Johann Peter Hebel
Schatzkästlein des Rheinischen Hausfreundes
Johann Peter Hebel

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Die Besatzung von Oggersheim

Zu Oggersheim, gegenüber von Mannheim, um die Wahl etwas weiter oben oder unten, je nachdem man sich stellt, als im Dreissigjährigen Krieg unversehens die Spaniolen vor Oggersheim anrückten, flohen fast alle Einwohner nach Mannheim. Nur zwanzig Hausväter blieben zurück und hatten das Herz, die Zugbrücke aufzuziehen und die Tore zu schliessen. Es gehört nicht viel Herz zum Schliessen, aber zum Öffnen. Denn als der spanische Feldhauptmann Don Gonsalva hineintrompeten liess: »Wenn ihr bis morgen um diese Zeit den Platz nicht übergebt«, liess er hineintrompeten, »alsdann gebt acht, wer am Leben bleibt, wenn ich den spanischen Sturmmarsch schlagen lasse und doch hineinkomme«, da sahen die Helden einander an und sagten: »Der Weg nach Mannheim ist doch der sicherste.« Nur einer dachte: »Was soll ich tun? Meine Frau steht an ihrem Ziel. Soll sie unterwegs oder gar auf dem Rhein ins Kindbett kommen? In Gottes Namen, ich bleibe da.« Als nun die andern alle sich geflüchtet hatten und er noch allein in dem Städtlein war, trat er mit einem weissen Fähnlein auf die Stadtmauer und rief in das spanische Lager: »Kund und zu wissen sei euch im Namen des Herrn Kommandanten von Oggersheim, der Garnison und der ehrsamen Bürgerschaft! Ihr sollt uns versprechen, das Eigentum zu schonen und die protestantische Religion unangefochten zu lassen. Wenn ihr dieses tut und halten wollt, so sollen euch in einer Stunde die Stadttore geöffnet werden. Ich, der Trompeter.« – Da sahen der Feldhauptmann und seine Leute einander an. ja, Nein – Nein, ja. »Was sollen wir katholisches Blut vergiessen lassen«, sagte endlich der Feldhauptmann, »um einen ketzerischen Altar umzuwerfen, oder was werden wir in diesem Bauernstädtlein für Schätze finden?« und rief mit lauter Stimme: »Akkordiert!« Nach einer Stunde, als der Feind mit geschlossenen Reihen und Gliedern, mit fliegenden Fahnen und klingendem Spiel einzog, am äussern Tor war niemand. – »Sie werden am innern sein.« Am innern Tor war auch niemand. – »Sie werden auf dem Platz sein.« Auf dem Platz stand mutterseelallein mit dem weissen Fähnlein der herzhafte Burgersmann. – »Was soll das heissen? Wo ist der Kommandant und die Besatzung, wo ist der Burgermeister und der Rat?« Da fiel der Burgersmann vor dem Feldhauptmann auf die Kniee nieder: »Gnädiger Herr, ich bin der einzige, der sich Euerer Grossmut anvertraut hat. Die andern sind nach Euerer Aufforderung alle nach Mannheim geflohen. Nur meine Frau ist noch bei mir im Städtlein, aber ein ellenlanger Rekrut wird nächster Tagen eintreffen. Unterdessen bin ich mein eigener Kommandant und mein Trompeter, mein Gemeiner und mein Profoss. Wenn ich seit gestern hätte desertieren wollen, ich hätte mich selber wieder einfangen und Spiessruten jagen müssen.« Da lächelte der Feldhauptmann und hiess ihn aufstehn, und obgleich die Spanier zur Zeit des Dreissigjährigen Krieges keinen Spass verstanden, so leistete er doch, was er versprochen hatte, und noch mehr. Denn als den andern Morgen der brave Burgersmann wieder zu dem Feldhauptmann kam, »Ihro Gnaden«, sagte er, »wolltet Ihr mir nicht auf eine Viertelstunde Euern Peldpater leihen, wenn er evangelisch taufen kann? Der ellenlange Rekrut ist angekommen und schon einquartiert«, da sagte der Feldhauptmann: »Ja, braver Kamerad, und ich will Gevattermann sein und dein Kind zur Taufe halten.« Also hielt der General das Kind zur Taufe und schenkte ihm ein spanisches Goldstück zum Andenken. Den folgenden Tag zogen die Spaniolen wieder weiters.

 


 


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