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XVI.

Pfarrhaus zu Pontresina war lieber Besuch eingetroffen. – Cilgia Premont, wie sie von den Engadinern allgemein genannt wurde, war von Puschlav geritten gekommen, mit ihr ihr Knabe Lorenz und Ludwig Georgy, der Maler, der sich auf der Heimreise von Rom nach Deutschland befand.

Gemeinsam wollten sie morgen der Einweihung des Bades St. Moritz beiwohnen und Ludwig Georgy wollte, ehe er weiter zog, für Cilgia Premont das Kirchlein Santa Maria, für sich selber Markus Paltram, den König der Bernina, malen. Der Naturschwärmer trieb sich jetzt mit Pfarrer Taß irgendwo im Rosegthal herum, Cilgia aber war, von ihrem Ritt ermüdet, mit ihrem Knaben im Pfarrhaus geblieben, im Pfarrhaus, das so viele schöne und schmerzliche Erinnerungen aus ihrem Leben barg.

Da lockte sie der milde Frühsommerabend, der sein Licht über die Gletscher goß, doch noch ins Freie. Wie einst schritt sie gegen Santa Maria empor, wie einst grüßte sie die Dörfler, redeten die Leute hinter ihr und bewunderten die stolze Gestalt, die Augen wie zwei Sonnen. Wie einst setzte sie sich auf die Bank am alten Thor, an dem die Jahrzahl 1497 eingemeißelt ist, und träumte in den Frieden der Berge und horchte dem Rauschen des in Wald und Kluft verborgenen Berninabaches.

Nur eins war anders als ehemals: der Hammer Markus Paltrams klang nicht mehr in die Stille.

Doch überkam sie der Geist der alten Zeit. Schmerzlich verträumt ließ sie auf der Bank am Thor die fernen Liebestage vorüberziehen.

Etwas verwundert betrachtete der Knabe Lorenz seine Mutter. Als sie ihm aber auf sein Geplauder nur zerstreut antwortete, da lief er an den lustigen Bach, der mit eiligen Wellen gegen Paltrams Hütte perlt, warf Hölzer, die er am Weg fand, hinein und freute sich, daß sie so munter auf den kleinen Wellen tanzten. Bis zu Paltrams Hütte lief er ihnen nach und beschaute sich das ruhig stehende, verwitterte, schwer mit Moos behangene Wasserrad.

Er versuchte, es in Gang zu bringen. Da gesellte sich zu ihm ein leichtes schmales Mädchen mit dunklen Augen und einem herben Mündchen, das ein wenig über seine vergeblichen Bemühungen lächelte.

»Das mußt du so machen,« sagte sie, und mit einem behenden Ruck an einer Kette leitete sie das Wasser auf das Rad – es begann zu klappern und die beiden jubelten.

»Wie heißest du?« fragte der Knabe das barfüßige, frische, saubere Kind, das kleiner und jünger war als er.

»Sage mir nur zuerst deinen Namen,« erwiderte es etwas herb.

»Lorenz Gruber!«

Na antwortete es mit einem hübschen Lächeln:

»Und ich bin Landola Paltram.«

»Wie? Bist du das Kind des Königs der Bernina? – ist das euer Haus?«

»Ja,« erwiderte sie stolz und mit glänzenden Augen.

»Deinen Vater möchte ich gern sehen.«

»Er kommt jetzt bald vom Piz Languard – wir wollen gegen das Kirchlein hinaufgehen und ihn abholen.«

Als die Kleine die verträumte Frauengestalt am Thor des Kirchleins sah, stutzte sie.

»Es ist meine Mutter!« versetzte Lorenzlein beruhigend.

»Du hast aber eine schöne Mutter!« erwiderte die Kleine mit eifersüchtigen Augen. Und ihr kluges Gesichtchen verdüsterte sich wie in einem heimlichen Schmerz.

In diesem Augenblick wandte Cilgia das stolze Haupt. Da zog Lorenz das widerstrebende Mädchen mit sich gegen sie.

»Sage ihr nur guten Abend!« munterte er Landola auf.

Die Kleine faßte Zutrauen zu der schönen fremden Frau, ein neugieriges, hoffnungsreiches Lächeln zitterte um Landolas Mund, es war wie stumme Bitte um eine Freundlichkeit.

Sonderbar! Cilgia hatte die Kleine gleich erkannt, ihr Bild gab ihr einen Stich durchs Herz – »Das Kind Pias!« – sie wollte sich von ihm abwenden.

Aber das schöne hoffnungsreiche Lächeln des feingliedrigen Kindes besiegte die erste Abneigung, sie litt es, daß es sich mit Lorenz aus die Bank setzte. Etwas scheu that es Landola. Als das Kind sie wie eine Wundererscheinung betrachtete und keinen Blick von ihr wandte, mußte auch Cilgia lächeln.

»Was hast du mit mir, Landola?« fragte sie gütig und streichelte das reizende Köpfchen.

»Ihr habt so schöne Augen – sind sie neu?« versetzte die Kleine schüchtern und drollig. Da konnte sich Cilgia nicht enthalten, sie herzte das hübsche Wesen.

In diesem Augenblick kam Markus Paltram vom Bergwald her, im grauen Jägergewand, das Gewehr und einen Gemsbock auf dem Rücken – das menschgewordene Gebirge in seiner Schönheit, in seiner Kraft und seinem geheimnisvollen Reiz.

»Vater!« schrie Landola und entwand sich den Armen Cilgias.

Er stutzte, eine Blutwelle ging über sein Gesicht, er bebte vor dem Bild. »Cilgia Premont, – Ihr da – und Ihr seid lieb zu meinem Kinde?«

Es war, als gehe ein heiliger Schrecken über den Gewaltigen, und die Kinder sahen einander verwundert an.

Da erhob sich Cilgia in glühender Verlegenheit – sie zitterte wie der Mann vor ihr. »Markus! – Ich muß gehen!«

»O, nur noch einmal mit Euch reden, Cilgia Premont!« bat er.

»Nicht jetzt, nicht vor meinem Lorenz! Aber ich komme von St. Moritz nach Pontresina zurück, es ist vielleicht gut, wenn wir zusammen sprechen. Es hat mich innig gefreut, daß mein Wort zu Puschlav so herrliche Früchte getragen hat – ich danke Euch für die Errettung der sieben Leute.«

»Ich kann alles, wenn Ihr mit mir seid, Cilgia!«

Die Geißen, eine übermütige Schar, kamen wie einst mit ihren Glöckchen vom Berg, eine Hirtin führte sie, wie einst Pia, und über die Berge zogen die Rosenschiffe der Abendröte. In tiefer Bewegung schritt Cilgia hinunter gegen das Dorf. »Es geht nicht!« flüsterte sie und blickte nach ihrem Knaben.

Der aber schwärmte für den König der Bernina, den großen Jäger.

Am anderen Tage ging Cilgia mit Lorenz, mit dem Pfarrer und dem Maler durch den schönen Lärchenwald, in dem der dunkle Statzersee liegt, nach St. Moritz hinüber zur festlichen Eröffnung des Bades.

Wieder leuchtete vor ihnen der lichte See von St. Moritz mit grünen und blauen Strahlen im Kranz grüner Wälder und Wiesen und des weißen Schneegebirges, während das freundliche Dörfchen auf anmutiger Höhe grüßte. Zwei Boote lagen wieder am Ufer, darin standen zwei Männer: der feine Luzius von Planta und Konradin von Flugi, der Dichter. Ein herzliches »Grüß Gott!« erscholl und die bekränzten Kähne mit den Gästen zogen über den See und glitten ein Stück innwärts empor. In den grünen Wiesen flatterten auf einem stattlichen Neubau die Fahnen.

»So sind denn die Träume unserer Jugend wahr geworden,« sagte Herr Konradin.

Cilgia aber fuhr sich über die schöne Stirne. Sie dachte an einen Traum, der nicht wahr werden konnte!

In der Halle des schlichten geschmackvollen Steinbaus sprudelte der Sauerquell im kristallklaren Bronnen mit einer Mächtigkeit, die zuvor kein Mensch geahnt hatte. Die Quellen zusammen waren ein Bach. Und an der Wand, hinter der die Badezellen lagen, stand als Inschrift das Gedicht, das der große Albrecht von Haller dem Engadin und den Engadinern gewidmet:

»Allhier bekränzt der Herbst die Hügel nicht mit Reben,
Die Eide hat zum Durst nur Brunnen hergegeben.
Wohl dir, vergnügtes Volk!
Das Schicksal hat dir hier kein Tempe zugesprochen;
Die Wolken, die du trinkst, sind schwer von Reif und Strahl,
Der lange Winter kürzt des Frühlings späte Wochen.
Und ein verewigt Eis umringt das kühle Thal,
Doch deiner Sitten Wert hat alles das verbessert:
Der Elemente Neid hat dir dein Glück vergrößert!«

Mit ein paar Blumen um die Röhren, aus denen die Wasser sangen, mit ein paar Wimpeln auf dem Dach bildete die Inschrift den ganzen Festschmuck des Gebäudes.

Neugieriges Landvolk strömte und kostete die Quelle.

»Das ist ein gutes Zeichen, daß Ihr kommt!«

rief Lorsa Cilgia freudig entgegen und bot ihr den Willkommentrunk.

Köstlich schmeckten die Wasser.

»Ich bringe Euch noch jemand mit,« antwortete sie, »den Maler Ludwig Georgy – er ist eben nach zwei Jahren Aufenthaltes von Rom zurückgekehrt und sieht das Engadin zum erstenmal im Sommer. Er ist hingerissen von seiner Schönheit, er will den Morteratschgletscher und die Bernina malen – ich empfehle Euch den Künstler, es ist leicht mit ihm Freund sein!«

Es war ein stilles Fest in St. Moritz, denn unter der Freude wogten die Sorgen. Früher als die Gesandtschaft, die noch in Wien weilte, waren die Freunde ans Ziel gekommen, das Bad war gebaut, aber wird es im vergessenen Engadin Gäste finden?

In seinem Heim wollte Herr Konradin mit Menja künftighin die Gäste, welche das Bad besuchen würden, empfangen.

»Junker Konradin von Flugi, der einstige Privatsekretär des Königs von Neapel, der Dichter des Ladins, der erste Gastwirt zu St. Moritz und seine Hausfrau!« Darauf erhoben die Freunde bei dem kleinen Familienfest ihre Gläser.

Man sprach von der Gesandtschaft Bündens, die nun im zähen Festhalten an ihren Forderungen bald ein Jahr in der fernen Stadt weilte. Die Berichte, die sie heimschickte, waren niederschlagend. Verschleppungen, Vertröstungen, Ausflüchte! Unterdessen hatte sich im Veltlin die österreichische Verwaltung festgesetzt, und die österreichischen Beamten thaten nicht so, wie wenn sie es je wieder zu verlassen gedächten. Die ermachten Hoffnungen, daß das Thal in den Besitz der Bündner zurückkäme, verflackerten wie Strohfeuer.

Das dämpfte den Jubel.

Der fröhlichste Gast war der deutsche Maler, der gerade in der Zeit des Garens und Reifens stand.

»Ich merke, hier ist gut sein – ich bleibe bis zum Herbste da – ich arbeite! – Vor diesen flammenden Bergen, vor den innigen blauen Seen will ich Künstler werden. – Es gibt ja wahrhaftig vom Rhein und Thüringer Wald in Deutschland Gemälde genug – es gibt sie schon vom Vierwaldstättersee, vom Berneroberland. Aber wer hat je Bilder aus dem Engadin gesehen? Das ist eine neue Welt, ich versuche es, ich gründe vielleicht darauf meinen Ruf!«

So sprudelte und jubelte er begeistert, und man trank auf die werdenden Bilder.

Cilgia nickte ihm lachend zu.

Da erwiderte der in der Sammetjoppe: »Es lebe das Land, wo Frauen wachsen wie Cilgia Premont und Männer wie Markus Paltram!«

Markus Paltram – wie immer, wenn der Name genannt wurde, sprach man lange über ihn.

Wohl war Markus Paltram der furchtbare Herr der Bernina, aber auch der, der sieben Menschenleben gerettet hatte. Mit scheuer Achtung sah das Volk zu ihm empor. Wenn es stürmt und schneit, wenn die Lawinen gehen und die Runsen krachen, ist er im Gebirge, Tag und Nacht. Er wittert, wo Menschen in Gefahr sind, er führt dem ermatteten Säumer das Pferd, er gräbt die verschneiten Züge aus.

So erzählt man weit und breit. Er muß so viele retten, hat sich die Sage gebildet, wie er auf den Höhen des Gebirges tötet.

»Er ist besser als sein Ruf,« erwiderte Fortunatus Lorsa; »nennt mir einen einzigen Jäger, den er getötet hat! – Niemand weiß einen Namen, es ist ein leeres, ungreifbares Gerücht. – Er widerspricht ihm nicht, er lächelt dazu, wie wenn es wahr wäre, und gründet sein Königtum der Bernina auf den Aberglauben der Bergamasken, die von jeher alles Thörichte lieber, als was von gesunden Sinnen ist, angenommen haben.«

Aehnlich sprach Herr Konradin.

»Und was sagt Ihr von ihm, Frau Cilgia?« fragte der Maler.

Sie errötete und schwieg einen Augenblick.

»Die Freunde können es Euch erzählen,« sagte sie halblaut, »daß niemand unter Markus Paltram schwerer gelitten hat als ich, aber er unter sich selbst noch mehr!«

Das klang unendlich wehmütig vom Munde Cilgias. Es klang, als ob sie ihn noch immer liebe.

Mit Verwunderung hörten es die Freunde.

Sie hatte es mit Schmerzen gesprochen, damit Ludwig Georgy, der gewiß nicht wegen des Engadins von Rom zurückgekehrt war, aber mit seinen blauen fröhlichen Augen ihre Gestalt verschlang, nicht wieder in die Schwärmerei des letzten Tages von Puschlav verfalle. – –

Cilgia kämpfte den letzten schweren Kampf.

Droben beim Kirchlein Santa Maria sah sie Markus Paltram.

»Also, Markus, was habt Ihr mir zu sagen?« flüsterte sie verlegen.

Da kniet der felsenfeste Mann bebend vor ihr.

»O Cilgia, sagt mir noch einmal – Ihr könnt es mir nicht genug sagen, daß Ihr mir verziehen habt!

Es ist Oel auf eine Wunde, die immer brennt. – –

Sagt: ist zwischen uns kein Glück mehr möglich? – Meine arme kleine mutterlose Landola spricht nur von Euch. – Ihr seid ihr alle Schönheit und Güte, alles seid Ihr dem Kinde – wie mir. – Ihr wißt, was Ihr mit einem guten Wort aus mir machen könnt!«

Als ob sich in seiner Brust eine Lawine löste, sprach er es.

»Steht auf, Markus – dort schlägt mein Knabe seinen Reif – er darf uns nicht sehen!« stammelte Cilgia.

Das Wort »mein Knabe« wirkte auf Markus Paltram wie ein Schlag. Er taumelte auf.

»Ja, die Kinder!« sagte er wie geistesabwesend. »Ich sah gestern Euern Knaben mit meinem Kinde spielen – das war so sonderbar!«

Da spürte er, wie die goldbraunen Augen Cilgias in unendlicher Trauer und Liebe auf ihn gerichtet waren.

»Gebt mir noch ein spätes Glück. Cilgia!« – Wort und Blick an dem gewaltigen Manne sind glühende Bitte, seine Hand sucht ihre Hand. Cilgia atmet schwer, es ist, als wolle sie fliehen – da stößt sie es hervor: »Es geht mir seltsam – ich sollte Euch verachten – ich sollte von Euch fliehen – und liebe Euch doch!«

»Cilgia!« keucht Markus Paltram.

Ihre Augen umfloren sich.

»Nur eins – Markus – Auge in Auge – danach entscheide ich: habt Ihr ein reines Gewissen gegen meinen Knaben Lorenz, der den Namen Gruber trägt?«

Markus Paltram wird totenblaß, aber er ermannt sich. »Cilgia – ich habe diese Frage erwartet – es gibt in meinem Leben keine Todsünde als die, die ich mit Pia an Euch begangen habe – ihretwegen bin ich der Heimatlose unter den Menschen!« –

»Das ist verziehen,« ist ihre Antwort, »aber Gruber?!« – Halb hofft sie, halb faßt sie der Schreck vor der Antwort, die kommen würde. Alles an ihr ist Beben und Spannung.

»Ich habe ihn gerecht gerichtet,« sagt Paltram ruhig, doch in furchtbarem Ernst. »Ich schwüre es vor Gott – ich habe ein reines Gewissen gegen Gruber. – Hört und urteilt selbst: Ich verfolge eine Gemsenspur am Gletscher – da kracht ein Schuß – ich sehe mich um – entdecke niemand – spüre aber das warme rieselnde Blut am Bein – ich gehe vorwärts. – Da steht in wilden Eisblöcken vor mir Gruber – er hebt schon wieder das Gewehr zum Schuß – ich reiße meins auch an die Wange. – – So knieen wir Blick in Blick auf dreißig Schritt – alles, was ich mit Euch erlebt habe, geht in diesem Augenblick an mir vorüber! – ›Es ist Cilgias Mann‹, denke ich – ich reiße das Gewehr zurück, stehe auf – ›du kannst nicht auf ihn schießen!‹ – Da kracht sein zweiter Schuß und die Kugel zersplittert neben mir das Eis – ich verliere die Besinnung – stürze auf ihn los – Mann gegen Mann ringen mir – da weiß ich nicht mehr, was ich thue – ein Stoß – er versinkt in einer Gletscherspalte, die voll Wasser steht – ich werfe ihm sein Gewehr nach – ich schleppe mich weiter und wasche meine Wunde an einem Bächlein. – – Als ich wieder einmal über den Gletscher ging, hatte sich die Spalte, in der Gruber lag, geschlossen. – Das ist mein ganzes Geheimnis aus dem Gebirge. – Nun richtet!«

Cilgia war ins Gras gesunken – sie hielt das Gesicht mit beiden Händen bedeckt. »Ich habe es gewußt!« stöhnt sie. »O, hättet Ihr mir an jenem Tag gefolgt, als ich hier Eure Hände nahm und Euch bat: ›Laßt ab von der Jagd!‹«

Da hebt sie Markus Paltram empor. »Cilgia!« sagt er voll innerem Jammer.

»Ich liebe Euch,« flüstert sie verwirrt, »aber ich darf Euch nicht mehr angehören wegen meines Knaben. Es wäre zu grauenhaft – der Mann im Eis – der Vater meines Lorenz – schweigt um meines Knaben willen!«

Und zitternd drückt sie Markus Paltram die Hand. »Lebe wohl – Markus!«

»Ja, der Mann im Eis,« wiederholt er dumpf. »Ich fürchte Gruber nicht – sogar in der Nacht habe ich dort gestanden, wo er ruhen muß! Ich weiß nur eins – ich habe ihn gegen meinen Willen töten müssen, das ist der Lohn für meinen Verrat in jener Fastnacht!«

»Lebe wohl, Markus! – sei gut – sei um meinetwillen gut! Nie dürfen wir uns wiedersehen – nie – nie!«

Und gegen das Dörfchen hinab schwankt Cilgia Premont.

Sie sieht die ringsum strahlende Gebirgswelt nicht, sie sieht nur das gräßliche Bild, von dem sich der Schleier gehoben hat. Und sie liebt den, der ihren Mann erschlagen hat! –

In der Einsamkeit des Gebirges aber irrt Markus Paltram.

Ist es ein Gaukelspiel der Hülle, daß er glaubte, auch nur einen Augenblick glaubte, Cilgia könnte noch je die Seine werden?!

Die Hoffnung lebte nur in seinem heißen Blut, sein Verstand glaubte nie daran. Und er neidete Aratsch und seine Geliebte, denn die dürfen wandern einen ganzen Tag.

Sie aber wird er nie – nie – wiedersehen!

Er steht im fahlen Mondschein am Morteratsch – und die Stadt im Eise leuchtet – die Spalten flimmern. Da fällt es wieder über ihn: »Das Geschlecht Paltram muß untergehen!«

Eine sonderbare Angst überfällt ihn. Seine kleine Landola hat mit dem Knaben Cilgias gespielt, mit dem Sohne Grubers. Und das kleine heiße Herz hängt an dem Bilde Cilgias. In seltsamen Ahnungen spürt er irgend eine Gefahr für sein Kind. Und wie ist sie ihm lieb, seine Landola!


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