuck,
Und wo die Angesichter, die hinter Schleier und Vorhang sich bargen,
Und das Grab giebt dem Fragenden für sie laut und deutlich Auskunft:
Von den Wangen sind alle die Rosen gewichen;
Lange Zeit aßen und tranken sie hienieden,
Doch nun werden sie nach allen Schmausereien gefressen.

Da weinte der Emir Mûsā, bis er in Ohnmacht sank; dann befahl er diese Verse aufzuschreiben und trat in den Innenraum des Schlosses.

Fünfhundertundfünfundsiebzigste Nacht

Hier fand er eine große Halle, auf die vier einander gegenüberliegende hohe, große und weite Zimmer hinausgingen, die mit Gold und Silber und bunten Farben bemalt waren. Mitten in der Halle befand sich ein großer marmorner Springbrunnen, über welchen ein Baldachin von Brokat ausgespannt war. In den vier Zimmern befanden sich Sitzplätze, von denen ein jeder einen prunkvoll gebauten Springbrunnen und ein marmoriertes Becken hatte, aus denen das Wasser in Kanälen in ein großes, mit buntem Marmor ausgelegtes Bassin lief. Der Emir Mûsā sagte nun zum Scheich Abd es-Samad: »Komm, wir wollen in diese Zimmer treten.« Hierauf traten sie in das erste Zimmer, das sie angefüllt mit Gold, weißem Silber, Perlen, Edelsteinen, Hyazinthen und andern kostbaren Erzen und Gesteinen fanden, sowie Kisten voll von rotem, gelbem und weißem Brokat. Dann begaben sie sich in das zweite Zimmer, in welchem sie eine Kammer öffneten, die mit Waffen und Kriegszeug, wie vergoldeten Helmen, davidischen Panzern, indischen Schwertern, Lanzen von El-ChattEin Ort in Jemen., chwaresmischen Keulen und anderm Kriegszeug angefüllt war. Von hier begaben sie sich zum dritten Zimmer, in welchem sie verschlossene und mit reichgestickten Vorhängen bedeckte Kammern erblickten. Sie öffneten eine der Kammern und fanden sie voll Waffen, die reich mit Gold und Silber verziert und mit Edelsteinen besetzt waren. Alsdann begaben sie sich zum vierten Zimmer, in welchem sie ebenfalls Kammern fanden, von denen sie eine öffneten; da fanden sie dieselbe ganz von goldenem und silbernem Speise- und Trinkgeschirr, von krystallenen Schalen, Bechern, die mit glänzenden Perlen besetzt waren, Kelchen aus Karneol und dergleichen angefüllt und machten sich darüber her nach Herzenslust von den Sachen an sich zu nehmen und so viel wegzuschleppen, wie nur ein jeder zu tragen vermochte. Als sie die Zimmer verließen, gewahrten sie mitten im Schloß eine Thür aus Teakholz mit Ebenholz- und Elfenbeineinlagen, die mit gleißendem Gold beschlagen, mit einem seidenen reichgeschmückten Vorhang verhängt und mit Schlössern aus weißem Silber verschlossen war, die sich ohne Schlüssel und nur durch einen Kunstgriff öffnen ließen. Der Scheich Abd es-Samad trat jedoch unverzagt an die Schlösser heran und öffnete sie durch seine Klugheit und Geschicklichkeit, worauf sie in einen mit Marmor gepflasterten Flur traten, dessen Wände mit Vorhängen behängt waren, auf denen allerlei wilde Tiere und Vögel mit rotem Gold und weißem Silber gestickt waren, während ihre Augen aus Perlen und Edelsteinen bestanden, alle, die sie schauten, mit ihrem Glanze blendend. Von hier gelangten sie in einen Saal aus poliertem, mit Edelsteinen eingelegtem Marmor, der so blank war, daß er dem Beschauer wie fließendes Wasser vorkam, und daß jeder auf ihm ausglitt. Als der Emir Mûsā dies sah, erstaunte er über die Pracht des Saales und befahl dem Scheich Abd es-Samad etwas auf den Fußboden zu streuen, um darauf gehen zu können. Nachdem dies geschehen war, schritten sie weiter und gelangten zu einem großen steinernen vergoldeten Pavillon, wie sie in ihrem ganzen Leben keinen schönern gesehen hatten, in der Mitte überwölbt von einer großen marmornen Kuppel, die ringsherum Gitterfenster hatte, welche mit smaragdenen Stäbchen verziert waren, wie sie kein König besaß. In dem Pavillon war auf Trägern von rotem Gold ein Baldachin aus Brokat ausgespannt, in welchen Vögel mit Füßen aus grünem Smaragd gestickt waren, während sich unter jedem Vogel ein Netz von glänzenden Perlen befand; der Baldachin selber stand über einem Springbrunnen, neben welchem ein mit Perlen, Juwelen und Hyazinthen besetztes Sofa stand, auf welchem ein Mädchen gleich der leuchtenden Sonne dalag, wie kein Auge ein schöneres geschaut hatte. Sie hatte ein glänzendes Perlenkleid an, auf ihrem Haupt trug sie eine Krone aus rotem Gold und eine edelsteinbesetzte Binde, um ihren Hals hatte sie eine Juwelenschnur, auf ihrer Brust funkelten ebenfalls Juwelen, und auf ihrer Stirn flammten zwei Edelsteine so hell wie die Sonne; sie selber aber schien die Ankömmlinge anzuschauen und sie von rechts und links zu betrachten.

Fünfhundertundsechsundsiebzigste Nacht

Als der Emir Mûsā dieses Mädchen sah, verwunderte er sich höchlichst über ihre Anmut und war ganz verwirrt von ihrer Schönheit, ihren roten Wangen und ihrem schwarzen Haar, wodurch der Beschauer sie für lebend und nicht tot halten mußte; und die Leute begrüßten sie und sprachen zu ihr: »Frieden sei auf dir, o Mädchen!« Da sagte jedoch Tâlib bin Sahl: »Gott helfe dir! Wisse, dieses Mädchen ist tot und ohne Leben; wie sollte sie also den Salâm erwidern? Dies ist nur ein kunstvoll präparierter Leichnam, dessen Augen nach dem Tode herausgenommen und nach Füllung der Höhlen mit Quecksilber wieder eingesetzt wurden, so daß sie blitzen und blinken und es dem Beschauer vorkommt, als blinzle sie mit den Lidern.« Da rief der Emir Mûsā: »Preis sei Gott, welcher die Menschen dem Tode unterworfen hat!« Das Sofa aber, auf welchem das Mädchen lag, hatte Stufen, auf welchen zwei Sklaven, ein weißer und ein schwarzer, standen, von denen der eine eine Keule aus Stahl und der andere ein edelsteinbesetztes Schwert hielt, das den Blick blendete. Zwischen beiden stand eine goldene Tafel mit folgender Inschrift: Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen! Gelobt sei Gott, der Schöpfer der Menschen, der da ist der Herr der Herren, der Ursachen Verursacher. Im Namen Gottes, des Unvergänglichen, Ewigen! Im Namen Gottes, des Vorausbestimmers des Schicksals und Verhängnisses! O Menschenkind, was hat dich bethört in deinem langen Hoffen, und was hat dich deines Lebens Ende vergessen lassen? Weißt du nicht, daß der Tod dich in Bälde ruft und herbeieilt deine Seele zu packen? Darum rüste dich zur Fahrt und versorge dich mit Proviant aus der Welt, die du binnen kurzem verlassen mußt. Wo ist Adam, der Vater der Menschen? Wo Noah mit seinen Sprossen? Wo sind die Chosroenkönige und wo die Cäsaren? Wo sind die Könige von Indien und vom Irâk? Wo sind die Könige der Welt, wo die Amalekiter und die alten Recken? Ihre Wohnungen stehen leer, und verlassen haben sie ihre Sippen und Heimstätten. Wo sind die Könige von Adschamland und von Arabien? Gestorben sind sie allzumal und verfault und verwest. Wo sind die hochmögenden Herren? Alle sind sie tot. Wo ist Kārûn und Hāmân?Kārûn ist der Korah der Bibel. Vgl. Sure 28, wo Haman ebenfalls zum Zeitgenossen Pharaos gemacht wird. Wo Schaddâd, der Sohn Ads, wo Kanaan und Zul-Autâd?Zul-Autâd, der Herr der Zeltpflöcke, ist Pharao, Sure 38, 11; so genannt, sei es wegen seines Starrsinns oder weil er die Leute zu foltern pflegte, indem er ihnen Hände und Füße an Pfähle band. Bei Gott, der Schnitter des Lebens zerschnitt ihren Odem und vereinsamte ihr Haus. Und ob sie sich wohl Proviant verschafften für den Tag der Heimkehr und sich die Antwort bereiteten für den Herrn der Menschen? O du, so du mich nicht kennest, so will ich dir nennen meinen Namen, ich bin Tadmura,So die Breslauer Ausgabe. Nach der Kalkuttaer und Būlâker: Tarmus, Sohn der Tochter der Amalekiterkönige. Tadmura, Erbauerin der Stadt Tadmor (Palmyra). die Tochter der Amalekiterkönige, jener Könige, welche die Lande in Gerechtigkeit beherrschten. Ich nannte mein, was kein König sein eigen nannte, und herrschte in Gerechtigkeit und Unparteilichkeit über die Unterthanen; ich gab den Sklavinnen und Sklaven die Freiheit, bis mich plötzlich der Tod überfiel und das Verderben mich heimsuchte. Und also geschah's: Sieben Jahre hintereinander fiel kein Regen vom Himmel und kein Grün sproßte auf der Erde, so daß wir uns, nachdem wir alle unsere Vorräte aufgebraucht hatten, an unser Vieh machten und es verzehrten, bis uns nichts mehr übrig geblieben war. Alsdann ließ ich all meine Schätze vor mich bringen und mit Maßen messen, worauf ich zuverlässige Leute mit dem Geld nach Lebensmitteln ausschickte. Doch wiewohl sie alle Länder durchzogen und alle Städte aufsuchten, fanden sie nichts und kehrten nach langer Abwesenheit wieder zu uns zurück. Da breiteten wir all unser Geld und unsere Schätze aus und verriegelten die Thore der Burgen unserer Stadt, uns dem Beschluß unsers Herrn anheimgebend und unser Schicksal unserm König überlassend. So starben wir allzumal, wie du uns hier schaust, und ließen zurück, was wir bauten und aufspeicherten. Solches ist unsere Geschichte, und von dem Wesen blieb nur die Spur.

Unten am Fußende der Tafel fanden sie dann noch folgende Verse geschrieben:

O Menschenkind, laß dich nicht von deiner Hoffnung verspotten,
Denn alle Schätze, die deine Hände zusammengescharrt, mußt du verlassen.
Ich schaue dich hängen an der Welt und ihrem eitlen Tand,
Doch so wie du thaten Völker und Völker vor dir.
Schätze erwarben sie zu Recht und durch Raub und Gewalt,
Doch hemmten sie nicht das Schicksal, als ihre Stunde schlug.
Truppen führten sie an in Scharen und häuften Reichtümer an,
Doch mußten sie die Schätze verlassen und aus ihren Häusern ziehn.
Zu den engen Gräbern mußten sie fahren und sich im Staube betten,
In dem sie nun ruhen als Pfand für all ihre Werke,
Einer Karawane gleich, die ihr Gepäck ablud zur Nacht
In einem Haus, das keine Gäste beherbergt,
Und dessen Herr zu ihnen spricht: Ihr Leute, hier ist kein Platz für euch;
So packten sie wieder auf, nachdem sie erst eben abgestiegen waren,
Und wurden alle furchtsam und verzagt
Und hatten weder Freude am Einkehren noch am Aufbrechen.
Drum verschaffe dir guten Proviant, der dich kommenden Tages erfreut.
Und lebe nur in der Furcht deines Herrn.

Der Emir Mûsā weinte als er diese Worte vernahm. Dann las er weiter: »Bei Gott, Gottesfurcht ist aller Dinge bestes, die Gewähr und der festeste Pfeiler. Und der Tod ist die offenkundige Wahrheit und die gewisse Verheißung, und in ihm, o du, ist das Asyl und letzte Ziel. Nimm dir daher eine Lehre an denen, die vor dir in den Staub fuhren und die Straße der Heimkehr eilig zogen. Siehst du nicht, daß dich die grauen Haare zur Grube rufen, und daß deine weißen Locken deines Lebens Los betrauern? Darum wache und sei bereit zur Fahrt und zur Rechenschaft. O Menschenkind, was hat dein Herz verhärtet und dich bethört, daß du deinen Herrn vergissest? Wo sind die Völker alter Zeiten? Sie sind eine Lehre für alle, die sich belehren lassen. Wo sind Chinas Könige und die mächtigen und gewaltigen Herren? Wo ist Ad, der Sohn Schaddâds, und all seine Bauten? Wo ist Nimrod, der Rebell und Gottesverächter? Wo ist Pharao, der Verleugner und Gottesverwerfer? Allen folgte der Tod auf der Spur und rang sie nieder, weder Groß noch Klein verschonend, weder Mann noch Weib. Der Schnitter des Lebens schnitt ihnen den Odem ab, so wahr der Herr lebt, der die Nacht folgen lässet dem Tag! Wisse, der du kommst an diesen Ort, und mich hier schaust, nicht ließ ich mich verführen von der Welt und ihren eitlen Freuden, denn sie ist voll Trug und Falsch, ein Haus der Zerstörung und Verblendung; und Heil dem Menschen, der seiner Sünde gedenkt, der seinen Herrn fürchtet, der rechtschaffen ist in seinem Treiben und Thun und sich Proviant bereitet für den Tag der Heimkehr! Wer nun zu unserer Stadt kommt und sie mit Gottes Hilfe betritt, der nehme so viel Gut mit sich als er nur vermag, doch rühre er nichts an meinem Leibe an, denn es ist die Hülle meiner Scham und meine Ausstattung für meine Fahrt aus der Welt; darum fürchte er Gott und raube nichts davon, daß er sich nicht selber verderbe. Dies habe ich als eine Warnung für ihn aufgestellt, und als ein Unterpfand ihm anvertraut. Frieden auf euch, und ich bitte Gott euch vor Unheil und Krankheit zu schützen.

Fünfhundertundsiebenundsiebzigste Nacht

Als der Emir Mûsā diese Worte hörte, weinte er bitterlich, bis er in Ohnmacht sank. Als er wieder zu sich kam, schrieb er alles auf und ließ sich alles, was er gesehen hatte, als Lehre dienen. Hierauf sagte er zu seinen Gefährten: »Holt die Doppelsäcke und packt all dieses Geld, die Gefäße, Kostbarkeiten und Edelsteine hinein.« Da sagte Tâlib bin Sahl zum Emir Mûsā: »O Emir, sollen wir dieses Mädchen mit all ihrem Schmuck hier lassen, der seinesgleichen nicht hat, dem ähnliches nie wieder gefunden wird? Es ist viel besser als alle Kostbarkeiten, die du nimmst, und das schönste Geschenk, durch das wir die Gunst des Fürsten der Gläubigen gewinnen können.« Der Emir Mûsā versetzte: »Du da, hast du nicht vernommen, was uns das Mädchen auf der Tafel befiehlt, zumal wo sie es uns als Unterpfand giebt und wir keine treulosen Buben sind?« Der Wesir Tâlib entgegnete jedoch: »Sollen wir etwa wegen der Worte da diese Schätze und Edelsteine liegen lassen, wo sie tot ist? Was sollte sie wohl hiermit anfangen, wo dies der Schmuck der Welt und nur der Lebenden Zier ist, und wo ein Wollenkleid zu ihrer Hülle ausreicht? Uns kommt es mehr zu als ihr.« Hierauf trat er an die Treppe heran und stieg die Stufen hinauf, bis er zwischen den beiden Säulen stand; als er aber zwischen die beiden Hüter trat, versetzte ihm der eine einen Keulenschlag auf den Rücken, während der andere ihm mit einem Schwertstreich das Haupt herunterholte, so daß er tot zu Boden stürzte. Da sagte der Emir Mûsā: »Gott erbarme sich nicht deiner Ruhestätte! Fürwahr, es war genug an diesen Schätzen; die Habgier erniedrigt einen Mann.« Hierauf ließ er die Truppen eintreten, welche die Kamele mit den Schätzen und Edelerzen und Gesteinen beluden; dann befahl er ihnen das Thor wieder zu verriegeln, wie es zuvor gewesen war, und zog mit ihnen am Meeresgestade entlang, bis sie in Sicht eines hohen Berges gelangten, der das Meer überragte und voll von Höhlen war, in denen ein Negervolk hauste, das in lederne Häute gekleidet war, auf den Köpfen ebenfalls Burnusse aus Leder trug und eine unbekannte Sprache redete. Als die Schwarzen die Truppen erblickten, flüchteten sie erschreckt zu jenen Höhlen, während ihre Weiber und Kinder an den Eingängen derselben standen. Da fragte der Emir Mûsā: »Scheich Abd es-Samad, was sind das für Menschen?« Der Scheich erwiderte: »Sie sind die vom Fürsten der Gläubigen Gesuchten.« Hierauf stiegen sie ab, nahmen die Lasten herunter und schlugen die Zelte auf; kaum aber waren sie damit fertig geworden, als der König der Schwarzen, der Arabisch sprach, vom Berge zu ihnen herunterstieg. Als er zu dem Emir Mûsā gelangte, begrüßte er ihn, worauf dieser ihm den Salâm erwiderte und ihn mit Auszeichnung aufnahm. Dann fragte ihn der König der Schwarzen: »Seid ihr Menschen oder Dschinn?« Der Emir Mûsā erwiderte: »Was uns anlangt, so sind wir Menschen, ihr aber seid ohne Zweifel Dschinn, da ihr so abgelegen von allen Geschöpfen auf diesem einsamen Berge haust und solche riesigen Leiber habt.« Der König der Schwarzen versetzte jedoch: »Nein, wir sind ebenfalls Menschen und sind vom Stamme der Kinder Cham, des Sohnes Noahs, – Frieden sei auf ihm! – dieses Meer aber heißt das Meer von El-Karkar.« [Einschaltung nach der Macnaghtenschen Ausgabe.Nun fragte der Emir Mûsā: »O König, was habt ihr für eine Religion und was betet ihr an?« Der König erwiderte: »Wir beten den Gott der Himmel an und unsere Religion ist die Religion Mohammeds, – Gott segne ihn und spende ihm Heil! –«] Da fragte der Emir Mûsā: »Und wie kamt ihr zur Kenntnis hiervon, wo kein Prophet in dieses euer Land entsandt wurde?« Der König versetzte: »Wisse, o Emir, uns erschien aus diesem Meere ein Mann, von dem ein Licht ausstrahlte, das die weite Welt erhellte, und der mit so lauter Stimme rief, daß man es nah und fern hören konnte: »Ihr Kinder Cham, verehrt den, der sieht und nicht gesehen wird, und sprechet: Es giebt keinen Gott außer Gott, Mohammed ist der Gesandte Gottes! – Und ich bin Abul-Abbâs el-Chidr. Vor diesem hatten wir einander angebetet, nun aber lud er uns ein zur Anbetung des Herrn der Menschen. Außerdem aber lehrte er uns auch noch andere Worte zu sprechen.« Da fragte der Emir Mûsā: »Und welches sind sie?« Der König erwiderte: »Sie lauten: Es giebt keinen Gott außer dem einigen Gott, der keinen Genossen hat; Ihm ist das Reich und Ihm das Lob. Er giebt das Leben und den Tod und hat Macht über alle Dinge. Mit keinen andern Worten als mit diesen nähern wir uns Gott, dem Mächtigen und Herrlichen, denn nur diese kennen wir. Und in jeder Nacht zum Freitag schauen wir ein Licht auf dem Angesicht der Erde und hören eine Stimme, die da ruft: Hehr und heilig ist der Herr der Engel und des Geistes.Der heilige Geist ist gemeint, der Erzengel Gabriel. Was Gott will, das geschieht, und was er nicht will, das geschieht nicht. Alles Gute kommt von Gottes Gnade, und es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen!« Hierauf sagte der Emir Mûsā zu ihm: »Wir sind Boten vom König des Islâms Abd el-Melik, dem Sohn des Merwân, und kommen her wegen der kupfernen Flaschen, die bei euch im Meer liegen, und in welche seit der Zeit Salomos, des Sohnes Davids – Frieden auf beide! – die Satane eingesperrt sind! Er befahl uns, ihm einige Flaschen zu bringen, damit er sie sähe und sein Vergnügen an ihnen hätte.« Der König der Schwarzen erwiderte: »Freut mich und ehrt mich.« Hierauf bewirtete er sie mit dem Fleisch von Fischen und befahl den Tauchern einige suleimanische Flaschen aus dem Meer herauszuholen, worauf dieselben zwölf Flaschen brachten. Der Emir Mûsā, der Scheich Abd es-Samad und alle Truppen freuten sich hierüber, da sie nunmehr den Auftrag des Fürsten der Gläubigen ausgerichtet hatten, und der Emir Mûsā machte dem König der Schwarzen viele Geschenke und reiche Präsente, die der König der Schwarzen ihm mit einem Geschenk von menschenähnlichen Meerwundern erwiderte, indem er zu ihm sagte: »Ihr seid während dieser drei Tage, die ihr bei uns verweiltet, mit dem Fleisch dieser Fische bewirtet.« Da entgegnen der Emir Mûsā: »Wir müssen unbedingt einige dieser Fische mit uns nehmen, daß der Fürst der Gläubigen sie sieht, da er an ihnen größere Freude als an den suleimanischen Flaschen haben wird.«

Hierauf verabschiedeten sie sich von ihm und traten den Heimweg an, bis sie wieder nach Damaskus im Lande Syrien gelangten. Hier angelangt, traten sie vor den Fürsten der Gläubigen Abd el-Melik, den Sohn des Merwân, und der Emir Mûsā berichtete ihm alles, was er geschaut, und alle die Verse, die Nachrichten und Ermahnungen, die er gelesen hatte, sowie auch Tâlib bin Sahls Schicksal, worauf der Fürst der Gläubigen versetzte: »Wäre ich doch bei euch gewesen, daß ich hätte schauen können, was ihr schautet!« Dann nahm er die Flaschen und öffnete eine nach der andern, worauf die Satane aus ihnen herausfuhren und zur Verwunderung Abd el-Melik bin Merwâns riefen: »Wir bereuen, o Prophet Gottes, und wollen nimmermehr wieder so sein.«

Was aber die Meertöchter anlangt, die ihnen der König der Schwarzen geschenkt hatte, so setzten sie dieselben in Wassertröge, doch starben sie in der großen Hitze.

Fünfhundertundachtundsiebzigste Nacht

Hierauf ließ der Fürst der Gläubigen die Schätze vor sich bringen und verteilte sie unter die Moslems, wobei er sprach: »Keinem verlieh Gott, was er Salomo, dem Sohne Davids, verlieh.« Der Emir Mûsā aber bat den Fürsten der Gläubigen seinen Sohn an seiner Statt als Statthalter über seine Provinz einzusetzen, damit er sich selber nach der heiligen Stadt Jerusalem begeben könne, um daselbst Gott anzubeten; und der Fürst der Gläubigen setzte ihn ein, worauf er sich auf den Weg nach der heiligen Stadt machte, in der er starb.

Das ist alles, was von der Geschichte der messingnen Stadt auf uns gekommen ist, und Gott weiß es besser.

 


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