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Das Stellenvermittelungsbureau in Oxford-Street war eines jener Allerwelts-Geschäfte, deren es in den großen Hauptstädten so viele giebt. Dasselbe übernahm alle nur denkbaren Aufträge, wenn dabei Geld zu verdienen war. Für einige Schillinge erteilte man dort Auskunft über das wahrscheinliche Vermögen dieser oder jener Person, für einige Pence unterzog man sich der Mühe, die Briefe derer in Empfang zu nehmen, die es so wünschten, gegen eine geringe Gebühr verschaffte man den Leuten ein Dienstmädchen, einen Kammerdiener, einen Reitknecht, einen Jagdhund oder ein Pferd. Ein junger Mann, dessen Hoffnungen auf Erbschaft sicher waren, erhielt, Gott weiß zu welchen Zinsen die pekuniären Mittel, seinen Lüsten zu fröhnen, und hatte dagegen nur eine Lebensversicherung zu verpfänden, welche den unangenehmen Folgen eines frühzeitigen Todes, den die geliehenen Gelder selbst beschleunigten, vorbeugen sollte.
Handelte es sich darum, einen vermißten Erben zu finden, dessen Erscheinen zehn Vermögen gewinnen oder verlieren machen konnte, so begab sich das Geschäft von Jones und Komp. auf die Suche nach dem verlorenen Sohne und war dabei auch wirklich oft von Erfolg begleitet.
Wenn man es wünschte, wurde einer der Geschäftsinhaber Bücherfabrikant auf dem Kontinent, Schöpfer einer Eisenbahn in China, Beförderer einer Luftschiffahrtsgesellschaft, Erbauer eines Theaters, Gründer einer politischen Zeitung oder sonstigen Zeitschrift.
Man sieht, der Geschäftskreis der Agentur Jones und Komp. war weit und mannigfaltig; aber dabei waren die Herren so ungemein vorsichtig, daß sie niemals einen Schritt thaten, ja sogar nicht ein Wort sagten, ohne sofort einzukassieren, was sie mit dem Titel von Honoraren zu schmücken beliebten. Ausnahmen von dieser Regel wurden nur unter den sichersten Garantieen gemacht.
Das Haus Jones und Komp. war nicht geradezu unredlich; die Rechtspflege fand an seinen vielfachen Unternehmungen nichts auszusetzen. Es konnte ja nichts dafür, wenn seine Vermittelung zu schlechten und dunklen Thaten benutzt wurde. Es hatte nur weite und bequeme Grundsätze, welche allzu genau zu prüfen, es durch die am Jahresschlüsse sich herausstellenden Gewinne verhindert wurde. Das äußere Ansehen des Geschäfts war ein günstiges und im Hause, im Personal und im Geschäftsbetriebe schien alles eine gute und ehrbare Firma anzuzeigen.
Die Kontors waren geräumig, nach der Straße zu gelegen und dabei in dem vornehmsten Teile der ungeheuren Verkehrsader Oxford-Street. Zwanzig Kommis liefen wie die Matrosen auf einem Schiffe in den Gängen und Stockwerken umher und verliehen diesem Geschäftsmarkte ein ungemein belebtes Aussehen. Zwanzig andere Kommis waren über dickleibige Geschäftsbücher gebeugt, trugen ein, suchten nach und schrieben auf. Jeden Augenblick trat ein Geschäftsfreund des Hauses mit einem Auftrage ein. Es ging zu wie in einem Ministerium, nur mit dem Unterschied, daß das Auge des Herrn unablässig das Kommen und Gehen der Kommis überwachte. Der Hauptinhaber des Hauses verließ sozusagen die Bureaus niemals. Für ihn waren sie das Leben und vor allem das Glück. Kalt, ruhig und auf den ersten Blick seine Kunden durchschauend, ergriff er danach seine Maßregeln.
Gegen Erben, gegen künftige Lords und Pairs war er demütig und kriechend. Der vornehme Kunde wurde sofort in das eigentliche Kabinet geführt, wo ein geschickt angebrachtes Fensterchen dem strengen Herrn einen Überblick sämtlicher Bureaus gestattete. Hier entwickelte sich regelmäßig ein höflicher Kampf zwischen der bedauernswerten Taube und dem Raubvogel, welcher damit endete, daß der Wucherer, unter Klagen über schwere Zeiten, sich zu einer Anleihe von tausend Sovereigns zu 90 Prozent herbeiließ. Der leichtfertige Jüngling entfernte sich dann, sehr gerührt von den mit der herrlichsten Moral gewürzten Ratschlägen dieses alten Blutsaugers.
In einem anderen Falle meldet sich ein Stellensucher, der von den beredten Ankündigungen angelockt ist, welche von den sogenannten Sandwichs, der Reklame dienenden Leuten, in den Straßen herumgetragen werden. Mit einem Blicke den Unglücklichen schätzend schreit ihm der Chef, ohne ihn zu Worte kommen zu lassen, zu: »Gehen Sie zur Kasse und geben Sie Ihren Namen an, man wird für Sie eine geeignete Stellung finden.«
Unter der Zahl der Betrogenen befanden sich oft auch jene jungen Männer mit ausgehungerten, aber feinen und intelligenten Gesichtern. Nachdem sie Jones etwas aufmerksamer betrachtet und sich vor allem zwei Schillinge und sechs Pence hat bezahlen lassen, redet er die angehenden Dichter mit Protektorsmiene an: »Nur Mut, mein Freund, die Litteratur ist ein edler, aber schwerer Beruf; ich bin ihr Mäcen, wenn ich einen würdigen Gegenstand meiner Gunst finde. Ich habe gerade was für Sie paßt. Das Blatt »Die Schmetterlinge« bedarf eines Mitarbeiters über leichtere Politik; fangen Sie damit an, und nach sechs Monaten eifriger Thätigkeit wird man Ihnen Gehalt zahlen.«
Sechs Monate später sind »Die Schmetterlinge« davon geflogen, der improvisierte ehrliche Mitarbeiter ist auf das Pflaster gesetzt und unser wackerer Jones vom Hause Jones und Komp. hatte in Anbetracht, daß sein Haus dem ehrbaren Skandalblatte den ausgezeichneten Schriftsteller verschafft hatte, den Vorteil mancher unentgeltlichen Reklame.
Die großen Augenblicke, die Waterlooschlachten für Jones und Komp. waren die Gründungen von Aktiengesellschaften. In zwei Stunden, im stillen Winkel seines kleinen Bureaus blendete Jones die geriebensten Gründer der Stadt. Innerhalb einer Woche wurden die Prospekte auf den Markt geworfen, die ernstesten Artikel waren in allen unabhängigen und ehrbaren Blättern Londons erschienen, mit Inbegriff der »Grille«, welche die Spezialität der eingegangenen »Schmetterlinge« fortführte: man pries darin das neue unvergleichliche Produkt an, und vor Ablauf eines Monats belagerten die Aktionäre wie wahnsinnig die Bureaus und wetteiferten freudig ihr Geld für die unentbehrliche »elektrische Bürste« einzulegen, mit welcher die neue Gesellschaft die Welt beschenkte. In der Regel genügten sechs Monate, um, diesmal im wahren Sinne des Wortes, den Jubel weg zu bürsten.