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Der Graf von Brederode, oder vielmehr Viktor Pandarus, war ein Mann von etwa vierzig Jahren, von militärischem Aussehen, groß und wohlgebaut und konnte leicht einen reichen englischen Landedelmann vorstellen. Sein energisches Gesicht, das etwas zu hart war, um schön zu sein, seine hellgrauen Augen, die kalt und trocken blickten und das häufige Zusammenziehen der Züge, kündigten einen unbeugsamen Willen an. Seine hervorragenden Eigenschaften hätten ihn zu einer ehrenvollen Stellung erheben können, aber sein einziger Traum war, rasches Reichwerden, und diesem zulieb warf er die eitlen und unfruchtbaren Erfolge der Arbeit, und alle konventionellen Vorurteile, wie er es nannte, über Bord und wählte den Weg des Lasters.
Als Kellner in den Cafés der großen Welt, schmeichelte er sich, deren Manieren und Sprache sich angeeignet zu haben. Bei den tollen Orgien der jungen vornehmen Welt übernahm er mit Diskretion die schwierige Aufgabe eines Unterhändlers oder deutsch gesagt: Kupplers. Nicht selten nahm Viktor (so wurde er von diesen gewissen Damen und Herren genannt) in den Morgenstunden an den lärmenden Gelagen des Café Riche teil. Seine herkulische Stärke verlieh ihm unbestrittene Vorrechte in Mitte dieser durch Spiel und Trunk verkommenen Gesellschaft. Er war der Freund seiner adeligen Kunden. Während sie unter den Tisch fielen, lärmten und schrieen, steckte er das Gold ein, mit dem ihn diese ekelhaften Thoren überhäuften und in einigen Jahren hatte er ein so hübsches Vermögen zusammengerafft, daß er den Ehrgeiz fühlen konnte, sich selbst zu »etablieren«. Aber das zweideutige Café schien ihm nicht rasch genug die Stufen zu dem erwünschten Glücke, dieser schwer zugänglichen und trügerischen Gottheit hinauf zu führen, und es kam ihm ein anderer Gedanke. Mit Hilfe der wirksamen Unterstützung jener Söhne aus vornehmen Familien, denen er bis dahin Gefälligkeiten erwiesen, erbat und erhielt Pandarus von der Stadt Brüssel das Recht, ein öffentliches Haus einzurichten.
Da er unter dem zweiten Kaiserreiche bei einigen Pariser Aufständen als Polizeispion ( Agent provocateur) gewirkt hatte, machte er sich gegenüber den städtischen Behörden diesen Umstand zu Nutzen, der bei ihren weisen Entscheidungen stark ins Gewicht fiel. Übrigens ebneten gewisse vorhergethane Schritte gegenüber den niedern Kreisen der Polizei alle Schwierigkeiten. Und so sah sich Pandarus, obschon noch jung, als Konzessionär eines sehr einträglichen Geschäftes.
Nach einigen Jahren war dieser »geniale« Mensch, Dank einer exemplarischen Ausführung und einer unverdrossenen Arbeit durch den Handel mit weißen Sklavinnen, Ultramillionär und konnte sich den Luxus der glänzenden Wohnung erlauben, welche er sich an der Straße nach Waterloo, einige Meilen von Brüssel, einrichtete. Dieses Landhaus entsprach übrigens auch seinen neuen und kühnen Ideen bezüglich des Gewerbes, das ihn reich gemacht hatte, indem es ihm gestattete, seine vornehmen Kunden standesgemäß auszunehmen, den Überfluß, seines Personals aus der Stadt unterzubringen, die Widerspenstigen zu besänftigen und die Gelehrigen auf ihren »Beruf« vorzubereiten.
Dieser eigentümliche »Gehülfe« der Polizei lebte mit ihr in »herzlichem Einverständnis«. Der Kommissar-Leutnant der Polizei, Lemoine, war ein Mann mit den weitherzigsten Ansichten, und Pandarus konnte ungestraft den Gesetzen zuwiderhandeln. Der Kommissar der Sittenpolizei fand immer eine Art und Weise, in den einzelnen Fällen die Dinge so darzustellen, daß unser Kuppler weiß wie der Schnee erschien und ihm jede unangenehme Einmischung in seine kleinen Geschäfte erspart blieb.
Die Freundschaft großer Männer ist eine Wohlthat der Götter und ist vor allem sehr bequem. So nahmen sich einst die Engländer die Freiheit, sich in öffentlichen Blättern über diese mächtige Persönlichkeit zu beklagen, die sie erzürnt über ihre Nachforschungen nach einer verschwundenen Landsmännin, mißhandelt und mit dem Tode bedroht hatte. Sie erhielten dafür ihren Lohn, indem man die höchste Gerechtigkeit darin fand, den unschuldigen Besitzer des öffentlichen Hauses gegen barbarische Insulaner ohne Treue und Glauben, nach besten Kräften zu schützen. Daß dergleichen Liebesdienste gut bezahlt wurden, und daß bald eine fürstliche Belohnung, bald eine testamentarische Verfügung dem würdigen Vertreter des Gesetzes erlaubte, sich aus den Scharlachkleidern der Freudenmädchen Minister-Einkünfte zu schneiden, versteht sich von selbst.
Für den untergeordneten Polizeibeamten wurde Pandarus in schwierigen Fällen zum gefälligen Bankier und es war unter so vertrauten Freunden selten die Rede von Rückzahlung; im Gegenteil, wenn eine schöne Sklavin den »uniformierten« Louis gefiel, so war es äußerst klug, so liebenswürdigen und zuvorkommenden Dienern der Gewalt den Rahm von der Milch anzubieten.
Seine Frau, eine große und schöne Person, stand an der Spitze des Hauses in der Stadt, während er selbst die Hilfsanstalt außerhalb der Mauern leitete. Natürlich behielt er sich dabei vor, seinen Besitz in der Rue St. Laurent, dieser Hauptquelle seines Vermögens, sorgfältig zu beaufsichtigen. Er besuchte dasselbe täglich, täglich konnte man zur bestimmten Stunde den mit einem prächtigen Vollblut bespannten, eleganten Phaeton vorfahren sehen, den er in raschem Trabe lenkte, indem er bald hier, bald da einen verächtlichen Fußgänger mit Straßenkot bespritzte, mit der Peitsche den achtungsvollen Gruß der Polizisten erwiderte und von Zeit zu Zeit einem prachtvollen Neufundländer pfiff, welcher der Equipage folgte.
Ja, es war ein wichtiger Mann, der schöne Viktor! Hatte er nicht das Recht, sich auf seine Weise für die Verachtung einer zurückgebliebenen Gesellschaft zu rächen? Besaß er nicht eine außerordentliche Macht in der Stadtgemeinde? War ihm nicht durch den Vater der Stadt, den Herrn Bürgermeister, das Eigentumsrecht über seine Kostgängerinnen verliehen? Allerdings gedachte er nicht mit dem Jus utendi et abutendi Mißbrauch zu treiben. Warum hätte er es auch thun sollen? Er hätte ja seinen eigenen Interessen geschadet! Alle Wetter, so ein Mädchen war seine 500 Francs wert! Dabei war aber allerdings der unbedingteste Gehorsam gegen seine Befehle ausbedungen, und zwar nicht der Gehorsam des Dienstboten gegen seinen Herrn, sondern der des Leibeigenen oder des Sklaven. Hier wurde nicht verhandelt. Wer einmal sein Haus betreten, der kam wie in Dantes Hölle, nicht mehr heraus, der Unglückliche war in Ketten und Banden, feste Vorlegeschlösser schützten die Fensterläden, und eine dreifache Thüre von Eichenholz verwehrte den Ausgang. In seinem Hause in der Stadt wurde beständig ein Bluthund gehalten, der die Befreiung einer Gefangenen lebensgefährlich machte und handfeste Kehlabschneider räumten in einem Augenblick den Saal, in dem es zu viel Lärm gab. Pandarus war auch für die Aufrechterhaltung der Ordnung den Behörden verantwortlich, welche ihm ohne schlimme Absicht, den Titel eines »nützlichen Gehülfen der Polizei« verliehen hatten. Diese höhere Aufgabe seiner Stellung füllte Pandarus ebenfalls mit staunenswerter Geschicklichkeit aus. Er erkannte auf den ersten Blick den ungetreuen Kassirer, der die Freuden von Paris floh, um in seiner »Anstalt« Schiffsbruch zu leiden. Er nahm sich, ohne Zweifel aus Besorgnis zu irren und einen Unschuldigen anzuklagen, Zeit zur Beobachtung. Hatte aber schließlich der Durchgebrannte einige Tage und Nächte unter seinem Dache zugebracht und seinen Sekt in Gesellschaft der gefälligen Nymphen getrunken, so machte Pandarus der Herrlichkeit ein Ende, verweigerte jede weitere Flasche Hamburger Champagners zu 15 Francs und lieferte den Elenden, der sein Haus schändete, in die Hände der Gerechtigkeit.
Das war der Mann, den wir jetzt mit Sullecartes und Raphaela in der eleganten Villa am Walde von Soignes über »Geschäfte« verhandelnd finden.