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Hoher Wandel
Hoch in den Bergen, auf weicher Grasflur,
Wo Einsamkeitsatem an Halmen zittert,
Wo des Menschen Tritt in der Ode verhallt –
Hoch dort wandl' ich – und schaue und schaue
über endlose, blaue Gebirge
Rings, wie ewig erstorbenes Meer. –
Fern in Tiefen rauchige Dünste:
Und ich wandle in klaren Höhen,
Schreite, wo mächtige Blöcke sich türmen,
Zwischen Felsen,
Zwischen gigantischen Trümmern schreit ich –
Und der Abendsonne jauchz ich entgegen,
Die in himmlischen Lichtgrund
Strahlend eintaucht:
Glühender Bronnen, mit purpurnen Wassern
Bergumrandete Erdbecken füllend –
Jauchze, wenn das sprühende Licht
Einsames Flechtengestein überglüht.
Und ich locke den Vogel,
Der sich in Klüften verflogen,
Der im Nachtwind der Berge
Dunkles Krummholzgebüsch
Ängstlich ratlos umflattert –
Jauchze und fühle mich frei,
Wo Einsamkeit wohnt,
Wo des Menschen Tritt in der Öde verhallt.
*
Hoch im Licht
Wenn der Herbst die Birke goldet,
Und im Tale Nebel wehen,
Ziehen wundersame Träume
Wie die Wandervögel aus –
Wollen über Heimatberge
Hoch hinein in blaue Himmel.
Alte Sehnsucht rührt die Seele,
Möchte nimmermehr nach Haus.
Fort ins Weite! Fern nach Wundern
Regt die Seele ihre Schwingen.
Ach, so fern und ferner dringen
Hoch im Licht muß Jubel sein!
Über Wälder, über Meere –
Hin wo weiße Pfauen klagen,
Auf verträumter Pinieninsel
Tauch ich ganz in Jugend ein.
*
Zwiesprach
Es ist ein zauberstilles Fest,
In weiter, klarer Nacht allein.
In Tal und Schlucht weht Einsamkeit.
Nur du und ich. – Es rauscht im Grund.
Ich seh dich nicht. Ich fühl dich kaum.
Denn du bist nah – und bist doch weit –
Und lautlos spinnt die graue Zeit,
Und zittert weite Erdennacht.
Die Sterne stehn. – Nur du und ich –
Und hab dich nimmer je gesehn – –
Und habe doch in tiefer Nacht
Erschauernd, stumm nach dir gewacht,
Begraben ganz in altem Leid
Seit grauer Zeit.
*
Ohne Seele
Ich bin traurig. Ich bin arm.
Ich bin ganz verdorben.
Durch die winterkalte Zeit
geh ich wie gestorben.
Ausgedorret ist der Quell
tief im tiefsten Grunde.
Fühle weder Lust noch Leid.
Tot ist jede Stunde.
Ohne Seele wandle ich
auf vereistem Stege.
Rabenschwärme krächzen laut
über meinem Wege.
*
Entfremdung
Ein Dünenhügel ragte
Einsam aus tiefster Zeit,
Drauf Totenbeine bleichten
Weit in die Ewigkeit.
So stumm und fahl im Räume
Brannte der Sonnenschein.
Ich selber war lange gestorben
Und bleichte als Totengebein.
Und über den toten Wellen
Versank die Sonne nie –
Es war zu Stein geworden
Lebendige Melodie.
*
Unbewegt
Schweigend ist die Nacht gekommen,
Erde sank in Dunkel ein.
Armer Menschenseele Heimat
weitet jetzt der Weltenschein.
Alle Wunder, die ihr leuchten,
glühn aus Tiefen, nie gedacht;
alles Glück der Erdenkinder
fällt ein Stern in dunkler Nacht.
Ewig Staunen – ewig Sehnen –
und Erfüllung Torenwahn!
Willst das Wunder du ergreifen,
darfst du nie dem Wunder nahn!
Nur die selige Stunde herrsche,
die dein eignes Leuchten trägt:
leuchte, glühe und verglühe –
*
Berghäuers Lichter
Verlaß dich singend auf deine heimlichen Feuer!
In Tiefen glimmen sie – zuckende Flammen,
Berghäuers Lichter im dunkelsten Schacht.
Traue den stillen, einsamen Scheinen –
unterdessen die Teufen in ewig schweigenden Dunkeln
Tropfen um Tropfen eintönig niederweinen.
*
An Hugo Wolf
Über Meergewässer ringenden Fluges
Trugen ihn Flügel, die den Sturmwind schlugen,
Riesenflügel mit mächtigem Schlage
Schlugen die Lüfte und dehnten sich ringend aufwärts:
Schwer war der traurige Flug –
Schwerer die Sehnsucht
Auf durch Sturmgewölke zu dringen.
Denn die Luft troff grau –
Grau jagt der Himmel –
Unaufhörlich wälzte sich graue Meerflut.
Ach! – und so schwer er auch rang
Mit Flügelschlage,
Und soweit ihn auch hintrug
Sonnensehnsucht –:
Endlos dehnten die jagenden Nebel –
Endlos dehnte die wallende Flut sich –:
Da! – auf einmal! – ein Wunder! – ein Wunder!
Da! – auf einmal zückt es wie Strahlen –
Und es springen die goldenen Tore –
Und es wird ein Jauchzen die Sehnsucht –!
Seele – die finstere Seele wird Sonne –
Sonnenströme stillen die Wogen –
Und aus verwehenden Nebeln tragen
Tauige Flügel ins funkelnde Licht –:
Saphirne Tropfen rauschend entträufelnd,
Fallen wie Perlen ins flimmernde Meer.
*
Wegmüde
Weiß Gott! müde und traurig bin ich.
Ich habe eine alte Stadt gesehn.
Und fühlte drinnen allerwegen
Die Träume meiner Jugend wehn.
Jugend, bist vergangen.
Noch immer das alte Verlangen –
Und's Leben will vergehn.
Weiß Gott! müde und traurig bin ich.
Ich hab einen alten Freund gesehn.
Wir sahn uns lange in die Augen
Und konnten uns so gut verstehn.
Jugend, bist vergangen.
Noch immer das alte Verlangen –
Und's Leben will vergehn.
Weiß Gott! müde und traurig bin ich.
Und muß doch immer vorwärts gehn.
Am Himmel blinken schon die Sterne.
Wer kann das Leben recht verstehn!
Jugend ist vergangen,
Ewig das alte Verlangen –
Bis unsre Stunden verwehn.
*
Landstreicher
Ein glüher Brand im Osten droht
aus dunkler Nacht – in stummem Schein.
Ich bin am Wege aufgewacht.
Ein Friedeloser muß ich sein –
ein fremder, vogelfreier Mann –:
such Heimatstatt – irr hin und her.
Wo ich noch klopfte, klang's heraus:
»Wo die nur war! Wo die nur war!«
Auf weites Land voll Nacht und Schnee
haucht neuer Morgen Feuerlicht.
An tausend Morgen trieb's mich fort
von Ort zu Ort – und fand sie nicht.
Ein glüher Brand im Osten droht
aus dunkler Nacht – in stummem Schein.
Ich bin am Wege aufgewacht
und muß von neuem Wandrer sein.
*
Land der Dämonen
Meiner Dämonen blühendes Land
war's, das ich heimlich im Traume ausfand.
Wandelte schwebend durch üppige Wiesen,
selbst nur ein heimlicher, lüsterner Laurer. –
Und wie auch immer die Stimmen sangen –
friedlosen Sinnes, in ewigem Bangen,
dunkel und unstet in eiligem Schweben,
fühlt ich die Sehnsucht, ein inbrünstig Feuer,
fühlt ich die Lüste aus Tiefen beben.
Und wie auch immer die Sehnsucht ins Helle
zehrend aufquoll, wie Wolken aus Gründen,
immer und immer entschwand von der Stelle
strahlender Frühling – und rastlos hinschwinden
sah ich die lieblichsten, lachendsten Laben,
sehnt ich aus ewig entfesselten Gieren
mich nach den Trauben, mich nach den Mündern
schwanden, entschwebten Blüten und Früchte,
selig umjubelt von lachenden Kindern.
*
Dürre
Bleich und versengt die Flur ...
Sommerblumen verstaubt ...
Himmel fahler Azur ...
Bäche sickern noch kaum ...
Ach, es schleppt sich daher
grauenvoll dürstendes Weib ...
sengender Schild die Wehr ...
flatternd das Leichentuch ...
Grauenvoll hohl brennt der Blick;
dorrend einst rosige Haut,
Schlangengelock im Genick,
Kralle gieret die Hand ...
Nichts will sie lieben! ... oh Not!
Wer gab ihr Atem so heiß?
Wer hieß sie tragen den Tod?
Wer gab den Fluch auf den Weg?
Fliegen schwirren ihr nach ...
sie knickt jeden bleichenden Halm ...
dörret den sickernden Bach ...
jagt mit den Zehen den Staub ...
Staub hebt im Wirbel sich auf ...
in der Säule hastet sie hin ...
nichts hemmt den grausigen Lauf!
Fliegen umsummen sie dumpf.
Gift und Pest weht von ihr ...
die Erde wird dürr und tot ...
Tod steht vor jeder Tür ...
Sonnenschild brennet und sengt.
Ratlos und herzlos der Blick
im Auge der Dürstenden starrt ...
dürr in den Staub zurück
sank längst der fröhliche Flor.
Längst sank ins trocknende Blut
Freude und Liebe, der Gram ...
dürr rinnt das letzte Blut ...
Seele dorrte und starb ...
Ach, es schleppt sich daher
grauenvoll dürstendes Weib ...
sengender Schild die Wehr ...
flatternd das Leichentuch.
*
Der Gespenstige Reiter
Ein sicherer Reiter
auf dunklem Tier:
über Gründe und Felsen
folgt es mir.
Einen jauchzenden Sprung
auch in Lüfte hinein!
so muß mein
Flügelgenosse sein:
ein Flügelgenosse
aus Liebe und Tod. –
Wir steigen empor
mit dem Morgenrot,
und werfen uns hoch,
und fragen nicht viel,
und kennen uns kaum,
und finden das Ziel.
*
Rätsel gebunden
Ein Gras vom Felsen!
Eine Blume ...
Vielleicht toter Stein ...
Vielleicht auch ein Leben ...
Wir wohnten in einer Höhle,
die Schlange und ich,
in meiner Mutter Höhle
wohnten wir beide heimlich.
Zerborstner Baumstamm, der seufzte,
das war meine Mutter,
eine stöhnend verflatternde Stimme
um Felsen in Nachtluft
klang meines Vaters herrische Stimme.
»Iß! Iß!« seufzte die Mutter!
»Verschlinge! verschlinge!«
brauste der Sturm.
Ich weinte ... ich weinte ...
und dann lacht ich,
weil mir grauste,
und aß die Schlange
und wurde hörend ...
Ein Gras vom Felsen!
Eine Blume ...
Vielleicht toter Stein ...
Vielleicht auch ein Leben ...
*
Trunkenste Stunde
Kühl im eisklaren Becher
flutet der Wein.
Schau in sein Gold
und träume
Liebe hinein!
Hebe die Schale in Sonne
hoch! und versunken zum Munde –
und dann flüstre die Worte:
»Ihr sei die trunkenste Stunde!«
Und bekränze dein Haar!
Und reiche die Wangen dem Winde!
Daß er dir Düfte wehe,
und um die Schläfen gelinde
streichle ein Hauch!
So tändeln selige Hände,
so küßt der duftende Atem
der Liebe dich auch.
*
Vision
Stürme, die mächtigsten, die ich gehört,
tosen und seufzen in nächtlichen Schlüften,
ducken die Büsche – und rufen aus Grüften
Tote – und heulen und singen betört.
Heimliche Stimmen, wie nie ich gehört,
klagen aus ewig ummauerten Banden.
Meine geheimsten Gedanken erstanden
aufgeschreckt und vom Tosen verfehlt.
Und wie im Wirbel in endlosem Zuge
wehen Verhüllte – in Mäntel verborgen.
Tote und Lebende, rastlos hinan –
Schatten – und Nächte ohn kommende Morgen
gierige Schwärme in reißendem Fluge
jagen gespenstig verwehende Bahn.
*
Erdenkindleins Wiegenlied
Du Kindlein weich!
Im Erdenreich
bist kaum erwacht
aus Schlummer.
Bald bist du Mensch
voll Tag und Tun,
in Groll und Kampf
und Kummer.
Schlaf süß! schlaf süß!
Aus Paradies
der Engel Gottes dich verstieß.
Schlaf süß! schlaf süß!
*
Pans Lachen
Wie frühe Saaten schimmern – sanft und reich –
Jung Schilf im blauen Sumpf – Viel Sonnenfunken
zerspringen auf dem Spiegel. Grundworts prunken
die Frühlingswolken, weißen Schwänen gleich.
Hin übers Wellenkräuseln – dumpf und weich
wie Elfentrommeln – rätselhaft ertrunken –
ein stilles Widertönen! – Sonnenfunken
zerspringen überm feucht kristallnen Teich.
Nie hört ich quellender im Schilfe zittern
das Lachen Pans, nie frühlingliches Beben
so aus dem Grunde, wie in sumpfiger Flut,
wo tausend Fröschlein neu in Lüfte wittern,
noch ganz erstaunte Äuglein schläfrig heben,
und heimlich trommeln ihre Liebesglut.
*
O Frühling! Rätsel du!
O Frühling! welches junge Wunder du,
das licht aus grauem Erdreich aufgeblüht,
das aus dem harten Astwerk weich aufglüht
in tausend Blütenwölkchen – Frühling du!
Ihr jungen Wasser findet nimmer Ruh
in jachem Wallen – und der Bettler zieht
in warmer Sonne – alles rauscht und blüht
Nur zärtlich Blühen deckt die Toten zu ...
O Frühling! Rätsel du! In tiefem Schweigen
quillst du aus Tode, wie am Schöpfungstage –:
verwandelt Gram in Licht und Stein in Brot.
Wär's nur ein Narrenspiel? Bist du der Tod?
Und lockest Tote nur voll stummer Klage
im Zaubermantel in den Geisterreigen?
*
Die Früchte sind rot
Ich sah einen elenden, hageren Rappen,
von Goldlaub umweht und in goldenen Scheinen,
mit schlürfendem Hufe, auf knickenden Beinen
den Dorfweg hinunter, ins Moor hin tappen ...
Und sitzt da in tollen Lumpen und Lappen
der lächelnde Tod mit staken Gebeinen
auf müdem Tier ... unter goldenen Scheinen ...
eintönig nickend im Trotte des Rappen.
Und Kinder tanzen. Und Krähen treiben.
Es ist das alte Lied in den Lüften –:
Die Goldfäden spinnen. Der Herbst ist laut.
Die Toten ruhen in ihren Grüften.
Die Blätter sinken. Die Früchte sind rot.
Und Kinder necken den lächelnden Tod.
*
Charon
Die Moorflut zittert. Ein Boot zieht her
auf glasigem Kanäle. Am Uferrand
der stumme Ferge stößt hart und schwer
verhüllte Ladung mit knöcherner Hand.
Die Moorflut rieselt ums schwarze Boot.
»Was hast du geladen, Fährmann? – Sprich!
Schläft dein Gefährte? – Ist er tot?
Wen stößt du ins Weite?« – – »Dich! – nur dich!«
Die Schatten eilen. Die Wolken ziehn
hoch oben in Lüften. Die Wellen sprühn
im Silberlichte –: – Durchs Brückentor
schwebte das Boot, das im Glanz sich verlor ...
Und ich? ich staune dem Fährmann nach,
der still hinleitet zum stillsten Gemach.
*
Schale du des Wahns
Scharf schneiden dunkle Schatten in die Flächen
von Silber ... blinken Früchte in dem Strahle
des Mondes ... einsam glänzt geschliffne Schale
und ladet mit der Liebsten still zu zechen
in zauberschwüler Nacht –: – Ganz leis zerbrechen
rings Töne, kaum noch zu der Liebe Mahle
geboren aus der Seele Traumpokale,
die nur hinwehn und flüstern, niemals sprechen.
O Prunk der Liebesnacht, im Mondenscheine
des stillen Schlosses rings ... dess' Steinterrassen
verschlafen liegen ... zitternd kaum von Schimmer!
Und Schale du des Wahns ... ach immer, immer
seh ich dich lockend blinken ... und verlassen
und einsam liegt das Schloß, darin ich weine.
*
Reiter und Tod
Hoch über Gründen, die, vom Abend trunken,
verlornen Rauschens still Geheimnis tragen –
wo alles Leben Lärm wie tote Sagen
im Flüstern glüher Einsamkeit ertrunken –
dort, wo nur Felsen noch in goldnem Prunken,
stumm leuchtend jedes Riff, im Äther ragen –
die Fernen schon in Dämmerflören klagen,
eh sie in tiefe Rätselnacht gesunken –:
hinzog auf scheuem Pferd ein sicherer Reiter –
ein Strahlender – mit Singen und mit Loben
grüßt er des Sonnenfährmanns neigend Boot –
ein atmend aller Menschenhaft Befreiter –:
Und witternd – Nebelschleier los umwoben –
die Knochenhand am Zügel – schritt der Tod.
Dieses Buch wurde in Korpus Breitkopf-Fraktur gedruckt von der Offizin Haag-Drugulin A.-G., Leipzig