Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band II
Unbekannte Autoren

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Geschichte des Christen.

»Wisse, o König der Zeit, ich kam in dieses Land mit Waren, und das Schicksal ließ mich unter euch eine Stätte finden; mein Geburtsort ist jedoch Kairo. Ich gehöre zu den dort ansässigen Kopten und wuchs daselbst auf als der Sohn eines Maklers. Als ich zum Manne herangewachsen war, 13 segnete mein Vater das Zeitliche, und ich übernahm an seiner Stelle das Maklergeschäft.

Wie ich nun eines Tages dasaß, kam ein ausnehmend schöner junger Mann in prächtigster Kleidung auf einem Esel angeritten und begrüßte mich, als er mich erblickte. Indem ich mich vor ihm erhob, um ihm meine Ehrerbietung zu erweisen, holte er ein Tuch mit Sesam hervor und fragte mich: »Wieviel kostet hiervon der Ardebb?Ein Getreidemaß; in Ägypten etwa gleich 5 Bushel. Ich antwortete ihm: »Hundert Dirhem.« Darauf sagte er zu mir: »Nimm Träger und Messer und komm zum Chan El-Dschâwalī im Stadtteil Bâb-en-Nasr,Bâb-en-Nasr, das Thor des Sieges oder der Hilfe, ist das östlichste der Thore Kairos auf der Nordseite. du wirst mich daselbst antreffen.« Dann händigte er mir das Tuch mit der Sesamprobe ein und ritt weiter.

Ich machte nun bei den Kaufleuten die Runde und erzielte einen Preis von hundertundzwanzig Dirhem für den Ardebb; dann nahm ich vier Träger mit mir und begab mich zu ihm. Er hatte bereits auf mich gewartet und schritt, als er mich sah, zum Magazin; nachdem er es geöffnet hatte, vermaßen wir sämtliche dort lagernden Sesamvorräte und fanden, daß sie fünfzig Ardebb betrugen. Als wir mit dem Vermessen fertig waren, sagte der junge Mann: »Du sollst an jedem Ardebb zehn Dirhem als Maklerlohn haben; das Geld dafür nimm an dich und bewahr' es mir auf. Fünftausend Dirhem im ganzen, macht fünfhundert Dirhem für dich und viertausend fünfhundert für mich. Wenn ich meine gesamten Magazine verkauft habe, komme ich zu dir und nehme das Geld in Empfang.« Ich antwortete ihm: »Wie du es wünschest,« und küßte ihm die Hand; dann ging er fort, mir aber waren an diesem Tage tausend DirhemNämlich ohne die Maklergebühren. zugefallen.

Nachdem er einem Monat fortgeblieben war, kam er 14 wieder und fragte mich: »Wo ist das Geld?« Ich antwortete: »Hier ist es zur Stelle.« Darauf sagte er: »Heb' es auf, bis ich wiederkomme und es abhole.« Wieder mußte ich einen Monat auf ihn warten, bis er wiederkam und mich fragte: »Wo ist das Geld?« Ich erhob mich, begrüßte ihn und fragte ihn: »Möchtest du nicht etwas bei uns essen?« Er lehnte es jedoch ab und sagte: »Heb' das Geld auf, bis ich wiederkomme und es von dir abhole.« Darauf ging er fort, während ich ihm das Geld zurechtlegte und auf ihn wartete.

Es währte jedoch wieder einen Monat, bis er kam und zu mir sagte: »Morgen hole ich es von dir ab.« Ich legte ihm das Geld zurecht und wartete, doch blieb er zum viertenmal einen Monat fort, so daß ich bei mir sprach: »Dieser junge Mann ist wirklich die Freigebigkeit selber.« Nach Verlauf des Monats erschien er dann in prächtigen Kleidern gleich der Mondscheibe in der Vollmondnacht, als wäre er soeben aus dem Bade gekommen. Sein Antlitz glich dem Mond, seine Wangen schimmerten rötlich, seine Stirn glänzte, und dazu schmückte ihn ein Mal wie ein Ambratüpfelchen.

Als ich ihn erblickte, küßte ich ihm unter Segenswünschen die Hände und sagte zu ihm: »Mein Herr, willst du nun nicht dein Geld in Empfang nehmen?« Er entgegnete jedoch: »Es hat so lange Zeit, bis ich alle meine Geschäfte erledigt habe; dann magst du es mir einhändigen.« Darauf wendete er sich um und ging fort, während ich bei mir sprach: »Bei Gott, wenn er wiederkommt, muß ich ihn gehörig bewirten, weil ich aus seinem Gelde großen Gewinn gezogen und viel verdient habe.«

Am Ende des Jahres kam er dann in einem noch prächtigeren Anzug wieder, und ich beschwor ihn, bei mir einzukehren und mein Gast zu sein. »Unter der Bedingung,« antwortete er, »daß du die Kosten von meinem Gelde bestreitest.« »Gut,« sagte ich, und lud ihn ein Platz zu nehmen. Als ich dann alle erforderlichen Speisen, Getränke und dergleichen 15 hergerichtet und vor ihn gesetzt hatte, sagte ich: »Im Namen Gottes.«Der Moslem unternimmt und beschließt selten ein Werk, ohne Gottes Namen angerufen zu haben. Da setzte er sich an den Tisch, streckte jedoch die linke Hand aus und nahm die Mahlzeit mit derselben in meiner Gesellschaft ein, so daß ich hierüber betroffen wurde. Nachdem er dann nach Beendigung der Mahlzeit sich die Hand gewaschen und mit einem Tuch, das ich ihm hierzu gab, abgetrocknet hatte, fragte ich ihn, als wir uns wieder zum Plaudern setzten: »Mein Herr, möchtest du mir nicht einen Kummer heben? Weshalb aßest du mit deiner linken Hand? Fehlt dir vielleicht etwas an der rechten?«

Da streckte er den rechten Arm aus dem Ärmel heraus, und nun sah ich, daß er verstümmelt war, – es war ein Arm ohne Hand. Als ich hierüber erstaunte, sagte er: »Staune nicht und sprich nicht in deinem Herzen: »Er hat aus Stolz mit mir mit seiner linken Hand gegessen.« Es hat mit dem Verlust meiner rechten Hand eine wunderbare Bewandtnis.« Darauf fragte ich ihn: »Was ist die Ursache hiervon?« und er erzählte mir nun:

»Wisse, ich stamme aus Bagdad, woselbst mein Vater zu den Großen der Stadt gehörte. Als ich das Mannesalter erreicht hatte, hörte ich, wie die Pilger, die Reisenden und Kaufleute sich über Ägypten unterhielten, und behielt ihre Worte im Herzen. Als dann mein Vater gestorben war, nahm ich eine große Geldsumme, besorgte mir dafür bagdadische und mossulische Stoffe und andere ähnliche wertvolle Handelsartikel, ließ sie ordentlich verpacken und verließ mit ihnen Bagdad; Gott aber hatte mir das Heil verzeichnet, so daß ich glücklich eure Stadt erreichte.«

Darauf begann er zu weinen und sprach die Verse:

»Der Staräugige kommt vorüber an der Grube,
In welche der Klaräugige fällt;
Der Thor kommt nicht zu Schaden durch ein Wort,
Das dem Weisen, dem Meister den Hals bricht. 16
Der Gläubige verdient nur kärglich sein Brot,
Das dem Ungläubigen und Frevler von Gott zufällt.
Was frommt des Menschen Trachten und Thun?
Der die Dinge lenkt, ist der Allmächtige.«

Dann fuhr er fort: »Als ich nun nach Kairo gekommen war, schaffte ich die Stoffe nach dem Chan Mesrûr und ließ die Lasten losbinden und daselbst unterbringen. Hierauf gab ich dem Diener etwas Geld, um uns Essen zu kaufen, und schlief für kurze Zeit. Dann ging ich aus, um mir Bein el-KasreinBein el-Kasrein bedeutet: Zwischen den beiden Schlössern. Es ist derjenige Teil der Hauptstraße Kairos, welcher zwischen den beiden Chalifenschlössern liegt. anzusehen und legte mich, von dem Spaziergange zurückgekehrt, zur Nachtruhe nieder.

Am nächsten Morgen öffnete ich einen Zeugballen und sprach bei mir: »Ich will mich aufmachen und durch einige der Bazare gehen, um zu sehen, wie es mit dem Geschäfte steht.« Ich befahl deshalb einem meiner Burschen etwas Zeug aufzuladen und durchschritt die Straßen bis ich zur Keisarîje des DschirdschisKeisarîje bezeichnet einen vornehmen Bazar. Der Erbauer der hier gemeinten Keisarîje hieß jedoch Dschaharkas. kam, woselbst mir die Makler, die bereits meine Ankunft erfahren hatten, mir entgegenkamen und mir das Zeug abnahmen, um es sofort ausbieten zu lassen. Da nun aber das Angebot nicht einmal den Kaufpreis erreichte, sagte der MaklerscheichScheich bedeutet in diesem Falle Oberhaupt, Vorsteher. zu mir: »Mein Herr, ich will dir einen Vorschlag machen, dessen Befolgung dir dienlich sein wird. Richte dich ganz nach den andern Kaufleuten, verkaufe deine Waren zahlbar nach Übereinkunft unter Zuhilfenahme eines Schreibers, eines Zeugen und eines Wechslers und nimm jeden Donnerstag und Montag das eingegangene Geld in Empfang. Auf diese Weise wirst du aus jedem Dirhem zwei machen und noch mehr; nebenbei aber kannst du dann noch Kairo und seinen Nil in Muße genießen.« 17

Ich antwortete darauf: »Der Vorschlag läßt sich hören,« und nahm die Makler mit mir nach dem Chan, von wo sie das Zeug nach der Keisarîje schafften. Dort verkaufte ich es den Kaufleuten, indem ich einen Schein auf ihren Namen lautend ausstellte und ihn dem Wechsler übergab, der mir dafür eine Quittung ausstellte.

Hierauf ging ich wieder nach dem Chan zurück und blieb dort einige Zeit, während welcher ich jeden Tag zum Frühstück einen Becher Wein zu mir nahm und Schöps und Süßigkeiten speiste, bis der Monat kam, in welchem die Zahlungen fällig wurden. Während desselben setzte ich mich alle Donnerstage und Montage in die Kaufläden und wartete dort, bis der Wechsler und der Schreiber kamen und mir das Geld von den Kaufleuten überbrachten.

Eines Tages nun hatte ich mich ins Bad begeben und war von dort wieder in meine Wohnung in den Chan gegangen; nachdem ich zum Frühstück meinen Becher Wein eingenommen und ein wenig geruht hatte, verspeiste ich ein Huhn, parfümierte mich und ging dann in den Laden eines Kaufmanns, der unter dem Namen Bedr ed-Dîn, der Gärtner, bekannt war. Wie er mich erblickte, hieß er mich willkommen und unterhielt sich mit mir im Laden; plötzlich, wie wir mitten im Gespräche waren, kam eine Dame herein und setzte sich an meine Seite. Sie trug ein schräg um den Kopf gebundenes Tuch und verbreitete einen süßen Duft um sich; hatte sie mir schon durch ihre Schönheit und Anmut die Sinne benommen, so geschah es um so mehr, als sie ihren Schleier hob, und ich ihre schwarzen Augensterne sah, völlig aber wurde mein Herz von Liebe zu ihr in Besitz genommen, als ich den Klang ihrer Stimme vernahm, während sie sich mit Bedr ed-Dîn begrüßte und er sich mit ihr unterhielt.

Sie fragte nun Bedr ed-Dîn: »Hast du einen Kleiderstoff vorrätig, der mit reinem Gold durchwoben ist?« und als er ihr einen solchen Stoff vorlegte, fragte sie den 18 Kaufmann: »Darf ich den Stoff mitnehmen und dir das Geld dafür schicken?« Der Kaufmann entgegnete ihr jedoch: »Meine Herrin, das geht nicht an, weil der Stoff diesem Herrn hier gehört, und ich ihm einen Prozentsatz geben muß.« Darauf versetzte sie: »Weh dir, ich nehme doch sonst von dir jedes Stück Zeug für eine beträchtliche Geldsumme und lasse dich, da ich dir das Geld dafür später zustelle, mehr daran verdienen als deine Forderung beträgt.« Er versetzte: »Wohl, aber ich brauche das Geld heute ganz notwendig.« Da nahm sie das Zeug, warf es ihm vor die Brust und rief: »Eure Gesellschaft ist doch unfähig jemand seinem Range angemessen zu behandeln.« Dann stand sie auf und kehrte uns den Rücken, mir aber war es, als ob mich mit ihr mein Leben verlassen hätte. Ich ging ihr deshalb nach und redete sie, indem ich an sie herantrat, an: »Ach, meine Herrin, gewähre mir doch das Almosen deiner Güte und wolle deine geehrten Schritte umwenden!« Lächelnd kehrte sie auf diese Worte um und sagte: »Um deinetwillen will ich umkehren.« Indem sie nun mir gegenüber im Laden Platz nahm, fragte ich Bedr ed-Dîn: »Wieviel mußt du für dieses Stück Zeug zahlen?« »Elfhundert Dirhem,« antwortete er. Ich entgegnete ihm darauf: »Du sollst hundert Dirhem Profit daran haben; gieb mir ein Blatt Papier, daß ich dir den Preis darauf notiere.« Dann nahm ich das Zeug von ihm in Empfang und übergab es ihr, nachdem ich ihm einen Schein eigenhändig ausgestellt hatte; »nimm es,« sagte ich zu ihr, »und geh' fort; wenn du willst, bezahl' es mir im Bazar, wünschest du es aber, so sei es mein Gastgeschenk für dich.« Sie antwortete mir: »Gott vergelte es dir, mag er dich mit meinem Gut beschenken und dich zu meinem Ehegatten machen; Gott erhöre den Wunsch!« »Ach, meine Herrin,« entgegnete ich, »nimm dieses Zeug und noch ein anderes ebenso schönes dazu, laß mich nur einmal dein Gesicht sehen.« Als sie nun ihren Schleier lüftete, und ich einen Blick auf ihr Antlitz warf, stiegen tausend Seufzer in meiner Brust 19 auf und die Liebe zu ihr packte mein Herz so stark, daß ich nicht mehr Herr meiner Sinne war. Dann ließ sie den Schleier wieder herunter, nahm das Zeug und sagte zu mir: »Mache mich nicht vereinsamt, mein Herr!« Nach diesen Worten kehrte sie uns den Rücken; ich aber blieb bis in den späten Nachmittag wie geistesabwesend im Bazar sitzen und war so sehr in der Gewalt der Liebe, daß ich beim Aufstehen den Kaufmann über sie ausfragte, der mir zur Antwort gab, daß sie sehr reich und die Tochter eines Emirs sei, der ihr bei seinem Tode ein großes Vermögen hinterlassen hätte.

Ich nahm darauf von ihm Abschied und begab mich wieder in den Chan, wo mir das Abendessen aufgetragen wurde; meine Gedanken weilten jedoch fortwährend bei ihr, so daß ich weder essen noch einschlafen konnte, sondern schlaflos die Nacht bis zum andern Morgen verbrachte. Dann erhob ich mich, zog mir einen andern Anzug als den Tag zuvor an und begab mich, nachdem ich zum Frühstück einen Becher Wein getrunken und ein wenig gegessen hatte, zum Laden des Kaufmanns. Bald, nachdem ich ihn begrüßt und mich niedergelassen hatte, kam auch die junge Dame in Begleitung einer Sklavin wieder an, in einem noch prächtigeren Anzug als zuvor, setzte sich und begrüßte mich an Stelle Bedr ed-Dîns; dann sagte sie zu mir in so wohltönender Sprache, wie ich sie süßer und sanfter nie gehört hatte: »Sende jemand zu mir, daß er die zwölfhundert Dirhem, den Preis des Stückes Zeug, abholt.« Ich erwiderte ihr darauf: »Wozu diese Eile?« Sie antwortete: »Mögen wir dich nie vermissen,« und händigte mir dann das Geld ein. Wie wir nun dasaßen und uns unterhielten, gab ich ihr einen Wink, den sie dahin verstand, daß ich ein Stelldichein mit ihr wünschte; sie stand deshalb schnell auf, als ob sie es mir übel genommen hätte, während ich ihrer Spur mit einem Herzen, das fest an sie gekettet war, aus dem Bazar nachging. Mit einem Male trat eine Sklavin an mich 20 heran und sagte: »Mein Herr, entsprich den Befehlen meiner Gebieterin.« Verwundert sagte ich: »Mich kennt doch keiner hier.« Die Sklavin aber erwiderte: »Wie schnell hast du doch vergessen; meine Herrin ist die Dame, welche heute im Laden Bedr ed-Dîns, des Gärtners, gewesen war.«

Ich folgte ihr nun bis zum Stand der Wechsler, wo sie mich erwartete und, mich an ihre Seite ziehend, sagte: »Ach, mein Geliebter, du hast mein Herz verwundet; die Liebe zu dir hat meine Seele so in Besitz genommen, daß mir von dem Augenblicke an, in welchem ich dich sah, weder Schlaf noch Speise und Trank behagte.« Ich antwortete ihr: »Das doppelte ist mir widerfahren, mein Zustand macht alle Klage überflüssig.«

Nun sagte sie: »Ach, mein Geliebter, soll ich zu dir kommen oder kommst du zu mir?« Ich entgegnete: »Ich bin hier fremd und habe keine andere Unterkunft als im Chan; gewährst du mir aber das Almosen, daß ich zu dir kommen darf, so ist das Glück vollkommen.« Darauf erwiderte sie: »Gut; heute Abend haben wir jedoch die Nacht zum Freitag,Der Freitag ist der Feiertag der Moslems. wir wollen daher bis morgen nach dem Gebet nichts unternehmen; hast du aber gebetet, so besteig deinen Esel und erkundige dich nach der Habbânîje; bist du dort angelangt, so frag' nach der Villa des Nakîb Barakât, der unter dem Namen Abu Schâme bekannt ist, dort wohne ich. Komm' aber nicht zu spät, denn ich erwarte dich.«

In höchster Freude hierüber trennte ich mich von ihr und kehrte zu meinem Chan zurück. Die ganze Nacht über fand ich keinen Schlaf, und kaum zeigte sich das Morgenrot, da erhob ich mich schon wieder, zog mir andere Kleider an und parfümierte und salbte mich. Nachdem ich dann noch fünfzig Dinare in einem Tuch zu mir gesteckt hatte, verließ ich den Chan Mesrûr und begab mich zum Thor Suweile, wo ich einen Esel bestieg und zu seinem Besitzer sagte: »Gehe mit 21 mir nach der Habbânîje.« In weniger als einem Augenblick war er aufgebrochen und hielt binnen kurzem bei einer Gasse, der Darb el-Munkarî; nun befahl ich ihm: »Geh' in die Gasse hinein und erkundige dich nach der Villa des Nakîb« Nach kurzer Abwesenheit kam er wieder zurück und sagte: »Steig' ab!« Ich befahl ihm, mir vorauszugehen und mich nach dem Hause zu führen. Dort angelangt, sagte ich zu ihm: »Morgen kommst du wieder hierher und führst mich zurück.« Darauf versetzte der Eseltreiber: »Im Namen Gottes,« und ging seines Weges, nachdem ich ihn mit einem Vierteldinar abgelohnt hatte.

Wie ich nun ans Thor klopfte, kamen zwei junge Mädchen mit jungfräulich knospendem Busen heraus gleich zwei Monden und sagten zu mir: »Tritt ein, unsere Herrin wartet auf dich; sie hat in ihrer Sehnsucht nach dir die ganze Nacht nicht schlafen können.« Darauf betrat ich einen auf Säulen ruhenden Saal mit sieben Thüren und mit Gitterfenstern an allen Seiten, die auf einen Garten hinausgingen, in welchem allerlei Obstbäume standen, Bäche plätscherten und Vögel sangen. Der Saal selber war mit Sultansgips so glänzend geweißt, daß sich das Gesicht darin widerspiegelte; die Decke war vergoldet und rings herum mit einem Inschriftenrand aus Lapis lazuli verziert, welcher mannigfache Schönheiten zeigte und mit seinem Glanz das Auge der Beschauer blendete. Der Fußboden bestand aus Marmormosaik, in dessen Mitte eine Fontaine stand, deren Ecken mit Perlen und Edelsteinen besetzt waren, und war mit bunten seidenen Teppichen und Polstern belegt.

Sechsundzwanzigste Nacht.

Kaum hatte ich diesen Saal betreten und mich niedergelassen, als auch schon die junge Dame eintrat, mit einer mit Perlen und Edelsteinen besetzten Krone auf dem Haupte und mit Henna und Antimon geschminkt.Mit Antimon werden die Augenbrauen gefärbt, Hände und Füße mit der roten Hennafarbe geschminkt. 22

Bei meinem Anblick lächelte sie mir freundlich ins Gesicht, umarmte mich und preßte mich an ihre Brust; nachdem wir uns dann geküßt und gegenseitig an unsern Zungen gesogen hatten, sagte sie: »Ist es wirklich wahr, daß du zu mir gekommen bist, oder ist es nur ein Traum?« Ich antwortete ihr: »Ich bin dein Sklave.« Darauf hieß sie mich willkommen und sagte: »Bei Gott, seit der Stunde, daß ich dich sah, war mir Schlaf und Speise zuwider.« Ich erwiderte: »Mir erging es ebenso;« darauf setzten wir uns zum Plaudern nieder, während ich den Kopf bescheiden zu Boden senkte. Nach kurzer Zeit setzte sie mir einen Tisch voll der köstlichsten Gerichte von gewiegtem Fleisch und gewalztem Teig und gefüllte Hühner vor. Nachdem wir dann zusammen getafelt hatten, brachte man mir das Becken und den Eimer, daß ich mir die Hände wüsche; darauf besprengten wir uns mit Rosenwasser, das mit Moschus parfümiert war, und setzten uns wieder zum Plaudern hin, wobei sie die Verse vortrug:

»Hätten wir um euer Kommen gewußt, wir hätten ausgebreitet
Unser Herzblut und das Schwarze in unserm Auge;
Unsere Wangen hätten wir ausgebreitet euch entgegen,
Daß der Weg über unsere Lider geführt hätte.«

Dann klagten wir uns gegenseitig all unser Leid, und die Liebe zu ihr überwältigte mich dermaßen, daß ich all mein Gut für Nichts erachtete. Hierauf fingen wir an zu scherzen und kosen, umarmten und küßten uns bis die Nacht kam, und die Sklavinnen uns Speise und Wein vorsetzten, ein volles Mahl. Bis zur Mitternacht tranken wir zusammen, worauf wir uns niederlegten und bis zum Morgen ruhten, – eine schönere Nacht als diese hatte ich in meinem Leben noch nicht gesehen.

Als ich nun am nächsten Morgen mich erhob und ihr das Tuch mit den Goldstücken unter die Decke warf und mich von ihr verabschiedete, weinte sie, wie ich herausgehen wollte, und sagte: »Ach, mein Herr, wann werde ich dieses 23 liebe Angesicht wieder schauen dürfen?« Ich antwortete ihr: »Zum Abend werde ich wieder bei dir sein.«

Vor der Thür traf ich den Eseltreiber, welcher mich gestern an das Thor hierher geführt hatte, auf mich wartend an, und ritt, von ihm geleitet, zum Chan Mesrûr zurück, wo ich ihm beim Absteigen einen halben Dinar einhändigte und ihm befahl: »Komm gegen Abend wieder her.« »Auf den Kopf,« antwortete er, und ich trat in den Chan ein und verzehrte mein Frühstück.

Nach dem Frühstück ging ich aus, um das Geld für meine Zeuge einzusammeln. Als ich dann wieder heimgekehrt war, besorgte ich ein gebratenes Lamm, kaufte Süßigkeiten ein und rief einen Träger; indem ich ihm seinen Lohn einhändigte, beschrieb ich ihm ihre Wohnung und ging darauf wieder bis Abend meinen Geschäften nach.

Als dann der Eseltreiber erschien, steckte ich wieder fünfzig Dinare in einem Tuch zu mir. Beim Eintreten in den Saal sah ich, daß sie den Marmor gescheuert, alle kupfernen Sachen blank geputzt, die Lampen mit Öl gefüllt, die Kerzen angezündet, die Speisen aufgetischt und den Wein geklärt hatten. Wie sie mich sah, warf sie ihre Hände um meinen Nacken und sagte: »Du hast mich einsam gemacht.« Hierauf wurden uns die Tische vorgesetzt, und wir aßen, bis wir genug hatten, und die Sklavinnen die Tische wieder fortnahmen und uns Wein vorsetzten. Fröhlich saßen wir nun beim Wein und den getrockneten Früchten, bis die Mitternacht kam und wir uns zur Ruhe legten. Am nächsten Morgen erhob ich mich, gab ihr wie das erste Mal die fünfzig Dinare und verließ sie. Draußen fand ich den Eseltreiber, ritt mit ihm nach dem Chan, schlief eine Weile und besorgte dann das Abendessen, indem ich Nüsse, Mandeln und gepfefferten Reis, geröstete Kolokassia und dergleichen, frisches und gedörrtes Obst und duftige Blumen beschaffte. Nachdem ich ihr alles vorausgeschickt hatte, folgte ich nach, in üblicher Weise wieder auf dem Esel reitend und mit fünfzig Dinaren in einem 24 Tuche, betrat die Villa, aß, trank und ruhte mit ihr bis zum Morgen. Beim Aufstehen warf ich ihr dann wieder das Geldbündel zu und ritt zum Chan zurück. In dieser Weise verfuhr ich geraume Zeit, bis ich eines Morgens aufwachte und weder Dinar noch Dirhem besaß. Da sprach ich bei mir: »Das ist das Werk des Teufels,« und citierte die Verse:

Die Armut raubt einem Manne allen Glanz,
Daß er der gelben Abendsonne gleicht.
Weilt er fern, so kümmert sich kein Mensch um ihn,
Und ist er nahe, hat er an ihrem Glück keinen Anteil.
In den Bazaren drückt er sich scheu zur Seite
Und im Freien vergießt er bittere Thränen.
Bei Gott, ein von Armut geschlagener Mensch
Ist ein Fremdling in seiner eigenen Verwandtschaft.«

In solcher Stimmung wanderte ich zu Fuß nach Bein el-Kasrein und von dort immer weiter, bis ich zum Thor Suweile gelangte, wo ich eine so dichte Volksmenge antraf, daß das Thor von ihr vollgestopft war. Das Schicksal fügte es nun so, daß ich an einen berittenen Soldaten gedrängt wurde, ohne daß ich es beabsichtigte, und meine Hand an seine Tasche kam. Bei der Berührung derselben spürte ich, daß sich ein Beutel darin befand; da griff ich zu und zog ihm denselben aus der Tasche. Der Soldat merkte aber, daß seine Tasche leichter geworden war, fuhr mit der Hand hinein und, als er merkte, daß nichts darin war, wendete er sich zu mir und versetzte mir mit seiner Keule einen Schlag auf den Kopf, daß ich zu Boden stürzte.

Die Volksmenge umringte uns hierauf, fiel dem Soldaten in die Zügel und rief: »Giebst du etwa des Gedränges halber diesem jungen Mann einen solchen Schlag?« Da schrie sie der Soldat an: »Das ist ein Räuber, ein Spitzbube.«

Inzwischen war ich wieder zum Bewußtsein gekommen und hörte die Leute sagen: »Dies ist ein hübscher junger Mann, der nichts gestohlen hat.« Während es nun die einen glaubten, die andern bestritten, die Worte hinüber und 25 herüber fielen, und die Leute mich zerrten, um mich von ihm loszureißen, wollte es das also verhängte Geschick, daß der Wâlī in Begleitung einiger Präfekten zu derselben Zeit durchs Thor zog und angesichts der mich und den Soldaten umgebenden Menge fragte: »Was geht da los?« Der Soldat antwortete: »Bei Gott, Emir, dies ist ein Spitzbube; er hat mir aus der Tasche im Gedränge einen blauen Beutel mit zwanzig Dinaren gestohlen.« Der Wâlī fragte darauf den Soldaten: »War noch sonst jemand in deiner Nähe?« Der Soldat entgegnete: »Nein.« Da rief der Wâlī den Polizeihauptmann und befahl ihm: »Pack' ihn und untersuche ihn!« Darauf packte er mich, und der Schutz ward mir entzogen. Nun gebot ihm der Wâlī: »Entkleid' ihn bis auf die Haut!« Als er das gethan hatte, fanden sie den Beutel in meinen Kleidern, worauf der Wâlī ihn an sich nahm, ihn öffnete, das Geld nachzählte und fand, daß er zwanzig Dinare enthielt, wie der Soldat es angegeben hatte.

Voll Zorn rief nun der Wâlī seine Begleiter herbei und befahl ihnen: »Führt ihn heran!« Als sie mich vor ihn gebracht hatten, fragte er mich: »Jüngling, sprich die Wahrheit, hast du wirklich diesen Beutel gestohlen?« Da ließ ich meinen Kopf zu Boden sinken und sprach bei mir: »Sag' ich, ich hab' ihn nicht gestohlen, so haben sie ihn mir doch aus der Tasche gezogen, und sag' ich, ich habe ihn gestohlen, so ergeht es mir schlecht.« Schließlich hob ich den Kopf und sagte: »Ja, ich habe ihn gestohlen.«

Als der Wâlī mein Eingeständnis vernahm, verwunderte er sich und rief die Zeugen herbei, daß sie mein Wort bezeugten. Alles dies aber trug sich im Thor Suweile zu. Hierauf gab der Wâlī dem Scharfrichter Befehl, mir die Hand abzuschlagen. Als er jedoch den Befehl vollzogen und mir die rechte Hand abgeschlagen hatte, erbarmte sich das Herz des Soldaten meiner, daß er beim Wâlī Fürbitte für mich einlegte, mich nicht zu töten. So ließ mich der Wâlī denn los und zog seines Weges, während die Leute mich 26 umgaben und mir einen Becher Wein zu trinken reichten. Der Soldat aber schenkte mir den Beutel und sagte: »Du bist ein hübscher junger Mann, es ist nicht schicklich für dich zu stehlen.« Indem ich den Beutel von ihm annahm, sprach ich die Verse:

»Bei Gott, ich war kein Räuber, o Vertrauenswürdiger!
Und auch kein Dieb, o bester der Menschen!
Jähe Schicksalswechsel überfielen mich,
Und Sorge und Kummer und Armut nahmen überhand.
Nicht ich war es, der's that, sondern Gott schoß einen Pfeil,Anspielung auf Sure 8, 17.
Und niedersank von meinem Haupte das Königsdiadem.«

Nachdem mir der Soldat also seinen Beutel geschenkt hatte, ging er seines Weges; ich aber machte mich ebenfalls auf, nachdem ich zuvor meine Hand in einen Lappen gewickelt und in meinen Busen gesteckt hatte, schritt in solcher veränderten Lage und infolge des Unheils, das mich befallen, mit gelber Gesichtsfarbe nach der Villa, wo ich mich, ganz aus dem Gleichgewicht gebracht, aufs Lager warf. Wie das Mädchen nun mein verändertes Aussehen bemerkte, fragte sie mich: »Was fehlt dir?« Wie kommt's, daß ich dich so verändert sehe?« Ich antwortete ihr: »Ich habe Kopfweh und fühle mich nicht wohl.« Darüber wurde sie böse, und sagte, sich über mich betrübend: »Verbrenne mir nicht das Herz, mein Herr; setz' dich, hebe deinen Kopf und erzähle mir, was dir zugestoßen ist; dein Gesicht redet eine Sprache zu mir.« Ich entgegnete ihr: »Verschone mich!« Da weinte sie und sagte: »Es scheint, als ob deine Liebe zu uns bereits vorüber ist; ich sehe dich ganz anders wie sonst,« und weinte und plauderte zu mir, ohne daß ich ihr Antwort gab, bis die Nacht kam. Als sie mir jetzt das Essen vorsetzte, lehnte ich es aus Furcht, daß sie mich mit der linken Hand essen sähe, ab und sagte: »Ich habe jetzt keinen Appetit zum Essen.« Da begann sie von neuem: »Erzähl' mir, was dir heute zugestoßen ist, und weshalb ich dich so bekümmert und 27 gebrochenen Herzens und Gemütes sehe.« Darauf antwortete ich: »Ich will es dir sofort in Muße erzählen.« Nun brachte sie mir Wein und sagte: »Nur zu, das hebt deinen Kummer; du mußt ihn trinken und mir dann erzählen, was mit dir vorgefallen ist.« Da sagte ich: »Wenn es denn sein muß, so gieb mir mit deiner Hand zu trinken.« Darauf füllte sie den Becher und leerte ihn; dann füllte sie ihn von neuem, reichte ihn mir und ich nahm ihn ihr mit meiner Linken ab, indem ich, während mir die Thränen von den Wimpern niederrannen, die Verse sprach:

»Wenn Gott einem Manne ein Unheil verhängt hat,
Und dieser Verstand und Ohren und Augen besitzt,
So macht er seine Ohren taub und sein Herz blind
Und zieht ihm den Verstand wie ein Haar aus,
Bis er seinen Ratschluß zu Ende geführt hat;
Dann giebt er ihm den Verstand wieder, eine Lehre daraus zu ziehen.«

Wie sie mich nun weinen sah und gewahrte, daß ich den Becher mit der linken Hand faßte, schrie sie laut auf und fragte: »Warum weinst du? Du verbrennst mir das Herz; und warum fassest du den Becher mit der linken Hand an?« Ich erwiderte ihr: »Ich habe ein Geschwür an der Hand.« Da sagte sie: »Strecke sie heraus, daß ich es dir öffnen kann.« Ich entgegnete: »Es ist noch zu früh, es zu öffnen; belästige mich doch nicht so sehr, ich stecke die Hand nicht heraus.« Darauf leerte ich den Becher, und sie schenkte mir in einem fort ein, bis mich der Wein überwältigte, und ich da, wo ich lag, in Schlaf sank. Nun sah sie, daß mir die Hand fehlte, und durchsuchte mich, bis sie den Beutel mit dem Gold fand. Da überfiel sie eine so große Betrübnis, wie nie einen Menschen zuvor, und sie grämte sich bis zum Morgen um meinetwillen.

Als ich wieder aus dem Schlafe zu mir kam, sah ich, daß sie mir eine Brühe von vier Hühnern gekocht und aufgetragen hatte; dazu reichte sie mir wieder einen Becher Wein, und ich aß und trank und legte dann den Beutel nieder um fortzugehen. 28

Da fragte sie mich: »Wohin willst du gehen?« Ich antwortete: »Irgendwohin, wo ich etwas von meinem Kummer mir aus dem Herzen scheuchen kann.« Darauf erwiderte sie: »Geh' nicht fort, bleib' hier und setz' dich!« Wie ich mich nun wieder gesetzt hatte, sagte sie zu mir: »Ist wirklich deine Liebe zu mir so groß, daß du mir all dein Geld gegeben und noch dazu deine Hand eingebüßt hast? Ich nehme dich wider mich zum Zeugen, und Gott ist ebenfalls Zeuge, daß ich mich nie mehr von dir trennen werde; du wirst die Wahrheit meiner Worte sehen. Vielleicht erhört Gott mein Gebet, daß ich mich mit dir vermähle.« Darauf schickte sie nach den Zeugen und sagte zu ihnen, als sie erschienen waren: »Setzet meinen Ehekontrakt mit diesem jungen Manne hier auf und seid Zeugen, daß ich die Morgengabe empfangen habe.«

Nachdem die Zeugen meinen Ehekontrakt mit ihr geschrieben hatten, sagte sie: »Seid Zeugen dafür, daß all mein Vermögen, welches sich in diesem Kasten befindet, und alles, was ich an Mamluken und Sklavinnen besitze, diesem jungen Manne gehört.« Nachdem sie auch dies bezeugt hatten, und der Besitz auf mich übergegangen war, erhielten sie ihre Gebühren und gingen fort. Das Mädchen aber faßte mich bei der Hand und führte mich in eine Kammer; dort öffnete sie einen großen Kasten und sagte zu mir: »Sieh, was hier in dem Kasten liegt.« Als ich hinein sah, fand ich ihn mit Tüchern ganz angefüllt. »Das ist dein Geld,« sagte sie, »das ich von dir bekam; so oft du mir ein Tuch mit fünfzig Dinaren gabst, wickelte ich es zusammen und warf es in diesen Kasten. Nimm nun dein Geld, Gott hat es dir schon wiedergegeben; du stehst jetzt groß da. Um meinetwillen hat dich das Geschick ereilt, daß du deine rechte Hand verlorst; ich kann dir das nie vergelten, und wollte ich auch mein Leben hingeben, es wäre doch nur wenig, und bei dir wäre der Überschuß. Nimm dein Gut nun wieder an dich.«

So nahm ich es denn wieder an mich; sie aber legte noch den Inhalt ihres Kastens zu dem meinigen und fügte 29 so ihr Vermögen dem Gelde hinzu, das ich ihr gegeben hatte. Da ward mein Herz wieder froh, mein Kummer schwand, und ich stand auf, küßte sie und trank Wein mit ihr. Dann hob sie von neuem an: »All dein Geld und deine Hand dazu hast du aus Liebe zu mir geopfert, wie kann ich dir das vergelten? Bei Gott, wollte ich auch mein Leben lassen aus Liebe zu dir, es wäre nur wenig und käme nicht gleich deinen Rechten auf mich,« und verschrieb mir urkundlich all ihren Besitz an Kleidern und Schmucksachen und sonstigem Eigentum. Wie ich ihr dann alles erzählte, was mir zugestoßen war, konnte sie aus Kummer über mich die Nacht über gar nicht schlafen.

Noch hatten wir in dieser Weise keinen Monat verbracht, da erkrankte sie heftig, wurde immer schwächer und schwächer und schied schon nach fünfzig Tagen zum Volke des Jenseits ab. Nachdem ich ihr Leichenbegängnis zugerüstet und sie beigesetzt hatte, ordnete ich Koranverlesungen für sie an und stiftete zu ihrem Gedächtnis eine beträchtliche Summe als Almosen. Dann verließ ich ihr Grab und sah nun, daß sie nicht nur bedeutendes Geld, sondern auch reichen Besitz an Grundstücken und totem Inventar hinterlassen hatte, zu deren Masse auch jene Sesamlager gehörten, von denen ich dir das eine verkaufte. Nur dadurch, daß ich mit dem Verkauf der andern Magazine zu thun hatte, konnte ich so lange nicht zu dir kommen, und noch bis jetzt bin ich nicht fertig geworden, das Geld hierfür einzutreiben. Ich erwarte jedoch, daß du mir nicht widersprichst, und, da ich nun einmal dein Brot gegessen habe, das Geld für den Sesam, das bei dir steht, von mir zum Geschenk nimmst. – Das ist der Grund, weshalb ich mit der linken Hand aß.«

Ich antwortete ihm: »Wahrlich, du hast mich mit verschwenderischer Güte behandelt.« Darauf sagte er zu mir: »Du mußt bestimmt mit mir nach meinem Lande ziehen, ich habe Waren von Kairo und Alexandria eingekauft; willst du mich begleiten?« Ich sagte ihm zu und verpflichtete mich 30 am Anfang des nächsten Monats bereit zu sein. Dann verkaufte ich all meinen Besitz, kaufte dafür Waren ein und zog mit dem jungen Manne in dieses euer Land. Während er aber seine Waren verkaufte und an Stelle derselben andere einkaufte und wieder nach Ägypten zog, wollte es das Geschick, daß ich hier in der Fremde blieb, und mir in dieser Nacht der Unfall mit dem Buckeligen zustieß. Ist dies, o König der Zeit, nicht wunderbarer als die Geschichte mit dem Buckeligen?«

Siebenundzwanzigste Nacht.

Der König entgegnete jedoch: »Ihr müßt alle mitsamt gehängt werden.« Nun aber trat der Oberküchenmeister an den König von China heran und sagte: »Wenn du es mir gestattest, erzähle ich dir eine Geschichte, welche ich, kurz bevor ich mit dem Buckeligen zusammentraf, erlebte. Gefällt sie dir besser als seine Geschichte, so schenke uns das Leben.« Darauf sagte der König: »Her mit dem, was du zu erzählen hast.«

Da erzählte der Oberküchenmeister:

 


 << zurück weiter >>