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Frühe

Namenlos

Namenlos bin ich wie der Sonnenstrahl.
Namenlos bist du wie eine flinkernde Welle.
Nicht deinen Namen kenn ich –
Nur deine Seele –
Und deine sammetschimmernde Haut –
Und deine frischen Lippen –
Und deine Kinderaugen, du Frühe.
Deine junge Seele glüht in deinem Wangenblut
Und drängt nach mir.
Wir lieben einander. –
Wie der goldene Sonnenstrahl den Bach liebt.
So liebe ich dich.
Wie er tändelnde Sonnennetze ihm in den Grund malt
So tändle ich in deinen goldnen Haaren, du Frühe,
Und werfe sie in frohem Übermute auseinander
Wie Sonnengeringel.
Unsere Augen sehen einander in ihre Tiefen.
Unsere Seelen lieben sich – namenlos.
Dein lieblicher Leib schmiegt sich an meine atmende Brust
Wie weiche Frühlingswellen,
In zeitlosem, raumlosem Traum ...
Und aus deinem Schoße erblüht träumend
Eine Menschenseele –
Eine neue Seele aus zweier Frühling –
Das Wunder der Liebe –
Die neue Seele, die »Ich« und »Du« heißt.

*

Singende Quelle

Weißt du, ich hab eine Quelle gefunden.
Die hab ich mit deinem Namen genannt.
In Lorbeerbüschen liegt sie versteckt.
Ich plaudre zu ihr: – ob sie mich wohl verstand?

Denn manchmal rauscht sie plötzlich nicht mehr,
Es singt ihre schäumende Frühlingsflut,
Als wenn du sängest dein Liebeslied,
So voller heimlicher Glut.

Dann lausch' ich und lausche weit entrückt.
Dann beug ich mich nieder zur Welle
Und küsse, als wenn's die Liebste war,
Inbrünstig die singende Quelle.

*

Blumensonnen

Tausend weiße Blumensonnen
Streut der Frühling seligem Schreiten,
Und um Busch und Dorf und Weiten
Weht ein schläfrig frohes Klingen.

Und durch Dorf und Busch und Weiten
Träum ich wieder neu beflügelt;
Und von Lenz und Licht umhügelt
Folg ich jungem Erdendrängen.

Mädchen tanzen Ringelreihen
Mitten auf der weißen Wiese;
Und ich fang die Anneliese,
Schwinge jauchzend sie im Maien.

Und von Busch und Dorf und Weiten
Lacht ein seliges Widerklingen,
Und wir tanzen und wir singen,
Und wir pflücken Blumensonnen.

*

Die seidenzarte Wimper
Von feinen Silberhärchen,
Wie frischer Rauhreif schattet
Sie lieblich deine Augen.

Wie wenn am Frühlingsmorgen
Sich blaue Blumen auftun –
Und noch vom Blütenkelche
Hinschmilzt ein frostiges Schimmern.

Ach, laß von deinen Augen –
Daß drin nur Frühling lache!
Jedwedes Winterbangen
Hinweg mich trinken.

*

Lichter Traum

Eine frische Quelle war's,
Die kühl aus Felsen raunte.
da kamst du heran aus Ferne und Duft,
Wie eine gutgelaunte.

Du lachtest hell und küßtest mich
Und hubst an, leise zu singen.
Und rings aus schläfrigem Frühlingsland
Begann ein Widerklingen.

O wunderholde, wehende Zeit,
Die ich dort lauschend gelegen,
Als bräch aus Lüften und Blütenbaum
Hernieder ein singender Regen.

Ein weißer Glanz umleuchtete mich,
Ich ruhte im schimmernden Raume –
Nun treibt mich Sehnsucht ratlos umher
Nach meinem lichten Traume.

*

Ich möchte nicht erwachen –
Du küßtest mich auf den Mund,
Du küßtest hell meine Augen
Und küßtest mich gesund. –

Ich möchte nicht erwachen –
Wir schwammen frei und kühn.
Rings um uns kühlende Wogen
Und rosige Schäume ziehn.

Ich reiche dir die Hände
Über die Wasserflut,
Ich hebe dich stolz aus den Wellen
In neckendem Übermut,

Entschwebe in die Lüfte,
Entschwimme wie der Aar
Hoch auf in sonnige Räume –
Wie triefte dein weiches Haar!

Und sehe, wie die Woge
Tief unten zum Strande schäumt,
Und fühle, wie die Liebe
In unsern Seelen träumt,

Und fühle, wie unsere Seelen
Sich weiten zum fernsten Raum,
Und Himmel und blühende Lande
Verschwimmen zu blühendem Traum.–

Ich möchte nicht erwachen –
Du küßtest mich ohne Leid.
Du küßtest meine Seele –
Und fühllos verwehte die Zeit.

Ich möchte nicht erwachen.
– – – – – – – –

*

Tändelnd umkosen mich weiche Winde,
Frühlingslüfte – lose – linde.
Und sie bringen Düfte getragen,
Süße Düfte vom ersten Blühen.
Und mein Blut fängt an zu glühen,
Möchte dir Wunder der Liebe sagen.

Aber ach! ich finde dich nicht,
Heiterste Blume, leuchtendstes Licht!
Meine Seele krampft ein Sehnen.
Kann den Frühling rings nimmer ertragen,
Möchte dir Wunder der Liebe sagen.
Nieder in Blüten fallen Tränen.

Goldner Mai

Ich hatte einen Traum,
Drin war es goldner Mai.
Du tanztest durch tauige Gräser
Wie eine lose Fei.

Im Erlenbusche schlief ich.
Da schlichst du behutsam heran
Und küßtest mich aufs Ohr
Und zupftest leise dran.

Dann hingst du deine Füßchen
In quirlende Bachesflut;
Und helle Augen lachten
Zurück im Übermut.

Ich konnt mich nicht ermannen,
Ich arg verschlafner Tor,
Bis tolles Plätschern weckte
Mein ganz verzaubertes Ohr.

Und wie ich meine Blicke
Eintauche ins Blumenmeer,
Da fällt dein Lachen und Klingen
Drollig über mich her.

Ich hatte einen Traum,
Drin war es goldner Mai.
Du flogst in meine Arme,
Der Kuckuck rief dabei.

*

Im Schatten goldner Blätter
Auf braunem Laub im Buchenhain
Lag ich in deinem weichen Schoß.
Du sangst mich leise ein.

Ich blinzelt in die Wipfel
Und sah dein träumendes Gesicht
Und dachte: Das ist Liebe,
Was träumend in dir spricht.

Ein Strahl küßt dir die Stirne,
Er küßt dein rotes Lippenpaar.
Die Stirne schimmert rosenblaß,
Die Lippen glühen wunderbar.

Ich sprach: »Ach, daß die Sonne
Dich sanft mit ihrem Lichte kose!
Du bist ein wahres Sonnenkind,
Du allerschönste Rose.«

Da raunt ein leises Flüstern
Voll tief versteckter Wonne:
»Geh meinem Liebsten aus dem Weg,
Du allerschönste Sonne.«

Ich sprang auf meine Beine,
Flocht goldnes Laub in schwarzes Haar,
Küß mit dem hellsten Sonnenstrahl
Zwei Mädchenaugen, wunderklar.

Dann sah ich stumm zur Erde
Und sah dein glühes Angesicht –
Und wußte: das ist Liebe,
Das heitere Himmelslicht.

*

Sonnengespinst

Ich saß im grünen Wald
und spann ein Sonnenkleid.
         Und weit und breit
         um Stamm und Krone
auch nicht ein leiser Laut.

Der stumme See lag vor mir,
         spiegelnd – weit.
Ein Käfer surrt heran:
         und dann, ganz weich,
aus Lüften über mir,
         den kühlen, klaren,
griff eine kleine Hand
und wühlt in meinen Haaren.

         Und dann – ein Tönen,
         zaubersam!
         Ein Chor schwoll an
         dazu ich spann
         ein Sonnenkleid
voll diamantner Flitter.

          Dann brauste rings
der alte Erdenklang:
der Sonnenfaden riß –
der Seele wurde bang...
Und wie der düstre Chor
im weiten Raum verweht,
         im schwarzen See
         wie Schaum
das goldne Kleid zergeht.

Gespinst aus lichten Fäden,
so lautlos floß es nieder;
         es war ein Sonnenkleid,
         ein schillernd Goldgefieder,
         das in dem See versank. –

*

Wenn ich tief im Zauberwalde
Unter goldnen Buchen schreite,
Und die Finken lustig schmettern.
Und die Hummel brummt ins Weite –

Wenn ich dann im Blaubeerkraute,
Ganz im lichten Blattverstecke
Sinnend liege – und zu Häupten
Über mich die Arme recke –

Und mir däucht aus jenen Tagen,
Daß ein Wildfang käm geflogen –
Und ich hör verträumtes Singen...
Zauberwald, du hast gelogen!

Nur die goldnen Buchenzweige
Über mir, die flüstern leise,
Und im Blau die Lämmerwolken
Tuen eine weite Reise.

*

Hinter Bergen will die Sonne schwinden.
Schwarzer Vogel singt im weißen Baume.
Und es klingt aus fernem Traume,
Was die ehernen Glocken künden.
         Über Sees Flut
         Wogt es weich und gut,
Mahnet mich an meine Sünden.

Ist, als käm aus meinen hellsten Tagen
Meine eigne Stimme, mich zu rühren,
Und mein Damals wollt mein Jetzt verführen.
O, ich kenne deine Fragen!
         Über Sees Flut
         Wogt es weich und gut,
Hört nicht auf mit dunklem Klagen.

*

Gestorben

Schwer und düster wogen die Glocken im Tal.
Düster wogt es in meiner Brust und bang.
Alles, alles gestorben mit einem Mal,
         Wo einst dein Lied erklang.

Einmal auf steinigen Wegen wandelten wir.
Deine Seele und meine, in jauchzendem Glück.
Nun ist das jauchzende Glück gestorben in dir.
         Wer ruft das Tote zurück?

Einmal mein Bild in blühender Seele lag,
Schimmerte drin wie heitrer Sonnenschein –
Und wie in tiefe Wasser, Stunde und Tag,
         Blickt ich verloren hinein.

Nun ist das leuchtende Bild zerronnen in dir.
Finstere Stürme dunkelten über mein Glück.
Und in heißem Grame weints in mir:
         Wer ruft das Tote zurück?

Wo einst alles, wo Stein und Blume klang.
Alles dort gestorben mit einemmal!
Düster wogt es in meiner Brust und bang.
         Hörst du die Glocken im Tal?

*

Komm! o komm! und singe dein Lied!
Es erquickt, wie ein frischer Quell.
Matt und grau die Wolke zieht –
Ach! – und dein Lied dringt sonnenhell!
Wenn es in zitternden Lüften rinnt,
Strahlt aus goldner Wolke ein Schein,
Glück und Liebe strömt jauchzend herein
In die weinende Welt.

*

Auf goldenen Sohlen

Ich hab ja ihr fliegendes Goldhaar gesehn
Frühzeitig über die Wellen wehn.
Auf goldnen Sohlen tanzte sie her
Aus Morgenwolken, auf wiegendem Meer.

Nun graue Welt – und das Schiff rollt dumpf –
Und die Esse qualmt – und die Meerflut kocht.
Und Wolkenherden wandern geschwind,
Und ich ziehe frierend durch Wogen und Wind.

Ach, käm doch die Blühende strahlend von Licht
Aus Wolken, mit taufrischem Angesicht!
Ich hab ja ihr fliegendes Goldhaar gesehn
Frühzeitig über die Wellen wehn.

*

Der Wind trug es her –:
eine Blüte, einen Klang.
Im Himmel über Saaten
wogt Lerchengesang.

Der Wind trug es her –:
ein Erinnern, ein Bild,
daß die Sehnsucht im Blute
sich leise, leise stillt.

Auch die Weide am Teiche
ächzt nicht mehr bar –:
denn der Lenz streut ihr
goldene Blüten ins Haar.

In blauenden Wassern
spielt lichter Sonnenschein,
los tändelnd und tanzend
mit Goldringelein.

Der Wind trug es her –:
ein Erträumen, einen Klang.
Im Himmel und im Herzen
wogt Lerchengesang.

*

In meiner Träume Heimat barg ich dich,
du klingend Lied, du heißer Sonnenschein!
Wo Nachtigallen klagen, klagst auch du!
Wo Rosen glühen, blühest stolzer du!
Wo Quellen strahlen, fühl ich deine Tränen.
Kein Totenschrein, darein ich dich gesargt.
Denn Lied und Liebe können nimmer sterben
in meiner Träume Heimat.

*

Wenn in fernen, sonnigen Tagen
Deine Stimme klang,
Wars, als würd davon getragen
Alles Rätsel, Schmerz und Plagen,
Wurd die schöne Welt Gesang.

Goldne Träume sind vergangen.
Flocken fielen sacht.
Winterstürme kamen. Winterbangen –
Fremde Seelen neue Lieder sangen,
Keine sang mit deiner Macht.

Könnt ich wieder hören
Deiner Stimme Laut!
Würdest neu mein Herz betören,
Würdest neu die trübe Welt verklären,
Liederbraut!

*


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