Jaroslav Hasek
Von Scheidungen und anderen tröstlichen Dingen
Jaroslav Hasek

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Die Verlobung meiner Schwester

Mein Vater ist höherer Staatsbeamte und heißt Alt. Meine Schwester heißt Matilde. Sie hat auch einen Staatsbeamten geheiratet. Er heißt Handschlag.

Zuerst ist meine Schwester mit einem gewissen Herrn von der Statthalterei herumgegangen. Der Vater hat dafür gesorgt, daß dieser Herr avanciert ist. Wie er avanciert war, hat Mama und Matilde geweint, weil der Herr dann aufgehört hat mit Matilde herumzugehen. 95

Darnach ist irgendein Professor zu uns gegangen. Der hat mit den Händen fort: So und so, gemacht und nach jedem zweiten Wort hat er gesagt: »Streng genommen.« Einmal hat er mir einen Globus gebracht und wie er dann aufgehört hat, zu uns zu gehen, hat er sich ihn wieder abholen lassen.

Nach dem Professor ist Matilde mit einem Ingenieur vom Landesausschuß herumgegangen. Der hat die Gewohnheit gehabt, sich ununterbrocben zu streiten und zu sagen: »Das Interesse des Landes verlangt es so.« Matilde hat ihn sehr lieb gehabt und hat eine Woche lang geweint, wie ihn Papa herausgeworfen hat, weil er gewollt hat, daß das Geld im Land bleibt und nicht nach Wien geschickt wird.

Darauf hat der Vater einen Beamten aus seinem Departement zu uns gebracht. Das war so ein stiller Mensch. Mit dem haben sie bis tief in die Nacht von Staatsangelegenheiten geredet.

Matilde hat gestickt und Papa und dieser Herr haben von Politik geredet und Wasser getrunken.

Matilde hat den stillen Herr sehr lieb gehabt. Dann hat sich herausgestellt, daß der stille Herr drei Kinder in Mähren hat. Er ist nie mehr gekommen und Papa hat gesagt, daß man ihn versetzt hat.

Ein halbes Jahr ist niemand zu uns gegangen. Matilde ist, ohne daß es zu Haus jemand gewußt hat, mit einem Offizier herumgegangen. 96

Dann ist Papa drauf gekommen und hat auf sie eingeredet, bis sie rot geworden ist. Dann haben wir alle geweint, weil Papa gesagt hat: »Die Schande, die Schande!«

Gleich am nächsten Tag hat Papa irgendeinen mageren Menschen mitgebracht, und das ist eben dieser Handschlag. Wie er weggegangen ist, hat Papa gesagt, daß er ein sehr begabter Mensch ist. Nach jedem Wort hat er gesagt: »Küß die Hand, gnädige Frau Rat!« und zu Papa hat er gesagt: »Verehrter Herr Rat!« Papa ist sein Vorgesetzer. Am dritten Tag ist er wieder gekommen und war fortwährend so ehrerbietig, unaufhörlich hat er gesagt »mit Verlaub« und »gnädige Frau« und hat die Hände geküßt. Er war bei uns zum Nachtmahl, zu allem, was Papa gesagt hat, hat er mit dem Kopf genickt, jeden Bissen hat er ehrerbietig geschluckt und leise gekaut, wobei er gesagt hat: »Es ist, mit Verlaub, ausgezeichnet!« Er hat auch gesagt: »Wie Sie zu befehlen belieben, Herr Chef!«

Wie er weggegangen ist, hat man mir gesagt, daß ich schlafen gehen soll und hat im Speisezimmer beraten. Ich hab hinter der Tür gehorcht und hab gehört, wie Papa gesagt hat: »Du wirst ihn auf Grund meines väterlichen Befehls heiraten und er dich auf Grund seiner Amtspflicht!« Dann hab ich gehört, wie Matilde gesagt hat, daß er ein Trottel ist. 97 Mama hat geseufzt und hat gesagt, daß sie ihn vorher nicht lieb haben muß, daß sie Papa als Ledige auch nicht lieb gehabt hat, erst nach der Hochzeit nach fünf Jahren, aber daß sie diesen Dummkopf nicht merken lassen darf, daß er ein Trottel ist und daß sie ihn nicht lieb hat.

Matilde hat gejammert, daß sie lieber in die Gebäranstalt gehen wird als jemanden zu heiraten, den sie nicht lieb hat. Mama hat es ihr aber ausgeredet, weil es heute keine geheime Abteilung mehr gibt.

Dann hat Papa Matilde ein Armband versprochen, eine Brilliantbroche und noch andere Sachen.

Matilde hat gesagt, daß sie sich ihn also nehmen wird, damit es keine Schande in der Familie gibt.

Dann haben Papa und Mama sie geküßt und haben gesagt: »Das ist unsere brave Matilde.«

Darauf hab ich gehört, wie sie von Handschlag gesprochen haben. Papa hat gesagt, daß er diesen Trottel befördern wird, aber erst nach der Hochzeit, damit er nicht weglaufen oder sich herausdrehen kann. Er ist blöd, aber sonst ein tüchtiger Beamte, dem die Amtspflicht heilig ist.

»Ob er dich nur nimmt,« hat Mama gesagt.

»Ich werde es ihm als Chef befehlen,« hat Papa gesagt, »und ihm alles sagen.«

Als Herr Handschlag am nächsten Tag kam, 98 benahm er sich sehr schüchtern und schaute fortwährend auf Matilde. Matilde haben sie vorher gesagt, daß sie ihn sehr anlachen und viel mit ihm reden soll. Sie hat gefolgt und er hat fortwährend leise gesagt: »Ja, gnädiges Fräulein.« Dann hat man Wein gebracht, er hat einen Schluck gemacht und gesagt: »Mit Verlaub, Herr Chef,« und hat angefangen von amtlichen Ausweisen zu reden. An diesem Tag haben sie nichts über ihn geredet, wie er weggegangen ist.

Am nächsten Tag hat Papa im Zimmer gesagt, wie er gemeint hat, daß ich es nicht hör: »Heute kommt mein Beamter um deine Hand anhalten, Matilde, steck dir eine Rose an die Bluse!« Das Dienstmädchen ist eine kaufen gegangen und Mama hat sich geärgert, weil sie eine Rose für dreißig Kreuzer gekauft hat und eine für fünfzehn auch genügt hätte. Dann haben sie Matilde parfümiert. Mit dem Parfum, das übrig geblieben ist, hab ich unsern Hund angestrichen.

Herr Handschlag kam im schwarzen Anzug und in weißen Handschuhen. Er war noch blässer und magerer als gestern. Wie er sich setzte, hat er wieder von Ausweisen gesprochen. Mama brachte Liqueur und hat ihm drei Gläschen eingegossen. Wie sie ihm das vierte eingegossen hat, hat er gesagt: »Das genügt, gnädige Frau,« und zu Papa hat er gesagt: »Ich 99 möchte um eine private Unterredung bitten, Herr Chef.«

Papa hat mir mit dem Finger auf die Tür gezeigt, dann ist Mama zu Matilde gegangen, die nebenan im Zimmer gegähnt und gesagt hat: »Der Schöps macht hübsch lange mit dem Heiraten!« Mama hat Matilde noch mit Puder überstrichen und da hat man Papa schon rufen gehört: »Matilde!«

Ich hab mich zur Tür gestellt und hab gehört, wie Papa gesagt hat: »Teuere Matilde, hier der Herr Handschlag hat bei mir um deine Hand angehalten. Ich hab nichts dagegen, aber die Hauptperson bist du. Was sagst du dazu?«

Ich hab gehört, wie Matilde geweint hat und gesagt hat: »Ja, ja!« Dann hab ich: »Mama!« rufen gehört. Mama kam herbeigelaufen und hat gesagt: »Kinder, ich hab's Euch gleich angesehen. Wie hübsch es Euch paßt!« Dann haben sie: »Pepperl!« gerufen. Ich bin gekommen und da haben sie mir gesagt, daß Herr Handschlag Matilde heiraten wird. Mama hat mich gefragt, ob ich ihn lieb haben werde. Ich konnte nicht sagen, daß nicht, und er hat mich gepackt, hat mich geküßt und geschrien: »Das Pepperl vom Herrn Chef.« Von da an hat er zu Papa gesagt: »Belieben zu befehlen, Herr Chef und Papa,« und zu Mama: »Küss' die Hand, gnädige Frau und Mama!« 100

Wie er weggegangen ist, hat er dem Dienstmädchen im Vorzimmer einen Gulden gegeben und mir hat er eine Krone gegeben und hat gesagt: »Da hat er, Pepperl vom Herrn Chef!«

Am folgenden Tag hat Herr Handschlag einen Ring gebracht und wie der Wein gekommen ist, hat er das Glas erhoben und gesagt: »Auf unsere glückliche Ehe, mit Verlaub Herr Chef und Papa und gnädige Frau und Mama!«

»Seid glücklich, Kinder!« sagte die Mutter und hat geweint. Wie ihn Matilde später ins Vorzimmer begleitet hat, hat man mich aus dem Zimmer gejagt, und Mama hat zu Papa gesagt: »Matilde wird im November niederkommen, das ist in zwei Monaten.«

»In einem Monat wird die Hochzeit sein,« hat Papa darauf gesagt, »und dann werden wir ihm erst das Dekret geben, daß er befördert wurde – –«

Dann ist Matilde gekommen und hat gesagt, daß der Trottel einen Kuss von ihr haben wollte.

»Ist das eine Frechheit!« sagte Mama.

»Aber er ist ein tüchtiger Beamter,« antwortete Papa. 101

 


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