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Tausend und eine Nacht. Band II
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Geschichte des Oberküchenmeisters.

»Wisse, ich war vergangene Nacht in einer Gesellschaft, welche eine Koranverlesung veranstaltet hatte, an welcher auch die Gelehrten der Rechtswissenschaft und Theologie teilnahmen. Als nun die Vorleser geendigt hatten, und man die Speisen auftrug, befand sich unter den Gerichten auch Sirbâdsche. Wir setzten uns und aßen, einer von uns aber hielt sich zurück und weigerte sich von der Sirbâdsche zu essen. Wie wir ihn nun beschworen, und in ihn drangen, verschwur er sich hoch und teuer nicht davon zu essen und sagte: »Drängt mich nicht, ich habe schon genug an dem Essen der Sirbâdsche gehabt.« Wir sagten zu ihm infolgedessen, nachdem wir unsere Mahlzeit beendet hatten: »Um Gott, warum weigerst du dich von dieser Sirbâdsche zu essen?« Da antwortete er: »Weil 31 ich von ihr nur unter der Bedingung essen kann, daß ich mir zuvor die Hände vierzigmal mit Alkali, vierzigmal mit Gelbwurz und vierzigmal mit Seife, im ganzen hundertundzwanzigmal, wasche.« Nun befahl der Gastgeber seinen Sklaven Wasser und die andern Sachen, die er verlangte, zu bringen. Als er sich dann die Hände in der Weise, wie er es angegeben, gewaschen hatte, setzte er sich widerwillig zu Tisch, streckte die Hand furchtsam in die Sirbâdsche und that sich beim Essen Zwang an, so daß wir uns aufs äußerste verwunderten. Seine Hand zitterte, und nun gewahrten wir auch, daß ihm der Daumen abgehauen war, und er mit vier Fingern aß. »Um Gott,« sagten wir, »warum fehlt dir dein Daumen? Ist deine Hand so von Gott erschaffen oder hat es damit eine besondere Bewandtnis?« Da antwortete er: »O meine Brüder, nicht dieser Daumen allein, sondern auch der Daumen der andern Hand und die beiden großen Zehen an den Füßen fehlen mir. Schaut her!« und entblößte seine andere Hand, die ganz gleich der rechten Hand war, und seine Füße.

Als wir dies sahen, verwunderten wir uns noch mehr und sagten zu ihm: »Wir haben keine Ruhe, ehe du uns nicht erzählst, weshalb dir die beiden Daumen an den Händen und die großen Zehen an den Füßen abgehauen sind, und weshalb du deine Hände hundertundzwanzigmal gewaschen hast.«

Darauf erzählte er: »Wisset, daß mein Vater ein hochangesehener Kaufmann und der erste der Kaufleute in der Stadt Bagdad in den Tagen des Chalifen Hārân er-Raschîd war; doch liebte er den Wein und das Lautenspiel so leidenschaftlich, daß er bei seinem Tode nichts hinterließ. Nachdem ich sein Leichenbegängnis besorgt, Koranverlesungen verordnet und ihn manche Nacht und manchen Tag betrauert hatte und dann seinen Laden wieder öffnete, fand ich, daß er nur wenig hinterlassen und viele Schulden gemacht hatte. Ich vertröstete und beschwichtigte jedoch seine Gläubiger, kaufte und verkaufte und zahlte fortwährend von Woche zu Woche 32 den Gläubigern ab, bis ich nicht nur alle Schulden getilgt, sondern auch mein Kapital vermehrt hatte.

Wie ich nun eines Tages so dasaß, sah ich eine junge Dame, wie sie mein Auge bisher schöner noch nicht gesehen hatte, in kostbarem Schmucke und prächtigen Kleidern auf einem Maultier reiten, mit einem Sklaven voran und einem andern hintennach. Am Anfang des Bazars hielt sie an und ging hinein, während ihr ein Eunuch folgte und zu ihr sagte: »Meine Herrin, gieb dich keinem zu erkennen, daß du nicht das Feuer auf uns loslässest.« Als sie sich nun, von dem Eunuchen sorgfältig behütet, die Kaufläden besah, fand sie keinen schöner als den meinigen und ließ sich, von dem Eunuchen begleitet, in meinem Laden nieder. Der Klang ihrer Stimme beim Gruß und ihre Worte schienen mir süßer und wohltönender zu sein, wie ich sie je vernommen hatte; wie sie nun auch ihr Gesicht entschleierte, und ich einen Blick darauf warf, stiegen tausend Seufzer in mir auf, und die Liebe zu ihr ergriff mein Herz so mächtig, daß ich sie immer wieder anschauen mußte und die Verse sprach:

»Sprich zur Schönen im taubenfarbenen Schleier:
Nur der Tod giebt mir Ruhe vom Liebesleid;
Beglücke mich mit einem Besuch, daß ich am Leben bleibe,
Siehe, meine Hand streck' ich aus nach deiner Gabe.«

Darauf antwortete sie mir mit den Versen:

»Mein Herz sei dahin, wenn ich euch nicht mehr liebte,
Denn mein Herz kann keinen andern lieben als euch;
Und sähe mein Auge nach den Reizen eines andern,
So möge euer Anblick es nimmer wieder erfreun.
Ich legte einen Schwur ab, euch nimmer zu vergessen,
Und mein Herz leidet in heißem Liebesschmerz.
Einen Becher voll lauterster Glut reichte mir die Liebe,
Ach, daß er auch euch tränkte, wie er mich getränkt hat!
Müßt ihr von hinnen gehn, so nehmt meinen letzten Hauch mit,
Und begrabt mich dort, wo ihr einkehrt, euch gegenüber;
Nennt ihr dann meinen Namen, so wird euch antworten
Ein Seufzer meiner Gebeine, sobald ihr die Stimme erhebt.
Spräche man zu mir: »Was heischest du von Gott?«
Wahrlich ich sagte: »Zuerst sein Wohlgefallen und dann das Eure.« 33

Als sie ihre Verse beendet hatte, fragte sie mich: »Junger Mann, hast du hübsche Stoffe?« Ich antwortete ihr: »Ach, meine Herrin, dein Mamluk ist arm; gedulde dich aber, bis die Kaufleute ihre Läden öffnen, dann will ich dir alles, was du wünschest, bringen.« Hierauf unterhielten wir uns beide, bis die Kaufleute ihre Läden öffneten, was mich anlangt, im Meer der Liebe versunken und verirrt in der Wüste der Leidenschaft. Dann machte ich mich auf und holte ihr alles, was sie verlangte, für einen Preis von fünftausend Dirhem. Darauf übergab sie es dem Eunuchen und verließ mit ihm den Bazar; das Maultier wurde ihr vorgeführt, und sie ritt fort, ohne daß sie mir gesagt hätte, woher sie wäre, und ohne daß ich sie danach gefragt hätte, da ich mich schämte. So war ich demnach den Kaufleuten für eine Schuld von fünftausend Dirhem haftbar geworden.

Als ich trunken vor Liebe nach Hause gegangen war, und man mir das Abendessen vorsetzte, kostete ich einen Bissen, doch schmeckte mir nichts, da ich fortwährend an ihre Schönheit und Anmut denken mußte, und war auch nicht imstande zu schlafen. Eine Woche lang hatte ich in diesem Zustande zugebracht, als die Kaufleute von mir Geld verlangten; ich bat sie, sich noch eine Woche zu gedulden, und nach Verlauf derselben kam sie auch wieder auf dem Maultier geritten mit dem Eunuchen und den beiden Sklaven, begrüßte mich und sagte: »Mein Herr, wir haben dich lange auf das Geld fürs Zeug warten lassen; hol' den Wechsler und nimm das Geld in Empfang.« Als der Wechsler kam, gab ihm der Eunuch das Geld, und ich nahm es von ihm in Empfang; dann unterhielten wir uns wieder, bis sich der Bazar füllte, und die Kaufleute ihre Läden öffneten. Nun sagte sie zu mir: »Bring' mir dies und das.« Als ich ihr das Gewünschte von den Kaufleuten besorgt hatte, nahm sie es und ging fort, ohne daß sie zu mir über den Preis gesprochen hätte. Bei ihrem Fortgehen bereute ich es, da ich ihr für tausend Dinare Waren besorgt hatte, und sprach bei mir, als sie meinen 34 Blicken entschwunden war: »Was ist das für eine Liebe! Sie giebt mir fünftausend Dirhem und nimmt dafür Waren für tausend Dinare.« Meinen Bankerott und den Verlust des Geldes anderer Leute befürchtend, sprach ich: »Die Kaufleute kennen nur mich; diese Frau ist weiter nichts als eine Schwindlerin, die mich mit ihrer Schönheit und Anmut betrogen hat; sie sah, daß ich jung war, und lacht mich nun aus, da ich es unterließ sie nach ihrer Wohnung zu fragen.« Meine Beunruhigung ließ nicht nach, zumal da sie diesmal länger als einen Monat ausblieb, und die Kaufleute mich nach ihrem Gelde bestürmten. Schon bot ich meinen Besitz zum Verkauf aus und sah meinen Untergang vor Augen, als sie plötzlich, wie ich so in trüben Gedanken dasaß, am Thor des Bazars abstieg und zu mir kam.

Bei ihrem Anblick schwand mein Kummer, und ich vergaß völlig meine üble Lage. Sie trat nun zu mir heran und unterhielt mich mit ihrem angenehmen Geplauder, bis sie sagte: »Bringe die Wage und wäge dein Gold ab.« Was sie mir aber gab, überstieg noch den Preis der Ware. Darauf unterhielt sie sich wieder vergnügt mit mir, während ich vor Freude und Fröhlichkeit halb tot war. Auf einmal fragte sie mich: »Hast du eine Frau?« Ich erwiderte: »Nein, ich kenne keine Frauen,« und weinte. Da fragte sie mich: »Warum weinst du?« Ich antwortete: »Über etwas, das mir in den Sinn gekommen ist.« Darauf nahm ich einige Dinare, gab sie dem Eunuchen und bat ihn den Vermittler zu machen. Er aber lachte und sagte: »Sie liebt dich mehr als du sie; es ist ihr auch gar nicht um das Zeug zu thun, sondern nur, weil sie dich liebt, kommt sie hierher. Sprich nur deine Wünsche zu ihr aus, sie wird nicht Nein sagen.«

Sie hatte es jedoch bemerkt, daß ich dem Eunuchen die Dinare gegeben hatte, und kam infolgedessen wieder zurück und setzte sich. Da sprach ich zu ihr: »Schenke deinem Mamluken das Almosen und gewähre ihm Verzeihung für das, was er sagen will,« und trug ihr dann vor, was ich auf 35 dem Herzen hatte. Hierüber erfreut willigte sie ein und sagte: »Dieser Eunuch wird dir einen Brief von mir bringen, thue, was er dich heißen wird.« Dann erhob sie sich und ging fort, während ich mich zu den Kaufleuten begab und ihnen ihr Geld einhändigte; den Gewinn am Geschäft aber hatten sie, während mich allein Schmerzen über unsern abgebrochenen Verkehr und eine schlaflose Nacht lohnten. Nach wenigen Tagen aber schon kam ihr Eunuch zu mir; ihn höflich aufnehmend, fragte ich nun nach ihr, worauf er mir die Antwort gab: »Sie ist krank.« Da bat ich ihn: »Gieb mir Auskunft über sie.« Er erwiderte: »Diese junge Dame ist von der Herrin Subeide, der Gemahlin Hārûn er-Raschîds, aufgezogen und ist eine ihrer Sklavinnen; sie hatte sich von ihrer Herrin die Erlaubnis erbeten, frei aus- und eingehen zu dürfen und sie auch erhalten, so daß sie jetzt wie eine Aufseherin aus- und eingeht. Sie hat auch schon von dir zu ihrer Herrin gesprochen und sie gebeten, sie mit dir zu vermählen; ihre Herrin sagte jedoch: »Nicht eher als bis ich diesen jungen Mann selber gesehen habe; ist er deiner würdig, so vermähle ich dich mit ihm.« Wir wollen dich nunmehr in den Palast schaffen; kommst du ungesehen hinein, so erreichst du deine Vermählung mit ihr, wird deine Sache aber offenbar, so kostet es dir den Hals. Was sagst du dazu?« Ich antwortete: »Gut, ich will mit dir gehen und alles, was über mich kommt, ertragen.«

Hierauf sagte der Eunuch zu mir: »Heute zur Nacht begieb dich in die Moschee, welche die Herrin Subeide am Tigris erbaut hat, bete daselbst und bringe die Nacht über dort zu.« Ich antwortete: »Recht gern.«

Wie nun der Abend kam, ging ich zur Moschee, betete in ihr und verbrachte dort die Nacht. Gegen Morgen sah ich zwei Eunuchen in einem Boot mit leeren Kisten ankommen; nachdem sie dieselben in die Moschee gebracht hatten, ging der eine von ihnen wieder fort, in dem andern 36 Zurückbleibenden aber erkannte ich den Vermittler zwischen mir und der jungen Dame. Nach einer Weile kam sie selber zu uns: ich ging ihr entgegen und umarmte sie, und sie küßte mich und weinte. Nachdem wir uns dann eine Weile unterhalten hatten, packte sie mich in eine Kiste und verschloß sie über mir. [Aus der Breslauer Ausgabe; die Bulaker enthält nichts hiervon.Hierauf kamen die Eunuchen mit allerlei Sachen und füllten die Kisten damit, bis alle voll waren. Dann verschlossen sie dieselben, stellten sie in die Boote und ruderten uns nach Subeides Haus, während ich Reue empfand und sprach: »Bei Gott, ich komme um,« und in einem fort weinte, Gott anrief und um Errettung anflehte. Schon hatten die Eunuchen, mit den Kisten und mit mir beladen, das Thor des Palastes passiert und waren an den Eunuchen, denen die Obhut des Harems anvertraut war, vorübergekommen, als sie zum Schluß an einem Eunuchen vorüber mußten, welcher der Oberste derselben zu sein schien. Derselbe wurde wach und schrie ihnen zu: »Halt, nicht weiter! Diese Kisten müssen geöffnet werden.« Dann stand er auf und ließ die Kisten vor sich bringen, in deren erster ich saß. Ich verlor die Besinnung, das Mädchen sagte jedoch: »Vorsteher, du bringst mich und die Kaufleute ins Verderben und ruinierst Subeides Waren; in der Kiste sind gefärbte Kleider, und darunter befindet sich auch eine Kruke mit Semsemwasser;Der Brunnen Semsem befindet sich in dem heiligen Tempelbezirk von Mekka. Seinem Wasser werden Wunderkräfte zugeschrieben. fällt sie um, so läuft sie über die Kleider in der Kiste aus und löst die Farben auf.« Da antwortete der Eunuch: »So geh!« Schnell hatten sie mich wieder aufgeladen und eilten mit mir weiter den übrigen Kisten voran, als plötzlich der Ruf in mein Ohr klang: »Wehe! Wehe! der Chalife, der Chalife!« Als ich die Worte vernahm, starb ich in meiner Haut. Nun hörte ich den Chalifen sagen: »Was hast du da in deinen Kisten?« Das Mädchen antwortete: »Kleider für die Herrin Subeide.« Da forderte 37 sie der Chalife auf: »Öffne sie, ich will sie mir ansehen.« Als ich das hörte, starb ich vollends. Das Mädchen versetzte jedoch: »O Fürst der Gläubigen, hier in den Kisten sind die Kleider und Sachen unserer Herrin Subeide; sie wünscht es nicht, daß jemand sie sieht.« Der Chalife bestand aber darauf: »Diese Kisten müssen geöffnet werden, daß ich sehe, was darin ist; bringt sie her!« Bei seinen Worten »bringt sie her!« war ich völlig meines Untergangs gewiß.

Nun brachten sie ihm Kiste für Kiste, und er besah sich die Stoffe und Waren, bis allein die Kiste übrig blieb, in welcher ich steckte. Schon hatten sie mich abgeladen und vor ihm niedergesetzt, und ich nahm von dem Leben Abschied und war überzeugt, daß es mich den Kopf kosten würde, zumal da der Chalife von neuem befahl: »Öffnet die Kiste, daß ich sehe, was darin ist,« und die Eunuchen sich eilig an die Kiste machten; da sagte das Mädchen: »Mein Herr, sieh sie dir doch in Gegenwart der Herrin Subeide an, denn gerade in dieser Kiste hier ist ihr Geheimnis.«

Als der Chalife dies von ihr vernahm, befahl er die Kiste hineinzutragen; die Eunuchen kamen und luden mich auf, während ich am Entkommen verzagte; wie die Kiste jedoch in der Wohnung meiner Freundin abgeladen war, kam sie eilends hinein, öffnete sie und sagte: »Komm schnell heraus und steig' diese Treppe hinauf.« Da richtete ich mich auf und stieg hinauf; kaum aber hatte ich meinen Fuß hinaufgesetzt, und das Mädchen die Kiste wieder verschlossen, da kamen auch schon die Eunuchen mit den andern Kisten herein und dicht hinter ihnen der Chalife. Er setzte sich auf die Kiste, in der ich gewesen war, ließ sich noch einmal alle Kisten öffnen und begab sich darauf in seinen Harem. Inzwischen war mir der Schweiß wieder getrocknet, und nun kam auch das Mädchen zu mir und sagte: »Mein Herr, befürchte jetzt nichts mehr; dehne deine Brust und setz' dich, bis Subeide kommt und dich sieht, vielleicht findest du bei uns Glück.« So kam ich denn herunter und setzte mich in 38 den kleinen Salon. Plötzlich erschienen zwanzig Sklavinnen gleich Monden und reihten sich auf.] Dann kamen zwanzig andere Sklavinnen, Jungfrauen mit schwellendem Busen, in deren Mitte sich die Herrin Subeide befand, die vor der Menge ihrer Schmuckstücke und Gewänder kaum gehen konnte.

Als sie herzugetreten war, trennten sich die Sklavinnen, die sie umgaben, und ich schritt auf sie zu und küßte die Erde vor ihr. Nachdem sie mir dann zugewinkt hatte mich zu setzen, und ich vor ihr Platz genommen hatte, fing sie an, mich über meine Lage und meine Herkunft auszufragen, und ich beantwortete ihr alle ihre Fragen, worauf sie erfreut sagte: »Unsere Erziehung ist an diesem Mädchen nicht fortgeworfen.« Darauf wendete sie sich zu mir und sprach: »Wisse, dieses Mädchen ist uns ebenso wert als ein eigenes Kind und ist ein dir von Gott anvertrautes Gut.« Ich küßte die Erde vor ihr und war es zufrieden mit ihr vermählt zu werden. Darauf befahl sie mir bei ihnen zehn Tage zu verweilen, und ich brachte diese Zeit über bei ihnen zu, ohne daß ich etwas von dem Mädchen erfuhr, nur daß mir einige Sklavinnen aufwarteten und das Mittag- und Abendessen brachten. Nach dieser Zeit bat die Herrin Subeide ihren Gemahl, den Fürsten der Gläubigen, um Erlaubnis ihre Sklavin verheiraten zu dürfen, und erhielt die Erlaubnis, wobei er ihr zugleich zehntausend Dinare bestimmte. Darauf schickte die Herrin Subeide nach dem Kadi und den Zeugen und ließ von ihnen meinen Ehevertrag mit ihrer Sklavin aufsetzen. Dann besorgten sie Süßigkeiten und feine Gerichte und verteilten sie in allen andern Gemächern, bis weitere zehn Tage verflossen waren.

Nach Verlauf dieser zwanzig Tage führten sie das Mädchen ins Bad, damit ich zu ihr gehen könnte, und setzten mir einen Tisch mit Speisen vor, unter denen sich auch eine Schüssel mit Sirbâdsche befand, die verzuckert und mit Rosenwasser mit Moschus begossen war, nebst allerlei gebratenem 39 Geflügel und andern Gerichten, die den Verstand verwirrten. Und, bei Gott, als sie mir den Tisch vorsetzten, machte ich mich ohne Säumen sofort über die Sirbâdsche her und aß, bis ich genug davon genossen hatte. Dann wischte ich mir die Hand ab, wobei ich jedoch vergaß sie zu waschen, und saß so lange da, bis es dunkelte und die Kerzen angezündet wurden. Nun kamen die Sängerinnen mit den Tamburins, und die Braut wurde in einem fort entschleiert, und Geld ausgeteilt, bis sie durch das ganze Schloß mit ihr gekommen waren, worauf sie die Braut mir zuführten und sie entkleideten. Als ich dann mit ihr allein war und sie umarmte und kaum unsere Vereinigung erwarten konnte, roch sie plötzlich an meiner Hand die Sirbâdsche und schrie laut auf, daß die Sklavinnen von allen Seiten herbeikamen. Während ich heftig erregt war und keine Ahnung von dem hatte, was vorgefallen war, fragten sie die Sklavinnen: »Was ist dir, Schwester?« Sie erwiderte ihnen: »Schafft mir diesen Verrückten hinaus, den ich für einen verständigen Menschen hielt.« Nun fragte ich sie: »Welches Zeichen von Verrücktheit hast du denn an mir gesehen?« Darauf entgegnete sie: »Verrückter, wie konntest du von der Sirbâdsche essen, ohne dir nachher die Hand zu waschen? Bei Gott, ich nehme dich nicht an, weil du so wenig Verstand besitzt und dich so ekel benommen hast.« Dann zog sie eine Peitsche von ihrer Seite und bearbeitete damit meinen Rücken und mein Gesäß, bis ich unter der Menge der Hiebe das Bewußtsein verlor. Hierauf sagte sie zu den Sklavinnen: »Nehmt ihn und führt ihn zum Polizeipräfekten, daß er ihm die Hand, mit welcher er die Sirbâdsche gegessen hat, ohne sie sich nachher zu waschen, abhaut.«

Als ich dies hörte, rief ich: »Es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott! Willst du mir die Hand dafür abhauen lassen, daß ich die Sirbâdsche aß, ohne sie mir hernach zu waschen?« Auch die andern Sklavinnen legten sich nun ins Mittel und sagten: »Ach, Schwester, nichts für 40 ungut! Vergieb ihm für dieses Mal!« Sie antwortete jedoch: »Bei Gott, ich muß ihm etwas von seinen Gliedern dafür abhauen.« Darauf ging sie fort und blieb zehn Tage aus, ohne daß ich etwas von ihr sah; nach den zehn Tagen aber kam sie wieder zu mir und sagte: »Du Schwarzgesicht, passe ich dir nicht, daß du die Sirbâdsche aßest, ohne dir die Hand zu waschen?« Dann rief sie die Sklavinnen, daß sie mir die Hände auf dem Rücken bänden, nahm ein scharfes Rasiermesser und schnitt mir beide Daumen und beide großen Zehen ab, wie ihr es sahet, meine Genossen. Ich sank hierbei in Ohnmacht, sie aber nahm nun ein Pulver und streute es mir auf, worauf das Blut gestillt wurde. Als ich wieder zu mir gekommen war, sprach ich bei mir: »Nie mehr will ich Sirbâdsche essen, bevor ich mir nicht die Hand vierzigmal mit Alkali, vierzigmal mit Gelbwurz und vierzigmal mit Seife gewaschen habe,« und sie nahm von mir hierauf einen Eid ab.

Als ihr nun diese Sirbâdsche brachtet, wechselte ich die Farbe, und sprach bei mir: »Darum sind mir beide Daumen und beide Zehen abgeschnitten;« und als ihr in mich dranget, sagte ich: »Ich muß halten, was ich geschworen habe.«

Hierauf fragten die anwesenden Gäste: »Wie ist es dir hernach ergangen?« Darauf antwortete er: »Nachdem ich es ihr geschworen hatte, wurde ihr Herz wieder gut, wir ruhten miteinander und lebten eine Weile lang in dieser Weise, bis sie eines Tages sagte: »Die Leute im Chalifenpalast wissen nicht was hier zwischen uns vorgefallen ist, auch ist bisher kein Fremder außer dir hier herein gekommen, und du bist es auch nur durch die Gunst der Herrin Subeide.« Dann gab sie mir fünftausend Dinare und sagte: »Nimm diese Dinare, geh aus und kauf' dir dafür ein geräumiges Haus.« Ich that es und kaufte ein hübsches und geräumiges Haus, wohinein sie dann alle ihre Reichtümer und das Geld, die Kleider und Geschenke, die sie aufgehäuft 41 hatte, schaffen ließ. Das ist der Grund, weshalb mir die Daumen und Zehen abgeschnitten sind.«

Nachdem wir unsere Mahlzeit beendet hatten, gingen wir nach Hause, wo mir der Unfall mit dem Buckeligen zustieß. Das ist meine ganze Geschichte. Frieden sei mit dir!«

Der König sagte jedoch: »Diese Geschichte ist nicht schöner als die Geschichte des Buckeligen, im Gegenteil, die Geschichte des Buckeligen ist schöner als diese; ihr müßt alle gekreuzigt werden.«

Da trat der Jude vor, küßte die Erde und sagte: »O König der Zeit, ich will dir eine Geschichte erzählen, die noch wunderbarer als die Geschichte des Buckeligen ist,« worauf der König von China antwortete.: »Her mit dem, was du zu erzählen hast.«

Demnach begann der Jude:

 


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