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Ein italienischer Kaufmann, der auf die Frankfurter Messe reisen wollte, hatte sich in Stuttgart um einen Tag verspätet. Also musste er die Extrapost anspannen lassen. Wie fang' ich's an, dachte er, dass ich geschwind aus dem Feld komme, und doch mit geringen Kosten? »Postillion«, sagte er, als er in das Kaleschlein sass, »fahr langsam, denn ich sitze nicht nur auf dem Kutschenkistlein, sondern auch auf einem Blutgeschwür, und meine entsetzliche Kopfwunde da auf der linken Seite wirst du hoffentlich sehn.« Eigentlich aber war sie nicht wohl zu sehen. Denn fürs erste war der Kopf mit einem Tüchlein verbunden, das zwar blutig aussah, fürs zweite hatte er unter dem Verband keine Wunde. »Wenn du recht langsam fahrst«, sagte er, »auf der Station soll's dich nicht reuen.« Der Postillion dachte: solchen Gefallen kann ich den Rossen tun und, was das Trinkgeld anbelangt, mir auch, und fuhr so langsam, dass die Pferde selber anfingen, eins nach dem andern vor langer Weile zu gähnen, was doch selten geschieht. Nichtsdestoweniger schrie der Italiener unaufhörlich: »Zetter und Mordio. O mein Kopf! o mein Bein! Fahr langsam!« Der Postillion sagte: »Wollt Ihr auf der Strasse über Nacht bleiben, so will ich Euch abladen. Ich kann nicht gar fahren, als wenn ich etwas anders ausführte auf den Acker. Tu ich nicht langsam genug?« Aber der Passagier sagte: »Ich schiess dich tot, wenn du nicht gemach fahrst.« Auf der Station in Ludwigsburg, als er dem Postillion das Trinkgeld gab, gab er ihm zwei schäbige Zwölfer, einen Albus und ein paar verrufene Kreuzerlein, bis es einen halben Gulden ausmachte. Andere gaben sonst wenigstens achtundvierzig Kreuzer, auch einen Gulden und drüber. Wenn's recht pressiert und wenn's recht in der Tasche klingelt, auch einen Kronentaler. Aber alle Vorstellung des Postillions und alles Protestieren half nichts. »Hab' ich Euch nicht schlecht genug geführt«, fragte er. »Nein, du hast mich nicht langsam genug geführt. Geh zum Henker.« Der Postillion nahm das Geld und dachte: lieber wenig als gar nichts. Aber wart' nur, dachte er, du bist noch lange nicht zu Frankfurt. Als der Ludwigsburger die Pferde einspannte, fragte er den Stuttgarter: »Ist der Weg gut?« – »Schlecht«, antwortete der Stuttgarter und winkte ihm ein wenig abseits. Ein wenig abseits sagte er ihm, was er für einen wunderlichen und geizigen Passagier führe, wie ihm noch keiner vorgekommen sei. »Fahr den Ketzer drauf los«, sagte er, »dass die Räder davonfliegen. Er hat drei Bluteisen, drei Löcher im Kopf und eine gespaltene Kniescheibe.« Der Passagier, als der Postknecht aufsass, sagte: »Fahr langsam, Schwager. Es kommt mir auf ein gutes Trinkgeld nicht an.« Aber der Postillion dachte: Dein Trinkgeld kenn ich. »Meine Pferde sind auf gesunde Herrn dressiert«, sagte er, »ich kann sie nicht halten, wenn sie im Lauf sind«, und fuhr drauf los, als wenn die ganze türkische Armee hinter ihm dreinkäme. Der Passagier im Kaleschlein bittet vor Gott und nach Gott, lamentiert, flucht, dass sich der Himmel mit Wolken überzieht. Alles vergeblich. Auf der Station in Besigheim gibt er dem Postillion dreissig Kreuzer wie dem erstern. »Was bringst du für einen presthaften Herrn?« sagte der Besigheimer. »Fahr ihn gar tot«, sagte der Ludwigsburger, »es ist ohnedem nicht mehr viel an ihm«, und so rekommandierte ihn einer dem andern, und einer fuhr mit ihm geschwinder davon als der andere, so dass er noch eine Stunde früher nach Frankfurt kam, als nötig war. In Frankfurt sprang er zur Verwunderung und zum Staunen des Postillions kerngesund aus dem Kaleschlein heraus und gab ihm auch dreissig Kreuzer.