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XXXII.

Sie stillte ihre Thränen, sie fasste sich mit Mühe, um zu sprechen. »Sieh«, sagte sie, »es war, als ob ein feindliches Geschick alles nur so geordnet hätte, um mich recht unglücklich zu machen. Als du weg warst, hatte ich keine Freude mehr. Jene Abende mit dir waren mir so unendlich viel gewesen. Sieh, schon von dem ersten Moment an, als du in der lieben Muttersprache deinen Begleiter um Geld batest, von da an schlug mein Herz für dich, und als du mit so unendlichem Edelmut, mit so viel Zartsinn für uns sorgtest, ach, da hätte ich dich oft an mein Herz schliessen und dir gestehen mögen, dass ich dich wie ein höheres Geschöpf anbete. Ich weiss nicht, was mir für dich zu thun zu schwer gewesen wäre; und wie gross, wie edel hast du dich gegen mich benommen! Du gingst; ich weinte lange, denn ein schmerzliches Gefühl sagte mir, dass es auf immer geschieden sei; acht Tage, nachdem du abgereist warst, starb meine arme Mutter sehr schnell. Was du mir damals noch gegeben, reichte hin, meine Mutter zu beerdigen und ihr Andenken nicht in Unehre geraten zu lassen. Eine Dame, es war die Gräfin Landskron, die in unsrer Nachbarschaft wohnte und von uns Armen hörte, liess mich zu sich kommen. Sie prüfte mich in allem, sie durchschaute die Papiere meiner Mutter, die ich ihr geben musste, genau; sie schien zufrieden und nahm mich als Gesellschaftsfräulein an. Wir reisten; ich will dir nicht beschreiben, wie mein Herz blutete, als ich dieses Paris verlassen musste; es fehlten nur noch vierzehn Tage, bis die Zeit um war, die du zu deiner Rückkehr bestimmtest; dann wäre ich am ersten auf den Platz gegangen, hätte dich noch einmal gesprochen, noch einmal von dir Abschied genommen! Es sollte nicht so sein; als wir aus der St.-Severinsstrasse über den wohlbekannten Platz der Ecole de Médecine hinfuhren, da wollte mein Herz brechen, und ich sagte zu mir: ›Auf immer!‹ Eduard! ich habe nie wieder von dir gehört, dein Name war mir unbekannt, du musstest ja die Bettlerin schon längst vergessen haben; ich lebte von der Gnade fremder Leute, ich hatte manches Bittere zu tragen, ich trug es, es war ja nicht das Schmerzlichste. Als aber die Gräfin in diese Gegend auf ihr Gut zog, als Faldner sich um mich bewarb, als ich merkte, dass sie es gutmütig für eine gute Versorgung halte, wohl auch meiner überdrüssig war – nun, ich war ja nur ein einziges Mal glücklich gewesen, konnte nimmer hoffen, es wieder zu werden; das übrige war ja so gleichgiltig – da wurde ich seine Frau.«

»Armes Kind! an diesen Faldner, warum denn gerade du mit so weicher Seele, mit so zartem Sinn, mit so viel giltigem Anspruch auf ein zum mindesten edleres Los, warum gerade du seine Frau? Doch es ist so; Josephe, ich kann, ich darf keinen Tag mehr hier sein; ich habe ihn bei allem, was er Rohes haben mag, einst Freund genannt, bin jetzt sein Gastfreund, und wenn auch alles nicht wäre, wir dürfen ja nicht zusammen glücklich sein!« Es lag ein unendlicher Schmerz in seinen Worten; er küsste die Augen der schönen Frau, nur um durch den Gram, der in ihnen wohnte, nicht noch weicher zu werden. »O nur noch einen Tag«, flüsterte sie zärtlich; »habe ich dich ja jetzt eben erst gefunden, und du denkst schon zu entfliehen. Sieh, wenn du weg bist, da verschliesst sich wieder die Thür meines Glücks auf immer; ich werde Hartes ertragen müssen, und da muss ich doch ein wenig Erinnerung mir aufsparen, von der ich zehren kann in der endlosen Wüste.«

»Höre, ich will Faldner alles gestehen«, sprach nach einigem Sinnen der junge Mann, »ich will es ihm alles vormalen, dass es ihn selbst rühren muss; er liebt dich doch nicht, du ihn nicht und bist unglücklich; er soll dich mir abtreten. Mein Haus liegt nicht so schön wie dieses Schloss; meine Güter kannst du vom Belvedere auf dem Dache übersehen, du verliessest hier grossen Wohlstand, aber wenn du einzögst in mein Haus, wollte ich dir meine Hände als Teppich unterlegen, auf den Händen wollte ich dich tragen, du solltest die Königin sein in meinem Hause, und ich dein erster treuer Diener!«

Sie blickte schmerzlich zum Himmel auf, sie weinte heftiger. »Ach ja, wenn ich deines Glaubens wäre, dann ginge es wohl, aber wir sind ja gut katholisch getraut worden, und das scheidet nur der Tod! O du grosser Gott, wie unglücklich machen oft diese Gesetze! Welch eine Seligkeit, mit dir, bei dir zu sein, immer für dich zu sorgen, an deinen Blicken zu hängen, und alle Tage dir durch zärtliche Liebe ein Tausendteil von dem heimzugeben, was du an meiner lieben Mutter und an mir gethan.«

»Also dennoch auf immer«, sagte er traurig; »also nur noch morgen, und dann für immer scheiden?«

»Für immer!« hauchte sie kaum hörbar, indem sie ihn fester an ihre Lippen schloss.

»Hier also findet man dich, du niederträchtige Metze!« schrie in diesem Augenblick ein Dritter, der neben dieser Gruppe stand, sie sprangen erschreckt auf; zitternd vor Zorn, knirschend vor Wut stand der Baron, in der einen Hand ein Papier, in der andern die Reitpeitsche haltend, die er eben aufhob, um sie über den schönen Nacken der Unglücklichen herabschwirren zu lassen. Fröben fiel ihm in den Arm, entwand ihm mit Mühe die Peitsche und warf sie weit hinweg. »Ich bitte dich«, sagte er zu dem Wütenden; »nur hier keine Scene; deine Leute sind im Garten, du schändest dich und dein Haus durch einen solchen Auftritt.«

»Was?« schrie jener, »ist mein Haus nicht schon genug geschändet durch diese niederträchtige Person, durch dieses Bettlerpack, das ich in meinem Haus hatte? Meinst du, ich kenne deine Handschrift nicht«, fuhr er fort, indem er ihr das Papier hinstreckte; »das ist ja ein süsses Briefchen an den Herrn Galan hier, an den Romanhelden. Also eine Dirne musste ich heiraten, die du unterhieltest, und als du ihrer satt warst, sollte der ehrliche Faldner sie zur gnädigen Frau machen; dann kommt man nach sechs Monaten so zufällig zu Besuch, um den Hörnern des Gemahls noch einige Enden anzusetzen. Das sollst du mir bezahlen, Schandbube; aber dieses Bettelweib mag immer wieder mit Teller und Laterne sich am Pont des Arts aufstellen oder von deinem Sündenlohn leben. Meine Knechte sollen sie mit Hetzpeitschen vom Hof jagen!«

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