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Unsere liebe Frau zu Eberhardsklausen

Wer Maria findet, findet das Leben, nämlich Jesus Christus, welcher ist der Weg, die Wahrheit und das Leben.

Der selige Ludwig Maria Grignion von Montfort.
(»Vollkommene Andacht zu Maria«)

In dem Dorfe Esch des Kreises Daun, dem Bistum Trier zugehörig, lebte ums Jahr 1400 ein frommer Bauersmann mit Namen Eberhard. Es hauste dieser Mann seit dem Hinscheid seiner Eltern allein in seiner Hütte, und er gedachte auch fürderhin ehelos zu bleiben und allein. Warum, wußte niemand, denn er war allerwärts wohlgelitten und heitern Gemütes. Es fand sich auch von außen nichts Absonderliches an ihm; aber insgeheim trug er eine große Liebe zur Mutter Gottes, das machte ihn allezeit froh, und er wollte gern im Stande der Ehelosigkeit verbleiben. Der Himmel wußte um dieses Bauersmannes ausnehmende Reinheit, und auf Erden sein Beichtvater. Im übrigen arbeitete Eberhard in Stall und Feld, wie die andern Bauern auch. Bei Esch kreuzen sich drei Straßen, deren jede zu einer großen Stadt führt, die eine nach Trier, die andere nach Köln, die dritte nach Mainz, und mag diesertwegen der Kreuzung eine sonderbare Bedeutung zukommen; denn ingleichen führt ja jeder Weg, von hier aus, in eine uralte Bischofsstadt, und in ihrer jeder großen, heiligen Dom. An diesem Scheideweg just aber lagen des Bauern Eberhard Wiese und Hütte.

Es mochte somit nicht von ungefähr sein, daß es Eberhard in den Sinn kam, an diesem Scheideweg einen Bildstock der Schmerzhaften Mutter Gottes aufzustellen. Ging er des Morgens an sein Tagewerk, so suchte er zuerst noch das Standbild der Mutter Gottes heim, verrichtete dort sein Gebet, zündete das Lämplein vor derselben an und schmückte es von Zeit zu Zeit mit Blumen. Auch gab er sich redlich Mühe, zu gleicher Verehrung Marias seine Nachbarn anzueifern. Nicht zuletzt aber war so den Wanderern, Reitern und Fuhrleuten, welche zahlreich hier vorüberzogen, eine freundliche Gelegenheit zu einem frommen Stoßseufzer errichtet.

 

Indem dieser Bauersmann solchermaßen auf Huldigungen vor der Himmelskönigin bedacht war, blickte sie selbst mit Huld aus diese Stätte. Gar bald bekannten so manche, die vor diesem Bildstock zur Mutter Gottes gefleht hatten, ihnen zuteil gewordene Erhörung und Gnadenerweisung. Dadurch entstand ein großer Zulauf des Volkes, so daß zu Zeiten mehr Leute um die Muttergottessäule versammelt waren, als in manchem Gotteshause zu finden. So konnte es nicht ausbleiben, daß Eberhards Name in vieler Leute Mund kam. Als er jedoch – weit entfernt an eigene Ehre zu denken – eines Tages einen Traum erzählte, worinnen er von einer hehren Frau aufgefordert worden, über der Muttergottessäule eine Kapelle zu erbauen, ward er statt erhoffter Hilfe nur allenthalben verspottet. Es ist dieses ja häufig der Gang der Dinge, und unser Dank fällt meistens viel kürzer aus als unsere Bitte. Eberhard seinerseits, obwohl er ein zweites und ein drittes Mal jene himmlische Mahnung im Traum erfuhr, hätte vielleicht niemals gewagt, allhier den Grundstein zu seinem späteren Werke zu legen, hätte ihn nicht sein Pfarrherr und Beichtiger eigens ermuntert.

Nach solcher Ermunterung aber gedachte er nicht länger jener Spottreden, durch deren Pfeile der Böse gehofft hatte, Eberhards Arm zu lähmen; sondern er dachte jetzt ganz wie der Pfarrer – dieser hatte nämlich gesagt, die Mutter Gottes werde wohl wissen, warum sie diesmal von einem kleinen Bauern eine Kapelle gebaut haben wolle, statt von einem großen Herrn. So grub denn Eberhard selbst auf einem passenden Platze den Grund aus, legte den ersten Stein und baute immer weiter. Da er aber Geld, Kalk, Ziegel und alles, was zum Bauen nötig war, nicht aus Eigenem beizustellen vermochte, ging es nicht anders, als daß er dafür Almosen suchte. Dieses tat er denn auch ohne weitere Furcht und mit seinem gewöhnlichen Frohsinn, und weil er in seinem Herzen niemals an sich, sondern allezeit nur in aller Geduld an Maria dachte, lag der Segen Gottes auf allen seinen Bittgängen. Marias Ehre ist ja Gottes Ehre, denn sie selber, obschon aller Ehren so würdig, gibt alle Ehren an Gott, der aus ihren läuternden Händen sie tausendmal lieber denn aus unfern unreinen empfängt. Und so wurde denn Eberhard alles, was er brauchte, immer zur rechten Zeit noch geliefert, niemals stockte der Bau. Zuletzt stand eine freundliche Kapelle da, und der Zulauf des Volkes, seiner Gebete Erhörung mehrte von da ab sich täglich. Auch hängten die Leute Tafeln an die Wände, um Marias Gnadenerweisungen zu bezeugen, zurückgelassene Krücken erzählten von geschehener Heilung der Kranken, eiserne Ketten die Befreiung aus schmählichem Kerker, all dies durch die Fürbitte der Allerseligsten Jungfrau.

 

Bis dahin ging alles gut, aber wie hätte dies nicht den Bösen zu wütenden Anschlägen reizen sollen, ihn, der Maria noch mehr haßt als Gott den Herrn! Denn alle Gnade kommt ja den Vorherbestimmten durch die Hand Marias zu, und daß sie, ein Mensch, von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit als die Verteilerin göttlichen Gnadenreichtums, zur Mutter der Kirche Christi bestellt ist, dies quält den Bösen ohne Unterlaß in seinem Stolze, macht ihn zu Marias Todfeind und treibt ihn täglich zu neuen Anschlägen, – auf daß wahr werde, was geschrieben steht: es ist Feindschaft gesetzt zwischen dir und dem Weibe! –

Der Böse also, schon aus Erfahrung wissend, welche Kraft und Segen von Marias Gnadenorten ausgehen in die Welt, hatte die Hoffnung nicht aufgegeben, des Bauern Eberhard frommes Werk wieder zu zerstören.

 

Als nämlich der Kapelle allmählich Weihgeschenke, Stiftungen und Opfer in Menge zu gewendet wurden, regten sich Mißgunst und Gewinnsucht in den Herzen vieler Menschen zugleich, auch solcher, von denen man es sich nicht hätte versehen. Diese, da sie die Mutter Gottes selbst schicklicherweise nicht angreifen konnten, hielten sich an ihren einfältigen Diener, und sie setzten dem Bauern Eberhard mit vielen verfänglichen Fragen zu: wer den Grund und Boden, wer die Erlaubnis zum Bau und noch dazu zum Bau eines heiligen Hauses gegeben? wer ihn, den Eberhard, zum Verwalter der eingegangenen Opfer bestellt? wer ihn ermächtigt, der doch nur ein dummer Bauer sei, neben der Kapelle wie ein Klausner zu leben?

 

Diese Menschen brachten es zuwege, daß Eberhard von der Obrigkeit gefangen gesetzt und wie ein Verbrecher verwahrt wurde. Die Statue der Mutter Gottes aber wurde nach Piesport geschafft. Dies letztere tat unserm Eberhard bitterlich weh, hingegen was mit ihm selber geschah, ertrug er mit stiller Geduld. Es wurde ihm nämlich der Prozeß gemacht, und dieser hing lange vor den Richtern. Es fehlte nicht an solchen, die den Bauersmann als den eigenmächtigen und schlauen Begründer einer fetten Kapellpfründe ad usum proprium, das ist: zu eigner Nutznießung, hinstellen wollten, aber weil sich erwies, daß er nach dem Kapellenbau noch kärglicher gelebt als zuvor, ferner daß alle Opfer und Geschenke zu Nutzen der Kapelle umsichtig, mit Raten und Wissen auch anderer ehrbarer Männer verwahrt und verwaltet worden, und weil man auch sonst nichts an Eberhard zu bestrafen fand, so ließ man ihn endlich wieder frei. Auch gab man ihm jetzt seine Statue wieder zurück, die er nicht ohne Tränen an ihre Stätte in die Kapelle zurückbrachte.

 

Es hatte aber dieser Mann alsbald im Traum eine neue Erscheinung, durch diese ward er gemahnt, aus der Kapelle nunmehr eine Kirche zu schaffen. Ohngeachtet der schmerzlichen Erfahrungen, welche er im Dienste Marias schon als Kapellenbauer gemacht hatte, erschrak er nicht über den neuen und größern Auftrag, sondern im Traume mußte er ein wenig lachen und sagte: eja, Herrin, schon für die Kapelle haben sie mich eingesperrt, was wird es erst setzen, wenn ich jetzt mit einer Kirchen anfange!

Zuerst jedoch, insoweit es das Bauen selber betraf, ging alles wieder absonderlich gut. Der Sinn der Leute war wie verwandelt. Ehe noch Eberhard darum bat, trugen ihm Künstler und Handwerker ihre Hilfe an und versprachen ihm ungefragt, mit der Bezahlung bis zu beliebiger Zeit zu warten. Hohe und Niedere brachten Geld, die Bürger wetteiferten mit den Bauern.

 

Alles war so leicht, einfach und licht, als sei es jetzt März in den Herzen aller Menschen jenes Landes geworden, und eitel Wonne das irdische Leben der Diener Gottes und Marias. Indes unserm Eberhard, teils als einem bedächtigen Bauersmann, teils als einem schon geprüften Menschen, war die Wetterkunde zu geläufig als daß er erhoffte, es ginge nun immer so glücklich weiter. Sondern er dachte bei sich: Ich will bauen mit aller Eile, so lang es still ist und trocken, damit ich diese gute Jahreszeit in meinem Mariendienst genutzt zu haben gewiß bin!

Es kam auch bald ein neuer Sturm, und dieser tobte viel heftiger als je einer zuvor. Der Pfarrer von Piesport glaubte in dem ganzen Vorgange, nämlich darin, daß hier ein einzelner Mensch aufstehe und eigenmächtig eine Kirche Gottes bauen wolle, Dinge wahrzunehmen, die bedenklich wären für Gegenwart und Zukunft; ein solches Tun widerstreite der gesetzten heiligen Ordnung, der gottgewollten Einheit in Haupt und Gliedern. – Daß der Bauersmann Eberhard unter dem Befehle Marias handle, der Mutter der Kirche, und daß er, bevor er seinerzeit den Bau der Kapelle gewagt, sich erst hatte von seinem Beichtiger und Pfarrherrn zum Vollzuge jenes Befehles anweisen lassen – denn als ein demütiger Mann hatte er solchermaßen die gehabte Erscheinung der Prüfung unterstellt – dieses bedachte der Pfarrer von Piesport nicht oder mochte es auch nicht für ausreichend halten. Kurz, er brachte Klagen gegen Eberhard vor den Generalvikar, dann vor das Kapitel zu Trier und zuletzt vor den Bischof von Brixen, den Kardinal Nikolaus von Cusa, der damals apostolischer Legat in den Rheingegenden war. So triftig schienen seine Gründe, daß dem Eberhard unter der Strafe des Kirchenbannes geboten wurde, den Bau einzustellen.

 

Eberhard klagte seine Not der schmerzhaften Mutter Gottes, und er sprach zu ihr in seinem Herzen: O gnädigste Frau Königin, auf dein Geheiß hab ich angefangen, eine Kirche zu bauen, nun aber soll ich dafür verbannt werden aus der Kirche Christi, Gottes und deines Sohnes!

Sprach die Mutter Gottes lächelnd und huldreich zu ihm: Gehorche du nur mir wie bislang, aber bleibe ingleichen dem gottbestellten Priester der Kirche gehorsam! Gott wird es weisen, daß hierin nimmer ein Widerspruch sein kann.

Da wanderte der Bauer Eberhard zu dem Kardinal und flehte ihn inniglich an um Erlaubnis, den Bau vollenden zu dürfen, wie ihm geheißen.

Aber des Pfarrherrn Gründe waren mächtiger als die Bitten des Bauern; diesem oblag also nur, dem geistlichen Obern zu gehorchen; still und gesenkten Hauptes schlich er in eine Herberge der Stadt; doch das Lichtlein der Hoffnung erlosch nicht in seinem geduldigen Herzen.

Gegen Abend aber verfiel der Kardinal in eine plötzliche Krankheit, deren Gefahr er aus der düstern Miene des Arztes ebenso sehr wie aus den eigenen Schmerzen erkannte. Da wandte er sich, wie nicht anders zu erwarten, um Hilfe an unsere allergroßmächtigste Fürbitterin im Himmel, Maria. Und er wurde inne bei sich, daß sein jüngster Entscheid einer tieferen Prüfung bedürfe; derselben jedoch, die er unter Schmerzen auf seinem Krankenbett vornahm, nicht standhalten konnte. Darum gestattete er jetzt den Bau der Kirche zu Esch und sagte dem Bauern auch seine tätige Hilfe zu, sofern eine solche zu leisten ihm etwa die wiederkehrende Leibesgesundheit erlaube. Darauf genas er.

 

Nach ihm aber wurde auch der Pfarrer von Piesport für den Bau auf herrliche Weise gewonnen. Er hatte nämlich eine christliche Frau mit den Heilsmitteln unserer Kirche zum letzten Edenkampfe versehen, da behauptete diese, sie werde gewiß wieder gesund, wenn nur der Pfarrer in der noch nicht vollendeten Kirche für sie das heilige Meßopfer darbringe. Nun kam die Reihe des inneren Kampfes an den Pfarrer von Piesport, aber weil er aus gutem Gewissen gehandelt, widersprach er der Frau zuerst heftig und schlug es ihr ab. Indes, Beharrlichkeit ist eine der besonderen Tugenden frommer Frauen, so hörte auch diese hier nicht aus, zu bitten und zu beschwören. Es fiel dem Pfarrer sehr schwer, doch endlich ließ er einen Tragaltar in die angefangene Marienkirche bringen und las daselbst die heilige Messe. Als er nach der Messe zu jener Frau hinging, fand er sie gesund und wohlauf. Da staunte der Pfarrer und war mit dem Kirchenbau ausgesöhnt.

 

Das Gotteshaus aber ward in Frieden vollendet und im Jahre des Herrn 1449 eingeweiht. Bald darauf starb Eberhard, denn seine irdische Kraft hatte er vollends ausgegeben für diesen Bau; sein Heimgang erfolgte am Feste Mariä Geburt, das ist an seiner und unserer Königin hohem Geburtsfest. Zu Füßen des Frauenaltars wurde der Bauer beerdigt, der Ort aber erhielt nach ihm seinen Namen, ist zur Eberhardsklausen geheißen und seither die Zuflucht viel frommer Pilgerschaften geworden.


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