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Detektiv Patotschka hatte sich bisher durch nichts Rühmenswertes ausgezeichnet. Er war durch Protektion zur Polizei gekommen und stellte dort einen Blödsinn nach dem andern an. Auf der Polizeidirektion wußte man, daß er zu nichts ordentlichem fähig war und wies ihm nur leichtere Aufgaben zu. So erhielt er eines Tages den Befehl, den Wohnsitz eines gewissen Johann Klein ausfindig zu machen; das war 66 ein Raseur, der früher in der Thungasse Nr. 15 bei der Witwe Peschek gewohnt hatte. Das Steueramt hatte nämlich an die Polizeidirektion eine Anfrage geschickt, wo der Gesuchte sich gegenwärtig befinde, zumal er bereits seit drei Jahren die Militärtaxe in der Höhe von K 8.– schuldig war. Detektiv Patotschka machte sich mit großem Eifer an diese Aufgabe, die sein erstes selbständiges, von niemandem abhängiges öffentliches Auftreten war. Vor allem ließ er sich seinen Vollbart abrasieren; dann zog er das einfache Kleid eines Schlossergesellen an, nahm ein Stemmeisen und eine Zange aus den Polizeirequisiten in die Hand, schwärzte sich die Hände, beschmierte sich das Gesicht mit Ruß und klopfte in einer blauen Schlosserschürze an die Türe der Witwe Peschek; als ihm hierauf eine ältere Frau öffnete, fragte er, ob hier nicht eine gewisse Frau Krombholz wohne, die nicht in die Wohnung gelangen könne, weil sie die Schlüssel verloren habe, weshalb er gekommen sei, die Wohnung zu öffnen. Man sagte ihm, daß hier keine Frau Krombholz wohne, sondern eine gewisse Frau Novotny. Er bedankte sich und kehrte hocherfreut nach Hause zurück, denn ihm ward klar, daß die Sache durch diese unverhoffte Wendung noch verwickelter geworden war, mußte er doch jetzt auch Frau Peschek suchen, was die Entdeckung der Wohnung Herrn Kleins doppelt ruhmreich machen würde. 67
An jenem Tage ruhte er sich gründlich nach seiner anstrengenden Arbeit aus und am folgenden Tag hielt er es für angezeigt, als Agent aufzutreten. Zu diesem Zweck kaufte er zehn Pakete Zichorie, legte sie in einen Handkoffer und ließ sich bei dem nächsten Raseur den Rest seines Bartes abrasieren. Mit einem hellen Überzieher bekleidet klopfte er an die Tür der Hausmeisterin des Hauses, in dem früher Frau Peschek und jetzt Frau Novotny wohnte. Als die Hausmeisterin öffnete, zog er alle zehn Pakete Zichorie aus dem Handkoffer und forderte die Hausmeisterin auf, sie Frau Peschek zu übergeben, bis diese nach Hause kommen werde. Frau Peschek habe sie am Tage vorher bestellt.
»Lieber Herr,« sagte die Hausmeisterin, »das wird ein Irrtum sein, Frau Peschek ist vor zwei Jahren gestorben und ihr Sohn hat einen Posten in einer Maschinenfabrik irgendwo in Przemysl in Galizien bekommen. Dort hat er geheiratet und jetzt hat er sich eine eigene Maschinenfabrik in Wysotschan eingerichtet.«
»Ich danke Ihnen,« sagte er, als er sich das alles notiert hatte. »Nehmen Sie diese zehn Päckchen für Ihre Freundlichkeit an.« – Hocherfreut kehrte er nach Hause zurück, rieb sich vergnügt die Hände und war sich vollkommen klar darüber, daß er zu einem großen und berühmten Detektiv heranreife. Am Morgen reiste er nach Przemysl, um 68 festzustellen, ob die Angaben der Hausmeisterin auf Wahrheit beruhten. Als er in Przemysl als polnischer Jude maskiert anlangte, schickte er an die Prager Polizeidirektion ein chiffriertes Telegramm:
»Verlange die Vorladung eines gewissen Peschek, Besitzer einer Maschinenfabrik in Wysotschan zwecks Feststellung, bei welcher Firma er in Przemysl gearbeitet hat.
Patotschka.«
Nach drei Tagen erhielt er folgendes Telegramm: »Johann Obulski, Geistgasse 10.« Er begab sich unverzüglich hin.
. . . Amerika ausgewandert und man sagte Patotschka, daß Obulski in Chicago in der dreihundertsechzigsten Avenue eine große Fabrik für landwirtschaftliche Maschinen besitze. Als hätte er dies vorausgesehen, hatte Detektiv Patotschka vor seiner Abreise nach Przemysl in Prag seine sämtlichen Ersparnisse in der Höhe von 8000 K behoben. Deshalb war es für ihn jetzt eine Spielerei, mit dem Schnellzug in Krakau einzutreffen, den Expreßzug nach Berlin–Hamburg zu benützen, wo er glücklich den Schnelldampfer »Kaiser Wilhelm« erreichte. In elf Tagen war er in Chicago und es war abermals eine Spielerei für ihn festzustellen, daß die Angaben der Hausmeisterin aus der Thungasse Nr. 15 auf Wahrheit beruhten. Bei Johann Obulski in Przemysl hatte tatsächlich der Sohn der Witwe Peschek, der jetzige Besitzer einer 69 Maschinenfabrik in Wysotschan gearbeitet, der Sohn jener Witwe, bei welcher der Raseur Johann Klein gewohnt hatte, den das Steueramt wegen 8 Kronen suchte.
Nachdem er dies festgestellt hatte, begab er sich hocherfreut zum nächsten Raseur, um sich rasieren zu lassen. Es waren einige Tschechen dort und der Raseur redete mit ihnen tschechisch. »Sie sind auch aus Böhmen?« fragte Patotschka gleichsam nebenhin. »Sehen Sie denn nicht die Firma Johann Klein?« Detektiv Patotschka sprang freudig auf und rief: »Also Sie haben bei der Witwe Peschek, Prag II., Thungasse Nummer 15 gewohnt?« – »Ja!«
So fand Detektiv Patotschka mit seinem Scharfsinn den gesuchten Johann Klein und kehrte ruhmbekränzt nach Europa und nach Prag zurück, nachdem er noch an die Prager Polizeidirektion folgendes Telegramm abgesandt hatte: »Chicago. Habe das gesuchte Individium Johann Klein, Raseur in Chicago, Avenue 315 gefunden. Patotschka.«
Er wurde dafür in den Adelsstand erhoben. 70