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Einleitung

M. h. H.

Der Gegenstand dieser Vorlesung ist die philosophische Weltgeschichte, das heißt, es sind nicht allgemeine Reflexionen über dieselbe, welche wir aus ihr gezogen hätten und aus ihrem Inhalte als dem Beispiele erläutern wollten, sondern es ist die Weltgeschichte selbst. Ich kann kein Kompendium dabei zugrunde legen; in meinen Grundlinien der Philosophie des Rechts § 341–360 habe ich übrigens bereits den näheren Begriff solcher Weltgeschichte angegeben, wie auch die Prinzipien oder Perioden, in welche deren Betrachtung zerfällt. [1. Ausg.] I. Damit nun zuvörderst klar werde, was sie sei, scheint es vor allen Dingen nötig, die andern Weisen der Geschichtsbehandlung durchzugehen. Der Arten die Geschichte zu betrachten, gibt es überhaupt drei:

a) die ursprüngliche Geschichte,
b) die reflektierte Geschichte,
c) die philosophische.

a) Was die erste betrifft, so meine ich dabei, um durch Nennung von Namen sogleich ein bestimmtes Bild zu geben, z. B. Herodot, Thukydides und andre ähnliche Geschichtschreiber, welche vornehmlich die Taten, Begebenheiten und Zustände beschrieben, die sie vor sich gehabt, deren Geiste sie selbst zugehört haben, und das, was äußerlich vorhanden war, in das Reich der geistigen Vorstellung übertrugen. Die äußerliche Erscheinung wird so in die innerliche Vorstellung übersetzt. So arbeitet auch der Dichter den Stoff, den er in seiner Empfindung hat, für die Vorstellung heraus. Freilich haben auch diese unmittelbaren Geschichtschreiber Berichte und Erzählungen andrer vorgefunden (es ist nicht möglich, daß ein Mensch alles allein sehe), aber doch nur, wie der Dichter auch die gebildete Sprache, der er so vieles verdankt, als Ingrediens besitzt. Die Geschichtschreiber binden zusammen, was flüchtig vorüberrauscht, und legen es im Tempel der Mnemosyne nieder, zur Unsterblichkeit. Sagen, Volkslieder, Überlieferungen sind von solcher ursprünglichen Geschichte auszuschließen, denn sie sind noch trübe Weisen und daher den Vorstellungen trüber Völker eigen. Hier haben wir es mit Völkern zu tun, welche wußten, was sie waren und wollten. Der Boden angeschauter oder anschaubarer Wirklichkeit gibt einen festeren Grund als der der Vergänglichkeit, auf dem jene Sagen und Dichtungen gewachsen sind, welche nicht mehr das Historische von Völkern machen, die zu fester Individualität gediehen sind.

Solche ursprüngliche Geschichtschreiber nun schaffen die ihnen gegenwärtigen Begebenheiten, Taten und Zustände in ein Werk der Vorstellung um. Der Inhalt solcher Geschichten kann daher nicht von großem äußeren Umfange sein (man betrachte Herodot, Thukydides, Guicciardini); was gegenwärtig und lebendig in ihrer Umgebung ist, ist ihr wesentlicher Stoff: die Bildung des Autors und die der Begebenheiten, welche er zum Werke erschafft, der Geist des Verfassers und der Geist der Handlungen, von denen er erzählt, ist einer und derselbe. Er beschreibt, was er mehr oder weniger mitgemacht, wenigstens mitgelebt hat. Es sind kurze Zeiträume, individuelle Gestaltungen von Menschen und Begebenheiten: es sind die einzelnen unreflektierten Züge, aus denen er sein Gemälde sammelt, um das Bild so bestimmt, als er es in der Anschauung oder in anschaulichen Erzählungen vor sich hatte, vor die Vorstellung der Nachwelt zu bringen. Er hat es nicht mit Reflexionen zu tun, denn er lebt im Geiste der Sache und ist noch nicht über sie hinaus; gehört er sogar, wie Cäsar, dem Stande der Heerführer oder Staatsmänner an, so sind seine Zwecke es selbst, die als geschichtliche auftreten. Wenn hier gesagt wird, daß ein solcher Geschichtschreiber nicht reflektiere, sondern daß die Personen und Völker selbst vorkommen, so scheinen die Reden dagegen zu sprechen, welche zum Beispiel bei Thukydides gelesen werden, und von denen man behaupten kann, daß sie sicherlich nicht so gehalten worden sind. Reden aber sind Handlungen unter Menschen und zwar sehr wesentlich wirksame Handlungen. Freilich sagen die Menschen oft, es seien nur Reden gewesen, und wollen insofern die Unschuld derselben dartun. Solches Reden ist lediglich Geschwätz, und Geschwätz hat den wichtigen Vorteil, unschuldig zu sein. Aber Reden von Völkern zu Völkern oder an Völker und Fürsten sind integrierende Bestandteile der Geschichte. Wären nun solche Reden, wie z. B. die des Perikles, des tiefgebildetsten, echtesten, edelsten Staatsmannes, auch von Thukydides ausgearbeitet, so sind sie dem Perikles doch nicht fremd. In diesen Reden sprechen diese Menschen die Maximen ihres Volkes, ihrer eignen Persönlichkeit, das Bewußtsein ihrer politischen Verhältnisse wie ihrer sittlichen und geistigen Natur, die Grundsätze ihrer Zwecke und Handlungsweisen aus. Was der Geschichtschreiber sprechen läßt, ist nicht ein geliehenes Bewußtsein, sondern der Sprechenden eigne Bildung.

Dieser Geschichtschreiber, in welche man sich hineinstudieren und bei denen man verweilen muß, wenn man mit den Nationen leben und sich in sie versenken möchte, dieser Historiker, in denen man nicht bloß Gelehrsamkeit, sondern tiefen und echten Genuß zu suchen hat, gibt es nicht so viele, als man vielleicht denken möchte: Herodot, der Vater, das heißt, der Urheber der Geschichte, und Thukydides sind schon genannt worden; Xenophons Rückzug der Zehntausend ist ein ebenso ursprüngliches Buch; Cäsars Kommentare sind das einfache Meisterwerk eines großen Geistes. Im Altertum waren diese Geschichtschreiber notwendig große Kapitäne und Staatsmänner; im Mittelalter, wenn wir die Bischöfe ausnehmen, die im Mittelpunkte der Staatshandlungen standen, gehören hierher die Mönche als naive Chronikenschreiber, welche ebenso isoliert waren, als jene Männer des Altertums im Zusammenhange sich befanden. In neuerer Zeit haben sich alle Verhältnisse geändert. Unsre Bildung ist wesentlich auffassend und verwandelt sogleich alle Begebenheiten für die Vorstellung in Berichte. Deren haben wir vortreffliche, einfache, bestimmte, über Kriegsvorfälle namentlich, die denen Cäsars wohl an die Seite gesetzt werden können und wegen des Reichtums ihres Inhalts und der Angabe der Mittel und Bedingungen noch belehrender sind. Auch gehören hierher die französischen Memoires. Sie sind oft von geistreichen Köpfen über kleine Zusammenhänge geschrieben und enthalten häufig viel Anekdotisches, so daß ihnen ein dürftiger Boden zugrunde liegt, aber oft sind es auch wahre historische Meisterwerke, wie die des Kardinals von Retz; diese zeigen ein größeres geschichtliches Feld. In Deutschland finden sich solche Meister selten; Friedrich der Große ( histoire de mon temps) macht hiervon eine rühmliche Ausnahme. Hoch gestellt müssen eigentlich solche Männer sein. Nur wenn man oben steht, kann man die Sachen recht übersehen und jegliches erblicken, nicht wenn man von unten herauf durch eine dürftige Öffnung geschaut hat.

b) Die zweite Art der Geschichte können wir die reflektierende nennen. Es ist die Geschichte, deren Darstellung, nicht in Beziehung auf die Zeit, sondern rücksichtlich des Geistes über die Gegenwart hinaus ist. In dieser zweiten Gattung sind ganz verschiedene Arten zu unterscheiden.

aa) Man verlangt überhaupt die Übersicht der ganzen Geschichte eines Volkes oder eines Landes oder der Welt, kurz das, was wir allgemeine Geschichte schreiben nennen. Hierbei ist die Verarbeitung des historischen Stoffes die Hauptsache, an den der Arbeiter mit seinem Geiste kommt, der verschieden ist von dem Geiste des Inhalts. Dazu werden besonders die Prinzipien wichtig sein, die sich der Verfasser teils von dem Inhalte und Zwecke der Handlungen und Begebenheiten selbst macht, die er beschreibt, teils von der Art, wie er die Geschichte anfertigen will. Bei uns Deutschen ist die Reflexion und Gescheitheit dabei sehr mannigfach, jeder Geschichtschreiber hat hier seine eigne Art und Weise besonders sich in den Kopf gesetzt. Die Engländer und Franzosen wissen im allgemeinen, wie man Geschichte schreiben müsse, sie stehen mehr auf der Stufe allgemeiner und nationeller Bildung; bei uns klügelt sich jeder eine Eigentümlichkeit aus, und statt Geschichte zu schreiben, bestreben wir uns immer zu suchen, wie Geschichte geschrieben werden müsse. Diese erste Art der reflektierten Geschichte schließt sich zunächst an die vorhergegangene an, wenn sie weiter keinen Zweck hat, als das Ganze der Geschichte eines Landes darzustellen. Solche Kompilationen (es gehören dahin die Geschichten des Livius, Diodors von Sizilien, Joh. von Müllers Schweizergeschichte) sind, wenn sie gut gemacht sind, höchst verdienstlich. Am besten ist es freilich, wenn sich die Historiker denen der ersten Gattung nähern und so anschaulich schreiben, daß der Leser die Vorstellung haben kann, er höre Zeitgenossen und Augenzeugen die Begebenheiten erzählen. Aber der eine Ton, den ein Individuum, das einer bestimmten Bildung angehört, haben muß, wird häufig nicht nach den Zeiten, welche eine solche Geschichte durchläuft, modifiziert, und der Geist, der aus dem Schriftsteller spricht, ist ein andrer als der Geist dieser Zeiten. So läßt Livius die alten Könige Roms, die Konsuln und Heerführer Reden halten, wie sie nur einem gewandten Advokaten der Livianischen Zeit zukommen, und welche wieder aufs stärkste mit echten aus dem Altertum erhaltenen Sagen, z. B. der Fabel des Menenius Agrippa, kontrastieren. So gibt uns derselbe Beschreibungen von Schlachten, als ob er sie mit angesehen hätte, deren Züge man aber für die Schlachten aller Zeiten gebrauchen kann, und deren Bestimmtheit wieder mit dem Mangel an Zusammenhang und mit der Inkonsequenz kontrastiert, welche in andern Stücken oft über Hauptverhältnisse herrscht. Was der Unterschied eines solchen Kompilators und eines ursprünglichen Historikers ist, erkennt man am besten, wenn man den Polybius mit der Art vergleicht, wie Livius dessen Geschichte in den Perioden, in welchen des Polybius Werk aufbehalten ist, benutzt, auszieht und abkürzt. Johannes von Müller hat seiner Geschichte in dem Bestreben, den Zeiten, die er beschreibt, treu in seiner Schilderung zu sein, ein hölzernes, hohlfeierliches, pedantisches Aussehen gegeben. Man liest in dem alten Tschudy dergleichen viel lieber; alles ist naiver und natürlicher, als in einer solchen bloß gemachten affektierten Altertümlichkeit.

Eine Geschichte der Art, welche lange Perioden oder die ganze Weltgeschichte überschauen will, muß die individuelle Darstellung des Wirklichen in der Tat aufgeben und sich mit Abstraktionen abkürzen, nicht bloß in dem Sinne, daß Begebenheiten und Handlungen wegzulassen sind, sondern in dem andern, daß der Gedanke der mächtigste Epitomator bleibt. Eine Schlacht, ein großer Sieg, eine Belagerung sind nicht mehr sie selbst, sondern werden in einfache Bestimmungen zusammengezogen. Wenn Livius von den Kriegen mit den Volskern erzählt, so sagt er bisweilen kurz genug: Dieses Jahr ist mit den Volskern Krieg geführt worden.

bb) Eine zweite Art der reflektierten Geschichte ist alsdann die pragmatische. Wenn wir mit der Vergangenheit zu tun haben und wir uns mit einer entfernten Welt beschäftigen, so tut sich eine Gegenwart für den Geist auf, die dieser aus seiner eignen Tätigkeit zum Lohn für seine Bemühung hat. Die Begebenheiten sind verschieden, aber das Allgemeine und Innere, der Zusammenhang einer. Dies hebt die Vergangenheit auf und macht die Begebenheit gegenwärtig. Pragmatische Reflexionen, so sehr sie abstrakt sind, sind so in der Tat das Gegenwärtige und beleben die Erzählungen der Vergangenheit zu heutigem Leben. Ob nun solche Reflexionen wirklich interessant und belebend seien, das kommt auf den eignen Geist des Schriftstellers an. Es ist hier auch besonders der moralischen Reflexionen Erwähnung zu tun und der durch die Geschichte zu gewinnenden moralischen Belehrung, auf welche hin dieselbe oft bearbeitet wurde. Wenn auch zu sagen ist, daß Beispiele des Guten das Gemüt erheben und beim moralischen Unterricht der Kinder, um ihnen das Vortreffliche eindringlich zu machen, anzuwenden wären, so sind doch die Schicksale der Völker und Staaten, deren Interessen, Zustände und Verwicklungen ein andres Feld. Man verweist Regenten, Staatsmänner, Völker vornehmlich an die Belehrung durch die Erfahrung der Geschichte. Was die Erfahrung aber und die Geschichte lehren, ist dieses, daß Völker und Regierungen niemals etwas aus der Geschichte gelernt und nach Lehren, die aus derselben zu ziehen gewesen wären, gehandelt haben. Jede Zeit hat so eigentümliche Umstände, ist ein so individueller Zustand, daß in ihm aus ihm selbst entschieden werden muß und allein entschieden werden kann. Im Gedränge der Weltbegebenheiten hilft nicht ein allgemeiner Grundsatz, nicht das Erinnern an ähnliche Verhältnisse, denn so etwas, wie eine fahle Erinnerung, hat keine Kraft gegen die Lebendigkeit und Freiheit der Gegenwart. Nichts ist in dieser Rücksicht schaler als die oft wiederkehrende Berufung auf griechische und römische Beispiele, wie diese in der Revolutionszeit bei den Franzosen so häufig vorgekommen ist. Nichts ist verschiedener als die Natur dieser Völker und die Natur unsrer Zeiten. Johannes von Müller, der bei seiner allgemeinen wie bei seiner Schweizergeschichte solche moralische Absichten hatte, für die Fürsten, Regierungen und Völker, besonders für das Schweizervolk solche Lehren zuzubereiten (er hat eine eigne Lehren- und Reflexionensammlung gemacht und gibt öfters in seinem Briefwechsel die genaue Anzahl von Reflexionen an, die er in der Woche verfertigt hat), darf dieses nicht zu dem Besten, was er geleistet hat, rechnen. Es ist nur die gründliche, freie, umfassende Anschauung der Situationen und der tiefe Sinn der Idee (wie z. B. bei Montesquieus Geist der Gesetze), der den Reflexionen Wahrheit und Interesse geben kann. Deswegen löst auch eine reflektierende Geschichte die andre ab; jedem Schreiber stehen die Materialien offen, jeder kann sich leicht für fähig, sie zu ordnen und zu verarbeiten, halten und seinen Geist als den Geist der Zeiten in ihnen geltend machen. Im Überdruß an solchen reflektierenden Geschichten ist man häufig zurückgegangen nach dem aus allen Gesichtspunkten umschriebenen Bilde einer Begebenheit. Diese sind allerdings etwas wert, aber sie bieten meistens nur Material dar. Wir Deutsche sind damit zufrieden: die Franzosen bilden dagegen geistreich sich eine Gegenwart und beziehen die Vergangenheit auf den gegenwärtigen Zustand.

cc) Die dritte Weise der reflektierten Geschichte ist die kritische: sie ist anzuführen, weil sie besonders die Art ist, wie in unsren Zeiten in Deutschland die Geschichte behandelt wird. Es ist nicht die Geschichte selbst, welche hier vorgetragen wird, sondern eine Geschichte der Geschichte und eine Beurteilung der geschichtlichen Erzählungen und Untersuchung ihrer Wahrheit und Glaubwürdigkeit. Das Außerordentliche, das hierin liegt und namentlich liegen soll, besteht in dem Scharfsinn des Schriftstellers, der den Erzählungen etwas abdingt, nicht in den Sachen. Die Franzosen haben hierin viel Gründliches und Besonnenes geliefert. Sie haben jedoch solch kritisches Verfahren nicht selbst als ein geschichtliches geltend machen wollen, sondern ihre Beurteilungen in der Form kritischer Abhandlungen verfaßt. Bei uns hat sich die sogenannte höhere Kritik, wie der Philologie überhaupt, so auch der Geschichtsbücher bemächtigt. Diese höhere Kritik hat dann die Berechtigung abgeben sollen, allen möglichen unhistorischen Ausgeburten einer eitlen Einbildungskraft Eingang zu verschaffen. Dies ist die andre Weise, Gegenwart in der Geschichte zu gewinnen, indem man subjektive Einfälle an die Stelle geschichtlicher Daten setzt, – Einfälle, die für um so vortrefflicher gelten, je kühner sie sind, das ist, auf je dürftigeren Umständchen sie beruhen und je mehr sie dem Entschiedensten in der Geschichte widersprechen. –

dd) Die letzte Art der reflektierten Geschichte ist nun die, welche sich sogleich als etwas Teilweises ausgibt. Sie ist zwar abstrahierend, bildet aber, weil sie allgemeine Gesichtspunkte (z. B. die Geschichte der Kunst, des Rechts, der Religion) nimmt, einen Übergang zur philosophischen Weltgeschichte. In unsrer Zeit ist diese Weise der Begriffsgeschichte mehr ausgebildet und hervorgehoben worden. Solche Zweige stehen in einem Verhältnis zum Ganzen einer Volksgeschichte, und es kommt nur darauf an, ob der Zusammenhang des Ganzen aufgezeigt oder bloß in äußerlichen Verhältnissen gesucht wird. Im letztern Falle erscheinen sie als ganz zufällige Einzelnheiten der Völker. Wenn nun die reflektierende Geschichte dazu gekommen ist, allgemeine Gesichtspunkte zu verfolgen, so ist zu bemerken, daß, wenn solche Gesichtspunkte wahrhafter Natur sind, sie nicht bloß der äußere Faden, eine äußere Ordnung, sondern die innere leitende Seele der Begebenheiten und Taten selbst sind. Denn gleich dem Seelenführer Merkur ist die Idee in Wahrheit der Völker- und Weltführer, und der Geist, sein vernünftiger und notwendiger Wille ist es, der die Weltbegebenheiten geführt hat und führt: ihn in dieser Führung kennen zu lernen, ist hier unser Zweck. Das führt auf

c) die dritte Gattung der Geschichte, die philosophische. Wenn wir rücksichtlich der beiden vorangegangenen Arten nichts erst aufzuklären hatten, weil sich ihr Begriff von selbst verstand, so ist es anders mit dieser letzten, denn diese scheint in der Tat einer Erläuterung oder Rechtfertigung zu bedürfen. Das Allgemeine ist jedoch, daß die Philosophie der Geschichte nichts andres als die denkende Betrachtung derselben bedeutet. Das Denken können wir aber einmal nicht unterlassen; dadurch unterscheiden wir uns von dem Tier, und in der Empfindung, in der Kenntnis und Erkenntnis, in den Trieben und im Willen, sofern sie menschlich sind, ist ein Denken. Diese Berufung auf das Denken kann aber deswegen hier als ungenügend erscheinen, weil in der Geschichte das Denken dem Gegebenen und Seienden untergeordnet ist, dasselbe zu seiner Grundlage hat und davon geleitet wird, der Philosophie im Gegenteil aber eigne Gedanken zugeschrieben werden, welche die Spekulation aus sich ohne Rücksicht aus das, was ist, hervorbringe. Gehe sie mit solchen an die Geschichte, so behandle sie sie wie ein Material, lasse sie nicht, wie sie ist, sondern richte sie nach dem Gedanken ein, konstruiere sie daher, wie man sagt, a priori. Da die Geschichte nun aber bloß aufzufassen hat, was ist und gewesen ist, die Begebenheiten und Taten, und um so wahrer bleibt, je mehr sie sich an das Gegebene hält, so scheint mit diesem Treiben das Geschäft der Philosophie in Widerspruch zu stehen, und dieser Widerspruch und der daraus für die Spekulation entspringende Vorwurf soll hier erklärt und widerlegt werden, ohne daß wir uns deswegen in Berichtigungen der unendlich vielen und speziellen schiefen Vorstellungen einlassen wollen, die über den Zweck, die Interessen und die Behandlungen des Geschichtlichen und seines Verhältnisses zur Philosophie im Gange sind oder immer wieder neu erfunden werden.

Der einzige Gedanke, den die Philosophie mitbringt, ist aber der einfache Gedanke der Vernunft, daß die Vernunft die Welt beherrsche, daß es also auch in der Weltgeschichte vernünftig zugegangen sei. Diese Überzeugung und Einsicht ist eine Voraussetzung in Ansehung der Geschichte als solcher überhaupt; in der Philosophie selbst ist dies keine Voraussetzung. Durch die spekulative Erkenntnis in ihr wird es erwiesen, daß die Vernunft, – bei diesem Ausdrucke können wir hier stehen bleiben, ohne die Beziehung und das Verhältnis zu Gott näher zu erörtern –, die Substanz wie die unendliche Macht, sich selbst der unendliche Stoff alles natürlichen und geistigen Lebens wie die unendliche Form, die Betätigung dieses ihres Inhalts ist. Die Substanz ist sie, nämlich das, wodurch und worin alle Wirklichkeit ihr Sein und Bestehen hat, – die unendliche Macht, indem die Vernunft nicht so ohnmächtig ist, es nur bis zum Ideal, bis zum Sollen zu bringen und nur außerhalb der Wirklichkeit, wer weiß wo, als etwas Besonderes in den Köpfen einiger Menschen vorhanden zu sein; der unendliche Inhalt, alle Wesenheit und Wahrheit, und ihr selbst ihr Stoff, den sie ihrer Tätigkeit zu verarbeiten gibt, denn sie bedarf nicht, wie endliches Tun, der Bedingungen eines äußerlichen Materials gegebener Mittel, aus denen sie Nahrung und Gegenstände ihrer Tätigkeit empfinge, sie zehrt aus sich und ist sich selbst das Material, das sie verarbeitet; wie sie sich nur ihre eigne Voraussetzung und der absolute Endzweck ist, so ist sie selbst dessen Betätigung und Hervorbringung aus dem Inneren in die Erscheinung, nicht nur des natürlichen Universums, sondern auch des geistigen, – in der Weltgeschichte. Daß nun solche Idee das Wahre, das Ewige, das schlechthin Mächtige ist, daß sie sich in der Welt offenbart und nichts in ihr sich offenbart als sie, ihre Ehre und Herrlichkeit, das ist es, was, wie gesagt, in der Philosophie bewiesen und hier so als bewiesen vorausgesetzt wird.

Diejenigen unter Ihnen, meine Herren, welche mit der Philosophie noch nicht bekannt sind, könnte ich nun etwa darum ansprechen, mit dem Glauben an die Vernunft, mit dem Verlangen, mit dem Durste nach ihrer Erkenntnis zu diesem Vortrag der Weltgeschichte hinzuzutreten: und es ist allerdings das Verlangen nach vernünftiger Einsicht, nach Erkenntnis, nicht bloß nach einer Sammlung von Kenntnissen, was als subjektives Bedürfnis bei dem Studium der Wissenschaften vorausgesetzt werden müßte. Wenn man nämlich nicht den Gedanken, die Erkenntnis der Vernunft, schon mit zur Weltgeschichte bringt, so sollte man wenigstens den festen, unüberwindlichen Glauben haben, daß Vernunft in derselben ist, und auch den, daß die Welt der Intelligenz und des selbstbewußten Wollens nicht dem Zufalle anheimgegeben sei, sondern im Lichte der sich wissenden Idee sich zeigen müsse. In der Tat aber habe ich solchen Glauben nicht zum voraus in Anspruch zu nehmen. Was ich vorläufig gesagt habe und noch sagen werde, ist nicht bloß, auch in Rücksicht unsrer Wissenschaft, als Voraussetzung, sondern als Übersicht des Ganzen zu nehmen, als das Resultat der von uns anzustellenden Betrachtung, ein Resultat, das mir bekannt ist, weil ich bereits das Ganze kenne. Es hat sich also erst aus der Betrachtung der Weltgeschichte selbst zu ergeben, daß es vernünftig in ihr zugegangen sei, daß sie der vernünftige, notwendige Gang des Weltgeistes gewesen, des Geistes, dessen Natur zwar immer eine und dieselbe ist, der aber in dem Weltdasein diese seine eine Natur expliziert. Dies muß, wie gesagt, das Ergebnis der Geschichte sein. Die Geschichte aber haben wir zu nehmen, wie sie ist: wir haben historisch, empirisch zu verfahren; unter anderm müssen wir uns nicht durch die Historiker vom Fach verführen lassen, denn diese, namentlich Deutsche, welche eine große Autorität besitzen, machen das, was sie den Philosophen vorwerfen, nämlich a priorische Erdichtungen in der Geschichte. Es ist z. B. eine weitverbreitete Erdichtung, daß ein erstes und ältestes Volk gewesen sei, unmittelbar von Gott belehrt, in vollkommener Einsicht und Weisheit, in durchdringender Kenntnis aller Naturgesetze und geistiger Wahrheit, oder daß es diese und jene Priestervölker gegeben, oder um etwas Spezielles anzuführen, daß es ein römisches Epos gegeben, aus welchem die römischen Geschichtschreiber die älteste Geschichte geschöpft haben usf. Dergleichen Autoritäten wollen wir den geistreichen Historikern von Fach überlassen, unter denen sie bei uns nicht ungewöhnlich sind. Als die erste Bedingung könnten wir somit aussprechen, daß wir das Historische getreu auffassen; allein in solchen allgemeinen Ausdrücken, wie treu und auffassen, liegt die Zweideutigkeit. Auch der gewöhnliche und mittelmäßige Geschichtsschreiber, der etwa meint und vorgibt, er verhalte sich nur aufnehmend, nur dem Gegebenen sich hingebend, ist nicht passiv mit seinem Denken und bringt seine Kategorien mit und sieht durch sie das Vorhandene; bei allem insbesondere, was wissenschaftlich sein soll, darf die Vernunft nicht schlafen, und muß Nachdenken angewandt werden; wer die Welt vernünftig ansieht, den sieht sie auch vernünftig an, beides ist in Wechselbestimmung. Aber die unterschiedenen Weisen des Nachdenkens, der Gesichtspunkte, der Beurteilung schon über bloße Wichtigkeit und Unwichtigkeit der Tatsachen, welches die am nächsten liegende Kategorie ist, gehören nicht hierher.

Nur an zwei Formen und Gesichtspunkte über die allgemeine Überzeugung, daß Vernunft in der Welt und ebenso in der Weltgeschichte geherrscht habe und herrsche, will ich erinnern, weil sie uns zugleich Veranlassung geben, den Hauptpunkt, der die Schwierigkeit ausmacht, näher zu berühren und auf das hindeuten, was wir weiter zu erwähnen haben.

Das eine ist das Geschichtliche, daß der Grieche Anaxagoras zuerst gesagt hat, der νοῦς, der Verstand überhaupt, oder die Vernunft, regiere die Welt, – nicht eine Intelligenz als selbstbewußte Vernunft, – nicht ein Geist als solcher –, beides müssen wir sehr wohl voneinander unterscheiden. Die Bewegung des Sonnensystems erfolgt nach unveränderlichen Gesetzen: diese Gesetze sind die Vernunft desselben, aber weder die Sonne noch die Planeten, die in diesen Gesetzen um sie kreisen, haben ein Bewußtsein darüber. So ein Gedanke, daß Vernunft in der Natur ist, daß sie von allgemeinen Gesetzen unabänderlich regiert wird, frappiert uns nicht, wir sind dergleichen gewohnt und machen nicht viel daraus: ich habe auch darum jenes geschichtlichen Umstandes erwähnt, um bemerklich zu machen, daß die Geschichte lehrt, daß dergleichen, was uns trivial scheinen kann, nicht immer in der Welt gewesen, daß solcher Gedanke vielmehr Epoche in der Geschichte des menschlichen Geistes macht. Aristoteles sagt von Anaxagoras als vom Urheber jenes Gedankens, er sei wie ein Nüchterner unter Trunkenen erschienen. Von Anaxagoras hat Sokrates diesen Gedanken aufgenommen, und er ist zunächst in der Philosophie mit Ausnahme Epikurs, der dem Zufall alle Ereignisse zuschrieb, der herrschende geworden. »Ich freute mich desselben,« läßt Plato ihn sagen, »und hoffte einen Lehrer gefunden zu haben, der mir die Natur nach der Vernunft auslegen, in dem Besonderen seinen besonderen Zweck, in dem Ganzen den allgemeinen Zweck aufzeigen würde, ich hätte diese Hoffnung um vieles nicht aufgegeben. Aber wie sehr wurde ich getäuscht, als ich nun die Schriften des Anaxagoras selbst eifrig vornahm und fand, daß er nur äußerliche Ursachen, als Luft, Äther, Wasser und dergleichen, statt der Vernunft aufführt.« Man sieht, das Ungenügende, welches Sokrates an dem Prinzip des Anaxagoras fand, betrifft nicht das Prinzip selbst, sondern den Mangel an Anwendung desselben auf die konkrete Natur, daß diese nicht aus jenem Prinzip verstanden, begriffen ist, daß überhaupt jenes Prinzip abstrakt gehalten blieb, daß die Natur nicht als eine Entwicklung desselben, nicht als eine aus der Vernunft hervorgebrachte Organisation gefaßt ist. Ich mache auf diesen Unterschied hier gleich von Anfang an aufmerksam, ob eine Bestimmung, ein Grundsatz, eine Wahrheit nur abstrakt festgehalten oder aber zur näheren Determination und zur konkreten Entwicklung fortgegangen wird. Dieser Unterschied ist durchgreifend, und unter anderm werden wir vornehmlich auf diesen Umstand am Schlusse unsrer Weltgeschichte in dem Erfassen des neuesten politischen Zustandes zurückkommen.

Das Weitere ist, daß diese Erscheinung des Gedankens, daß die Vernunft die Welt regiere, mit einer weiteren Anwendung zusammenhängt, die uns wohl bekannt ist, – in der Form der religiösen Wahrheit nämlich, daß die Welt nicht dem Zufall und äußerlichen zufälligen Ursachen preisgegeben sei, sondern eine Vorsehung die Welt regiere. Ich erklärte vorhin, daß ich nicht auf Ihren Glauben an das angegebene Prinzip Anspruch machen wolle, jedoch an den Glauben daran, in dieser religiösen Form, dürfte ich appellieren, wenn überhaupt die Eigentümlichkeit der Wissenschaft der Philosophie es zuließe, daß Voraussetzungen gelten, oder von einer andern Seite gesprochen, weil die Wissenschaft, welche wir abhandeln wollen, selbst erst den Beweis, obzwar nicht der Wahrheit, aber der Richtigkeit jenes Grundsatzes geben soll. Die Wahrheit nun, daß eine, und zwar die göttliche Vorsehung den Begebenheiten der Welt vorstehe, entspricht dem angegebenen Prinzipe, denn die göttliche Vorsehung ist die Weisheit nach unendlicher Macht, welche ihre Zwecke, das ist, den absoluten, vernünftigen Endzweck der Welt verwirklicht: die Vernunft ist das ganz frei sich selbst bestimmende Denken. Aber weiterhin tut sich nun auch die Verschiedenheit, ja der Gegensatz dieses Glaubens und unsres Prinzips gerade auf dieselbe Weise hervor wie die Forderung des Sokrates bei dem Grundsatze des Anaxagoras. Jener Glaube ist nämlich gleichfalls unbestimmt, ist, was man Glaube an die Vorsehung überhaupt nennt, und geht nicht zum Bestimmten, zur Anwendung auf das Ganze, auf den umfassenden Verlauf der Weltgeschichte fort. Die Geschichte erklären aber heißt, die Leidenschaften des Menschen, ihr Genie, ihre wirkenden Kräfte enthüllen, und diese Bestimmtheit der Vorsehung nennt man gewöhnlich ihren Plan. Dieser Plan aber ist es, welcher vor unsern Augen verborgen sein soll, ja welchen es Vermessenheit sein soll, erkennen zu wollen. Die Unwissenheit des Anaxagoras darüber, wie der Verstand sich in der Wirklichkeit offenbare, war unbefangen; das Bewußtsein des Gedankens war in ihm, und überhaupt in Griechenland, noch nicht weiter gekommen; er vermochte noch nicht sein allgemeines Prinzip auf das Konkrete anzuwenden, dieses aus jenem zu erkennen, denn Sokrates hat erst einen Schritt darin, die Vereinigung des Konkreten mit dem Allgemeinen zu erfassen, getan. Anaxagoras war somit nicht polemisch gegen solche Anwendung; jener Glaube an die Vorsehung aber ist es wenigstens gegen die Anwendung im Großen oder gegen die Erkenntnis des Plans der Vorsehung. Denn im besondern läßt man es hie und da wohl gelten, wenn fromme Gemüter in einzelnen Vorfallenheiten nicht bloß Zufälliges, sondern Gottes Schickungen erkennen, wenn z. B. einem Individuum in großer Verlegenheit und Not unerwartet eine Hilfe gekommen ist, aber diese Zwecke selbst sind beschränkter Art, sind nur die besonderen Zwecke dieses Individuums. Wir haben es aber in der Weltgeschichte mit Individuen zu tun, welche Völker, mit Ganzen, welche Staaten sind, wir können also nicht bei jener, sozusagen, Kleinkrämerei des Glaubens an die Vorsehung stehen bleiben und ebensowenig bei dem bloß abstrakten, unbestimmten Glauben, der nur zu dem Allgemeinen, daß es eine Vorsehung gebe, fortgehen will, aber nicht zu den bestimmteren Taten derselben. Wir haben vielmehr Ernst damit zu machen, die Wege der Vorsehung, die Mittel und Erscheinungen in der Geschichte zu erkennen, und wir haben diese auf jenes allgemeine Prinzip zu beziehen. Aber ich habe mit der Erwähnung der Erkenntnis des Plans der göttlichen Vorsehung überhaupt an eine in unsern Zeiten an Wichtigkeit obenanstehende Frage erinnert, an die nämlich, über die Möglichkeit Gott zu erkennen, oder vielmehr, indem es aufgehört hat eine Frage zu sein, an die zum Vorurteil gewordene Lehre, daß es unmöglich sei, Gott zu erkennen. Dem geradezu entgegengesetzt, was in der Heiligen Schrift als höchste Pflicht geboten wird, nicht bloß Gott zu lieben, sondern auch zu erkennen, herrscht jetzt das Geleugne dessen vor, was ebendaselbst gesagt ist, daß der Geist es sei, der in die Wahrheit einführe, daß er alle Dinge erkenne, selbst die Tiefen der Gottheit durchdringe. Indem man das göttliche Wesen jenseits unsrer Erkenntnis und der menschlichen Dinge überhaupt stellt, so erlangt man damit die Bequemlichkeit, sich in seinen eignen Vorstellungen zu ergehen. Man ist davon befreit, seiner Erkenntnis eine Beziehung auf das Göttliche und Wahre zu geben; im Gegenteil hat dann die Eitelkeit derselben und das subjektive Gefühl für sich vollkommene Berechtigung; und die fromme Demut, indem sie sich die Erkenntnis Gottes vom Leibe hält, weiß sehr wohl, was sie für ihre Willkür und eitles Treiben damit gewinnt. Ich habe deshalb die Erwähnung, daß unser Satz, die Vernunft regiere die Welt und habe sie regiert, mit der Frage von der Möglichkeit der Erkenntnis Gottes zusammenhängt, nicht unterlassen wollen, um nicht den Verdacht zu vermeiden, als ob die Philosophie sich scheue oder zu scheuen habe, an die religiösen Wahrheiten zu erinnern, und denselben aus dem Wege ginge, und zwar, weil sie gegen dieselben, sozusagen, kein gutes Gewissen habe. Vielmehr ist es in neueren Zeiten so weit gekommen, daß die Philosophie sich des religiösen Inhalts gegen manche Art von Theologie anzunehmen hat. In der christlichen Religion hat Gott sich geoffenbart, das heißt, er hat dem Menschen zu erkennen gegeben, was er ist, so daß er nicht mehr ein Verschlossenes, Geheimes ist; es ist uns mit dieser Möglichkeit, Gott zu erkennen, die Pflicht dazu auferlegt. Gott will nicht engherzige Gemüter und leere Köpfe zu seinen Kindern, sondern solche, deren Geist von sich selbst arm, aber reich an Erkenntnis seiner ist, und die in diese Erkenntnis Gottes allein allen Wert setzen. Die Entwicklung des denkenden Geistes, welche aus dieser Grundlage der Offenbarung des göttlichen Wesens ausgegangen ist, muß dazu endlich gedeihen, das, was dem fühlenden und vorstellenden Geiste zunächst vorgelegt worden, auch mit dem Gedanken zu erfassen; es muß endlich an der Zeit sein, auch diese reiche Produktion der schöpferischen Vernunft zu begreifen, welche die Weltgeschichte ist. Es war eine Zeitlang Mode, Gottes Weisheit in Tieren, Pflanzen, einzelnen Schicksalen zu bewundern. Wenn zugegeben wird, daß die Vorsehung sich in solchen Gegenständen und Stoffen offenbare, warum nicht auch in der Weltgeschichte? Dieser Stoff scheint zu groß. Aber die göttliche Weisheit, d. i. die Vernunft, ist eine und dieselbe im Großen wie im Kleinen, und wir müssen Gott nicht für zu schwach halten, seine Weisheit aufs große anzuwenden. Unsre Erkenntnis geht darauf, die Einsicht zu gewinnen, daß das von der ewigen Weisheit Bezweckte, wie auf dem Boden der Natur, so auf dem Boden des in der Welt wirklichen und tätigen Geistes, herausgekommen ist. Unsre Betrachtung ist insofern eine Theodizee, eine Rechtfertigung Gottes, welche Leibniz metaphysisch auf seine Weise in noch unbestimmten, abstrakten Kategorien versucht hat, so daß das Übel in der Welt begriffen, der denkende Geist mit dem Bösen versöhnt werden sollte. In der Tat liegt nirgend eine größere Aufforderung zu solcher versöhnenden Erkenntnis als in der Weltgeschichte. Diese Aussöhnung kann nur durch die Erkenntnis des Affirmativen erreicht werden, in welchem jenes Negative zu einem Untergeordneten und Überwundenen verschwindet, durch das Bewußtsein, teils was in Wahrheit der Endzweck der Welt sei, teils daß derselbe in ihr verwirklicht worden sei, und nicht das Böse neben ihm sich letzlich geltend gemacht habe. Hiefür aber genügt der bloße Glaube an den νοῦς und die Vorsehung noch keineswegs. Die Vernunft, von der gesagt worden, daß sie in der Welt regiere, ist ein ebenso unbestimmtes Wort als die Vorsehung, – man spricht immer von der Vernunft, ohne eben angeben zu können, was denn ihre Bestimmung, ihr Inhalt ist, wonach wir beurteilen können, ob etwas vernünftig ist, ob unvernünftig. Die Vernunft in ihrer Bestimmung gefaßt, dies ist erst die Sache; das andre, wenn man ebenso bei der Vernunft überhaupt stehen bleibt, das sind nur Worte. Mit diesen Angaben gehen wir zu dem zweiten Gesichtspunkte über, den wir in dieser Einleitung betrachten wollen.

II. Die Frage, was die Bestimmung der Vernunft an ihr selbst sei, fällt, insofern die Vernunft in Beziehung auf die Welt genommen wird, mit der Frage zusammen, was der Endzweck der Welt sei; näher liegt in diesem Ausdruck, daß derselbe realisiert, verwirklicht werden soll. Es ist daran zweierlei zu erwägen, der Inhalt dieses Endzwecks, die Bestimmung selbst als solche, und die Verwirklichung derselben.

Zuerst müssen wir beachten, daß unser Gegenstand, die Weltgeschichte, auf dem geistigen Boden vorgeht. Welt begreift die physische und psychische Natur in sich; die physische Natur greift gleichfalls in die Weltgeschichte ein, und wir werden schon im Anfange auf diese Grundverhältnisse der Naturbestimmung aufmerksam machen. Aber der Geist und der Verlauf seiner Entwicklung ist das Substantielle. Die Natur haben wir hier nicht zu betrachten, wie sie an ihr selbst gleichfalls ein System der Vernunft ist, in einem besonderen, eigentümlichen Elemente, sondern nur relativ auf den Geist. Der Geist ist aber auf dem Theater, auf dem wir ihn betrachten, in der Weltgeschichte, in seiner konkretesten Wirklichkeit; dessenungeachtet aber, oder vielmehr um von dieser Weise seiner konkreten Wirklichkeit auch das Allgemeine zu fassen, müssen wir von der Natur des Geistes zuvörderst einige abstrakte Bestimmungen vorausschicken. Doch kann dies hier mehr nur behauptungsweise geschehen, und ist hier nicht der Ort, die Idee des Geistes spekulativ zu entwickeln, denn was in einer Einleitung gesagt werden kann, ist überhaupt als historisch, wie schon bemerkt, als eine Voraussetzung zu nehmen, die entweder anderwärts ihre Ausführung und ihren Erweis erhalten hat oder in der Folge der Abhandlung der Wissenschaft der Geschichte erst ihre Beglaubigung empfangen soll.

Wir haben also hier anzugeben:

a) die abstrakten Bestimmungen der Natur des Geistes;
b) welche Mittel der Geist braucht, um seine Idee zu realisieren;
c) endlich ist die Gestalt zu betrachten, welche die vollständige Realisierung des Geistes im Dasein ist, – der Staat.

a) Die Natur des Geistes läßt sich durch den vollkommenen Gegensatz desselben erkennen. Wie die Substanz der Materie die Schwere ist, so, müssen wir sagen, ist die Substanz, das Wesen des Geistes die Freiheit. Jedem ist es unmittelbar glaublich, daß der Geist auch unter andern Eigenschaften die Freiheit besitze; die Philosophie aber lehrt uns, daß alle Eigenschaften des Geistes nur durch die Freiheit bestehen, alle nur Mittel für die Freiheit sind, alle nur diese suchen und hervorbringen; es ist dies eine Erkenntnis der spekulativen Philosophie, daß die Freiheit das einzige Wahrhafte des Geistes sei. Die Materie ist insofern schwer, als sie nach einem Mittelpunkte treibt: sie ist wesentlich zusammengesetzt, sie besteht außereinander, sie sucht ihre Einheit und sucht also sich selbst aufzuheben, sucht ihr Gegenteil; wenn sie dieses erreichte, so wäre sie keine Materie mehr, sondern sie wäre untergegangen: sie strebt nach Idealität, denn in der Einheit ist sie ideell. Der Geist im Gegenteil ist eben das, in sich den Mittelpunkt zu haben, er hat nicht die Einheit außer sich, sondern er hat sie gefunden; er ist in sich selbst und bei sich selbst. Die Materie hat ihre Substanz außer ihr; der Geist ist das Bei-sich-selbst-sein. Dies eben ist die Freiheit, denn wenn ich abhängig bin, so beziehe ich mich auf ein andres, das ich nicht bin; ich kann nicht sein ohne ein Äußeres; frei bin ich, wenn ich bei mir selbst bin. Dieses Beisichselbstsein des Geistes ist Selbstbewußtsein, das Bewußtsein von sich selbst. Zweierlei ist zu unterscheiden im Bewußtsein, erstens, daß ich weiß, und zweitens, was ich weiß. Beim Selbstbewußtsein fällt beides zusammen, denn der Geist weiß sich selbst, er ist das Beurteilen seiner eignen Natur, und er ist zugleich die Tätigkeit, zu sich zu kommen und so sich hervorzubringen, sich zu dem zu machen, was er an sich ist. Nach dieser abstrakten Bestimmung kann von der Weltgeschichte gesagt werden, daß sie die Darstellung des Geistes sei, wie er sich das Wissen dessen, was er an sich ist, erarbeitet, und wie der Keim die ganze Natur des Baumes, den Geschmack, die Form der Früchte in sich trägt, so enthalten auch schon die ersten Spuren des Geistes virtualiter die ganze Geschichte. Die Orientalen wissen es noch nicht, daß der Geist oder der Mensch als solcher an sich frei ist; weil sie es nicht wissen, sind sie es nicht; sie wissen nur, daß Einer frei ist, aber ebendarum ist solche Freiheit nur Willkür, Wildheit, Dumpfheit der Leidenschaft oder auch eine Milde, Zahmheit derselben, die selbst nur ein Naturzufall oder eine Willkür ist. Dieser Eine ist darum nur ein Despot, nicht ein freier Mann. – In den Griechen ist erst das Bewußtsein der Freiheit aufgegangen, und darum sind sie frei gewesen, aber sie, wie auch die Römer, wußten nur, daß einige frei sind, nicht der Mensch, als solcher. Dies wußte selbst Plato und Aristoteles nicht. Darum haben die Griechen nicht nur Sklaven gehabt, und ist ihr Leben und der Bestand ihrer schönen Freiheit daran gebunden gewesen, sondern auch ihre Freiheit war selbst teils nur eine zufällige, vergängliche und beschränkte Blume, teils zugleich eine harte Knechtschaft des Menschlichen, des Humanen. – Erst die germanischen Nationen sind im Christentume zum Bewußtsein gekommen, daß der Mensch als Mensch frei, die Freiheit des Geistes seine eigenste Natur ausmacht; dies Bewußtsein ist zuerst in der Religion, in der innersten Region des Geistes aufgegangen; aber dieses Prinzip auch in das weltliche Wesen einzubilden, das war eine weitere Aufgabe, welche zu lösen und auszuführen eine schwere lange Arbeit der Bildung erfordert. Mit der Annahme der christlichen Religion hat z. B. nicht unmittelbar die Sklaverei aufgehört, noch weniger ist damit sogleich in den Staaten die Freiheit herrschend, sind die Regierungen und Verfassungen auf eine vernünftige Weise organisiert oder gar auf das Prinzip der Freiheit gegründet worden. Diese Anwendung des Prinzips auf die Weltlichkeit, die Durchbildung und Durchdringung des weltlichen Zustandes durch dasselbe ist der lange Verlauf, welcher die Geschichte selbst ausmacht. Auf diesen Unterschied des Prinzips als eines solchen und seiner Anwendung, das ist, Einführung und Durchführung in der Wirklichkeit des Geistes und Lebens, habe ich schon aufmerksam gemacht; er ist eine Grundbestimmung in unsrer Wissenschaft und wesentlich im Gedanken festzuhalten. Wie nun dieser Unterschied in Ansehung des christlichen Prinzips des Selbstbewußtseins, der Freiheit, hier vorläufig herausgehoben worden, so findet er auch wesentlich statt in Ansehung des Prinzips der Freiheit überhaupt. Die Weltgeschichte ist der Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit, – ein Fortschritt, den wir in seiner Notwendigkeit zu erkennen haben.

Mit dem, was ich im allgemeinen über den Unterschied des Wissens von der Freiheit gesagt habe, und zwar zunächst in der Form, daß die Orientalen nur gewußt haben, daß Einer frei, die griechische und römische Welt aber, daß einige frei sind, daß wir aber wissen, alle Menschen an sich, das heißt der Mensch als Mensch sei frei, ist auch zugleich die Einteilung der Weltgeschichte und die Art, in der wir sie abhandeln werden, angegeben. Dies ist jedoch nur im Vorbeigehen vorläufig bemerkt; wir haben vorher noch einige Begriffe zu explizieren.

Es ist also, als die Bestimmung der geistigen Welt, und indem diese die substantielle Welt ist und die physische ihr untergeordnet bleibt, oder im spekulativen Ausdruck, keine Wahrheit gegen die erste hat, – als der Endzweck der Welt, das Bewußtsein des Geistes von seiner Freiheit und ebendamit die Wirklichkeit seiner Freiheit überhaupt angegeben worden. Daß aber diese Freiheit, wie sie angegeben wurde, selbst noch unbestimmt und ein unendlich vieldeutiges Wort ist, daß sie, indem sie das Höchste ist, unendlich viele Mißverständnisse, Verwirrungen und Irrtümer mit sich führt und alle möglichen Ausschweifungen in sich begreift, dies ist etwas, was man nie besser gewußt und erfahren hat als in jetziger Zeit; aber wir lassen es hier zunächst bei jener allgemeinen Bestimmung bewenden. Ferner wurde auf die Wichtigkeit des unendlichen Unterschieds zwischen dem Prinzip, zwischen dem, was nur erst an sich, und zwischen dem, was wirklich ist, aufmerksam gemacht. Zugleich ist es die Freiheit in ihr selbst, welche die unendliche Notwendigkeit in sich schließt, eben sich zum Bewußtsein, – denn sie ist, ihrem Begriff nach, Wissen von sich, – und damit zur Wirklichkeit zu bringen: sie ist sich der Zweck, den sie ausführt, und der einzige Zweck des Geistes. Dieser Endzweck ist das, worauf in der Weltgeschichte hingearbeitet worden, dem alle Opfer auf dem weiten Altar der Erde und in dem Verlauf der langen Zeit gebracht worden. Dieser ist es allein, der sich durchführt und vollbringt, das allein Ständige in dem Wechsel aller Begebenheiten und Zustände, so wie das wahrhaft Wirksame in ihnen. Dieser Endzweck ist das, was Gott mit der Welt will, Gott aber ist das Vollkommenste und kann darum nichts als sich selbst, seinen eignen Willen wollen. Was aber die Natur seines Willens, d. h. seine Natur überhaupt ist, dies ist es, was wir, indem wir die religiöse Vorstellung in Gedanken fassen, hier die Idee der Freiheit nennen. Die jetzt aufzuwerfende unmittelbare Frage kann nur die sein: welche Mittel gebraucht sie zu ihrer Realisation? Dies ist das zweite, was hier zu betrachten ist.

b) Diese Frage nach den Mitteln, wodurch sich die Freiheit zu einer Welt hervorbringt, führt uns in die Erscheinung der Geschichte selbst. Wenn die Freiheit als solche zunächst der innere Begriff ist, so sind die Mittel dagegen ein Äußerliches, das Erscheinende, das in der Geschichte unmittelbar vor die Augen tritt und sich darstellt. Die nächste Ansicht der Geschichte überzeugt uns, daß die Handlungen der Menschen von ihren Bedürfnissen, ihren Leidenschaften, ihren Interessen, ihren Charakteren und Talenten ausgehen, und zwar so, daß es in diesem Schauspiel der Tätigkeit nur die Bedürfnisse, Leidenschaften, Interessen sind, welche als die Triebfedern erscheinen und als das Hauptwirksame vorkommen. Wohl liegen darin auch allgemeine Zwecke, ein Guteswollen, edle Vaterlandsliebe; aber diese Tugenden und dieses Allgemeine stehen in einem unbedeutenden Verhältnisse zur Welt und zu dem, was sie erschafft. Wir können wohl die Vernunftbestimmung in diesen Subjekten selbst und in den Kreisen ihrer Wirksamkeit realisiert sehen, aber sie sind in einem geringen Verhältnis zu der Masse des Menschengeschlechts; ebenso ist der Umfang des Daseins, den ihre Tugenden haben, relativ von geringer Ausdehnung. Die Leidenschaften dagegen, die Zwecke des partikularen Interesses, die Befriedigung der Selbstsucht, sind das Gewaltigste; sie haben ihre Macht darin, daß sie keine der Schranken achten, welche das Recht und die Moralität ihnen setzen wollen, und daß diese Naturgewalten dem Menschen unmittelbar näher liegen als die künstliche und langwierige Zucht zur Ordnung und Mäßigung, zum Rechte und zur Moralität. Wenn wir dieses Schauspiel der Leidenschaften betrachten und die Folgen ihrer Gewalttätigkeit, des Unverstandes erblicken, der sich nicht nur zu ihnen, sondern selbst auch und sogar vornehmlich zu dem, was gute Absichten, rechtliche Zwecke sind, gesellt, wenn wir daraus das Übel, das Böse, den Untergang der blühendsten Reiche, die der Menschengeist hervorgebracht hat, sehen, so können wir nur mit Trauer über diese Vergänglichkeit überhaupt erfüllt werden, und indem dieses Untergehen nicht nur ein Werk der Natur, sondern des Willens der Menschen ist, mit einer moralischen Betrübnis, mit einer Empörung des guten Geistes, wenn ein solcher in uns ist, über solches Schauspiel enden. Man kann jene Erfolge ohne rednerische Übertreibung, bloß mit richtiger Zusammenstellung des Unglücks, das das Herrlichste an Völkern und Staatengestaltungen wie an Privattugenden erlitten hat, zu dem furchtbarsten Gemälde erheben und ebenso damit die Empfindung zur tiefsten, ratlosesten Trauer steigern, welcher kein versöhnendes Resultat das Gegengewicht hält, und gegen die wir uns etwa nur dadurch befestigen, oder dadurch aus ihr heraustreten, indem wir denken: es ist nun einmal so gewesen; es ist ein Schicksal; es ist nichts daran zu ändern; und dann, daß wir aus der Langenweile, welche uns jene Reflexion der Trauer machen könnte, zurück in unser Lebensgefühl, in die Gegenwart unsrer Zwecke und Interessen, kurz in die Selbstsucht zurücktreten, welche am ruhigen Ufer steht und von da aus sicher des fernen Anblicks der verworrenen Trümmermasse genießt. Aber auch indem wir die Geschichte als diese Schlachtbank betrachten, auf welcher das Glück der Völker, die Weisheit der Staaten und die Tugend der Individuen zum Opfer gebracht worden, so entsteht dem Gedanken notwendig auch die Frage, wem, welchem Endzwecke diese ungeheuersten Opfer gebracht worden sind. Von hier aus geht gewöhnlich die Frage nach dem, was wir zum allgemeinen Anfange unsrer Betrachtung gemacht; von demselben aus haben wir die Begebenheiten, die uns jenes Gemälde für die trübe Empfindung und für die darüber sinnende Reflexion darbieten, sogleich als das Feld bestimmt, in welchem wir nur die Mittel sehen wollen für das, was wir behaupten, daß es die substantielle Bestimmung, der absolute Endzweck, oder was dasselbe ist, daß es das wahrhafte Resultat der Weltgeschichte sei. Wir haben es von Anfang an überhaupt verschmäht, den Weg der Reflexionen einzuschlagen, von jenem Bilde des Besonderen zum allgemeinen aufzusteigen; ohnehin ist es auch nicht das Interesse jener gefühlvollen Reflexionen selbst, sich wahrhaft über diese Empfindungen zu erheben und die Rätsel der Vorsehung, welche in jenen Betrachtungen aufgegeben worden sind, zu lösen. Es ist vielmehr das Wesen derselben, sich in den leeren, unfruchtbaren Erhabenheiten jenes negativen Resultats trübselig zu gefallen. Wir kehren also zum Standpunkte, den wir genommen, zurück, und die Momente, die wir darüber anführen wollen, werden auch die wesentlichen Bestimmungen für die Beantwortung der Fragen, die aus jenem Gemälde hervorgehen können, enthalten.

Das erste, was wir bemerken, ist das, was wir schon oft gesagt haben, was aber, sobald es auf die Sache ankommt, nicht oft genug wiederholt werden kann, daß das, was wir Prinzip, Endzweck, Bestimmung, oder die Natur und den Begriff des Geistes genannt haben, nur ein Allgemeines, Abstraktes ist. Prinzip, so auch Grundsatz, Gesetz ist ein Inneres, das als solches, so wahr es auch in ihm ist, nicht vollständig wirklich ist. Zwecke, Grundsätze usf. sind in unsern Gedanken, erst in unsrer inneren Absicht, aber noch nicht in der Wirklichkeit. Was an sich ist, ist eine Möglichkeit, ein Vermögen, aber noch nicht aus seinem Inneren zur Existenz gekommen. Es muß ein zweites Moment für die Wirklichkeit hinzukommen, und dies ist die Betätigung, Verwirklichung, und deren Prinzip ist der Wille, die Tätigkeit des Menschen überhaupt. Es ist nur durch diese Tätigkeit, daß jener Begriff sowie die an sich seienden Bestimmungen realisiert, verwirklicht werden, denn sie gelten nicht unmittelbar durch sich selbst. Die Tätigkeit, welche sie ins Werk und Dasein setzt, ist des Menschen Bedürfnis, Trieb, Neigung und Leidenschaft. Daran, daß ich etwas zur Tat und zum Dasein bringe, ist mir viel gelegen, ich muß dabei sein, ich will durch die Vollführung befriedigt werden. Ein Zweck, für welchen ich tätig sein soll, muß auf irgendeine Weise auch mein Zweck sein; ich muß meinen Zweck zugleich dabei befriedigen, wenn der Zweck, für welchen ich tätig bin, auch noch viele andre Seiten hat, nach denen er mich nichts angeht. Dies ist das unendliche Recht des Subjekts, daß es sich selbst in seiner Tätigkeit und Arbeit befriedigt findet. Wenn die Menschen sich für etwas interessieren sollen, so müssen sie sich selbst darin haben und ihr eignes Selbstgefühl darin befriedigt finden. Man muß einen Mißverstand hierbei vermeiden: man tadelt es und sagt in einem übeln Sinne mit Recht von einem Individuum, es sei überhaupt interessiert, das heißt, es suche nur seinen Privatvorteil. Wenn wir dieses tadeln, so meinen wir, es suche diesen Privatvorteil ohne Gesinnung für den allgemeinen Zweck, bei dessen Gelegenheit es sich um jenen abmüht, oder gar, indem es das Allgemeine aufopfert; aber wer tätig für eine Sache ist, der ist nicht nur interessiert überhaupt, sondern interessiert dabei. Die Sprache drückt diesen Unterschied richtig aus. Es geschieht daher nichts, wird nichts vollbracht, ohne daß die Individuen, die dabei tätig sind, auch sich befriedigen; sie sind partikulare Menschen, das heißt, sie haben besondere, ihnen eigentümliche Bedürfnisse, Triebe, Interessen überhaupt: unter diesen Bedürfnissen ist nicht nur das des eignen Bedürfnisses und Willens, sondern auch der eignen Einsicht, Überzeugung, oder wenigstens des Dafürhaltens der Meinung, wenn anders schon das Bedürfnis des Räsonnements, des Verstandes, der Vernunft erwacht ist. Dann verlangen die Menschen auch, wenn sie für eine Sache tätig sein sollen, daß die Sache ihnen überhaupt zusage, daß sie mit ihrer Meinung, es sei von der Güte derselben, ihrem Rechte, Vorteil, ihrer Nützlichkeit, dabei sein können. Dies ist besonders ein wesentliches Moment unsrer Zeit, wo die Menschen wenig mehr durch Zutrauen und Autorität zu etwas herbeigezogen werden, sondern mit ihrem eignen Verstande, selbständiger Überzeugung und Dafürhalten den Anteil ihrer Tätigkeit einer Sache widmen wollen.

So sagen wir also, daß überhaupt nichts ohne das Interesse derer, welche durch ihre Tätigkeit mitwirkten, zustande gekommen ist, und indem wir ein Interesse eine Leidenschaft nennen, insofern die ganze Individualität mit Hintenansetzung aller andern Interessen und Zwecke, die man auch hat und haben kann, mit allen ihr inwohnenden Adern von Wollen sich in einen Gegenstand legt, in diesen Zweck alle ihre Bedürfnisse und Kräfte konzentriert, so müssen wir überhaupt sagen, daß nichts Großes in der Welt ohne Leidenschaft vollbracht worden ist. Es sind zwei Momente, die in unsern Gegenstand eintreten; das eine ist die Idee, das andre sind die menschlichen Leidenschaften; das eine ist der Zettel, das andre der Einschlag des großen Teppichs der vor uns ausgebreiteten Weltgeschichte. Die konkrete Mitte und Vereinigung beider ist die sittliche Freiheit im Staate. Von der Idee der Freiheit als der Natur des Geistes und dem absoluten Endzweck der Geschichte ist die Rede gewesen. Leidenschaft wird als etwas angesehen, das nicht recht ist, das mehr oder weniger schlecht ist: der Mensch soll keine Leidenschaften haben. Leidenschaft ist auch nicht ganz das passende Wort für das, was ich hier ausdrücken will. Ich verstehe hier nämlich überhaupt die Tätigkeit des Menschen aus partikularen Interessen, aus speziellen Zwecken, oder wenn man will, selbstsüchtigen Absichten, und zwar so, daß sie in diese Zwecke die ganze Energie ihres Wollens und Charakters legen, ihnen andres, das auch Zweck sein kann, oder vielmehr alles andre aufopfern. Dieser partikulare Inhalt ist so eins mit dem Willen des Menschen, daß er die ganze Bestimmtheit desselben ausmacht und untrennbar von ihm ist; er ist dadurch das, was er ist. Denn das Individuum ist ein solches, das da ist, nicht Mensch überhaupt, denn der existiert nicht, sondern ein bestimmter. Charakter drückt gleichfalls diese Bestimmtheit des Willens und der Intelligenz aus. Aber Charakter begreift überhaupt alle Partikularitäten in sich, die Weise des Benehmens in Privatverhältnissen usf., und ist nicht diese Bestimmtheit als in Wirksamkeit und Tätigkeit gesetzt. Ich werde also Leidenschaft sagen und somit die partikulare Bestimmtheit des Charakters verstehen, insofern diese Bestimmtheiten des Wollens nicht einen privaten Inhalt nur haben, sondern das Treibende und Wirkende allgemeiner Taten sind. Leidenschaft ist zunächst die subjektive, insofern formelle Seite der Energie, des Willens und der Tätigkeit, wobei der Inhalt oder Zweck noch unbestimmt bleibt; ebenso ist es bei dem eignen Überzeugtsein, bei der eignen Einsicht und bei dem eignen Gewissen. Es kommt immer darauf an, welchen Inhalt meine Überzeugung hat, welchen Zweck meine Leidenschaft, ob der eine oder der andre wahrhafter Natur ist. Aber umgekehrt, wenn er dies ist, so gehört dazu, daß er in die Existenz trete, wirklich sei.

Aus dieser Erläuterung über das zweite wesentliche Moment geschichtlicher Wirklichkeit eines Zwecks überhaupt geht hervor, indem wir im Vorbeigehen Rücksicht auf den Staat nehmen, daß nach dieser Seite ein Staat wohlbestellt und kraftvoll in sich selbst ist, wenn mit seinem allgemeinen Zwecke das Privatinteresse der Bürger bereinigt, eins in dem andern seine Befriedigung und Verwirklichung findet, – ein für sich höchst wichtiger Satz. Aber im Staate bedarf es vieler Veranstaltungen, Erfindungen, von zweckgemäßen Einrichtungen, und zwar von langen Kämpfen des Verstandes begleitet, bis er zum Bewußtsein bringt, was das Zweckgemäße sei, sowie Kämpfe mit dem partikularen Interesse und den Leidenschaften, eine schwere und langwierige Zucht derselben, bis jene Vereinigung zustande gebracht wird. Der Zeitpunkt solcher Vereinigung macht die Periode seiner Blüte, seiner Tugend, seiner Kraft und seines Glückes aus. Aber die Weltgeschichte beginnt nicht mit irgendeinem bewußten Zwecke, wie bei den besonderen Kreisen der Menschen. Der einfache Trieb des Zusammenlebens derselben hat schon den bewußten Zweck der Sicherung ihres Lebens und Eigentums, und indem dieses Zusammenleben zustande gekommen ist, erweitert sich dieser Zweck. Die Weltgeschichte fängt mit ihrem allgemeinen Zwecke, daß der Begriff des Geistes befriedigt werde, nur an sich an, das heißt, als Natur: er ist der innere, der innerste bewußte Trieb, und das ganze Geschäft der Weltgeschichte ist, wie schon überhaupt erinnert, die Arbeit ihn zum Bewußtsein zu bringen. So in Gestalt des Naturwesens, des Naturwillens auftretend, ist das, was die subjektive Seite genannt worden ist, das Bedürfnis, der Trieb, die Leidenschaft, das partikulare Interesse, wie die Meinung und subjektive Vorstellung sogleich für sich selbst vorhanden. Diese unermeßliche Masse von Wollen, Interessen und Tätigkeiten sind die Werkzeuge und Mittel des Weltgeistes, seinen Zweck zu vollbringen, ihn zum Bewußtsein zu erheben und zu verwirklichen; und dieser ist nur, sich zu finden, zu sich selbst zu kommen und sich als Wirklichkeit anzuschauen. Daß aber jene Lebendigkeiten der Individuen und der Völker, indem sie das Ihrige suchen und befriedigen, zugleich die Mittel und Werkzeuge eines Höheren und Weiteren sind, von dem sie nichts wissen, das sie bewußtlos vollbringen, das ist es, was zur Frage gemacht werden könnte, auch gemacht worden, und was ebenso vielfältig geleugnet wie als Träumerei und Philosophie verschrieen und verachtet worden ist. Darüber aber habe ich gleich von Anfang an mich erklärt und unsre Voraussetzung (die sich aber am Ende erst als Resultat ergeben sollte) und unsern Glauben behauptet, daß die Vernunft die Welt regiert und so auch die Weltgeschichte regiert hat. Gegen dieses an und für sich Allgemeine und Substantielle ist alles andre untergeordnet, ihm dienend und Mittel für dasselbe. Aber ferner ist diese Vernunft immanent in dem geschichtlichen Dasein und vollbringt sich in demselben und durch dasselbe. Die Vereinigung des Allgemeinen, an und für sich Seienden überhaupt und des Einzelnen, des Subjektiven, daß sie allein die Wahrheit sei, dies ist spekulativer Natur und wird in dieser allgemeinen Form in der Logik abgehandelt. Aber im Gange der Weltgeschichte selbst, als noch im Fortschreiten begriffenen Gange, ist der reine letzte Zweck der Geschichte noch nicht der Inhalt des Bedürfnisses und Interesses, und indem dieses bewußtlos darüber ist, ist das Allgemeine dennoch in den besonderen Zwecken und vollbringt sich durch dieselben. Jene Frage nimmt auch die Form an, von der Vereinigung der Freiheit und Notwendigkeit, indem wir den inneren, an und für sich seienden Gang des Geistes als das Notwendige betrachten, dagegen das, was im bewußten Willen der Menschen als ihr Interesse erscheint, der Freiheit zuschreiben. Da der metaphysische Zusammenhang, d. i. der Zusammenhang im Begriff, dieser Bestimmungen in die Logik gehört, so können wir ihn hier nicht auseinanderlegen. Nur die Hauptmomente, auf die es ankommt, sind zu erwähnen.

In der Philosophie wird gezeigt, daß die Idee zum unendlichen Gegensatze fortgeht. Dieser ist der, von der Idee in ihrer freien allgemeinen Weise, worin sie bei sich bleibt, und von ihr als rein abstrakter Reflexion in sich, welche formelles Fürsichsein ist, Ich, die formelle Freiheit, die nur dem Geiste zukommt. Die allgemeine Idee ist so als substantielle Fülle einerseits und als das Abstrakte der freien Willkür anderseits. Diese Reflexion in sich ist das einzelne Selbstbewußtsein, das andre gegen die Idee überhaupt, und damit in absoluter Endlichkeit. Dieses andre ist eben damit die Endlichkeit, die Bestimmtheit, für das allgemeine Absolute: es ist die Seite seines Daseins, der Boden seiner formellen Realität und der Boden der Ehre Gottes. – Den absoluten Zusammenhang dieses Gegensatzes zu fassen, ist die tiefe Aufgabe der Metaphysik. Ferner ist mit dieser Endlichkeit überhaupt alle Partikularität gesetzt. Der formelle Wille will sich, dieses Ich soll in allem sein, was er bezweckt und tut. Auch das fromme Individuum will gerettet und selig sein. Dieses Extrem für sich existierend im Unterschied von dem absoluten, allgemeinen Wesen ist ein besonderes, weiß die Besonderheit und will dieselbe; es ist überhaupt auf dem Standpunkt der Erscheinung. Hieher fallen die besonderen Zwecke, indem die Individuen sich in ihre Partikularität legen, sie ausfüllen und verwirklichen. Dieser Standpunkt ist denn auch der des Glücks oder Unglücks. Glücklich ist derjenige, welcher sein Dasein seinem besonderen Charakter, Wollen und Willkür angemessen hat und so in seinem Dasein sich selbst genießt. Die Weltgeschichte ist nicht der Boden des Glücks. Die Perioden des Glücks sind leere Blätter in ihr; denn sie sind die Perioden der Zusammenstimmung, des fehlenden Gegensatzes. Die Reflexion in sich, diese Freiheit ist überhaupt abstrakt das formelle Moment der Tätigkeit der absoluten Idee. Die Tätigkeit ist die Mitte des Schlusses, dessen eines Extrem das Allgemeine, die Idee ist, die im inneren Schacht des Geistes ruht, das andre ist die Äußerlichkeit überhaupt, die gegenständliche Materie. Die Tätigkeit ist die Mitte, welche das Allgemeine und Innere übersetzt in die Objektivität.

Ich will versuchen das Gesagte durch Beispiele vorstelliger und deutlicher zu machen.

Ein Hausbau ist zunächst ein innerer Zweck und Absicht. Dem gegenüber stehen als Mittel die besonderen Elemente, als Material Eisen, Holz, Steine. Die Elemente werden angewendet, dieses zu bearbeiten: Feuer, um das Eisen zu schmelzen, Luft, um das Feuer anzublasen, Wasser, um die Räder in Bewegung zu setzen, das Holz zu schneiden usf. Das Produkt ist, daß die Luft, die geholfen, durch das Haus abgehalten wird, ebenso die Wasserfluten des Regens und die Verderblichkeit des Feuers, insoweit es feuerfest ist. Die Steine und Balken gehorchen der Schwere, drängen hinunter in die Tiefe, und durch sie sind hohe Wände aufgeführt. So werden die Elemente ihrer Natur gemäß gebraucht und wirken zusammen zu einem Produkt, wodurch sie beschränkt werden. In ähnlicher Weise befriedigen sich die Leidenschaften, sie führen sich selbst und ihre Zwecke aus nach ihrer Naturbestimmung und bringen das Gebäude der menschlichen Gesellschaft hervor, worin sie dem Rechte, der Ordnung die Gewalt gegen sich verschafft haben.

Der oben angedeutete Zusammenhang enthält ferner dies, daß in der Weltgeschichte durch die Handlungen der Menschen noch etwas andres überhaupt herauskomme, als sie bezwecken und erreichen, als sie unmittelbar wissen und wollen; sie vollbringen ihr Interesse, aber es wird noch ein Ferneres zustande gebracht, das auch innerlich darin liegt, aber das nicht in ihrem Bewußtsein und in ihrer Absicht lag. Als ein analoges Beispiel führen wir einen Menschen an, der aus Rache, die vielleicht gerecht ist, das heißt, wegen einer ungerechten Verletzung, einem andern das Haus anzündet; hiebei schon tut sich ein Zusammenhang der unmittelbaren Tat mit weiteren, jedoch selbst äußerlichen Umständen hervor, die nicht zu jener ganz für sich unmittelbar genommenen Tat gehören. Diese ist als solche, das Hinhalten etwa einer kleinen Flamme an eine kleine Stelle eines Balkens. Was damit noch nicht getan worden, macht sich weiter durch sich selbst; die angezündete Stelle des Balkens hängt mit den ferneren Stellen desselben, dieser mit dem Gebälk des ganzen Hauses und dieses mit andern Häusern zusammen, und eine weite Feuersbrunst entsteht, die vieler andrer Menschen, als gegen die die Rache gerichtet war, Eigentum und Habe verzehrt, ja vielen Menschen das Leben kostet. Dies lag weder in der allgemeinen Tat noch in der Absicht dessen, der solches anfing. Aber ferner enthält die Handlung noch eine weitere allgemeine Bestimmung: in dem Zwecke des Handelnden war sie nur eine Rache gegen ein Individuum durch Zerstörung seines Eigentums; aber sie ist noch weiter ein Verbrechen, und dies enthält ferner die Strafe desselben. Dies mag nicht im Bewußtsein, noch weniger im Willen des Täters gelegen haben, aber dies ist seine Tat an sich, das Allgemeine, Substantielle derselben, das durch sie selbst vollbracht wird. Es ist an diesem Beispiel eben nur dies festzuhalten, daß in der unmittelbaren Handlung etwas Weiteres liegen kann als in dem Willen und Bewußtsein des Täters. Dieses Beispiel hat jedoch noch das Weitere an ihm, daß die Substanz der Handlung, und damit überhaupt die Handlung selbst, sich umkehrt gegen den, der sie vollbracht, sie wird ein Rückschlag gegen ihn, der ihn zertrümmert.

Diese Vereinigung der beiden Extreme, die Realisierung der allgemeinen Idee zur unmittelbaren Wirklichkeit und das Erheben der Einzelheit in die allgemeine Wahrheit, geschieht zunächst unter der Voraussetzung der Verschiedenheit und Gleichgültigkeit der beiden Seiten gegeneinander. Die Handelnden haben in ihrer Tätigkeit endliche Zwecke, besondere Interessen, aber sie sind Wissende, Denkende. Der Inhalt ihrer Zwecke ist durchzogen mit allgemeinen, wesenhaften Bestimmungen des Rechts, des Guten, der Pflicht usf. Denn die bloße Begierde, die Wildheit und Roheit des Wollens fällt außerhalb des Theaters und der Sphäre der Weltgeschichte. Diese allgemeinen Bestimmungen, welche zugleich Richtlinien für die Zwecke und Handlungen sind, sind von bestimmtem Inhalte. Denn so etwas Leeres, wie das Gute um des Guten willen, hat überhaupt in der lebendigen Wirklichkeit nicht Platz. Wenn man handeln will, muß man nicht nur das Gute wollen, sondern man muß wissen, ob dieses oder jenes das Gute ist. Welcher Inhalt aber gut oder nicht gut, recht oder unrecht sei, dies ist für die gewöhnlichen Fälle des Privatlebens in den Gesetzen und Sitten eines Staates gegeben. Das hat keine große Schwierigkeit, es zu wissen. Jedes Individuum hat seinen Stand, es weiß, was rechtliche, ehrliche Handlungsweise überhaupt ist. Für die gewöhnlichen Privatverhältnisse, wenn man es da für so schwierig erklärt, das Rechte und Gute zu wählen, und wenn man für eine vorzügliche Moralität hält, darin viele Schwierigkeit zu finden und Skrupel zu machen, so ist dies vielmehr dem üblen oder bösen Willen zuzuschreiben, der Ausflüchte gegen seine Pflichten sucht, die zu kennen eben nicht schwer ist, oder wenigstens für ein Müßiggehen des reflektierenden Gemüts zu halten, dem ein kleinlicher Wille nicht viel zu tun gibt, und das sich also sonst in sich zu tun macht und sich in der moralischen Wohlgefälligkeit ergeht.

Ein andres ist es in den großen geschichtlichen Verhältnissen. Hier ist es gerade, wo die großen Kollisionen zwischen den bestehenden, anerkannten Pflichten, Gesetzen und Rechten und zwischen Möglichkeiten entstehen, welche diesem System entgegengesetzt sind, es verletzen, ja seine Grundlage und Wirklichkeit zerstören und zugleich einen Inhalt haben, der auch gut, im großen vorteilhaft, wesentlich und notwendig scheinen kann. Diese Möglichkeiten nun werden geschichtlich; sie schließen ein Allgemeines andrer Art in sich als das Allgemeine, das in dem Bestehen eines Volkes oder Staates die Basis ausmacht. Dies Allgemeine ist ein Moment der produzierenden Idee, ein Moment der nach sich selbst strebenden und treibenden Wahrheit. Die geschichtlichen Menschen, die welthistorischen Individuen sind diejenigen, in deren Zwecken ein solches Allgemeine liegt.

Cäsar in Gefahr, die Stellung, wenn auch etwa noch nicht des Übergewichts, doch wenigstens der Gleichheit, zu der er sich neben den andern, die an der Spitze des Staates standen, erhoben hatte, zu verlieren und denen, die im Übergange sich befanden, seine Feinde zu werden, zu unterliegen, gehört wesentlich hieher. Diese Feinde, welche zugleich die Seite ihrer persönlichen Zwecke beabsichtigten, hatten die formelle Staatsverfassung und die Macht des rechtlichen Scheines für sich. Cäsar kämpfte im Interesse, sich seine Stellung, Ehre und Sicherheit zu erhalten, und der Sieg über seine Gegner, indem ihre Macht die Herrschaft über die Provinzen des römischen Reiches war, wurde zugleich die Eroberung des ganzen Reiches: so wurde er mit Belassung der Form der Staatsverfassung der individuelle Gewalthaber im Staate. Was ihm so die Ausführung seines zunächst negativen Zwecks erwarb, die Alleinherrschaft Roms, war aber zugleich an sich notwendige Bestimmung in Roms und in der Welt Geschichte, so daß sie nicht nur sein partikularer Gewinn, sondern ein Instinkt war, der das vollbrachte, was an und für sich an der Zeit war. Dies sind die großen Menschen in der Geschichte, deren eigne partikulare Zwecke das Substantielle enthalten, welches Wille des Weltgeistes ist. Sie sind insofern Heroen zu nennen, als sie ihre Zwecke und ihren Beruf nicht bloß aus dem ruhigen, angeordneten, durch das bestehende System geheiligten Lauf der Dinge geschöpft haben, sondern aus einer Quelle, deren Inhalt verborgen und nicht zu einem gegenwärtigen Dasein gediehen ist, aus dem innern Geiste, der noch unterirdisch ist, der an die Außenwelt wie an die Schale pocht und sie sprengt, weil er ein andrer Kern als der Kern dieser Schale ist, – die also aus sich zu schöpfen scheinen, und deren Taten einen Zustand und Weltverhältnisse hervorgebracht haben, welche nur ihre Sache und ihr Werk zu sein scheinen.

Solche Individuen hatten in diesen ihren Zwecken nicht das Bewußtsein der Idee überhaupt, sondern sie waren praktische und politische Menschen. Aber zugleich waren sie denkende, die die Einsicht hatten von dem, was not und was an der Zeit ist. Das ist eben die Wahrheit ihrer Zeit und ihrer Welt, sozusagen die nächste Gattung, die im Innern bereits vorhanden war. Ihre Sache war es, dies Allgemeine, die notwendige, nächste Stufe ihrer Welt zu wissen, diese sich zum Zwecke zu machen und ihre Energie in dieselbe zu legen. Die welthistorischen Menschen, die Heroen einer Zeit, sind darum als die Einsichtigen anzuerkennen; ihre Handlungen, ihre Reden sind das Beste der Zeit. Große Menschen haben gewollt, um sich zu befriedigen, nicht um andre. Was sie von andern erfahren hätten an wohlgemeinten Absichten und Ratschlägen, das wäre vielmehr das Borniertere und Schiefere gewesen, denn sie sind die, die es am besten verstanden haben, und von denen es dann vielmehr alle gelernt und gut gefunden oder sich wenigstens darin gefügt haben. Denn der weitergeschrittene Geist ist die innerliche Seele aller Individuen, aber die bewußtlose Innerlichkeit, welche ihnen die großen Männer zum Bewußtsein bringen. Deshalb folgen die andern diesen Seelenführern, denn sie fühlen die unwiderstehliche Gewalt ihres eignen inneren Geistes, der ihnen entgegentritt. Werfen wir weiter einen Blick auf das Schicksal dieser welthistorischen Individuen, welche den Beruf hatten, die Geschäftsführer des Weltgeistes zu sein, so ist es kein glückliches gewesen. Zum ruhigen Genusse kamen sie nicht, ihr ganzes Leben war Arbeit und Mühe, ihre ganze Natur war nur ihre Leidenschaft. Ist der Zweck erreicht, so fallen sie, die leeren Hülsen des Kernes, ab. Sie sterben früh wie Alexander, sie werden wie Cäsar ermordet, wie Napoleon nach St. Helena transportiert. Diesen schauderhaften Trost, daß die geschichtlichen Menschen nicht das gewesen sind, was man glücklich nennt, und dessen das Privatleben, das unter sehr verschiedenen, äußerlichen Umständen stattfinden kann, nur fähig ist, – diesen Trost können die sich ans der Geschichte nehmen, die dessen bedürftig sind. Bedürftig aber desselben ist der Neid, den das Große, Emporragende verdrießt, der sich bestrebt, es klein zu machen und einen Schaden an ihm zu finden. So ist es auch in neueren Zeiten zur Genüge demonstriert worden, daß die Fürsten überhaupt auf ihrem Throne nicht glücklich seien, daher man denselben ihnen dann gönnt und es erträglich findet, daß man nicht selbst, sondern sie auf dem Throne sitzen. – Der freie Mensch ist übrigens nicht neidisch, sondern anerkennt das gern, was groß und erhaben ist, und freut sich, daß es ist.

Nach diesen allgemeinen Momenten also, welche das Interesse und damit die Leidenschaften der Individuen ausmachen, sind diese geschichtlichen Menschen zu betrachten. Es sind große Menschen, eben weil sie ein Großes, und zwar nicht ein Eingebildetes, Vermeintes, sondern ein Richtiges und Notwendiges gewollt und vollbracht haben. Diese Betrachtungsweise schließt auch die sogenannte psychologische Betrachtung aus, welche, dem Neide am besten dienend, alle Handlungen ins Herz hinein so zu erklären und in die subjektive Gestalt zu bringen weiß, daß ihre Urheber alles aus irgendeiner kleinen oder großen Leidenschaft, aus einer Sucht getan haben und, um dieser Leidenschaften und Suchten willen, keine moralischen Menschen gewesen seien. Alexander von Makedonien hat zum Teil Griechenland, dann Asien erobert, also ist er eroberungs süchtig gewesen. Er hat aus Ruhmsucht, Eroberungssucht gehandelt, und der Beweis, daß sie ihn getrieben haben, ist, daß er solches, das Ruhm brachte, getan habe. Welcher Schulmeister hat nicht von Alexander dem Großen, von Julius Cäsar vordemonstriert, daß diese Menschen von solchen Leidenschaften getrieben und daher unmoralische Menschen gewesen seien? woraus sogleich folgt, daß er, der Schulmeister, ein vortrefflicherer Mensch sei als jene, weil er solche Leidenschaften nicht besäße und den Beweis dadurch gebe, daß er Asien nicht erobere, den Darius, Porus nicht besiege, sondern freilich wohl lebe, aber auch leben lasse. – Diese Psychologen hängen sich dann vornehmlich auch an die Betrachtung von den Partikularitäten der großen, historischen Figuren, welche ihnen als Privatpersonen zukommen. Der Mensch muß essen und trinken, steht in Beziehung zu Freunden und Bekannten, hat Empfindungen und Aufwallungen des Augenblicks. Für einen Kammerdiener gibt es keinen Helden, ist ein bekanntes Sprichwort; ich habe hinzugesetzt, – und Goethe hat es zehn Jahre später wiederholt –, nicht aber darum, weil dieser kein Held, sondern weil jener der Kammerdiener ist. Dieser zieht dem Helden die Stiefel aus, hilft ihm zu Bette, weiß, daß er lieber Champagner trinkt usf. – Die geschichtlichen Personen, von solchen psychologischen Kammerdienern in der Geschichtschreibung bedient, kommen schlecht weg; sie werden von diesen ihren Kammerdienern nivelliert, auf gleiche Linie oder vielmehr ein paar Stufen unter die Moralität solcher feinen Menschenkenner gestellt. Der Thersites des Homer, der die Könige tadelt, ist eine stehende Figur aller Zeiten. Schläge, d. h. Prügel mit einem soliden Stabe, bekommt er zwar nicht zu allen Zeiten, wie in den homerischen, aber sein Neid, seine Eigensinnigkeit ist der Pfahl, den er im Fleische trägt, und der unsterbliche Wurm, der ihn nagt, ist die Qual, daß seine vortrefflichen Absichten und Tadeleien der Welt doch ganz erfolglos bleiben. Man kann auch eine Schadenfreude am Schicksal des Thersitismus haben.

Ein welthistorisches Individuum hat nicht die Nüchternheit, dies und jenes zu wollen, viel Rücksichten zu nehmen, sondern es gehört ganz rücksichtslos dem einen Zwecke an. So ist es auch der Fall, daß sie andre große, ja heilige Interessen leichtsinnig behandeln, welches Benehmen sich freilich dem moralischen Tadel unterwirft. Aber solche große Gestalt muß manche unschuldige Blume zertreten, manches zertrümmern auf ihrem Wege.

Das besondere Interesse der Leidenschaft ist also unzertrennlich von der Betätigung des Allgemeinen; denn es ist aus dem Besonderen und Bestimmten und aus dessen Negation, daß das Allgemeine resultiert. Es ist das Besondere, das sich aneinander abkämpft, und wovon ein Teil zugrunde gerichtet wird. Nicht die allgemeine Idee ist es, welche sich in Gegensatz und Kampf, welche sich in Gefahr begibt; sie hält sich unangegriffen und unbeschädigt im Hintergrund. Das ist die List der Vernunft zu nennen, daß sie die Leidenschaften für sich wirken läßt, wobei das, durch was sie sich in Existenz setzt, einbüßt und Schaden leidet. Denn es ist die Erscheinung, von der ein Teil nichtig, ein Teil affirmativ ist. Das Partikulare ist meistens zu gering gegen das Allgemeine, die Individuen werden aufgeopfert und preisgegeben. Die Idee bezahlt den Tribut des Daseins und der Vergänglichkeit nicht aus sich, sondern aus den Leidenschaften der Individuen.

Wenn wir es uns nun gefallen lassen, die Individualitäten, ihre Zwecke und deren Befriedigung aufgeopfert, ihr Glück überhaupt dem Reiche der Zufälligkeit, dem es angehört, preisgegeben zu sehen und die Individuen überhaupt unter der Kategorie der Mittel zu betrachten, so ist doch eine Seite in ihnen, die wir Anstand nehmen, auch gegen das Höchste nur in diesem Gesichtspunkte zu fassen, weil es ein schlechthin nicht Untergeordnetes, sondern ein in ihnen an ihm selbst Ewiges, Göttliches ist. Dies ist die Moralität, Sittlichkeit, Religiosität. Schon indem von der Betätigung des Vernunftzwecks durch die Individuen überhaupt gesprochen worden ist, ist die subjektive Seite derselben, ihr Interesse, das ihrer Bedürfnisse und Triebe, ihres Dafürhaltens und ihrer Einsicht, als die formelle Seite zwar angegeben worden, aber welche selbst ein unendliches Recht habe, befriedigt werden zu müssen. Wenn wir von einem Mittel sprechen, so stellen wir uns dasselbe zunächst als ein dem Zweck nur äußerliches vor, das keinen Teil an ihm habe. In der Tat aber müssen schon die natürlichen Dinge überhaupt, selbst die gemeinste leblose Sache, die als Mittel gebraucht wird, von der Beschaffenheit sein, daß sie dem Zwecke entsprechen, in ihnen etwas haben, das ihnen mit diesem gemein ist. In jenem ganz äußerlichen Sinne verhalten sich die Menschen am wenigsten als Mittel zum Vernunftzwecke; nicht nur befriedigen sie zugleich mit diesem und bei Gelegenheit desselben, die dem Inhalt nach von ihm verschiedenen Zwecke ihrer Partikularität, sondern sie haben Teil an jenem Vernunftzweck selbst und sind eben dadurch Selbstzwecke, – Selbstzweck nicht nur formell, wie das Lebendige überhaupt, dessen individuelles Leben selbst, seinem Gehalte nach, ein schon dem menschlichen Leben Untergeordnetes ist und mit Recht als Mittel verbraucht wird, sondern die Menschen sind auch Selbstzwecke dem Inhalte des Zweckes nach. In diese Bestimmung fällt eben jenes, was wir der Kategorie eines Mittels entnommen zu sein verlangen, Moralität, Sittlichkeit, Religiosität. Zweck in ihm selbst nämlich ist der Mensch nur durch das Göttliche, das in ihm ist, durch das, was von Anfang an Vernunft und, insofern sie tätig und selbstbestimmend ist, Freiheit genannt wurde; und wir sagen, ohne hier in weitere Entwicklung eingehen zu können, daß eben Religiosität, Sittlichkeit usf. hierin ihren Boden und ihre Quelle haben und hiermit selbst über die äußere Notwendigkeit und Zufälligkeit an sich erhoben sind. Aber es ist hier zu sagen, daß die Individuen, insofern sie ihrer Freiheit anheimgegeben sind, Schuld an dem sittlichen und religiösen Verderben und an der Schwächung der Sittlichkeit und Religion haben. Dies ist das Siegel der absoluten hohen Bestimmung des Menschen, daß er wisse, was gut und was böse ist, und daß eben sie das Wollen sei, entweder des Guten oder des Bösen, – mit einem Wort, daß er Schuld haben kann, Schuld nicht nur am Bösen, sondern auch am Guten und Schuld nicht bloß an diesem, jenem und allem, sondern Schuld an dem seiner individuellen Freiheit angehörigen Guten und Bösen. Nur das Tier allein ist wahrhaft unschuldig. Aber es erfordert eine weitläufige Auseinandersetzung, eine so weitläufige als die über die Freiheit selbst, um alle Mißverständnisse, die sich hierüber zu ergeben pflegen, daß das, was Unschuld genannt wird, die Unwissenheit selbst des Bösen bedeute, abzuschneiden oder zu beseitigen.

Bei der Betrachtung des Schicksals, welches die Tugend, Sittlichkeit, auch Religiosität in der Geschichte haben, müssen wir nicht in die Litanei der Klagen verfallen, daß es den Guten und Frommen in der Welt oft oder gar meist schlecht, den Bösen und Schlechten dagegen gut gehe. Unter dem Gutgehen pflegt man sehr mancherlei zu verstehen, auch Reichtum, äußerliche Ehre und dergleichen. Aber wenn von solchem die Rede ist, was an und für sich seiender Zweck wäre, kann solches sogenanntes Gut- oder Schlechtgehen von diesen oder jenen einzelnen Individuen nicht zu einem Momente der vernünftigen Weltordnung gemacht werden sollen. Mit mehr Recht als nur Glück, Glücksumstände von Individuen, wird an den Weltzweck gefordert, daß gute, sittliche, rechtliche Zwecke unter ihm und in ihm ihre Ausführung und Sicherung suchen. Was die Menschen moralisch unzufrieden macht (und dies ist eine Unzufriedenheit, auf die sie sich was zu Gute tun), ist, daß sie für Zwecke, welche sie für das Rechte und Gute halten (insbesondere heutzutage Ideale von Staatseinrichtungen), die Gegenwart nicht entsprechend finden; sie setzen solchem Dasein ihr Sollen dessen, was das Recht der Sache sei, entgegen. Hier ist es nicht das partikulare Interesse, nicht die Leidenschaft, welche Befriedigung verlangt, sondern die Vernunft, das Recht, die Freiheit, und mit diesem Titel ausgerüstet trägt diese Forderung das Haupt hoch und ist leicht nicht nur unzufrieden über den Weltzustand, sondern empört dagegen. Um solches Gefühl und solche Ansichten zu würdigen, müßte in Untersuchung der aufgestellten Forderungen, der sehr assertorischen Meinungen eingegangen werden. Zu keiner Zeit wie in der unsrigen, sind hierüber allgemeine Sätze und Gedanken mit größerer Prätension aufgestellt worden. Wenn die Geschichte sonst sich als ein Kampf der Leidenschaften darzustellen scheint, so zeigt sie in unsrer Zeit, obgleich die Leidenschaften nicht fehlen, teils überwiegend den Kampf berechtigender Gedanken untereinander, teils den Kampf der Leidenschaften und subjektiven Interessen, wesentlich nur unter dem Titel solcher höheren Berechtigungen. Diese im Namen dessen, was als die Bestimmung der Vernunft angegeben worden ist, bestehensollenden Rechtsforderungen gelten eben damit als absolute Zwecke, ebenso wie Religion, Sittlichkeit, Moralität. Nichts ist, wie gesagt, jetzt häufiger als die Klage, daß die Ideale, welche die Phantasie aufstellt, nicht realisiert, daß diese herrlichen Träume von der kalten Wirklichkeit zerstört werden. Diese Ideale, welche an der Klippe der harten Wirklichkeit, auf der Lebensfahrt, scheiternd zugrunde gehen, können zunächst nur subjektive sein und der sich für das Höchste und Klügste haltenden Individualität des einzelnen angehören. Die gehören eigentlich nicht hieher. Denn was das Individuum für sich in seiner Einzelheit sich ausspinnt, kann für die allgemeine Wirklichkeit nicht Gesetz sein, ebenso wie das Weltgesetz nicht für die einzelnen Individuen allein ist, die dabei sehr können zu kurz kommen. Man versteht unter Ideal aber ebenso auch das Ideal der Vernunft, des Guten, des Wahren. Dichter, wie Schiller, haben dergleichen sehr rührend und empfindungsvoll dargestellt, im Gefühl tiefer Trauer, daß solche Ideale ihre Verwirklichung nicht zu finden vermöchten. Sagen wir nun dagegen, die allgemeine Vernunft vollführe sich, so ist es um das empirisch Einzelne freilich nicht zu tun; denn das kann besser und schlechter sein, weil hier der Zufall, die Besonderheit ihr ungeheures Recht auszuüben vom Begriff die Macht erhält. So wäre denn an den Einzelheiten der Erscheinung vieles zu tadeln. Dies subjektive Tadeln, das aber nur das Einzelne und seinen Mangel vor sich hat, ohne die allgemeine Vernunft darin zu erkennen, ist leicht und kann, indem es die Versicherung guter Absicht für das Wohl des Ganzen herbeibringt und sich den Schein des guten Herzens gibt, gewaltig groß tun und sich aufspreizen. Es ist leichter, den Mangel an Individuen, an Staaten, an der Weltleitung einzusehen als ihren wahrhaften Gehalt. Denn beim negativen Tadeln steht man vornehm und mit hoher Miene über der Sache, ohne in sie eingedrungen zu sein, d. h. sie selbst, ihr Positives erfaßt zu haben. Das Alter im allgemeinen macht milder, die Jugend ist immer unzufrieden; das macht beim Alter die Reife des Urteils, das nicht nur aus Interesselosigkeit auch das Schlechte sich gefallen läßt, sondern, durch den Ernst des Lebens tiefer belehrt, auf das Substantielle, Gediegene der Sache ist geführt worden. – Die Einsicht nun, zu der, im Gegensatz jener Ideale, die Philosophie führen soll, ist, daß die wirkliche Welt ist, wie sie sein soll, daß das wahrhafte Gute, die allgemeine göttliche Vernunft auch die Macht ist, sich selbst zu vollbringen. Dieses Gute, diese Vernunft in ihrer konkretesten Vorstellung ist Gott. Gott regiert die Welt, der Inhalt seiner Regierung, die Vollführung seines Plans ist die Weltgeschichte. Diesen will die Philosophie erfassen; denn nur was aus ihm vollführt ist, hat Wirklichkeit, was ihm nicht gemäß ist, ist nur faule Existenz. Vor dem reinen Licht dieser göttlichen Idee, die kein bloßes Ideal ist, verschwindet der Schein, als ob die Welt ein verrücktes, törichtes Geschehen sei. Die Philosophie will den Inhalt, die Wirklichkeit der göttlichen Idee erkennen und die verschmähte Wirklichkeit rechtfertigen. Denn die Vernunft ist das Vernehmen des göttlichen Werkes. Was aber die Verkümmerung, Verletzung und den Untergang von religiösen, sittlichen und moralischen Zwecken und Zuständen überhaupt betrifft, so muß gesagt werden, daß diese zwar ihrem Innerlichen nach unendlich und ewig sind, daß aber ihre Gestaltungen beschränkter Art sein können, damit im Naturzusammenhange und unter dem Gebote der Zufälligkeit stehen. Darum sind sie vergänglich und der Verkümmerung und Verletzung ausgesetzt. Die Religion und Sittlichkeit haben eben als die in sich allgemeinen Wesenheiten, die Eigenschaft, ihrem Begriffe gemäß, somit wahrhaftig, in der individuellen Seele vorhanden zu sein, wenn sie in derselben auch nicht die Ausdehnung der Bildung, nicht die Anwendung auf entwickelte Verhältnisse haben. Die Religiosität, die Sittlichkeit eines beschränkten Lebens – eines Hirten, eines Bauern, in ihrer konzentrierten Innigkeit und Beschränktheit auf wenige und ganz einfache Verhältnisse des Lebens, hat unendlichen Wert und denselben Wert als die Religiosität und Sittlichkeit einer ausgebildeten Erkenntnis und eines an Umfang der Beziehungen und Handlungen reichen Daseins. Dieser innere Mittelpunkt, diese einfache Region des Rechts der subjektiven Freiheit, der Herd des Wollens, Entschließens und Tuns, der abstrakte Inhalt des Gewissens, das, worin Schuld und Wert des Individuums eingeschlossen ist, bleibt unangetastet und ist dem lauten Lärm der Weltgeschichte und den nicht nur äußerlichen und zeitlichen Veränderungen, sondern auch denjenigen, welche die absolute Notwendigkeit des Freiheitsbegriffes selbst mit sich bringt, ganz entnommen. Im allgemeinen ist aber dies festzuhalten, daß, was in der Welt als Edles und Herrliches berechtigt ist, auch ein Höheres über sich hat. Das Recht des Weltgeistes geht über alle besonderen Berechtigungen.

Dies mag genug sein über diesen Gesichtspunkt der Mittel, deren der Weltgeist sich zur Realisierung seines Begriffes bedient. Einfach und abstrakt ist es die Tätigkeit der Subjekte, in welchen die Vernunft als ihr an sich seiendes substantielles Wesen vorhanden, aber ihr zunächst noch dunkler, ihnen verborgener Grund ist. Aber der Gegenstand wird verwickelter und schwieriger, wenn wir die Individuen nicht bloß als tätig, sondern konkreter mit bestimmtem Inhalt ihrer Religion und Sittlichkeit nehmen, Bestimmungen, welche Anteil an der Vernunft, damit auch an ihrer absoluten Berechtigung haben. Hier fällt das Verhältnis eines bloßen Mittels zum Zwecke hinweg, und die Hauptgesichtspunkte, die dabei über das Verhältnis des absoluten Zweckes des Geistes angeregt werden, sind kurz in Betracht gezogen worden.

c) Das Dritte nun aber ist, welches der durch diese Mittel auszuführende Zweck sei, das ist, seine Gestaltung in der Wirklichkeit. Es ist von Mitteln die Rede gewesen, aber bei der Ausführung eines subjektiven endlichen Zweckes haben wir auch noch das Moment eines Materials, was für die Verwirklichung derselben vorhanden oder herbeigeschafft werden muß. So wäre die Frage: welches ist das Material, in welchem der vernünftige Endzweck ausgeführt wird? Es ist zunächst das Subjekt wiederum selbst, die Bedürfnisse des Menschen, die Subjektivität überhaupt. Im menschlichen Wissen und Wollen, als im Material, kommt das Vernünftige zu seiner Existenz. Der subjektive Wille ist betrachtet worden, wie er einen Zweck hat, welcher die Wahrheit einer Wirklichkeit ist, und zwar insofern er eine große welthistorische Leidenschaft ist. Als subjektiver Wille in beschränkten Leidenschaften ist er abhängig, und seine besonderen Zwecke findet er nur innerhalb dieser Abhängigkeit zu befriedigen. Aber der subjektive Wille hat auch ein substantielles Leben, eine Wirklichkeit, in der er sich im wesentlichen bewegt und das Wesentliche selbst zum Zwecke seines Daseins hat. Dieses Wesentliche ist selbst die Vereinigung des subjektiven und des vernünftigen Willens: es ist das sittliche Ganze, – der Staat, welcher die Wirklichkeit ist, worin das Individuum seine Freiheit hat und genießt, aber indem es das Wissen, Glauben und Wollen des Allgemeinen ist; doch ist dies nicht so zu nehmen, als ob der subjektive Wille des Einzelnen zu seiner Ausführung und seinem Genusse durch den allgemeinen Willen käme, und dieser ein Mittel für ihn wäre, als ob das Subjekt neben den andern Subjekten seine Freiheit so beschränkte, daß diese gemeinsame Beschränkung, das Genieren aller gegeneinander jedem einen kleinen Platz ließe, worin er sich ergehen könne; vielmehr sind Recht, Sittlichkeit, Staat, und nur sie, die positive Wirklichkeit und Befriedigung der Freiheit. Die Freiheit, welche beschränkt wird, ist die Willkür, die sich auf das Besondere der Bedürfnisse bezieht.

Der subjektive Wille, die Leidenschaft ist das Betätigende, Verwirklichende; die Idee ist das Innere; der Staat ist das vorhandene, wirklich sittliche Leben. Denn er ist die Einheit des allgemeinen, wesentlichen Wollens und des subjektiven, und das ist die Sittlichkeit. Das Individuum, das in dieser Einheit lebt, hat ein sittliches Leben, hat einen Wert, der allein in dieser Substantialität besteht. Antigone beim Sophokles sagt: die göttlichen Gebote sind nicht von gestern, noch von heute, nein, sie leben ohne Ende, und niemand wüßte zu sagen, von wannen sie kamen. Die Gesetze der Sittlichkeit sind nicht zufällig, sondern das Vernünftige selbst. Daß nun das Substantielle im wirklichen Tun der Menschen und in ihrer Gesinnung gelte, vorhanden sei und sich selbst erhalte, das ist der Zweck des Staates. Es ist das absolute Interesse der Vernunft, daß dieses sittliche Ganze vorhanden sei; und hierin liegt das Recht und Verdienst der Heroen, welche Staaten, sie seien auch noch so unausgebildet gewesen, gegründet haben. In der Weltgeschichte kann nur von Völkern die Rede sein, welche einen Staat bilden. Denn man muß wissen, daß ein solcher die Realisation der Freiheit, d. i. des absoluten Endzwecks ist, daß er um sein selbst willen ist; man muß ferner wissen, daß allen Wert, den der Mensch hat, alle geistige Wirklichkeit, er allein durch den Staat hat. Denn seine geistige Wirklichkeit ist, daß ihm als Wissenden sein Wesen, das Vernünftige gegenständlich sei, daß es objektives, unmittelbares Dasein für ihn habe; so nur ist er Bewußtsein, so nur ist er in der Sitte, dem rechtlichen und sittlichen Staatsleben. Denn das Wahre ist die Einheit des allgemeinen und subjektiven Willens; und das Allgemeine ist im Staate in den Gesetzen, in allgemeinen und vernünftigen Bestimmungen. Der Staat ist die göttliche Idee, wie sie auf Erden vorhanden ist. Er ist so der näher bestimmte Gegenstand der Weltgeschichte überhaupt, worin die Freiheit ihre Objektivität erhält und in dem Genusse dieser Objektivität lebt. Denn das Gesetz ist die Objektivität des Geistes und der Wille in seiner Wahrheit; und nur der Wille, der dem Gesetze gehorcht, ist frei, denn er gehorcht sich selbst und ist bei sich selbst und frei. Indem der Staat, das Vaterland, eine Gemeinsamkeit des Daseins ausmacht, indem sich der subjektive Wille des Menschen den Gesetzen unterwirft, verschwindet der Gegensatz von Freiheit und Notwendigkeit. Notwendig ist das Vernünftige als das Substantielle, und frei sind wir, indem wir es als Gesetz anerkennen und ihm als der Substanz unsres eignen Wesens folgen: der objektive und der subjektive Wille sind dann ausgesöhnt und ein und dasselbe ungetrübte Ganze. Denn die Sittlichkeit des Staates ist nicht die moralische, die reflektierte, wobei die eigne Überzeugung waltet; diese ist mehr der modernen Welt zugänglich, während die wahre und antike darin wurzelt, daß jeder in seiner Pflicht steht. Ein atheniensischer Bürger tat gleichsam aus Instinkt dasjenige, was ihm zukam; reflektiere ich aber über den Gegenstand meines Tuns, so muß ich das Bewußtsein haben, daß mein Wille hinzugekommen sei. Die Sittlichkeit aber ist die Pflicht, das substantielle Recht, die zweite Natur, wie man sie mit Recht genannt hat, denn die erste Natur des Menschen ist sein unmittelbares, tierisches Sein.

Die ausführliche Entwicklung des Staates ist in der Rechtsphilosophie zu geben; doch muß hier erinnert werden, daß in den Theorien unsrer Zeit mannigfaltige Irrtümer über denselben im Umlauf sind, welche für ausgemachte Wahrheiten gelten und zu Vorurteilen geworden sind; wir wollen nur wenige derselben anführen und vornehmlich solche, die in Beziehung auf den Zweck unsrer Geschichte stehen.

Was uns zuerst begegnet, ist das direkte Gegenteil unsres Begriffes, daß der Staat die Verwirklichung der Freiheit sei, die Ansicht nämlich, daß der Mensch von Natur frei sei, in der Gesellschaft aber und in dem Staate, worin er zugleich notwendig trete, diese natürliche Freiheit beschränken müsse. Daß der Mensch von Natur frei ist, ist in dem Sinne ganz richtig, daß er dies seinem Begriffe, aber eben damit nur seiner Bestimmung nach, das ist, nur an sich ist; die Natur eines Gegenstandes heißt allerdings so viel als sein Begriff. Aber zugleich wird damit auch die Weise verstanden und in jenen Begriff hineingenommen, wie der Mensch in seiner nur natürlichen unmittelbaren Existenz ist. In diesem Sinne wird ein Naturzustand überhaupt angenommen, in welchem der Mensch als in dem Besitze seiner natürlichen Rechte in der unbeschränkten Ausübung und in dem Genusse seiner Freiheit vorgestellt wird. Diese Annahme gilt nicht gerade dafür, daß sie etwas Geschichtliches sei, es würde auch, wenn man Ernst mit ihr machen wollte, schwer sein, solchen Zustand nachzuweisen, daß er in gegenwärtiger Zeit existiere oder in der Vergangenheit irgendwo existiert habe. Zustände der Wildheit kann man freilich nachweisen, aber sie zeigen sich mit den Leidenschaften der Roheit und Gewalttaten verknüpft und selbst sogleich, wenn sie auch noch so unausgebildet sind, mit gesellschaftlichen, für die Freiheit sogenannten beschränkenden Einrichtungen verknüpft. Jene Annahme ist eines von solchen nebulosen Gebilden, wie die Theorie sie hervorbringt, eine aus ihr fließende notwendige Vorstellung, welcher sie dann auch eine Existenz unterschiebt, ohne sich jedoch hierüber auf geschichtliche Art zu rechtfertigen.

Wie wir solchen Naturzustand in der Existenz empirisch finden, so ist er auch seinem Begriffe nach. Die Freiheit als Idealität des Unmittelbaren und Natürlichen ist nicht als ein Unmittelbares und Natürliches, sondern muß vielmehr erworben und erst gewonnen werden, und zwar durch eine unendliche Vermittelung der Zucht des Wissens und des Wollens. Daher ist der Naturzustand vielmehr der Zustand des Unrechts, der Gewalt, des ungebändigten Naturtriebs unmenschlicher Taten und Empfindungen. Es findet allerdings Beschränkung durch die Gesellschaft und den Staat statt, aber eine Beschränkung jener stumpfen Empfindungen und rohen Triebe, wie weiterhin auch des reflektierten Beliebens der Willkür und Leidenschaft. Dieses Beschränken fällt in die Vermittlung, durch welche das Bewußtsein und das Wollen der Freiheit, wie sie wahrhaft, d. i. vernünftig und ihrem Begriffe nach ist, erst hervorgebracht wird. Nach ihrem Begriffe gehört ihr das Recht und die Sittlichkeit an, und diese sind an und für sich allgemeine Wesenheiten, Gegenstände und Zwecke, welche nur von der Tätigkeit des von der Sinnlichkeit sich unterscheidenden und ihr gegenüber sich entwickelnden Denkens gefunden und wieder dem zunächst sinnlichen Willen, und zwar gegen ihn selbst eingebildet und einverleibt werden müssen. Das ist der ewige Mißverstand der Freiheit, sie nur in formellem, subjektivem Sinne zu wissen, abstrahiert von ihren wesentlichen Gegenständen und Zwecken; so wird die Beschränkung des Triebes, der Begierde, der Leidenschaft, welche nur dem partikularen Individuum als solchem ungehörig ist, der Willkür und des Beliebens für eine Beschränkung der Freiheit genommen. Vielmehr ist solche Beschränkung schlechthin die Bedingung, aus welcher die Befreiung hervorgeht, und Gesellschaft und Staat sind die Zustände, in welchen die Freiheit vielmehr verwirklicht wird.

Zweitens ist eine andre Vorstellung zu erwähnen, welche gegen die Ausbildung überhaupt des Rechts zur gesetzlichen Form geht. Der patriarchalische Zustand wird entweder für das Ganze oder wenigstens für einige einzelne Zweige als das Verhältnis angesehen, in welchem mit dem Rechtlichen zugleich das sittliche und gemütliche Element seine Befriedigung finde und die Gerechtigkeit selbst nur in Verbindung mit diesen auch ihrem Inhalte nach wahrhaft ausgeübt werde. Dem patriarchalischen Zustande liegt das Familienverhältnis zugrunde, welches die allererste Sittlichkeit, zu der der Staat als die zweite kommt, mit Bewußtsein entwickelt. Das patriarchalische Verhältnis ist der Zustand eines Übergangs, in welchem die Familie bereits zu einem Stamme oder Volke gediehen und das Band daher bereits aufgehört hat, nur ein Band der Liebe und des Zutrauens zu sein, und zu einem Zusammenhange des Dienstes geworden ist. Es ist hier zunächst von der Familiensittlichkeit zu sprechen. Die Familie ist nur eine Person, die Mitglieder derselben haben ihre Persönlichkeit (damit das Rechtsverhältnis, wie auch die ferneren partikularen Interessen und Selbstsüchtigkeiten) entweder gegeneinander aufgegeben (die Eltern) oder dieselbe noch nicht erreicht (die Kinder, die zunächst in dem vorhin angeführten Naturzustande sind). Sie sind damit in einer Einheit des Gefühls, der Liebe, dem Zutrauen, Glauben gegeneinander; in der Liebe hat ein Individuum das Bewußtsein seiner in dem Bewußtsein des andern, ist sich entäußert, und in dieser gegenseitigen Entäußerung hat es sich (ebensosehr das andre wie sich selbst als mit dem andern eines) gewonnen. Die weiteren Interessen der Bedürfnisse, der äußeren Angelegenheiten des Lebens, wie die Ausbildung innerhalb ihrer selbst, in Ansehung der Kinder, machen einen gemeinsamen Zweck aus. Der Geist der Familie, die Penaten sind ebenso ein substantielles Wesen als der Geist eines Volkes im Staate, und die Sittlichkeit besteht in beiden in dem Gefühle, dem Bewußtsein und dem Wollen nicht der individuellen Persönlichkeit und Interessen, sondern der allgemeinen aller Glieder derselben. Aber diese Einheit ist in der Familie wesentlich eine empfundene, innerhalb der Naturweise stehenbleibende; die Pietät der Familie ist von dem Staate aufs höchste zu respektieren; durch sie hat er zu seinen Angehörigen solche Individuen, die schon als solche für sich sittlich sind (denn als Personen sind sie dies nicht), und die für den Staat die gediegene Grundlage, sich als eines mit einem Ganzen zu empfinden, mitbringen. Die Erweiterung der Familie aber zu einem patriarchalischen Ganzen geht über das Band der Blutsverwandtschaft, die Naturseiten der Grundlage hinaus, und jenseits dieser müssen die Individuen in den Stand der Persönlichkeit treten. Das patriarchalische Verhältnis in seinem weiteren Umfang zu betrachten, würde namentlich auch dahin führen, die Form der Theokratie zu erwägen; das Haupt des patriarchalischen Stammes ist auch der Priester desselben. Wenn die Familie noch überhaupt nicht von der bürgerlichen Gesellschaft und dem Staate geschieden ist, so ist auch die Abtrennung der Religion von ihr noch nicht geschehen und um so weniger, als ihre Pietät selbst eine Innerlichkeit des Gefühls ist.

Wir haben zwei Seiten der Freiheit betrachtet, die objektive und die subjektive; wenn nun als Freiheit gesetzt wird, daß die einzelnen ihre Einwilligung geben, so ist leicht zu ersehen, daß hier nur das subjektive Moment gemeint ist. Was aus diesem Grundsatze natürlich folgt, ist, daß kein Gesetz gelten könne, außer wenn alle übereinstimmen. Hier kommt man sogleich auf die Bestimmung, daß die Minorität der Majorität weichen müsse; die Mehrheit also entscheidet. Aber schon J. J. Rousseau hat bemerkt, daß dann keine Freiheit mehr sei, denn der Wille der Minorität wird nicht mehr geachtet. Auf dem polnischen Reichstage mußte jeder einzelne seine Einwilligung geben, und um dieser Freiheit willen ist der Staat zugrunde gegangen. Außerdem ist es eine gefährliche und falsche Voraussetzung, daß das Volk allein Vernunft und Einsicht habe und das Rechte wisse; denn jede Faktion des Volkes kann sich als Volk aufwerfen, und was den Staat ausmacht, ist die Sache der gebildeten Erkenntnis und nicht des Volkes.

Wenn das Prinzip des einzelnen Willens als einzige Bestimmung der Staatsfreiheit zugrunde gelegt wird, daß zu allem, was vom Staat und für ihn geschehe, alle einzelnen ihre Zustimmung geben sollen, so ist eigentlich gar keine Verfassung vorhanden. Die einzige Einrichtung, der es bedürfte, wäre nur ein willenloser Mittelpunkt, der, was ihm Bedürfnisse des Staates zu sein schienen, beachtete und seine Meinung bekannt machte, und dann der Mechanismus der Zusammenberufung der einzelnen, ihres Stimmgebens und der arithmetischen Operation des Abzählens und Vergleichens der Menge von Stimmen für die verschiedenen Propositionen, womit die Entscheidung schon bestimmt wäre. Der Staat ist ein Abstraktum, der seine selbst nur allgemeine Realität in den Bürgern hat, aber er ist wirklich, und die nur allgemeine Existenz muß sich zu individuellem Willen und Tätigkeit bestimmen. Es tritt das Bedürfnis von Regierung und Staatsverwaltung überhaupt ein, eine Vereinzelung und Aussonderung solcher, welche das Ruder der Staatsangelegenheiten zu führen haben, darüber beschließen, die Art der Ausführung bestimmen und Bürgern, welche solche ins Werk setzen sollen, befehlen. Beschließt z. B. auch in Demokratien das Volk einen Krieg, so muß doch ein General an die Spitze gestellt werden, welcher das Heer anführe. Die Staatsverfassung ist es erst, wodurch das Abstraktum des Staates zu Leben und Wirklichkeit kommt, aber damit tritt auch der Unterschied von Befehlenden und Gehorchenden ein. Gehorchen aber scheint der Freiheit nicht gemäß zu sein, und die befehlen, scheinen selbst das Gegenteil von dem zu tun, was der Grundlage des Staates, dem Freiheitsbegriffe entspreche. Wenn nun einmal der Unterschied von Befehlen und Gehorchen notwendig sei, sagt man, weil die Sache sonst nicht gehen könne, – und zwar scheint dieses nur eine Not, eine der Freiheit, wenn diese abstrakt festgehalten wird, äußerliche und selbst ihr zuwiderlaufende Notwendigkeit zu sein, – so müsse die Einrichtung wenigstens so getroffen werden, daß so wenig als möglich von den Bürgern bloß gehorcht und den Befehlen so wenig Willkür als möglich überlassen werde, der Inhalt dessen, wofür das Befehlen notwendig wird, selbst der Hauptsache nach vom Volke, dem Willen vieler oder aller einzelnen bestimmt und beschlossen sei, wobei aber doch wieder der Staat als Wirklichkeit, als individuelle Einheit, Kraft und Stärke haben soll. Die allererste Bestimmung ist überhaupt: der Unterschied von Regierenden und Regierten; und mit Recht hat man die Verfassungen im allgemeinen in Monarchie, Aristokratie und Demokratie eingeteilt, wobei nur bemerkt werden muß, daß die Monarchie selbst wieder in Despotismus und in die Monarchie als solche unterschieden werden muß, daß bei allen aus dem Begriffe geschöpften Einteilungen nur die Grundbestimmung herausgehoben, und damit nicht gemeint ist, daß dieselbe als eine Gestalt, Gattung oder Art in ihrer konkreten Ausführung erschöpft sein solle, vornehmlich aber auch, daß jene Arten eine Menge von besondern Modifikationen, nicht nur jener allgemeinen Ordnungen an ihnen selber, sondern auch solche zulassen, welche Vermischungen mehrerer dieser wesentlichen Ordnungen, damit aber unförmliche, in sich unhaltbare, inkonsequente Gestaltungen sind. Die Frage in dieser Kollision ist daher, welches die beste Verfassung sei, das ist, durch welche Einrichtung, Organisation oder Mechanismus der Staatsgewalt der Zweck des Staates am sichersten erreicht werde. Dieser Zweck kann nun freilich auf verschiedene Weise gefaßt werden, zum Beispiel als ruhiger Genuß des bürgerlichen Lebens, als allgemeine Glückseligkeit. Solche Zwecke haben die sogenannten Ideale von Staatsregierungen und dabei namentlich Ideale von Erziehung der Fürsten ( Fénelon) oder der Regierenden, überhaupt der Aristokratie ( Plato) veranlaßt, denn die Hauptsache ist dabei auf die Beschaffenheit der Subjekte, die an der Spitze stehen, gesetzt worden und bei diesen Idealen an den Inhalt der organischen Staatseinrichtungen gar nicht gedacht worden. Die Frage nach der besten Verfassung wird häufig in dem Sinne gemacht, als ob nicht nur die Theorie hierüber eine Sache der subjektiven freien Überzeugung, sondern auch die wirkliche Einführung einer nun als die beste oder die bessere erkannten Verfassung die Folge eines so ganz theoretisch gefaßten Entschlusses, die Art der Verfassung eine Sache ganz freier und weiter nicht als durch die Überlegung bestimmter Wahl sein könne. In diesem ganz naiven Sinne beratschlagten zwar nicht das persische Volk, aber die persischen Großen, die sich zum Sturz des falschen Smerdis und der Magier verschworen hatten, nach der gelungenen Unternehmung, und da von der Königsfamilie kein Sprößling mehr vorhanden war, welche Verfassung sie in Persien einführen wollten; und Herodot erzählt ebenso naiv diese Beratschlagung.

So ganz der freien Wahl anheimgegeben, wird heutiges Tages die Verfassung eines Landes und Volkes nicht dargestellt. Die zugrunde liegende, aber abstrakt gehaltene Bestimmung der Freiheit hat zur Folge, daß sehr allgemein in der Theorie die Republik für die einzig gerechte und wahrhafte Verfassung gilt, und selbst eine Menge von Männern, welche in monarchischen Verfassungen hohe Stellen der Staatsverwaltung einnehmen, solcher Ansicht nicht widerstehen, sondern ihr zugetan sind; nur sehen sie ein, daß solche Verfassung, so sehr sie die beste wäre, in der Wirklichkeit nicht allenthalben eingeführt werden könne, und wie die Menschen einmal seien, man mit weniger Freiheit vorliebnehmen müsse, so sehr, daß die monarchische Verfassung unter diesen gegebenen Umständen und dem moralischen Zustande des Volkes nach die nützlichste sei. Auch in dieser Ansicht wird die Notwendigkeit einer bestimmten Staatsverfassung von dem Zustande, als einer nur äußern Zufälligkeit, abhängig gemacht. Solche Vorstellung gründet sich auf die Trennung, welche die Verstandesreflexion zwischen dem Begriffe und der Realität desselben macht, indem sie sich nur an einen abstrakten und damit unwahren Begriff hält, die Idee nicht erfaßt oder, was dem Inhalt, wenn auch nicht der Form nach, dasselbe ist, nicht eine konkrete Anschauung von einem Volke und einem Staate hat. Es ist noch späterhin zu zeigen, daß die Verfassung eines Volkes mit seiner Religion, mit seiner Kunst und Philosophie oder wenigstens mit seinen Vorstellungen und Gedanken, seiner Bildung überhaupt (um die weiteren äußerlichen Mächte, sowie das Klima, die Nachbarn, die Weltstellung nicht weiter zu erwähnen) eine Substanz, einen Geist ausmache. Ein Staat ist eine individuelle Totalität, von der nicht eine besondere, obgleich höchst wichtige Seite, wie die Staatsverfassung, für sich allein herausgenommen, darüber nach einer nur sie betreffenden Betrachtung isoliert beratschlagt und gewählt werden kann. Nicht nur ist die Verfassung ein mit jenen andern geistigen Mächten so innig zusammen Seiendes und von ihnen Abhängiges, sondern die Bestimmtheit der ganzen geistigen Individualität mit Inbegriff aller Mächte derselben ist nur ein Moment in der Geschichte des Ganzen und in dessen Gange vorherbestimmt, was die höchste Sanktion der Verfassung sowie deren höchste Notwendigkeit ausmacht. Die erste Produktion eines Staates ist herrisch und instinktartig. Aber auch Gehorsam und Gewalt, Furcht gegen einen Herrscher ist schon ein Zusammenhang des Willens. Schon in rohen Staaten findet dies statt, daß der besondere Wille der Individuen nicht gilt, daß auf die Partikularität Verzicht getan wird, daß der allgemeine Wille das Wesentliche ist. Diese Einheit des Allgemeinen und Einzelnen ist die Idee selbst, die als Staat vorhanden ist, und die sich dann weiter in sich ausbildet. Der abstrakte, jedoch notwendige, Gang in der Entwicklung wahrhaft selbständiger Staaten ist dann dieser, daß sie mit dem Königtum anfangen, es sei dieses ein patriarchalisches oder kriegerisches. Darauf hat die Besonderheit und Einzelheit sich hervortun müssen, – in Aristokratie und Demokratie. Den Schluß macht die Unterwerfung dieser Besonderheit unter eine Macht, welche schlechthin keine andre sein kann als eine solche, außerhalb welcher die besonderen Sphären ihre Selbständigkeit haben, das ist die monarchische. Es ist so ein erstes und ein zweites Königtum zu unterscheiden. – Dieser Gang ist ein notwendiger, so daß in ihm jedesmal die bestimmte Verfassung eintreten muß, die nicht Sache der Wahl, sondern nur diejenige ist, welche gerade dem Geiste des Volks angemessen ist.

Bei einer Verfassung kommt es auf die Ausbildung des vernünftigen, d. i. des politischen Zustandes in sich an, auf die Freiwerdung der Momente des Begriffs, daß die besonderen Gewalten sich unterscheiden, sich für sich vervollständigen, aber ebenso in ihrer Freiheit zu einem Zweck zusammenarbeiten und von ihm gehalten werden, d. i. ein organisches Ganze bilden. So ist der Staat die vernünftige und sich objektiv wissende und für sich seiende Freiheit. Denn ihre Objektivität ist eben dies, daß ihre Momente nicht ideell, sondern in eigentümlicher Realität vorhanden sind und in ihrer sich auf sie selbst beziehenden Wirksamkeit schlechthin übergehen in die Wirksamkeit, wodurch das Ganze, die Seele, die individuelle Einheit hervorgebracht wird und Resultat ist.

Der Staat ist die geistige Idee in der Äußerlichkeit des menschlichen Willens und seiner Freiheit. In denselben fällt daher überhaupt wesentlich die Veränderung der Geschichte, und die Momente der Idee sind an demselben als verschiedene Prinzipien. Die Verfassungen, worin die welthistorischen Völker ihre Blüte erreicht haben, sind ihnen eigentümlich, also nicht eine allgemeine Grundlage, so daß die Verschiedenheit nur in bestimmter Weise der Ausbildung und Entwicklung bestände, sondern sie besteht in der Verschiedenheit der Prinzipien. Es ist daher in Ansehung der Vergleichung der Verfassungen der früheren welthistorischen Völker der Fall, daß sich für das letzte Prinzip der Verfassung, für das Prinzip unsrer Zeiten, sozusagen, nichts aus denselben lernen läßt. Mit Wissenschaft und Kunst ist das ganz anders; z. B. die Philosophie der Alten ist so die Grundlage der neueren, daß sie schlechthin in dieser enthalten sein muß und den Boden derselben ausmacht. Das Verhältnis erscheint hier als eine ununterbrochene Ausbildung desselben Gebäudes, dessen Grundstein, Mauern und Dach noch dieselben geblieben sind. In der Kunst ist sogar die griechische, so wie sie ist, selbst das höchste Muster. Aber in Ansehung der Verfassung ist es ganz anders, hier haben altes und neues das wesentliche Prinzip nicht gemein. Abstrakte Bestimmungen und Lehren von gerechter Regierung, daß Einsicht und Tugend die Herrschaft führen müsse, sind freilich gemeinschaftlich. Aber es ist nichts so ungeschickt, als für Verfassungseinrichtungen unsrer Zeit Beispiele von Griechen und Römern oder Orientalen aufnehmen zu wollen. Aus dem Orient lassen sich schöne Gemälde von patriarchalischem Zustande, väterlicher Regierung, von Ergebenheit der Völker hernehmen, von Griechen und Römern Schilderungen von Volksfreiheit. Denn bei diesen finden wir den Begriff von einer freien Verfassung so gefaßt, daß alle Bürger Anteil an den Beratungen und Beschlüssen über die allgemeinen Angelegenheiten und Gesetze nehmen sollen. Auch in unsern Zeiten ist dies die allgemeine Meinung, nur mit der Modifikation, daß, weil unsre Staaten so groß, der vielen so viele seien, diese nicht direkt, sondern indirekt durch Stellvertreter ihren Willen zu dem Beschluß über die öffentlichen Angelegenheiten zu geben haben, das heißt, daß für die Gesetze überhaupt das Volk durch Abgeordnete repräsentiert werden solle. Die sogenannte Repräsentativverfassung ist die Bestimmung, an welche wir die Vorstellung einer freien Verfassung knüpfen, so daß dies festes Vorurteil geworden ist. Man trennt dabei Volk und Regierung. Es liegt aber eine Bosheit in diesem Gegensatze, der ein Kunstgriff des bösen Willens ist, als ob das Volk das Ganze wäre. Ferner liegt dieser Vorstellung das Prinzip der Einzelheit, der Absolutheit des subjektiven Willens zugrunde, von dem oben die Rede gewesen. – Die Hauptsache ist, daß die Freiheit, wie sie durch den Begriff bestimmt wird, nicht den subjektiven Willen und die Willkür zum Prinzip hat, sondern die Einsicht des allgemeinen Willens, und daß das System der Freiheit freie Entwicklung ihrer Momente ist. Der subjektive Wille ist eine ganz formelle Bestimmung, in der gar nicht liegt, was er will. Nur der vernünftige Wille ist dies Allgemeine, das sich in sich selbst bestimmt und entwickelt und seine Momente als organische Glieder auslegt. Von solchem gotischen Dombau haben die Alten nichts gewußt.

Wir haben früher die zwei Momente aufgestellt, das eine: die Idee der Freiheit als der absolute Endzweck, das andre: das Mittel derselben, die subjektive Seite des Wissens und des Wollens mit ihrer Lebendigkeit, Bewegung und Tätigkeit. Wir haben dann den Staat als das sittliche Ganze und die Realität der Freiheit und damit als die objektive Einheit dieser beiden Momente erkannt. Denn wenn wir auch für die Betrachtung beide Seiten unterscheiden, so ist wohl zu bemerken, daß sie genau zusammenhängen, und daß dieser Zusammenhang in jeder von beiden liegt, wenn wir sie einzeln untersuchen. Die Idee haben wir einerseits in ihrer Bestimmtheit erkannt, als die sich wissende und sich wollende Freiheit, die nur sich zum Zweck hat: das ist zugleich der einfache Begriff der Vernunft und ebenso das, was wir Subjekt genannt haben, das Selbstbewußtsein, der in der Welt existierende Geist. Betrachten wir nun anderseits die Subjektivität, so finden wir, daß das subjektive Wissen und Wollen das Denken ist. Indem ich aber denkend weiß und will, will ich den allgemeinen Gegenstand, das Substantielle des an und für sich Vernünftigen. Wir sehen somit eine Vereinigung, die an sich ist, zwischen der objektiven Seite, dem Begriffe, und der subjektiven Seite. Die objektive Existenz dieser Vereinigung ist der Staat, welcher somit die Grundlage und der Mittelpunkt der andern konkreten Seiten des Volkslebens ist, der Kunst, des Rechts, der Sitten, der Religion, der Wissenschaft. Alles geistige Tun hat nur den Zweck, sich dieser Vereinigung bewußt zu werden, d. h. seiner Freiheit. Unter den Gestalten dieser gewußten Vereinigung steht die Religion an der Spitze. In ihr wird der existierende, der weltliche Geist sich des absoluten Geistes bewußt, und in diesem Bewußtsein des an und für sich seienden Wesens entsagt der Wille des Menschen seinem besonderen Interesse; er legt dieses auf die Seite in der Andacht, in welcher es ihm nicht mehr um Partikulares zu tun sein kann. Durch das Opfer drückt der Mensch aus, daß er seines Eigentums, seines Willens, seiner besonderen Empfindungen sich entäußere. Die religiöse Konzentration des Gemüts erscheint als Gefühl, jedoch tritt sie auch in das Nachdenken über: der Kultus ist eine Äußerung des Nachdenkens. Die zweite Gestalt der Vereinigung des Objektiven und Subjektiven im Geiste ist die Kunst: sie tritt mehr in die Wirklichkeit und Sinnlichkeit als die Religion; in ihrer würdigsten Haltung hat sie darzustellen, zwar nicht den Geist Gottes, aber die Gestalt des Gottes; dann Göttliches und Geistiges überhaupt. Das Göttliche soll durch sie anschaulich werden, sie stellt es der Phantasie und der Anschauung dar. – Das Wahre gelangt aber nicht nur zur Vorstellung und zum Gefühl, wie in der Religion, und zur Anschauung wie in der Kunst, sondern auch zum denkenden Geist; dadurch erhalten wir die dritte Gestalt der Vereinigung, – die Philosophie. Diese ist insofern die höchste, freieste und weiseste Gestaltung. Wir können nicht die Absicht haben, diese drei Gestaltungen hier näher zu betrachten; sie haben nur genannt werden müssen, weil sie sich auf demselben Boden befinden, als der Gegenstand, den wir hier behandeln, – der Staat.

Das Allgemeine, das im Staate sich hervortut und gewußt wird, die Form, unter welche alles, was ist, gebracht wird, ist dasjenige überhaupt, was die Bildung einer Nation ausmacht. Der bestimmte Inhalt aber, der die Form der Allgemeinheit erhält und in der konkreten Wirklichkeit, welche der Staat ist, liegt, ist der Geist des Volkes selbst. Der wirkliche Staat ist beseelt von diesem Geist in allen seinen besonderen Angelegenheiten, Kriegen, Institutionen usf. Aber der Mensch muß auch wissen von diesem seinen Geist und Wesen selbst und sich das Bewußtsein der Einheit mit demselben, die ursprünglich ist, geben. Denn wir haben gesagt, daß das Sittliche die Einheit ist des subjektiven und allgemeinen Willens. Der Geist aber hat sich ein ausdrückliches Bewußtsein davon zu geben, und der Mittelpunkt dieses Wissens ist die Religion. Kunst und Wissenschaft sind nur verschiedene Seiten und Formen ebendesselben Inhalts. – Bei Betrachtung der Religion kommt es darauf an, ob sich das Wahre, die Idee nur in ihrer Trennung oder sie in ihrer wahren Einheit kenne, – in ihrer Trennung: wenn Gott als abstrakt höchstes Wesen, Herr des Himmels und der Erde, der drüben jenseits ist, und aus dem die menschliche Wirklichkeit ausgeschlossen ist, – in ihrer Einheit: Gott als Einheit des Allgemeinen und Einzelnen, indem in ihm auch das Einzelne positiv angeschaut wird, in der Idee der Menschwerdung. Die Religion ist der Ort, wo ein Volk sich die Definition dessen gibt, was es für das Wahre hält. Definition enthält alles, was zur Wesentlichkeit des Gegenstandes gehört, worin seine Natur auf einfache Grundbestimmtheit zurückgebracht ist als Spiegel für alle Bestimmtheit, die allgemeine Seele alles Besonderen. Die Vorstellung von Gott macht somit die allgemeine Grundlage eines Volkes aus.

Nach dieser Seite steht die Religion im engsten Zusammenhang mit dem Staatsprinzip. Freiheit kann nur da sein, wo die Individualität als positiv im göttlichen Wesen gewußt wird. Der Zusammenhang ist weiter dieser, daß das weltliche Sein als ein zeitliches, in einzelnen Interessen sich bewegendes, hiermit ein relatives und unberechtigtes ist, daß es Berechtigung erhält, nur insofern die allgemeine Seele desselben, das Prinzip absolut berechtigt ist, und dies wird es nur so, daß es als Bestimmtheit und Dasein des Wesens Gottes gewußt wird. Deswegen ist es, daß der Staat auf Religion beruht. Das hören wir in unsern Zeiten oft wiederholen, und es wird meist nichts weiter damit gemeint, als daß die Individuen, als gottesfürchtige, um so geneigter und bereitwilliger seien, ihre Pflicht zu tun, weil Gehorsam gegen Fürst und Gesetz sich so leicht anknüpfen läßt an die Gottesfurcht. Freilich kann die Gottesfurcht, weil sie das Allgemeine über das Besondere erhebt, sich auch gegen das letztere kehren, fanatisch werden und gegen den Staat, seine Gebäulichkeiten und Einrichtungen verbrennend und zerstörend wirken. Die Gottesfurcht soll darum auch, meint man, besonnen sein und in einer gewissen Kühle gehalten werden, daß sie nicht gegen das, was durch sie beschützt und erhalten werden soll, aufstürmt und es wegflutet. Die Möglichkeit dazu hat sie wenigstens in sich.

Indem man nun die richtige Überzeugung gewonnen, daß der Staat auf der Religion beruhe, so gibt man der Religion die Stellung, als ob ein Staat vorhanden sei, und nunmehr, um denselben zu halten, die Religion in ihn hineinzutragen sei, in Eimern und Scheffeln, um sie den Gemütern einzuprägen. Es ist ganz richtig, daß die Menschen zur Religion erzogen werden müssen, aber nicht als zu Etwas, daß noch nicht ist. Denn, wenn zu sagen ist, daß der Staat sich gründet auf die Religion, daß er seine Wurzeln in ihr hat, so heißt das wesentlich, daß er aus ihr hervorgegangen ist und jetzt und immer aus ihr hervorgeht, d. h. die Prinzipien des Staates müssen als an und für sich geltend betrachtet werden, und sie werden dies nur, insofern sie als Bestimmungen der göttlichen Natur selbst gewußt sind. Wie daher die Religion beschaffen ist, so der Staat und seine Verfassung; er ist wirklich aus der Religion hervorgegangen und zwar so, daß der athenische, der römische Staat nur in dem spezifischen Heidentum dieser Völker möglich war, wie eben ein katholischer Staat einen andern Geist und andre Verfassung hat als ein protestantischer.

Sollte jenes Aufrufen, jenes Treiben und Drängen danach, die Religion einzupflanzen, ein Angst- und Notgeschrei sein, wie es oft so aussieht, worin sich die Gefahr ausdrückt, daß die Religion bereits aus dem Staate verschwunden oder vollends zu verschwinden im Begriff stehe, so wäre das schlimm, und schlimmer selbst, als jener Angstruf meint: denn dieser glaubt noch an seinem Einpflanzen und Inkulkieren ein Mittel gegen das Übel zu haben; aber ein so zu Machendes ist die Religion überhaupt nicht; ihr sich Machen steckt viel tiefer.

Eine andre und entgegengesetzte Torheit, der wir in unsrer Zeit begegnen, ist die, Staatsverfassungen unabhängig von der Religion erfinden und ausführen zu wollen. Die katholische Konfession, obgleich mit der protestantischen gemeinschaftlich innerhalb der christlichen Religion, läßt die innere Gerechtigkeit und Sittlichkeit des Staates nicht zu, die in der Innigkeit des protestantischen Prinzips liegt. Jenes Losreißen des Staatsrechtlichen, der Verfassung, ist um der Eigentümlichkeit jener Religion willen, die das Recht und die Sittlichkeit nicht als an sich seiend, als substantiell anerkennt, notwendig, aber so losgerissen von der Innerlichkeit, von dem letzten Heiligtum des Gewissens, von dem stillen Ort, wo die Religion ihren Sitz hat, kommen die staatsrechtlichen Prinzipien und Einrichtungen ebensowohl nicht zu einem wirklichen Mittelpunkte, als sie in der Abstraktion und Unbestimmtheit bleiben.

Fassen wir das bisher über den Staat Gesagte im Resultat zusammen, so ist die Lebendigkeit des Staates in den Individuen die Sittlichkeit genannt worden. Der Staat, seine Gesetze, seine Einrichtungen sind der Staatsindividuen Rechte; seine Natur, sein Boden, seine Berge, Luft und Gewässer sind ihr Land, ihr Vaterland, ihr äußerliches Eigentum; die Geschichte dieses Staates, ihre Taten, und das, was ihre Vorfahren hervorbrachten, gehört ihnen und lebt in ihrer Erinnerung. Alles ist ihr Besitz ebenso, wie sie von ihm besessen werden, denn es macht ihre Substanz, ihr Sein aus.

Ihre Vorstellung ist damit erfüllt, und ihr Wille ist das Wollen dieser Gesetze und dieses Vaterlandes. Es ist diese zeitige Gesamtheit, welche ein Wesen, der Geist eines Volkes ist. Ihm gehören die Individuen an; jeder einzelne ist der Sohn seines Volkes und zugleich, insofern sein Staat in Entwicklung begriffen ist, der Sohn seiner Zeit; keiner bleibt hinter derselben zurück, noch weniger überspringt er dieselbe. Dies geistige Wesen ist das seinige, er ist ein Repräsentant desselben; es ist das, woraus er hervorgeht, und worin er steht. Bei den Athenern hatte Athen eine doppelte Bedeutung; zuerst bezeichnete sie die Gesamtheit der Einrichtungen, dann aber die Göttin, welche den Geist des Volkes, die Einheit darstellte.

Dieser Geist eines Volkes ist ein bestimmter Geist, und, wie soeben gesagt, auch nach der geschichtlichen Stufe seiner Entwicklung bestimmt. Dieser Geist macht dann die Grundlage und den Inhalt in den andern Formen des Bewußtseins seiner aus, die angeführt worden sind. Denn der Geist in seinem Bewußtsein von sich muß sich gegenständlich sein, und die Objektivität enthält unmittelbar das Hervortreten von Unterschieden, die als Totalität der unterschiedenen Sphären des objektiven Geistes überhaupt sind, so wie die Seele nur ist, insofern sie als System ihrer Glieder ist, welche in ihre einfache Einheit sich zusammennehmend die Seele produzieren. Es ist so eine Individualität, die in ihrer Wesentlichkeit, als der Gott, vorgestellt, verehrt und genossen wird, in der Religion, – als Bild und Anschauung dargestellt wird, in der Kunst, – erkannt und als Gedanken begriffen wird, in der Philosophie. Um der ursprünglichen Dieselbigkeit ihrer Substanz, ihres Inhalts und Gegenstandes willen sind die Gestaltungen in unzertrennlicher Einheit mit dem Geiste des Staates; nur mit dieser Religion kann diese Staatsform vorhanden sein, sowie in diesem Staate nur diese Philosophie und diese Kunst.

Das andre und weitre ist, daß der bestimmte Volksgeist selbst nur ein Individuum ist im Gange der Weltgeschichte. Denn die Weltgeschichte ist die Darstellung des göttlichen, absoluten Prozesses des Geistes in seinen höchsten Gestalten, dieses Stufenganges, wodurch er seine Wahrheit, das Selbstbewußtsein über sich erlangt. Die Gestaltungen dieser Stufen sind die welthistorischen Volksgeister, die Bestimmtheit ihres sittlichen Lebens, ihrer Verfassung, ihrer Kunst, Religion und Wissenschaft. Diese Stufen zu realisieren, ist der unendliche Trieb des Weltgeistes, sein unwiderstehlicher Drang, denn diese Gliederung, sowie ihre Verwirklichung ist sein Begriff. – Die Weltgeschichte zeigt nur, wie der Geist allmählich zum Bewußtsein und zum Wollen der Wahrheit kommt; es dämmert in ihm, er findet Hauptpunkte, am Ende gelangt er zum vollen Bewußtsein.

Nachdem wir also die abstrakten Bestimmungen der Natur des Geistes, die Mittel, welche der Geist braucht, um seine Idee zu realisieren, und die Gestalt kennen gelernt haben, welche die vollständige Realisierung des Geistes im Dasein ist, nämlich den Staat, bleibt uns nur für diese Einleitung übrig,

III. den Gang der Weltgeschichte zu betrachten.

a) Die abstrakte Veränderung überhaupt, welche in der Geschichte vorgeht, ist längst in einer allgemeinen Weise gefaßt worden, so daß sie zugleich einen Fortgang zum Besseren, Vollkommneren enthalte. Die Veränderungen in der Natur, so unendlich mannigfach sie sind, zeigen nur einen Kreislauf, der sich immer wiederholt; in der Natur geschieht nichts Neues unter der Sonne, und insofern führt das vielförmige Spiel ihrer Gestaltungen eine Langeweile mit sich. Nur in den Veränderungen, die auf dem geistigen Boden vorgehen, kommt Neues hervor. Diese Erscheinung am Geistigen ließ in dem Menschen eine andre Bestimmung überhaupt sehen als in den bloß natürlichen Dingen, – in welchen sich immer ein und derselbe stabile Charakter kundgibt, in den alle Veränderung zurückgeht, – nämlich eine wirkliche Veränderungsfähigkeit und zwar zum Bessern –, ein Trieb der Perfektibilität. Dieses Prinzip, welches die Veränderung selbst zu einer gesetzlichen macht, ist von Religionen, wie von der katholischen, ingleichen von Staaten, als welche statarisch oder wenigstens stabil zu sein als ihr wahrhaftes Recht behaupten, übel aufgenommen worden. Wenn im allgemeinen die Veränderlichkeit weltlicher Dinge, wie der Staaten, zugegeben wird, so wird teils die Religion als die Religion der Wahrheit davon ausgenommen, teils bleibt es offen, Veränderungen, Umwälzungen und Zerstörungen berechtigter Zustände den Zufälligkeiten, Ungeschicklichkeiten, vornehmlich aber dem Leichtsinn und den bösen Leidenschaften der Menschen zuzuschreiben. In der Tat ist die Perfektibilität beinahe etwas so Bestimmungsloses als die Veränderlichkeit überhaupt; sie ist ohne Zweck und Ziel wie ohne Maßstab für die Veränderung: das Bessere, das Vollkommnere, worauf sie gehen soll, ist ein ganz Unbestimmtes.

Das Prinzip der Entwicklung enthält das weitere, daß eine innere Bestimmung, eine an sich vorhandene Voraussetzung zugrunde liege, die sich zur Existenz bringe. Diese formelle Bestimmung ist wesentlich der Geist, welcher die Weltgeschichte zu seinem Schauplatze, Eigentum und Felde seiner Verwirklichung hat. Er ist nicht ein solcher, der sich in dem äußerlichen Spiel von Zufälligkeiten herumtriebe, sondern er ist vielmehr das absolut Bestimmende und schlechthin fest gegen die Zufälligkeiten, die er zu seinem Gebrauch verwendet und beherrscht. Den organischen Naturdingen kommt aber gleichfalls die Entwicklung zu: ihre Existenz stellt sich nicht als eine nur mittelbare, von außen veränderliche dar, sondern als eine, die aus sich von einem inneren unveränderlichen Prinzip ausgeht, aus einer einfachen Wesenheit, deren Existenz als Keim zunächst einfach ist, dann aber Unterschiede aus sich zum Dasein bringt, welche sich mit andern Dingen einlassen und damit einen fortdauernden Prozeß von Veränderungen leben, welcher aber ebenso in das Gegenteil verkehrt und vielmehr in die Erhaltung des organischen Prinzips und seiner Gestaltung umgewandelt wird. So produziert das organische Individuum sich selbst: es macht sich zu dem, was es an sich ist. (Ebenso ist der Geist nur das, zu was er sich selbst macht, und er macht sich zu dem, was er an sich ist.) Diese Entwicklung macht sich auf eine unmittelbare, gegensatzlose, ungehinderte Weise; zwischen den Begriff und dessen Realisierung, die an sich bestimmte Natur des Keimes und die Angemessenheit der Existenz zu derselben kann sich nichts eindrängen. Im Geiste aber ist es anders. Der Übergang seiner Bestimmung in ihre Verwirklichung ist vermittelt durch Bewußtsein und Willen: diese selbst sind zunächst in ihr unmittelbares natürliches Leben versenkt, Gegenstand und Zweck ist ihnen zunächst selbst die natürliche Bestimmung als solche, die dadurch, daß es der Geist ist, der sie beseelt, selbst von unendlichem Anspruche, Stärke und Reichtum ist. So ist der Geist in ihm selbst sich entgegen; er hat sich selbst als das wahre feindselige Hindernis seiner selbst zu überwinden; die Entwicklung, die in der Natur ein ruhiges Hervorgehen ist, ist im Geist ein harter unendlicher Kampf gegen sich selbst. Was der Geist will, ist, seinen eignen Begriff zu erreichen, aber er selbst verdeckt sich denselben, ist stolz und voll von Genuß in dieser Entfremdung seiner selbst.

Die Entwicklung ist auf diese Weise nicht das harm- und kampflose bloße Hervorgehen, wie die des organischen Lebens, sondern die harte unwillige Arbeit gegen sich selbst, und ferner ist sie nicht bloß das Formelle des Sichentwickelns überhaupt, sondern das Hervorbringen eines Zwecks von bestimmtem Inhalte. Diesen Zweck haben wir von Anfang an festgestellt: es ist der Geist, und zwar nach seinem Wesen, dem Begriff der Freiheit. Dies ist der Grundgegenstand und darum auch das leitende Prinzip der Entwicklung, das, wodurch diese ihren Sinn und ihre Bedeutung erhält (sowie in der römischen Geschichte Rom der Gegenstand und damit das die Betrachtung des Geschehenen Leitende ist); wie umgekehrt das Geschehene nur aus diesem Gegenstande hervorgegangen ist und nur in der Beziehung auf denselben einen Sinn und an ihm seinen Gehalt hat. Es gibt in der Weltgeschichte mehrere große Perioden, die vorübergegangen sind, ohne daß die Entwicklung sich fortgesetzt zu haben scheint, in welchen vielmehr der ganze ungeheure Gewinn der Bildung vernichtet worden, und nach welchen unglücklicherweise wieder von vorne angefangen werden mußte, um mit einiger Beihilfe, etwa von geretteten Trümmern jener Schätze, mit erneuertem unermeßlichen Aufwand von Kräften und Zeit, von Verbrechen und von Leiden, wieder eine der längst gewonnenen Regionen jener Bildung zu erreichen. Ebenso gibt es fortbestehende Entwicklungen, reiche, nach allen Seiten hin ausgebaute Gebäude und Systeme von Bildung in eigentümlichen Elementen. Die bloß formelle Ansicht von Entwicklung überhaupt kann weder der einen Weise einen Vorzug vor der andern zusprechen noch den Zweck jenes Unterganges älterer Entwicklungsperioden begreiflich machen, sondern muß solche Vorgänge oder insbesondere darin die Rückgänge als äußerliche Zufälligkeiten betrachten und kann die Vorzüge nur nach unbestimmten Gesichtspunkten beurteilen, welche eben damit, daß die Entwicklung als solche das einzige sein soll, worauf es ankomme, relative und nicht absolute Zwecke sind.

Die Weltgeschichte stellt nun den Stufengang der Entwicklung des Prinzips, dessen Gehalt das Bewußtsein der Freiheit ist, dar. Die nähere Bestimmung dieser Stufen ist in ihrer allgemeinen Natur logisch, in ihrer konkreten aber in der Philosophie des Geistes anzugeben. Es ist hier nur anzuführen, daß die erste Stufe das schon vorhin angegebene Versenktsein des Geistes in die Natürlichkeit, die zweite das Heraustreten desselben in das Bewußtsein seiner Freiheit ist. Dieses erste Losreißen ist aber unvollkommen und partiell, indem es von der unmittelbaren Natürlichkeit herkommt, hiermit auf sie bezogen und mit ihr, als einem Momente, noch behaftet ist. Die dritte Stufe ist die Erhebung aus dieser noch besondern Freiheit in die reine Allgemeinheit derselben, in das Selbstbewußtsein und Selbstgefühl des Wesens der Geistigkeit. Diese Stufen sind die Grundprinzipien des allgemeinen Prozesses; wie aber jede innerhalb ihrer selbst wieder ein Prozeß ihres Gestaltens und die Dialektik ihres Überganges ist, dies Nähere ist in der Ausführung vorzubehalten.

Hier ist nur anzudeuten, daß der Geist von seiner unendlichen Möglichkeit, aber nur Möglichkeit anfängt, die seinen absoluten Gehalt als Ansich enthält, als den Zweck und das Ziel, das er nur erst in seinem Resultate erreicht, welches dann erst seine Wirklichkeit ist. So erscheint in der Existenz der Fortgang als ein Fortschreiten von dem Unvollkommnen zum Vollkommneren, wobei jenes nicht in der Abstraktion nur als das Unvollkommene zu fassen ist, sondern als ein solches, das zugleich das Gegenteil seiner selbst, das sogenannte Vollkommene als Keim, als Trieb in sich hat. Ebenso weist wenigstens reflektierterweise die Möglichkeit auf ein solches hin, das wirklich werden soll, und näher ist die aristotelische dynamis auch potentia, Kraft und Macht. Das Unvollkommene so als das Gegenteil seiner in ihm selbst ist der Widerspruch, der wohl existiert, aber ebensosehr aufgehoben und gelöst wird, der Trieb, der Impuls des geistigen Lebens in sich selbst, die Rinde der Natürlichkeit, Sinnlichkeit und Fremdheit seiner selbst zu durchbrechen und zum Lichte des Bewußtseins, d. i. zu sich selbst, zu kommen.

b) Im allgemeinen ist die Bemerkung, wie der Anfang der Geschichte des Geistes dem Begriffe nach aufgefaßt werden müsse, bereits in Beziehung auf die Vorstellung eines Naturzustandes gemacht worden, in welchem Freiheit und Recht in vollkommener Weise vorhanden sei oder gewesen sei. Jedoch war dies nur eine im Dämmerlicht der hypothesierenden Reflexion gemachte Annahme einer geschichtlichen Existenz. Eine Prätension ganz andrer Art, nämlich nicht eines aus Gedanken hervorgehenden Annehmens, sondern eines geschichtlichen Faktums und zugleich einer höheren Beglaubigung desselben, macht eine andre, von einer gewissen Seite her heutzutage viel in Umlauf gesetzte Vorstellung. Es ist in derselben der erste paradiesische Zustand des Menschen, der schon früher von den Theologen in ihrer Weise, z. B. daß Gott mit Adam hebräisch gesprochen habe, ausgebildet wurde, wieder aufgenommen, aber andern Bedürfnissen entsprechend gestaltet wurden. Die hohe Autorität, welche hierbei zunächst in Anspruch genommen wird, ist die biblische Erzählung. Diese aber stellt den primitiven Zustand, teils nur in den wenigen bekannten Zügen, teils aber denselben entweder in dem Menschen überhaupt, – dies wäre die allgemein menschliche Natur –, oder, insofern Adam als individuelle und damit als eine Person zu nehmen ist, in diesem Einen oder nur in einem Menschenpaare vorhanden und vollendet dar. Weder liegt darin die Berechtigung zur Vorstellung eines Volkes und eines geschichtlichen Zustandes desselben, welcher in jener primitiven Gestalt existiert habe, noch weniger der Ausbildung einer reinen Erkenntnis Gottes und der Natur. Die Natur, wird erdichtet, habe anfangs wie ein heller Spiegel der Schöpfung Gottes offen und durchsichtig vor dem klaren Auge des Menschen gestanden, Fr. v. Schlegels Philosophie der Geschichte, I., S. 44. [1. Ausg.] und die göttliche Wahrheit sei ihm ebenso offen gewesen; es wird zwar darauf hingedeutet, aber doch zugleich in einem unbestimmten Dunkel gelassen, daß dieser erste Zustand sich im Besitze einer unbestimmten in sich schon ausgedehnten Erkenntnis religiöser, und zwar von Gott unmittelbar geoffenbarter Wahrheiten befunden habe. Von diesem Zustande aus seien nun ebenso im geschichtlichen Sinne alle Religionen ausgegangen, so aber, daß sie zugleich jene erste Wahrheit mit Ausgeburten des Irrtums und der Verkehrtheit verunreinigt und verdeckt haben. In allen den Mythologien des Irrtums aber seien Spuren jenes Ursprungs und jener ersten Religionslehren der Wahrheit vorhanden und zu erkennen. Der Erforschung der alten Völkergeschichte wird daher wesentlich dies Interesse gegeben, in ihnen so weit aufzusteigen, um bis zu einem Punkte zu gelangen, wo solche Fragmente der ersten geoffenbarten Erkenntnis noch in größerer Reinheit anzutreffen seien. Wir haben diesem Interesse viel Schätzenswertes an Entdeckungen über orientalische Literatur und ein erneuertes Studium der früher schon aufgezeichneten Schätze über altasiatische Zustände, Mythologie, Religionen und Geschichte zu danken. Die Regierung hat sich in gebildeten katholischen Ländern den Anforderungen des Gedankens nicht länger entschlagen und das Bedürfnis gefühlt, sich in einen Bund mit Gelehrsamkeit und Philosophie zu setzen. Beredt und imposant hat der Abbé Lamenais unter den Kriterien der wahrhaften Religion aufgezählt, daß sie die allgemeine, das heißt katholische, und die älteste sein müsse, und die Kongregation hat in Frankreich eifrig und fleißig dahin gearbeitet, daß dergleichen Behauptungen nicht mehr, wie es wohl sonst genügte, für Kanzeltiraden und Autoritätsversicherungen gelten sollten. Insbesondere hat die so ungeheuer ausgebreitete Religion des Buddha, eines Gottmenschen, die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Der indische Trimûrtis, wie die chinesische Abstraktion der Dreiheit, war ihrem Inhalte nach für sich klarer. Die Gelehrten, Herr Abel Remusat und Herr Saint Martin, haben in der chinesischen und von dieser aus dann in der mongolischen, und wenn es sein könnte, in der tibetanischen Literatur ihrerseits die verdienstvollsten Untersuchungen angestellt, wie Baron von Eckstein, seinerseits auf seine Weise, das ist mit oberflächlichen aus Deutschland geschöpften naturphilosophischen Vorstellungen und Manieren in Art und Nachahmung Fr. von Schlegels, doch geistreicher als dieser, in seinem Journal le Catholique jenem primitiven Katholizismus Vorschub tat, insbesondere aber die Unterstützung der Regierung auch auf die gelehrte Seite der Kongregation hinleitete, daß sie sogar Reisen in den Orient veranstaltete, um daselbst noch verborgene Schätze aufzufinden, aus welchen man sich über die tieferen Lehren, insbesondere das höhere Altertum und die Quellen des Buddhismus weitere Aufschlüsse versprach, und die Sache des Katholizismus durch diesen weiten, aber für die Gelehrten interessanten Umweg zu befördern. [1. Ausg. geringfügig verändert. Wir haben dem Interesse dieser Forschungen sehr viel Schätzenswertes zu danken, aber dieses Forschen zeugt unmittelbar gegen sich selbst, denn es geht darauf, dasjenige erst geschichtlich zu bewähren, was von ihm als ein Geschichtliches vorausgesetzt wird. Sowohl jener Zustand der Gotteserkenntnis, auch sonstiger wissenschaftlicher, z. B. astronomischer Kenntnisse (wie sie den Indern angefabelt worden sind), als auch, daß ein solcher Zustand an der Spitze der Weltgeschichte gestanden habe, oder daß von einem solchen die Religionen der Völker einen traditionellen Ausgangspunkt genommen hätten und durch Ausartung und Verschlechterung (wie in dem roh aufgefaßten sogenannten Emanationssystem vorgestellt wird) in der Ausbildung fortgeschritten sein, – alles dieses sind Voraussetzungen, die weder eine historische Begründung haben, noch, indem wir ihrem beliebigen, aus dem subjektiven Meinen hervorgegangenen Ursprung den Begriff entgegenstellen dürfen, je eine solche erlangen können.

Der philosophischen Betrachtung ist es nur angemessen und würdig, die Geschichte da aufzunehmen, wo die Vernünftigkeit in weltliche Existenz zu treten beginnt, nicht wo sie noch erst eine Möglichkeit nur an sich ist, wo ein Zustand vorhanden, in dem sie in Bewußtsein, Willen und Tat auftritt. Die unorganische Existenz des Geistes, die der Freiheit, das ist des Guten und des Bösen und damit der Gesetze, unbewußte Stumpfheit oder, wenn man will, Vortrefflichkeit, ist selbst nicht Gegenstand der Geschichte. Die natürliche und zugleich religiöse Sittlichkeit ist die Familienpietät. Das Sittliche besteht in dieser Gesellschaft eben darin, daß die Mitglieder nicht als Individuen von freiem Willen gegeneinander, nicht als Personen sich verhalten; eben darum ist die Familie in sich dieser Entwicklung entnommen, aus welcher die Geschichte erst entsteht. Tritt die geistige Einheit aber über diesen Kreis der Empfindung und natürlichen Liebe heraus, und gelangt sie zum Bewußtsein der Persönlichkeit, so ist dieser finstere spröde Mittelpunkt vorhanden, in welchem weder Natur noch Geist offen und durchsichtig ist, und für welchen Natur und Geist nur erst durch die Arbeit fernerer und einer in der Zeit sehr fernen Bildung jenes selbstbewußt gewordenen Willens offen und durchsichtig werden können. Das Bewußtsein allein ist ja das Offene und das, für welches Gott und irgend etwas sich offenbaren kann, und in seiner Wahrheit, in seiner an und für sich seienden Allgemeinheit, kann es sich nur dem kundgewordenen Bewußtsein offenbaren. Die Freiheit ist nur das, solche allgemeine substantielle Gegenstände wie das Recht und das Gesetz zu wissen und zu wollen und eine Wirklichkeit hervorzubringen, die ihnen gemäß ist, – den Staat.

Völker können ohne Staat ein langes Leben fortgeführt haben, ehe sie dazu kommen, diese ihre Bestimmung zu erreichen, und darin selbst eine bedeutende Ausbildung nach gewissen Richtungen hin erlangt haben. Diese Vorgeschichte liegt nach dem Angegebenen ohnehin außer unsrem Zweck; es mag darauf eine wirkliche Geschichte gefolgt oder die Völker gar nicht zu einer Staatsbildung gekommen sein. Es ist eine große Entdeckung, wie einer neuen Welt, in der Geschichte, die seit etlichen und zwanzig Jahren über die Sanskritsprache und den Zusammenhang der europäischen Sprachen mit derselben gemacht worden ist. Diese hat insbesondere eine Ansicht über die Verbindung der germanischen Völkerschaften mit den indischen gegeben, eine Ansicht, die so große Sicherheit mit sich führt, als in solchen Materien nur gefordert werden kann. Noch gegenwärtig wissen wir von Völkerschaften, welche kaum eine Gesellschaft, viel weniger einen Staat bilden, aber schon lange als existierend bekannt sind; von andren, deren gebildeter Zustand uns vornehmlich interessieren muß, reicht die Tradition über die Stiftungsgeschichte ihres Staates hinaus, und viele Veränderungen sind jenseits dieser Epoche mit ihnen vorgegangen. In dem angeführten Zusammenhange der Sprachen so weit auseinanderliegender Völker haben wir ein Resultat vor uns, welches uns die Verbreitung dieser Nationen von Asien aus und die zugleich so disparate Ausbildung einer uranfänglichen Verwandtschaft als ein unwidersprechliches Faktum zeigt, das nicht aus der beliebten räsonierenden Kombination von Umständen und Umständchen hervorgeht, welche die Geschichte mit so vielen für Fakta ausgegebenen Erdichtungen bereichert hat und immerfort bereichern wird. Jenes in sich so weitläufig scheinende Geschehene aber fällt außerhalb der Geschichte: es ist derselben vorangegangen.

Geschichte vereinigt in unsrer Sprache die objektive sowohl als subjektive Seite und bedeutet ebensogut die historiam rerum gestarum als die res gestas selbst; sie ist das Geschehene nicht minder wie die Geschichtserzählung. Diese Vereinigung der beiden Bedeutungen müssen wir für höherer Art als für eine bloß äußerliche Zufälligkeit ansehen: es ist dafür zu halten, daß Geschichtserzählung mit eigentlich geschichtlichen Taten und Begebenheiten gleichzeitig erscheine; es ist eine innerliche gemeinsame Grundlage, welche sie zusammen hervortreibt. Familienandenken, patriarchalische Traditionen haben ein Interesse innerhalb der Familie und des Stammes; der gleichförmige Verlauf ihres Zustandes ist kein Gegenstand für die Erinnerung, aber sich unterscheidende Taten oder Wendungen des Schicksals mögen die Mnemosyne zur Fassung solcher Bilder erregen, wie Liebe und religiöse Empfindungen die Phantasie zum Gestalten solchen gestaltlos beginnenden Dranges auffordern. Aber der Staat erst führt einen Inhalt herbei, der für die Prosa der Geschichte nicht nur geeignet ist, sondern sie selbst mit erzeugt. Statt nur subjektiver, für das Bedürfnis des Augenblicks genügender Befehle des Regierens erfordert ein festwerdendes, zum Staate sich erhebendes Gemeinwesen Gebote, Gesetze, allgemeine und allgemeingültige Bestimmungen und erzeugt damit sowohl einen Vortrag als ein Interesse von verständigen, in sich bestimmten und in ihren Resultaten dauernden Taten und Begebenheiten, welchen die Mnemosyne, zum Behuf des perennierenden Zweckes dieser Gestaltung und Beschaffenheit des Staates, die Dauer des Andenkens hinzuzufügen getrieben ist. Die tiefere Empfindung überhaupt, wie die der Liebe, und dann die religiöse Anschauung und deren Gebilde sind an ihnen selbst ganz gegenwärtig und befriedigend, aber die bei ihren vernünftigen Gesetzen und Sitten zugleich äußerliche Existenz des Staates ist eine unvollständige Gegenwart, deren Verstand zu ihrer Integrierung des Bewußtseins der Vergangenheit bedarf.

Die Zeiträume, wir mögen sie uns von Jahrhunderten oder Jahrtausenden vorstellen, welche den Völkern vor der Geschichtschreibung verflossen sind und mit Revolutionen, mit Wanderungen, mit den wildesten Veränderungen mögen angefüllt gewesen sein, sind darum ohne objektive Geschichte, weil sie keine subjektive, keine Geschichtserzählung aufweisen. Nicht wäre diese nur zufällig über solche Zeiträume untergegangen, sondern weil sie nicht hat vorhanden sein können, haben wir keine darüber. Erst im Staate mit dem Bewußtsein von Gesetzen sind klare Taten vorhanden und mit ihnen die Klarheit eines Bewußtseins über sie, welche die Fähigkeit und das Bedürfnis gibt, sie so aufzubewahren. Auffallend ist es jedem, der mit den Schätzen der indischen Literatur bekannt zu werden anfängt, daß dieses an geistigen, und zwar in das Tiefste gehenden Produktionen so reiche Land keine Geschichte hat und darin aufs stärkste sogleich gegen China kontrastiert, welches Reich eine so ausgezeichnete, auf die ältesten Zeiten zurückgehende Geschichte besitzt. Indien hat nicht allein alte Religionsbücher und glänzende Werke der Dichtkunst, sondern auch alte Gesetzbücher, was vorhin als eine Bedingung der Geschichtsbildung gefordert wurde, und doch keine Geschichte. Aber in diesem Lande ist die zu Unterschieden der Gesellschaft beginnende Organisation sogleich zu Naturbestimmungen in den Kasten versteinert, so daß die Gesetze zwar die Zivilrechte betreffen, aber diese selbst von den natürlichen Unterschieden abhängig machen und vornehmlich Zuständigkeiten (nicht sowohl Rechte als Unrechte) dieser Stände gegeneinander, d. i. der höheren gegen die niederen, bestimmen. Damit ist aus der Pracht des indischen Lebens und aus seinen Reichen das Element der Sittlichkeit verbannt. Über jener Unfreiheit der naturfesten Ständigkeit von Ordnung ist aller Zusammenhang der Gesellschaft wilde Willkür, vergängliches Treiben oder vielmehr Wüten ohne einen Endzweck des Fortschreitens und der Entwicklung: so ist kein denkendes Andenken, kein Gegenstand für die Mnemosyne vorhanden, und eine, wenn auch tiefere, doch nur wüste Phantasie treibt sich auf dem Boden herum, welcher, um sich der Geschichte fähig zu machen, einen der Wirklichkeit und zugleich der substantiellen Freiheit ungehörigen Zweck hätte haben müssen.

Um solcher Bedingung einer Geschichte willen ist es auch geschehen, daß jenes so reiche, ja unermeßliche Werk der Zunahme von Familien zu Stämmen, der Stämme zu Völkern und deren durch diese Ausdehnung herbeigeführte Ausbreitung, welche selbst so viele Verwicklungen, Kriege, Umstürze, Untergänge vermuten läßt, ohne Geschichte sich nur zugetragen hat; noch mehr, daß die damit verbundene Verbreitung und Ausbildung des Reiches der Laute selbst lautlos und stumm geblieben und schleichend geschehen ist. Es ist ein Faktum der Monumente, daß die Sprachen im ungebildeten Zustande der Völker, die sie gesprochen, höchst ausgebildet worden sind, daß der Verstand sich sinnvoll entwickelnd ausführlich in diesen theoretischen Boden geworfen hatte. Die ausgedehnte konsequente Grammatik ist das Werk des Denkens, das seine Kategorien darin bemerklich macht. Es ist ferner ein Faktum, daß mit fortschreitender Zivilisation der Gesellschaft und des Staates diese systematische Ausführung des Verstandes sich abschleift und die Sprache hieran ärmer und ungebildeter wird, – ein eigentümliches Phänomen, daß das in sich geistiger werdende, die Vernünftigkeit heraustreibende und bildende Fortschreiten jene verständige Ausführlichkeit und Verständigkeit vernachlässigt, hemmend findet und entbehrlich macht. Die Sprache ist die Tat der theoretischen Intelligenz im eigentlichen Sinne, denn sie ist die äußerliche Äußerung derselben. Die Tätigkeiten der Erinnerungen und der Phantasie sind ohne die Sprache unmittelbare Äußerungen. Aber diese theoretische Tat überhaupt wie deren weitere Entwicklung und das damit verbundene Konkretere der Völkerverbreitung, ihrer Abtrennung voneinander, Verwicklung, Wanderung bleibt in das Trübe einer stummen Vergangenheit eingehüllt; es sind nicht Taten des selbstbewußtwerdenden Willens, nicht der sich andre Äußerlichkeit, eigentliche Wirklichkeit gebenden Freiheit. Diesem wahrhaften Elemente nicht angehörend haben jene Völker ihrer Sprachentwicklung ungeachtet keine Geschichte erlangt. Die Voreiligkeit der Sprache und das Vorwärts- und Auseinandertreiben der Nationen hat erst teils in Berührung mit Staaten, teils durch eignen Beginn der Staatsbildung Bedeutung und Interesse für die konkrete Vernunft gewonnen.

c) Nach diesen Bemerkungen, welche die Form des Anfanges der Weltgeschichte und das aus ihr auszuschließende Vorgeschichtliche betroffen haben, ist die Art des Ganges derselben näher anzugeben; doch hier nur von der formellen Seite. Die Fortbestimmung des konkreten Inhalts ist Angabe der Einteilung.

Die Weltgeschichte stellt, wie früher bestimmt worden ist, die Entwicklung des Bewußtseins des Geistes von seiner Freiheit und der von solchem Bewußtsein hervorgebrachten Verwirklichung dar. Die Entwicklung führt es mit sich, daß sie ein Stufengang, eine Reihe weiterer Bestimmungen der Freiheit ist, welche durch den Begriff der Sache hervorgehen. Die logische und noch mehr die dialektische Natur des Begriffes überhaupt, daß er sich selbst bestimmt, Bestimmungen in sich setzt und dieselben wieder aufhebt und durch dieses Aufheben selbst eine affirmative, und zwar reichere, konkretere Bestimmung gewinnt, – diese Notwendigkeit und die notwendige Reihe der reinen abstrakten Begriffsbestimmungen wird in der Logik erkannt. Hier haben wir nur dieses aufzunehmen, daß jede Stufe als verschieden von der andern ihr bestimmtes eigentümliches Prinzip hat. Solches Prinzip ist in der Geschichte Bestimmtheit des Geistes, – ein besonderer Volksgeist. In dieser drückt er als konkret alle Seiten seines Bewußtseins und Wollens, seiner ganzen Wirklichkeit aus; sie ist das gemeinschaftliche Gepräge seiner Religion, seiner politischen Verfassung, seiner Sittlichkeit, seines Rechtssystems, seiner Sitten, auch seiner Wissenschaft, Kunst und technischen Geschicklichkeit. Diese speziellen Eigentümlichkeiten sind aus jener allgemeinen Eigentümlichkeit, dem besonderen Prinzipe eines Volkes zu verstehen, sowie umgekehrt aus dem in der Geschichte vorliegenden faktischen Detail jenes Allgemeine der Besonderheit herauszufinden ist. Daß eine bestimmte Besonderheit in der Tat das eigentümliche Prinzip eines Volkes ausmacht, dies ist die Seite, welche empirisch aufgenommen und auf geschichtliche Weise erwiesen werden muß. Dies zu leisten, setzt nicht nur eine geübte Abstraktion, sondern auch schon eine vertraute Bekanntschaft mit der Idee voraus; man muß mit dem Kreise dessen, worin die Prinzipien fallen, wenn man es so nennen will, a priori vertraut sein, so gut als, um den größten Mann in dieser Erkennungsweise zu nennen, Kepler mit den Ellipsen, mit Kuben und Quadraten und mit den Gedanken von Verhältnissen derselben a priori schon vorher bekannt sein mußte, ehe er aus den empirischen Daten seine unsterblichen Gesetze, welche aus Bestimmungen jener Kreise von Vorstellungen bestehen, erfinden konnte. Derjenige, der in diesen Kenntnissen der allgemeinen Elementarbestimmungen unwissend ist, kann jene Gesetze, und wenn er den Himmel und die Bewegungen seiner Gestirne noch so lange anschaut, ebensowenig verstehen, als er sie hätte erfinden können. Von dieser Unbekanntschaft mit den Gedanken des sich entwickelnden Gestaltens der Freiheit rührt ein Teil der Vorwürfe her, welche einer philosophischen Betrachtung über eine sonst sich empirisch haltende Wissenschaft wegen der sogenannten Apriorität und des Hineintragens von Ideen in jenen Stoff gemacht werden. Solche Gedankenbestimmungen erscheinen dann als etwas Fremdartiges, nicht in dem Gegenstande Liegendes. Der subjektiven Bildung, welche nicht die Bekanntschaft und Gewohnheit von Gedanken hat, sind sie wohl etwas Fremdartiges und liegen nicht in der Vorstellung und dem Verstande, den solcher Mangel sich von dem Gegenstande macht. Es folgt daraus der Ausdruck, daß die Philosophie solche Wissenschaften nicht verstehe. Sie muß in der Tat zugeben, daß sie den Verstand, der in jenen Wissenschaften herrschend ist, nicht habe, nicht nach den Kategorien solchen Verstandes verfahre, sondern nach Kategorien der Vernunft, wobei sie jenen Verstand aber, auch dessen Wert und Stellung kennt. Es gilt in solchem Verfahren des wissenschaftlichen Verstandes gleichfalls, daß das Wesentliche von dem sogenannten Unwesentlichen geschieden und herausgehoben werden müsse. Um dies aber zu vermögen, muß man das Wesentliche kennen, und dieses, wenn die Weltgeschichte im ganzen betrachtet werden soll, ist, wie früher angegeben worden, das Bewußtsein der Freiheit und in den Entwicklungen desselben die Bestimmtheiten dieses Bewußtseins. Die Richtung auf diese Kategorie ist die Richtung auf das wahrhaft Wesentliche.

Von den Instanzen und von dem Widerspruch gegen eine in ihrer Allgemeinheit aufgefaßte Bestimmtheit kommt gewöhnlich auch ein Teil auf den Mangel, Ideen zu fassen und zu verstehen. Wenn in der Naturgeschichte gegen die entschieden sich ergebenden Gattungen und Klassen ein monströses, verunglücktes Exemplar oder Mischlingsgeschöpf als Instanz vorgewiesen wird, so kann man mit Recht das anwenden, was oft ins Unbestimmte hin gesagt wird, daß die Ausnahme die Regel bestätige, das heißt, daß an ihr es sei, die Bedingungen, unter denen sie stattfindet, oder das Mangelhafte, Zwitterhafte, das in der Abweichung von dem Normalen liegt, zu zeigen. Die Ohnmacht der Natur vermag ihre allgemeinen Klassen und Gattungen nicht gegen andre elementarische Momente festzuhalten. Aber z. B. wenn die Organisation des Menschen in ihrer konkreten Gestaltung aufgefaßt wird und zu seinem organischen Leben Gehirn, Herz und dergleichen als wesentlich gehörig angegeben werden, so kann etwa eine traurige Mißgeburt vorgezeigt werden, welche eine menschliche Gestalt im allgemeinen oder Teile derselben in sich hat, auch in einem menschlichen Leibe erzeugt worden, darin gelebt und aus ihm geboren geatmet habe, in der sich aber kein Gehirn und kein Herz befinde. Gebraucht man eine solche Instanz gegen die allgemeine Beschaffenheit des Menschen, bei dessen Namen und dessen oberflächlicher Bestimmung man etwa stehen bleibt, so zeigt sich, daß ein wirklicher, konkreter Mensch freilich etwas andres ist: ein solcher muß Gehirn im Kopfe und Herz in der Brust haben.

Auf ähnliche Weise wird verfahren, wenn richtig gesagt wird, daß Genie, Talent, moralische Tugenden und Empfindungen, Frömmigkeit unter allen Zonen, Verfassungen und politischen Zuständen stattfinden können, wovon es an beliebiger Menge von Beispielen nicht fehlen kann. Wenn mit solcher Äußerung der Unterschied in denselben als unwichtig oder als unwesentlich verworfen werden soll, so bleibt die Reflexion bei abstrakten Kategorien stehen und tut auf den bestimmten Inhalt Verzicht, für welchen in solchen Kategorien allerdings kein Prinzip vorhanden ist. Der Standpunkt der Bildung, der sich in solchen formellen Gesichtspunkten bewegt, gewährt ein unermeßliches Feld für scharfsinnige Fragen, gelehrte Ansichten und auffallende Vergleichungen, tiefscheinende Reflexionen und Deklamationen, die um so glänzender werden können, je mehr ihnen das Unbestimmte zu Gebote steht, und um so mehr immer erneuert und abgeändert werden können, je weniger in ihren Bemühungen große Resultate zu gewinnen sind und es zu etwas Festem und Vernünftigem kommen kann. In diesem Sinne können die bekannten indischen Epopöen mit den homerischen verglichen und etwa, weil die Größe der Phantasie das sei, wodurch sich das dichterische Genie beweist, über sie gestellt werden, wie man sich durch die Ähnlichkeit einzelner phantastischer Züge der Attribute der Göttergestalten für berechtigt gehalten hat, Figuren der griechischen Mythologie in indischen zu erkennen. In ähnlichem Sinne ist chinesische Philosophie, insofern sie das Eine zugrunde legt, für dasselbe ausgegeben worden, was später als eleatische Philosophie und als spinozistisches System erschienen sei; weil sie sich auch in abstrakten Zahlen und Linien ausdrückt, hat man Pythagoräisches und Christliches in ihr gesehen. Beispiele von Tapferkeit, ausharrendem Mute, Züge des Edelmuts, der Selbstverläugnung und Selbstaufopferung, die sich unter den wildesten wie unter den schwachmütigsten Nationen finden, werden für hinreichend angesehen, um dafür zu halten, daß in denselben ebensosehr und leicht auch mehr Sittlichkeit und Moralität sich finde als in den gebildetsten christlichen Staaten usf. Man hat in dieser Rücksicht die Frage des Zweifels aufgeworfen, ob die Menschen im Fortschreiten der Geschichte und der Bildung aller Art besser geworden seien, ob ihre Moralität zugenommen habe, indem diese nur auf der subjektiven Absicht und Einsicht beruhe, auf dem, was der Handelnde für Recht oder für Verbrechen, für gut und böse ansehe, nicht auf einem solchen, das an und für sich oder in einer besonderen, für wahrhaft geltenden Religion für recht und gut oder für Verbrechen und böse angesehen werde.

Wir können hier überhoben sein, den Formalismus und Irrtum solcher Betrachtungsweise zu beleuchten und die wahrhaften Grundsätze der Moralität oder vielmehr der Sittlichkeit gegen die falsche Moralität festzusetzen. Denn die Weltgeschichte bewegt sich auf einem höheren Boden, als der ist, auf dem die Moralität ihre eigentliche Stätte hat, welche die Privatgesinnung, das Gewissen der Individuen, ihr eigentümlicher Wille und ihre Handlungsweise ist; diese haben ihren Wert, Imputation, Lohn oder Bestrafung für sich. Was der an und für sich seiende Endzweck des Geistes fordert und vollbringt, was die Vorsehung tut, liegt über den Verpflichtungen und der Imputationsfähigkeit und Zumutung, welche auf die Individualität in Rücksicht ihrer Sittlichkeit fällt. Die, welche demjenigen, was der Fortschritt der Idee des Geistes notwendig macht, in sittlicher Bestimmung und damit edler Gesinnung widerstanden haben, stehen in moralischem Werte höher als diejenigen, deren Verbrechen in einer höheren Ordnung zu Mitteln verkehrt worden sind, den Willen dieser Ordnung ins Werk zu setzen. Aber bei Umwälzungen dieser Art stehen überhaupt beide Parteien nur innerhalb desselben Kreises des Verderbens, und es ist damit nur ein formelles, vom lebendigen Geist und von Gott verlassenes Recht, was die sich für berechtigt haltenden Auftretenden verteidigen. Die Taten der großen Menschen, welche Individuen der Weltgeschichte sind, erscheinen so nicht nur in ihrer inneren bewußtlosen Bedeutung gerechtfertigt, sondern auch auf dem weltlichen Standpunkte. Aber von diesem aus müssen gegen welthistorische Taten und deren Vollbringen sich nicht moralische Ansprüche erheben, denen sie nicht angehören. Die Litanei von Privattugenden der Bescheidenheit, Demut, Menschenliebe und Mildtätigkeit muß nicht gegen sie erhoben werden. Die Weltgeschichte könnte überhaupt dem Kreise, worein Moralität und der so oft schon besprochene Unterschied zwischen Moral und Politik fällt, ganz sich entheben, nicht nur so, daß sie sich der Urteile enthielte, – ihre Prinzipien aber und die notwendige Beziehung der Handlungen auf dieselben sind schon für sich selbst das Urteil, – sondern indem sie die Individuen ganz aus dem Spiele und unerwähnt ließe, denn was sie zu berichten hat, sind die Taten des Geistes der Völker; die individuellen Gestaltungen, welche derselbe auf dem äußerlichen Boden der Wirklichkeit angezogen, könnten der eigentlichen Geschichtschreibung überlassen bleiben.

Derselbe Formalismus treibt sich mit den Unbestimmheiten von Genie, Poesie, auch Philosophie herum und findet diese auf gleiche Weise allenthalben. Es sind dieses Produkte der denkenden Reflexion, und in solchen Allgemeinheiten, welche wesentliche Unterschiede herausheben und bezeichnen, sich mit Fertigkeit bewegen, ohne in die wahre Tiefe des Inhalts hinabzusteigen, ist Bildung überhaupt; sie ist etwas Formelles, insofern sie nur darauf geht, den Inhalt, sei er welcher er wolle, in Bestandteile zu zergliedern und dieselben in ihren Denkbestimmungen und Denkgestaltungen zu fassen; es ist nicht freie Allgemeinheit, welche für sich zum Gegenstand des Bewußtseins zu machen erforderlich ist. Solches Bewußtsein über das Denken selbst und seine von einem Stoffe isolierten Formen ist die Philosophie, die freilich die Bedingung ihrer Existenz in der Bildung hat; diese aber ist das, den vorhandenen Inhalt mit der Form der Allgemeinheit zugleich zu bekleiden, so daß ihr Besitz beides ungetrennt enthält, und so sehr ungetrennt, daß sie solchen Inhalt, der durch die Analyse einer Vorstellung in eine Menge von Vorstellungen zu einem unberechenbaren Reichtum erweitert wird, für bloß empirischen Inhalt nimmt, an dem das Denken keinen Teil habe. Es ist aber ebensowohl Tat des Denkens, und zwar des Verstandes, einen Gegenstand, der in sich ein konkreter, reicher Inhalt ist, zu einer einfachen Vorstellung (wie Erde, Mensch, oder Alexander und Cäsar) zu machen und mit einem Worte zu bezeichnen, als dieselbe aufzulösen, die darin enthaltenen Bestimmungen ebenso in der Vorstellung zu isolieren und ihnen besondere Namen zu geben. In Beziehung aber auf die Ansicht, von der die Veranlassung zu dem eben Gesagten ausging, wird so viel erhellen, daß, sowie die Reflexion die Allgemeinheiten von Genie, Talent, Kunst, Wissenschaft hervorbringt, die formelle Bildung auf jeder Stufe der geistigen Gestaltungen nicht nur gedeihen und zu einer hohen Blüte gelangen kann, sondern auch muß, indem solche Stufe sich zu einem Staate ausbildet und in dieser Grundlage der Zivilisation zu der Verstandesreflexion und wie zu Gesetzen so für alles zu Formen der Allgemeinheit fortgeht. Im Staatsleben als solchem liegt die Notwendigkeit der formellen Bildung und damit der Entstehung der Wissenschaften sowie einer gebildeten Poesie und Kunst überhaupt. Die unter dem Namen der bildenden Künste begriffenen Künste erfordern ohnehin schon von der technischen Seite das zivilisierte Zusammenleben der Menschen. Die Dichtkunst, die die äußerlichen Bedürfnisse und Mittel weniger nötig hat und das Element unmittelbaren Daseins, die Stimme, zu ihrem Material hat, tritt in hoher Kühnheit und mit gebildetem Ausdruck schon in Zuständen eines nicht zu einem rechtlichen Leben vereinten Volkes hervor, da, wie früher bemerkt worden, die Sprache für sich jenseits der Zivilisation eine hohe Verstandesbildung erreicht.

Auch die Philosophie muß in dem Staatsleben zum Vorschein kommen, indem das, wodurch ein Inhalt Sache der Bildung wird, wie soeben angeführt wurde, die dem Denken ungehörige Form ist und der Philosophie, welche nur das Bewußtsein dieser Form selbst, das Denken des Denkens ist, hiermit das eigentümliche Material für ihr Gebäude schon in der allgemeinen Bildung zubereitet wird. Wenn in der Entwicklung des Staates selbst Perioden eintreten müssen, durch welche der Geist edlerer Naturen zur Flucht aus der Gegenwart in die idealen Regionen getrieben wird, um in denselben die Versöhnung mit sich zu finden, welche er in der entzweiten Wirklichkeit nicht mehr genießen kann, indem der reflektierende Verstand alles Heilige und Tiefe, das auf unbefangene Weise in die Religion, Gesetze und Sitten der Völker gelegt war, angreift und in abstrakte götterlose Allgemeinheiten verflacht und verflüchtigt, so wird das Denken zu denkender Vernunft hingenötigt werden, um in seinem eignen Elemente die Wiederherstellung aus dem Verderben zu versuchen, zu dem es gebracht wurden ist.

Es gibt also freilich in allen welthistorischen Völkern Dichtkunst, bildende Kunst, Wissenschaft, auch Philosophie, aber nicht nur ist Stil und Richtung überhaupt, sondern noch vielmehr der Gehalt verschieden, und dieser Gehalt betrifft den höchsten Unterschied, den der Vernünftigkeit. Es hilft nichts, daß eine sich hochstellende ästhetische Kritik fordert, daß das Stoffartige, das ist das Substantielle des Inhalts, unser Gefallen nicht bestimmen solle; sondern die schöne Form als solche, die Größe der Phantasie und dergleichen sei es, was die schöne Kunst bezwecke und von einem liberalen Gemüte und gebildeten Geiste beachtet und genossen werden müsse. Der gesunde Menschensinn gestattet doch solche Abstraktionen nicht und eignet sich die Werke der genannten Gattung nicht an. Möchte man so die indischen Epopöen den homerischen um einer Menge jener formellen Eigenschaften, Größe der Erfindung und Einbildungskraft, Lebhaftigkeit der Bilder und Empfindungen, Schönheit der Diktion willen gleichsetzen wollen, so bleibt der unendliche Unterschied des Gehalts und somit das Substantielle und das Interesse der Vernunft, das schlechthin auf das Bewußtsein des Freiheitsbegriffes und dessen Ausprägung in den Individuen geht. Es gibt nicht nur eine klassische Form, sondern auch einen klassischen Inhalt, und ferner sind Form und Inhalt im Kunstwerke so eng verbunden, daß jene nur klassisch sein kann, insofern es dieser ist. Mit phantastischem, sich nicht in sich begrenzendem Inhalte, – und das Vernünftige ist eben, was Maß und Ziel in sich hat, – wird die Form zugleich maß- und formlos oder kleinlich und peinlich. Ebenso in der Vergleichung der verschiedenen Philosopheme, von der wir früher schon gesprochen haben, wird das übersehen, worauf es allein ankommt, nämlich die Bestimmtheit der Einheit, die man zusammen in der chinesischen, eleatischen, spinozistischen Philosophie findet, und der Unterschied, ob jene Einheit abstrakt oder konkret, und zwar konkret bis zur Einheit in sich, die Geist ist, gefaßt wird. Jenes Gleichstellen aber beweist eben, daß es nur so die abstrakte Einheit kennt, und indem es über Philosophie urteilt, in demjenigen unwissend ist, was das Interesse der Philosophie ausmacht.

Es gibt aber auch Kreise, welche, in aller Verschiedenheit des substantiellen Inhalts einer Bildung, dieselben bleiben. Die genannte Verschiedenheit betrifft die denkende Vernunft und die Freiheit, deren Selbstbewußtsein diese ist, und welche dieselbe eine Wurzel mit dem Denken hat. Wie nicht das Tier, sondern nur der Mensch denkt, so hat auch nur er und nur, weil er denkend ist, Freiheit. Sein Bewußtsein enthält dies, daß das Individuum sich als Person, das ist, in seiner Einzelheit sich als in sich Allgemeines, der Abstraktion, des Aufgebens von allem besonderen Fähiges, sich somit als in sich Unendliches erfaßt. Kreise somit, die außerhalb dieser Erfassung liegen, sind ein Gemeinschaftliches jener substantiellen Unterschiede. Selbst die Moral, welche mit dem Freiheitsbewußtsein so nahe zusammenhängt, kann bei dem noch vorhandenen Mangel desselben sehr rein sein, insofern sie nämlich nur die allgemeinen Pflichten und Rechte als objektive Gebote ausspricht, oder auch insofern sie bei der formellen Erhebung, dem Aufgeben des Sinnlichen und aller sinnlichen Motive, als einem bloß Negativen stehen bleibt. Die chinesische Moral hat, seitdem die Europäer mit derselben und den Schriften des Confuzius bekannt wurden, das größte Lob und ruhmwürdige Anerkennung ihrer Vortrefflichkeit von denen, die mit der christlichen Moral vertraut sind, erlangt. Ebenso ist die Erhabenheit anerkannt, mit welcher die indische Religion und Poesie (wozu man jedoch beisetzen muß, die höhere) und insbesondere ihre Philosophie die Entfernung und Aufopferung des Sinnlichen aussprechen und fordern. Diese beiden Nationen ermangeln jedoch, man muß sagen gänzlich, des wesentlichen Bewußtseins des Freiheitsbegriffes. Den Chinesen sind ihre moralischen Gesetze wie Naturgesetze, äußerliche positive Gebote, Zwangsrechte und Zwangspflichten oder Regeln der Höflichkeit gegeneinander. Die Freiheit, durch welche die substantiellen Vernunftsbestimmungen erst zu sittlicher Gesinnung werden, fehlt; die Moral ist Staatssache und wird durch Regierungsbeamte und die Gerichte gehandhabt. Ihre Werke darüber, welche nicht Staatsgesetzbücher sind, sondern allerdings an den subjektiven Willen und die Gesinnung gerichtet werden, lesen sich, wie die moralischen Schriften der Stoiker, als eine Reihe von Geboten, welche zum Ziele der Glückseligkeit notwendig seien, so daß die Willkür ihnen gegenüberstehend erscheint, welche sich zu solchen Geboten entschließen, sie befolgen kann oder auch nicht; wie denn die Vorstellung eines abstrakten Subjekts, des Weisen, bei den chinesischen wie bei den stoischen Moralisten die Spitze solcher Lehren ausmacht. Auch in der indischen Lehre des Aufgebens der Sinnlichkeit, der Begierden und irdischen Interessen ist nicht die affirmative, sittliche Freiheit das Ziel und Ende, sondern das Nichts des Bewußtseins, die geistige und selbst physische Leblosigkeit.

Der konkrete Geist eines Volkes ist es, den wir bestimmt zu erkennen haben, und weil er Geist ist, läßt er sich nur geistig, durch den Gedanken, erfassen. Er allein ist es, der in allen Taten und Richtungen des Volkes sich hervortreibt, der sich zu seiner Verwirklichung, zum Selbstgenuß und Selbsterfassen bringt; denn es ist ihm um die Produktion seiner selbst zu tun. Das Höchste aber für den Geist ist, sich zu wissen, sich zur Anschauung nicht nur, sondern zum Gedanken seiner selbst zu bringen. Dies muß und wird er auch vollbringen, aber diese Vollbringung ist zugleich sein Untergang und das Hervortreten eines andern Geistes, eines andern welthistorischen Volkes, einer andern Epoche der Weltgeschichte. Dieser Übergang und Zusammenhang führt uns zum Zusammenhange des Ganzen, zum Begriff der Weltgeschichte als solcher, den wir nun näher zu betrachten, von dem wir eine Vorstellung zu geben haben.

Die Weltgeschichte, wissen wir, ist also überhaupt die Auslegung des Geistes in der Zeit, wie die Idee als Natur sich im Raume auslegt.

Wenn wir nun einen Blick auf die Weltgeschichte überhaupt werfen, so sehen wir ein ungeheures Gemälde von Veränderungen und Taten, von unendlich mannigfaltigen Gestaltungen von Völkern, Staaten, Individuen, in rastloser Aufeinanderfolge. Alles, was in das Gemüt des Menschen eintreten und ihn interessieren kann, alle Empfindung des Guten, Schönen, Großen wird in Anspruch genommen, allenthalben werden Zwecke gefaßt, betrieben, die wir anerkennen, deren Ausführung wir wünschen; wir hoffen und fürchten für sie. In allen diesen Begebenheiten und Zufällen sehen wir menschliches Tun und Leiden obenauf, überall Unsriges und darum überall Neigung unsres Interesses dafür und dawider. Bald zieht es durch Schönheit, Freiheit und Reichtum an, bald durch Energie, wodurch selbst das Laster sich bedeutend zu machen weiß. Bald sehen wir die umfassendere Masse eines allgemeinen Interesses sich schwerer fortbewegen und einer unendlichen Komplexion kleiner Verhältnisse preisgegeben und zerstäuben, dann aus ungeheurem Aufgebot von Kräften Kleines hervorgebracht werden, aus unbedeutend Scheinendem Ungeheures hervorgehen, – überall das bunteste Gedränge, das uns in sein Interesse hineinzieht, und wenn das eine entflieht, tritt das andre sogleich an seine Stelle.

Der allgemeine Gedanke, die Kategorie, die sich bei diesem ruhelosen Wechsel der Individuen und Völker, die eine Zeitlang sind und dann verschwinden, zunächst darbietet, ist die Veränderung überhaupt. Diese Veränderung von ihrer negativen Seite aufzufassen, dazu führt näher der Anblick von den Ruinen einer vormaligen Herrlichkeit. Welcher Reisende ist nicht unter den Ruinen von Karthago, Palmyra, Persepolis, Rom zu Betrachtungen über die Vergänglichkeit der Reiche und Menschen, zur Trauer über ein ehemaliges, kraftvolles und reiches Leben veranlaßt worden? – eine Trauer, die nicht bei persönlichen Verlusten und der Vergänglichkeit der eignen Zwecke verweilt, sondern uninteressierte Trauer über den Untergang glänzenden und gebildeten Menschenlebens ist. – Die nächste Bestimmung aber, welche sich an die Veränderung anknüpft, ist, daß die Veränderung, welche Untergang ist, zugleich Hervorgehen eines neuen Lebens ist, daß aus dem Leben Tod, aber aus dem Tod Leben hervorgeht. Es ist dies ein großer Gedanke, den die Orientalen erfaßt haben, und wohl der höchste ihrer Metaphysik. In der Vorstellung von der Seelenwanderung ist er in Beziehung auf das Individuelle enthalten; allgemeiner bekannt ist aber das Bild des Phönix, von dem Naturleben, das ewig sich selbst seinen Scheiterhaufen bereitet und sich darauf verzehrt, so daß aus seiner Asche ewig das neue, verjüngte, frische Leben hervorgeht. Dies Bild ist aber nur asiatisch, morgenländisch, nicht abendländisch. Der Geist, die Hülle seiner Existenz verzehrend, wandert nicht bloß in eine andre Hülle über, noch steht er nur verjüngt aus der Asche seiner Gestaltung auf, sondern er geht erhoben, verklärt, ein reinerer Geist aus derselben hervor. Er tritt allerdings gegen sich auf, verzehrt sein Dasein, aber indem er es verzehrt, verarbeitet er dasselbe, und was seine Bildung ist, wird zum Material, an dem seine Arbeit ihn zu neuer Bildung erhebt.

Betrachten wir den Geist nach dieser Seite, daß seine Veränderungen nicht bloß Übergänge als Verjüngungen, d. h. Rückgänge zu derselben Gestalt sind, sondern vielmehr Verarbeitungen seiner selbst, durch welche er den Stoff für seine Versuche vervielfältigt, so sehen wir ihn nach einer Menge von Seiten und Richtungen hin sich versuchen, sich ergehen und genießen, in einer Menge, die unerschöpflich ist, weil jede seiner Schöpfungen, in der er sich befriedigt hat, ihm von neuem als Stoff gegenübertritt und eine neue Anforderung der Verarbeitung ist. Der abstrakte Gedanke bloßer Veränderung verwandelt sich in den Gedanken des seine Kräfte nach allen Seiten seiner Fülle kundgebenden, entwickelnden und ausbildenden Geistes. Welche Kräfte er in sich besitze, erfahren wir aus der Mannigfaltigkeit seiner Produkte und Bildungen. Er hat es in dieser Lust seiner Tätigkeit nur mit sich zu tun. Zwar verwickelt mit der Naturbedingung, der innern und äußern, wird er an ihr nicht nur Widerstand und Hindernisse antreffen, sondern durch sie auch seine Versuche oft mißlingen sehen und den Verwicklungen, in die er durch sie oder durch sich versetzt wird, oft unterliegen. Aber er geht so in seinem Berufe und in seiner Wirksamkeit unter und gewährt auch so noch das Schauspiel, als geistige Tätigkeit sich bewiesen zu haben.

Der Geist handelt wesentlich, er macht sich zudem, was er an sich ist, zu seiner Tat, zu seinem Werk; so wird er sich Gegenstand, so hat er sich als ein Dasein vor sich. So der Geist eines Volkes: er ist ein bestimmter Geist, der sich zu einer vorhandenen Welt erbaut, die jetzt steht und besteht, in seiner Religion, in seinem Kultus, in seinen Gebräuchen, seiner Verfassung und seinen politischen Gesetzen, im ganzen Umfang seiner Einrichtungen, in seinen Begebenheiten und Taten. Das ist sein Werk, – das ist dies Volk. Was ihre Taten sind, das sind die Völker. Ein jeder Engländer wird sagen: Wir sind die, welche den Ozean beschiffen und den Welthandel besitzen, denen Ostindien gehört und seine Reichtümer, welche Parlament und Geschwornengerichte haben usf. – Das Verhältnis des Individuums dazu ist, daß es sich dieses substantielle Sein aneigne, daß dieses seine Sinnesart und Geschicklichkeit werde, auf daß es etwas sei. Denn es findet das Sein des Volkes als eine bereits fertige, feste Welt vor sich, der es sich einzuverleiben hat. In diesem seinem Werke, seiner Welt genießt sich nun der Geist des Volkes und ist befriedigt.

Das Volk ist sittlich, tugendhaft, kräftig, indem es das hervorbringt, was es will, und es verteidigt sein Werk gegen äußere Gewalt in der Arbeit seiner Objektivierung. Der Zwiespalt dessen, was es an sich ist, subjektiv, in seinem innern Zweck und Wesen, und was es wirklich ist, ist gehoben; es ist bei sich, es hat sich gegenständlich vor sich. Aber so ist diese Tätigkeit des Geistes nicht mehr nötig, er hat, was er will. Das Volk kann noch viel tun in Krieg und Frieden, im Innern und Äußern, aber es ist gleichsam die lebendige, substantielle Seele selbst nicht mehr in Tätigkeit. Das gründliche, höchste Interesse hat sich darum aus dem Leben verloren; denn Interesse ist nur vorhanden, wo Gegensatz ist. Das Volk lebt so, wie das vom Manne zum Greisenalter übergehende Individuum, im Genusse seiner selbst, das gerade zu sein, was es wollte und erreichen konnte. Wenn seine Einbildung auch darüber hinausging, so hat es dieselbe als Zweck aufgegeben, wenn die Wirklichkeit sich nicht dazu darbot, und den Zweck nach dieser beschränkt. Diese Gewohnheit (die Uhr ist aufgezogen und geht von selbst fort) ist, was den natürlichen Tod herbeiführt. Die Gewohnheit ist ein gegensatzloses Tun, dem nur die formelle Dauer übrig sein kann, und in dem die Fülle und Tiefe des Zwecks nicht mehr zur Sprache zu kommen braucht, – eine gleichsam äußerliche, sinnliche Existenz, die sich nicht mehr in die Sache vertieft. So sterben Individuen, so sterben Völker eines natürlichen Todes; wenn letztere auch fortdauern, so ist es eine interesselose, unlebendige Existenz, die ohne das Bedürfnis ihrer Institutionen ist, eben weil das Bedürfnis befriedigt ist, – eine politische Nullität und Langeweile. Wenn ein wahrhaft allgemeines Interesse entstehen sollte, so müßte der Geist eines Volkes dazu kommen, etwas Neues zu wollen, – aber woher dieses Neue? Es wäre eine höhere, allgemeinere Vorstellung seiner selbst, ein Hinausgegangensein über sein Prinzip, – aber eben damit ist ein weiter bestimmtes Prinzip, ein neuer Geist vorhanden.

Ein solches Neues kommt dann allerdings auch in den Geist eines Volkes, der zu seiner Vollendung und Verwirklichung gekommen ist. Er stirbt nicht bloß natürlichen Todes, denn er ist nicht bloß einzelnes Individuum, sondern geistiges, allgemeines Leben, an ihm erscheint vielmehr der natürliche Tod als Tötung seiner durch sich selbst. Der Grund, warum dies verschieden ist vom einzelnen, natürlichen Individuum, ist, weil der Volksgeist als eine Gattung existiert, daher das Negative seiner in ihm selbst, in seiner Allgemeinheit zur Existenz kommt. Gewaltsamen Todes kann ein Volk nur sterben, wenn es natürlich tot in sich geworden, wie z. B. die deutschen Reichsstädte, die deutsche Reichsverfassung.

Der allgemeine Geist stirbt überhaupt nicht bloß natürlichen Todes, er geht nicht nur in die Gewohnheit seines Lebens ein, sondern insofern er ein Volksgeist ist, welcher der Weltgeschichte angehört, so kommt er auch dazu, zu wissen, was sein Werk ist, und dazu, sich zu denken. Er ist überhaupt nur welthistorisch, insofern in seinem Grundelemente, in seinem Grundzweck ein allgemeines Prinzip gelegen hat; nur insofern ist das Werk, welches ein solcher Geist hervorbringt, eine sittliche, politische Organisation. Sind es Begierden, welche Völker zu Handlungen treiben, so gehen solche Taten spurlos vorüber, oder ihre Spuren sind vielmehr nur Verderben und Zerstörung. So hat zuerst Kronos, die Zeit geherrscht, – das goldne Zeitalter, ohne sittliche Werke, und was erzeugt worden ist, die Kinder dieser Zeit, sind von ihr selbst aufgezehrt worden. Erst Jupiter, der aus seinem Haupt die Minerva geboren, und zu dessen Kreise Apollo nebst den Musen gehört, hat die Zeit bezwungen und ihrem Vergehen ein Ziel gesetzt. Er ist der politische Gott, der ein sittliches Werk, den Staat, hervorgebracht hat.

Im Elemente eines Werks ist selbst die Bestimmung der Allgemeinheit, des Denkens enthalten; ohne den Gedanken hat es keine Objektivität, er ist die Basis. Der höchste Punkt der Bildung eines Volkes ist nun dieser, auch den Gedanken seines Lebens und Zustandes, die Wissenschaft seiner Gesetze, seines Rechts und Sittlichkeit zu fassen; denn in dieser Einheit liegt die innerste Einheit, in der der Geist mit sich sein kann. Es ist ihm in seinem Werke darum zu tun, sich als Gegenstand zu haben; sich aber als Gegenstand in seiner Wesenhaftigkeit hat der Geist nur, indem er sich denkt.

Auf diesem Punkt weiß also der Geist seine Grundsätze, das Allgemeine seiner Handlungen. Dieses Werk des Denkens aber ist als das Allgemeine verschieden zugleich der Form nach von dem wirklichen Werk und von dem wirksamen Leben, wodurch dieses Wert zustande gekommen. Es gibt jetzt ein reales Dasein und ein ideales. Wenn wir die allgemeine Vorstellung und den Gedanken dessen, was die Griechen gewesen sind, gewinnen wollen, so finden wir dies im Sophokles und Aristophanes, im Thukydides und Plato. In diesen Individuen hat der griechische Geist sich selbst vorstellend und denkend gefaßt. Dies ist die tiefere Befriedigung; aber sie ist zugleich ideell und unterschieden von der reellen Wirksamkeit.

Wir sehen darum notwendig in solcher Zeit ein Volk eine Befriedigung in der Vorstellung von der Tugend finden, und das Gerede von der Tugend sich teils neben die wirkliche Tugend, teils aber auch an die Stelle von deren Wirklichkeit setzen. Der einfache, allgemeine Gedanke weiß aber, weil er das Allgemeine ist, das Besondre und Unreflektierte, – den Glauben, das Zutrauen, die Sitte –, zur Reflexion über sich und über seine Unmittelbarkeit zu bringen und zeigt dasselbe dem Inhalte nach in seiner Beschränktheit auf, indem er teils Gründe an die Hand gibt, sich von den Pflichten loszusagen, teils überhaupt nach Gründen und nach dem Zusammenhang mit dem allgemeinen Gedanken fragt und solchen nicht findend die Pflicht überhaupt als unbegründet wankend zu machen sucht.

Damit tritt zugleich die Isolierung der Individuen voneinander und vom Ganzen ein, die einbrechende Eigensucht derselben und Eitelkeit, das Suchen des eignen Vorteils und Befriedigung desselben auf Kosten des Ganzen: nämlich jenes sich absondernde Innere ist auch in der Form der Subjektivität, – die Eigensucht und das Verderben in den losgebundenen Leidenschaften und eignen Interessen der Menschen.

So ist denn auch Zeus, der dem Verschlingen der Zeit ein Ziel gesetzt und dies Vorübergehen sistiert hat, indem er ein in sich Festes begründet hat, – Zeus und sein Geschlecht selbst verschlungen worden, und zwar ebenso von dem Erzeugenden, nämlich dem Prinzipe des Gedankens, der Erkenntnis, des Räsonnements, der Einsicht aus Gründen und der Forderung von Gründen.

Die Zeit ist das Negative im Sinnlichen: der Gedanke ist dieselbe Negativität, aber die innerste, die unendliche Form selbst, in welcher daher alles Seiende überhaupt aufgelöst wird, – zunächst das endliche Sein, die bestimmte Gestalt; aber das Seiende überhaupt ist als Gegenständliches bestimmt, erscheint darum als Gegebenes, Unmittelbares, Autorität, und ist entweder dem Inhalte nach als endlich und beschränkt oder als Schranke für das denkende Subjekt und die unendliche Reflexion desselben in sich.

Zunächst aber ist bemerklich zu machen, wie das Leben, das aus dem Tode hervorgeht, selbst nur wieder ein einzelnes Leben ist, und wenn die Gattung als das Substantielle in diesem Wechsel angesehen wird, so ist der Untergang des einzelnen ein Wiederabfallen der Gattung in die Einzelheit. Die Erhaltung der Gattung ist so nur als die gleichförmige Wiederholung derselben Weise der Existenz. Ferner ist zu bemerken, wie die Erkenntnis, die denkende Auffassung des Seins, die Quelle und Geburtsstätte einer neuen Gestalt ist, und zwar einer höheren Gestalt in einem teils erhaltenden, teils verklärenden Prinzip. Denn der Gedanke ist das Allgemeine, die Gattung, die nicht stirbt, die sich selbst gleichbleibt. Die bestimmte Gestalt des Geistes geht nicht bloß natürlich in der Zeit vorüber, sondern wird in der selbstwirkenden, selbstbewußten Tätigkeit des Selbstbewußtseins aufgehoben. Weil dies Aufheben Tätigkeit des Gedankens ist, ist es zugleich Erhalten und Verklären. – Indem somit der Geist einerseits die Realität, das Bestehen dessen, was er ist, aufhebt, gewinnt er zugleich das Wesen, den Gedanken, das Allgemeine dessen, was er nur war. Sein Prinzip ist nicht mehr dieser unmittelbare Inhalt und Zweck, wie er war, sondern das Wesen desselben.

Das Resultat dieses Ganges ist also, daß der Geist, indem er sich objektiviert und dieses sein Sein denkt, einerseits die Bestimmtheit seines Seins zerstört, anderseits das Allgemeine desselben erfaßt, und dadurch seinem Prinzip eine neue Bestimmung gibt. Hiermit hat sich die substantielle Bestimmtheit dieses Volksgeistes geändert, d. i. sein Prinzip ist in ein andres, und zwar höheres Prinzip aufgegangen.

Es ist das Wichtigste im Auffassen und Begreifen der Geschichte, den Gedanken dieses Übergangs zu haben und zu kennen. Ein Individuum durchläuft als Eines verschiedene Bildungsstufen und bleibt dasselbe Individuum; ebenso auch ein Volk, bis zu der Stufe, welche die allgemeine Stufe seines Geistes ist. In diesem Punkt liegt die innere, die Begriffsnotwendigkeit der Veränderung. Das ist die Seele, das Ausgezeichnete in dem philosophischen Auffassen der Geschichte.

Der Geist ist wesentlich Resultat seiner Tätigkeit: seine Tätigkeit ist Hinausgehen über die Unmittelbarkeit, das Negieren derselben und Rückkehr in sich. Wir können ihn mit dem Samen vergleichen; denn mit diesem fängt die Pflanze an, aber er ist auch Resultat des ganzen Lebens derselben. Die Ohnmacht des Lebens zeigt sich aber darin, daß, was anfängt, und was Resultat ist, auseinanderfallen. So auch im Leben der Individuen und Völker. Das Leben eines Volkes bringt eine Frucht zur Reife; denn seine Tätigkeit geht dahin, sein Prinzip zu vollführen. Diese Frucht fällt aber nicht in den Schoß des Volks zurück, das sie ausgeboren und gezeitigt hat; im Gegenteil sie wird ihm ein bittrer Trank. Lassen kann es nicht von ihm, denn es hat den unendlichen Durst nach demselben, aber das Kosten des Tranks ist seine Vernichtung, doch zugleich das Aufgehen eines neuen Prinzips.

Über den Endzweck dieses Fortschreitens haben wir uns oben erklärt. Die Prinzipien der Volksgeister in einer notwendigen Stufenfolge sind selbst nur Momente des einen allgemeinen Geistes, der durch sie in der Geschichte sich zu einer sich erfassenden Totalität erhebt und abschließt. –

Indem wir es also nur mit der Idee des Geistes zu tun haben und in der Weltgeschichte alles nur als seine Erscheinung betrachten, so haben wir, wenn wir die Vergangenheit, wie groß sie auch immer sei, durchlaufen, es nur mit Gegenwärtigem zu tun; denn die Philosophie, als sich mit dem Wahren beschäftigend, hat es mit ewig Gegenwärtigem zu tun. Alles ist ihr in der Vergangenheit unverloren, denn die Idee ist präsent, der Geist unsterblich d. h. er ist nicht vorbei und ist nicht noch nicht, sondern ist wesentlich itzt. So ist hiermit schon gesagt, daß die gegenwärtige Gestalt des Geistes alle früheren Stufen in sich begreift. Diese haben sich zwar als selbständig nacheinander ausgebildet; was aber der Geist ist, ist er an sich immer gewesen, der Unterschied ist nur die Entwicklung dieses Ansich. Das Leben des gegenwärtigen Geistes ist ein Kreislauf von Stufen, die einerseits noch nebeneinander bestehen und nur anderseits als vergangen erscheinen. Die Momente, die der Geist hinter sich zu haben scheint, hat er auch in seiner gegenwärtigen Tiefe. -


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