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Viertes Kapitel.

Mit den Erfahrungen wachsen die Sorgen.


Am nächsten Morgen beim Kaffeetrinken sahen sie die Anzeigen in ihrer Zeitung durch und beschlossen, daß Rose sich nach einer Pension umsehen solle, während Tom seinen Besuch bei Mr. Soule machte. Die Frage war, »Wie viel können wir bezahlen?« und Rose war es, die diese Frage anregte.

»Ich glaube nicht,« antwortete Tom, »daß ich darauf rechnen kann, mehr als zweitausend Dollars jährlich zu verdienen. Das wäre also vierzig Dollars die Woche. Wenn wir das zu Grunde legen, dürfen wir nicht mehr als zwanzig bis fünfundzwanzig Dollars Pension wöchentlich zahlen. Sieh zu, ob du etwas Anständiges für diesen Preis findest.«

»Wirst du zum zweiten Frühstück nach Hause kommen?«

»O gewiß, wir wollen uns um ein Uhr hier treffen und unsre Erlebnisse austauschen.«

So trennten sie sich.

Die Herren Shapleigh, Groon, Soule und Walker – denn Soule und Pinner hatten die bis dahin bestandene Gemeinschaft schon bald nach Rufus Gardiners Tod gelöst – hatten ihre Geschäftsräume im zehnten Stock eines Hauses in der Wallstraße.

»Mr. Soule ist noch nicht da,« wurde Tom beschieden. »Sie können Platz nehmen und auf ihn warten.«

Das that Tom. Er befand sich in dem großen Vorzimmer, dem Reich der Schreiber, der Laufburschen und der Arbeiterinnen an den Schreibmaschinen. Thüren, die auf mattgeschliffenen Glasscheiben die Namen der Geschäftsteilhaber in sauber gemalter schwarzer Schrift zeigten, führten in verschiedene Zimmer. Die Schreibmaschinen, die von hübschen jungen Damen bedient wurden, unterhielten ein beständiges zänkisches Klappern, geschäftige Leute kamen und gingen unablässig, die Schreiber tauschten gelegentliche Bemerkungen mit gedämpfter Stimme, während durch eine der erwähnten Glasthüren, die etwas offen stand, in eintönigem Silbenfall eine trockene, hohe Stimme hörbar war, die in hartem, unbiegsamem Singsang, der an den einer gesprungenen Glocke erinnerte, etwas zu erklären schien. Tom mußte lange warten, und das versetzte ihn allmählich in einen Zustand nervöser Erregung. Seine Hände wurden feucht, und jedesmal, wenn sich die Thür nach dem Gang öffnete, fuhr er zusammen. Er wurde befangen und meinte, jeder sähe ihn an. (Die hübschen Maschinenschreiberinnen richteten in der That dann und wann eigentümliche, nicht unfreundliche Blicke auf ihn.) Wenn die Schreiber untereinander flüsterten und kicherten, meinte er, es habe Beziehung auf ihn und sie lachten auf seine Kosten. Er hatte sich schon beinahe entschlossen, wieder fortzugehen und später am Tage noch einmal vorzusprechen, als Soule endlich erschien. Ein kleines, graues, sehniges Männchen, schwarz gekleidet, mit einer Ledertasche in der Hand, trat ins Geschäftszimmer und ging mit kurzen, raschen Schritten auf eine der Glasthüren zu.

Tom vertrat ihm den Weg. »Mr. Soule?« redete er ihn an.

»Zu dienen, mein Herr,« antwortete Soule mit einer hellen zirpenden Stimme, ohne den Sprecher zu erkennen. Aber plötzlich wurde er warm. »Wahrhaftig, wenn das nicht Tom Gardiner ist! Na, das muß ich sagen!« Er schüttelte dem jungen Manne herzlich die Hand und musterte ihn mit prüfenden Blicken. »Tritt näher, Tom, und nimm Platz. Ich habe dich wahrhaftig zuerst nicht erkannt, du bist so in die Breite gegangen, und dann – der Bart. Deinem Vater gleichst du nicht sehr; aber doch – im Bau der Stirn liegt etwas Aehnlichkeit. Nun, wenn du deines Vaters Verstand geerbt hast, kannst du dir Glück wünschen. Aber aus dem Bau der Stirn lassen sich keine Schlüsse ziehen, ich glaube nicht an Phrenologie und solchen Unsinn – wahrhaftig nicht. Na also, nun setz dich mal dahin – eine Minute mußt du mich entschuldigen, ich stehe im Augenblick zu deiner Verfügung; erst das Geschäft und dann das Vergnügen.«

Er wandte sich den Postsachen zu, die auf seinem Pult lagen, und das nahm ihn etwa zehn Minuten in Anspruch. Dann und wann schlug er auf eine Glocke, die neben ihm stand, und hielt ein kurzes Zwiegespräch mit dem Schreiber, der dem Tone Folge leistete. Tom nahm ein Buch auf – ein dickes in Schweinsleder gebundenes Corpus juris – und blätterte darin. Besonders aufregend war es nicht, und unser Freund fand die Einleitung etwas lang. Endlich warf Soule noch einen Blick auf seine Uhr, wandte seinen Drehstuhl Tom zu und hob an: »Na, Tom, da bist du also. Ich freue mich wirklich, dich zu sehen. Du nimmst's mir nicht übel, wenn ich dich Tom und du nenne, wie? Es erscheint mir so natürlich; wir kennen uns ja nun bald ein Menschenalter. Du bist auf Reisen gewesen, hast die Welt gesehen und dich prächtig herausgemacht – ohne Schmeichelei. Du bist kräftiger geworden, weißt du, und hast dir einen Bart stehen lassen. Als Junge warst du ein bißchen schmächtig, aber das Fleisch, das du angesetzt hast, steht dir ganz gut. Dein Vater war im Verhältnis zu seiner Größe stark, und vielleicht artest du ihm mehr nach, wenn du älter wirst. Ja, ja, so geht's.«

Soule hielt inne, musterte Tom noch einmal von Kopf bis zu Füßen und nahm dann seinen zirpenden Monolog wieder auf: »Na, Tom, was hast du denn zu der Geschichte mit unserm alten Freund Pinner gesagt? Schrecklich, ganz schrecklich! Und da fällt mir etwas ganz Sonderbares ein. Du weißt, daß ich deines Vaters Testament aufgesetzt habe. Ein Mann kann nicht sein eigener Rechtsanwalt sein, einerlei, ob es sich darum handelt, ein Testament zu machen oder einen Prozeß zu führen, er hat einen Narren zum Klienten, und deshalb ließ er es von mir aufsetzen. Er wollte mich zum Testamentsvollstrecker machen, aber ich lehnte ab. Jetzt wünsche ich, ich hätte es nicht gethan, aber was kann es nützen, über verschüttete Milch zu jammern. ›Ich bin beinahe so alt, wie Sie selbst, Gardiner,‹ sagte ich zu ihm. ›Pinner ist jünger und hat alle Aussicht, uns beide zu überleben. Nehmen Sie lieber Pinner.‹ Das war die Veranlassung, weshalb er ihn nahm. Gelungen, wie die Geschichte so gekommen ist, was? Aber wer konnte das voraussehen? Ich würde mich in jeder Höhe für Marcus Cicero Pinner verbürgt haben. Ein hervorragender Jurist war er nicht – dein Vater und ich, weißt du, wir lieferten das Hirn für die alte Firma – aber er war ein Geschäftsmann erster Klasse, scharf wie ein Rasiermesser und ehrlich. Den letzten Pfennig, den ich auf der Welt besitze, hätte ich ihm anvertraut, bin aber doch jetzt froh, daß ich das nicht gethan habe. Hahaha! Man kann nie sagen, wie's kommt, immer tritt das am wenigsten Erwartete ein. Wie's scheint, hat er den Kopf verloren. Weißt du, wenn's mir nach ginge, ich würde die Fondsbörse schließen, wie jede andre gewöhnliche Spielhölle. Ja, das würde ich thun. Sie richtet mehr Unheil an, als alle Pharobanken im Lande zusammengenommen. Sieh dir nur einmal die lange Reihe von Männern an, die sie ins Gefängnis gebracht hat. Ein wahres Treibhaus für Verbrecher, das ist sie – eine künstliche Glucke, um Spitzbuben auszubrüten. Schlimmer als Wein und Weiber – und darüber fällt mir ein, es freut mich, daß Pinner unverheiratet war. Andrerseits freilich, wenn er verheiratet, wenn er Gatte und Vater gewesen wäre, dann wäre dies wohl nicht vorgefallen. Man kann nie wissen. Er wäre vielleicht nicht vom geraden Wege abgewichen. – Dir ist wohl ziemlich trübselig zu Mute, was, Tom? Du hast ja wohl nahezu alles verloren, was du besaßest, nicht wahr?«

»Ja, bis auf den letzten Pfennig, mein Vater hatte alles in seinen Händen gelassen.«

»Richtig, richtig! Zu schlimm, wahrhaftig zu schlimm! Es gibt aber Leute, die noch schlimmer daran sind, als du. Denk nur 'mal an die arme alte Witwe, Mrs. Stevens. Sie besaß ein kleines, ein ganz kleines Vermögen in Huron-Central-Aktien. Pinner verwaltete es für sie, weißt du. Und nun kann sie betteln oder verhungern oder ins Armenhaus gehen, und sie ist gewiß über siebzig Jahre alt. Aber wie ist mir denn, habe ich nicht gehört, du seist verheiratet?«

»Ja, ich habe dies Frühjahr, am 4. Mai, geheiratet.«

»Ja, ja, richtig, so wurde mir gesagt. Pinner selbst hat es mir erzählt. Da drüben in Rom oder da herum, nicht wahr? Ich möchte deine Frau gern kennen lernen, schicke uns deine Karte, und meine Frau und ich werden euch gern einen Besuch machen. Was für eine Geborne ist sie?«

»Miß Cartret, Rose Cartret, eine Familie aus Massachusetts.«

»Ach so. – Hat sie dir etwas Vermögen zugebracht?«

»Nein, nicht einen Pfennig.«

»Nichts? – Mir ist doch so – Pinner hat ganz gewiß etwas davon gesagt, – aber was – was in aller Welt willst du denn nun anfangen?«

»Da liegt eben der Hase im Pfeffer. Ich muß unser tägliches Brot verdienen, und ich hoffte, Sie würden mir zu irgend einer Beschäftigung verhelfen können.«

Soule lehnte sich in seinem Stuhl zurück und betrachtete Tom mit weit geöffneten zweifelnden Augen, während ein langgezogenes, leises Hm – hm – m über seine Lippen kam, und er mit den Fingern auf der Armlehne seines Stuhles trommelte. »Tägliches Brot verdienen?« sagte er endlich. »Was kannst du denn leisten?«

»Nun, ich denke, es gibt vieles, was ich thun könnte. Etwas muß ich jedenfalls thun. Wir müssen doch leben.«

»Aber was kannst du thun?«

»Nun, ich bin zu beinahe allem bereit.«

»Hast du dich auf einen Beruf vorbereitet?«

»Nein, das nicht.«

»Hast du dich in irgend einem Fach besonders ausgebildet?«

»Ich – ich habe mich ganz besonders mit Litteratur beschäftigt.«

»Wie alt bist du? Einige zwanzig?«

»Drei – dreiundzwanzig. Im letzten Juni bin ich dreiundzwanzig geworden.«

»Dreiundzwanzig Jahre – keine Vorbereitung für einen Beruf – nichts Besonderes gelernt – eine Frau zu ernähren – ist das eine genaue Schilderung deiner Lage?«

»Ja – ganz genau.«

»Nun, Tom, wenn das eine genaue Schilderung deiner Lage ist, dann mußt du mir verzeihen, wenn ich sage, du sitzest in einer verfluchten Patsche.«

»Ja, ich weiß, daß ich keinen Beruf habe und keine nennenswerte Vorbildung für einen,« wagte Tom nach einer Pause verlegenen Schweigens zu sagen. »Aber ich habe doch immer eine gute allgemeine Bildung, bin nicht gerade auf den Kopf gefallen und würde gewissenhaft und fleißig sein. Es muß doch für einen Mann in meiner Lage irgend einen Weg geben, auf dem er seinen Lebensunterhalt verdienen kann. Andre thun's doch auch, weshalb sollte es für mich so schwierig sein!«

»Was verstehst du unter Lebensunterhalt, wieviel bedarfst du zum Leben?«

»Das weiß ich nicht so genau. Wir haben bis jetzt mein Einkommen ganz gebraucht – das wäre also Viertausend jährlich gewesen. Wir würden aber wohl auch mit der Hälfte auskommen – also Zweitausend. Ja, ich glaube, mit zweitausend Dollars jährlich könnten wir leben.«

Soule fuhr mit gerunzelter Stirn zurück: »Wie? Was?« fragte er scharf, beinahe ärgerlich.

»Ja, mit zweitau–«

»Zweitausend Dollars jährlich? Habe ich recht verstanden? Du bildest dir ein, zweitausend Dollars jährlich verdienen zu können?«

»Nun, das hoffe ich doch. Es ist doch wahrhaftig wenig genug.«

»Zweitausend Dollars jährlich? Du? – Dreiundzwanzig Jahre alt – nichts Gescheites gelernt –? Gott sei mir gnädig! Tom, du bist verrückt!«

»Nun ja,« lenkte Tom ein, »ich habe zweitausend gesagt, aber wahrscheinlich könnten wir auch mit weniger auskommen. Ich weiß es nicht. Wieviel könnte ich denn wohl verdienen? Wir werden unser Leben meinem Verdienst anpassen.«

»Nun hör' mal zu, Tom. Sage mir erst mal, was für eine Art von Arbeit du verrichten zu können glaubst.«

»Wie schon gesagt, habe ich mich mit dem Studium der Litteratur beschäftigt. Ich glaube, ich könnte für Zeitungen schreiben, – als Berichterstatter.«

»Du meinst also, zwischen Litteratur und Tagespresse bestände ein Zusammenhang? Schön, dabei wollen wir mal stehen bleiben. Wie meinst du denn eine Stellung bei einer Zeitung erlangen zu können? Die Frage kommt zunächst.«

»Ich dachte, dazu könnten Sie mir vielleicht verhelfen.«

»Ich? Wie kommst du denn auf den Gedanken? Ich habe bei den Zeitungen nicht mehr Einfluß als beim Mann im Monde. Also?«

»Wie machen's denn andre Leute? Ich kann auf die verschiedenen Redaktionen gehn, mich den Redakteuren vorstellen, – und sie um Anstellung als Berichterstatter bitten.«

»Gegen Gehalt?«

»Natürlich.«

Soule lachte. »O heilige Einfalt! Berichterstatter erhalten keinen Gehalt – wenigstens anfänglich nicht.«

»Wollen Sie damit sagen, daß sie umsonst arbeiten müssen?«

»Nein. Sie sind Lohnschreiber, sie bekommen so und so viel für die Spalte.«

»Nun, das kommt ja auf eins heraus; so und so viel die Spalte, oder Gehalt.«

»Mag sein, mag sein. Nun paß auf. Wir wollen mal annehmen, du thust, was du sagst, und gehst bei den verschiedenen Redaktionen umher, und wir wollen weiter annehmen, du erhieltest bei einer wirklich einen günstigen Bescheid, – ich möchte wetten, daß man dir überall die Thüre weisen wird, aber wir wollen mal, um uns die Sache recht klar zu machen, das Gegenteil annehmen – man sagt dir also: ›Ja, Sie können sich hier in der Nähe aufhalten und auf einen Auftrag warten.‹ Das ist das Höchste, worauf du hoffen kannst. Man würde dir gestatten, dich in der Nähe der Redaktion umherzutreiben und zu warten, bis dir der Redakteur einen Auftrag gibt. Was meinst du nun wohl, was du dabei verdienen kannst? Was denkst du, daß ein solcher Berichterstatter verdient?«

»Wahrscheinlich nicht viel, aber doch wohl genug, um leben zu können, sonst würde das Geschlecht der Berichterstatter bald aussterben.«

»Was willst du damit sagen – genug, um leben zu können?«

»Nun, wenn von zweitausend Dollars nicht die Rede sein kann, dann vielleicht fünfzehnhundert.«

»Lieber Gott, Tom, du bist zum Tollwerden. Fünfzehnhundert Dollars! Nun hör' mich an. Wenn du auf die eben beschriebene Art mit einer Zeitung in Verbindung trätest und im ersten Jahre durchschnittlich fünfzehn Dollars wöchentlich verdientest, dann könntest du lachen. Ja, mein junger Freund, wenn ein Berichterstatter im ersten Jahre fünfzehn, oder selbst nur zwölf Dollars wöchentlich verdient, dann kann er von Glück sagen. Meinst du, daß du damit leben und eine Frau ernähren könntest?«

»Nein, das wird wohl nicht gehn. Aber ich habe noch ein kleines Kapital in Händen – oder vielmehr, ich werde es haben, wenn unsre Möbel verkauft sind – etwa fünfhundert Dollars. Damit kann ich mir eine Zeitlang aushelfen, bis die Geschichte ordentlich im Gange ist.«

»Das ginge vielleicht, wenn du für diese Art von Arbeit besondere Geschicklichkeit besäßest. Wenn du den richtigen Zeitungsinstinkt hast und es verstehst, deine Berichte in dem eigentümlichen pikanten Zeitungsjargon abzufassen, und wenn es dir an der nötigen Dickfelligkeit nicht fehlt, und du dir nichts daraus machst, von allen Seiten angefallen und beschimpft zu werden, dann könntest du dir allmählich eine Stellung machen. Wenn du all diese Eigenschaften besäßest, dann würdest du vielleicht zwanzig, fünfundzwanzig, dreißig, vielleicht schließlich sogar vierzig Dollars wöchentlich zusammenschreiben können. Aber mehr als das – mehr als vierzig Dollars wöchentlich – ich glaube nicht, daß es mehr als ein Dutzend in New York gibt, die das verdienen, und die sind im Geschäft grau geworden und verstehen es aus dem ff. Vergiß doch ja nicht, daß es keineswegs litterarische Gewandtheit ist, was bei der Arbeit an einer Zeitung in Betracht kommt. Es ist der Riecher, der wittert, wann und wo etwas vorgefallen ist, rasche und populäre Schreibweise und eine eherne Stirn. ›So unverschämt wie ein Reporter‹ ist ja schon förmlich zum Sprichwort geworden.«

»Aber es gibt doch auch noch Redakteure – die Leitartikelschreiber, die Kritiker.«

»Gewiß, die gibt's. Aber bildest du dir denn ein, sie würden einen Neuling von dreiundzwanzig Jahren, der noch keine Erfahrung, keine Leistungen aufzuweisen hat, gleich unter die Redakteure aufnehmen? Nein, Freundchen, noch lange nicht. Mit dem Journalismus ist es wie mit jedem andern Beruf, man muß ganz unten anfangen und nach und nach emporsteigen. Man muß das Geschäft lernen, und während du das thust, während du mit Müh' und Not deine zehn oder fünfzehn Dollars die Woche verdienst, wie willst du während dieser Zeit deine Frau ernähren? Du sagst, du willst von den fünfhundert Dollars, die du in Händen hast, zu deinem Verdienst zulegen. Aller Wahrscheinlichkeit nach aber wirst du diese fünfhundert Dollars bis auf den letzten Pfennig aufgebraucht haben, ehe du überhaupt anfängst etwas zu verdienen, ehe du Beschäftigung erhältst, denn es findet sich nicht an jeder Straßenecke Arbeit, wie dir bald genug klar werden wird. Du bist verheiratet, und das hängt dir wie ein Bleigewicht am Fuße. Stündest du allein, dann läge die Sache ganz anders, dann könntest du auf Tagelohn arbeiten und dabei das weitere abwarten, deine Lehrzeit durchmachen, und dich allmählich emporbringen. Aber eine Frau ernähren, das ist der schlimme Punkt, verstehst du mich?«

»Das Bild, das Sie mir da gezeigt haben, ist gerade nicht ermutigend. Ich kann nur sagen, daß wir leben müssen, und daß ich auf die eine oder andre Weise die Mittel zum Leben anschaffen muß. Geht's nicht als Zeitungsberichterstatter, dann muß ich's auf andre Weise versuchen; ich kann doch meine Frau nicht verhungern lassen. Ich bin kräftig, zu jeder Arbeit bereit und kein Dummkopf, es muß doch irgend eine Art geben, meine Kenntnisse zu Geld zu machen. Ich kann z. B. Unterricht geben; in Sprachen – lateinisch, griechisch, französisch, italienisch – bin ich ziemlich bewandert, und in der Mathematik habe ich auch immer gute Zeugnisse gehabt.«

»Gut, wir wollen einmal annehmen, daß du zum Unterrichten befähigt bist. Wie willst du denn Schüler finden?«

»Ich werde mich darum bemühen müssen. Wie machen's denn andre?«

»Jawohl, danach umsehen. Vielleicht würdest du in einigen Jahren eine Lehrerstelle finden. Und dann? Was für einen Gehalt glaubst du wohl zu bekommen? Es wäre schon ein Glücksfall, wenn du zwanzig Dollars die Woche erhieltest.«

»Aber – aber – großer Gott! Sie – was – was soll ich denn anfangen? Ich kann nicht – ich habe – Sie wollen doch nicht sagen, daß wir buchstäblich Hungers sterben müssen? Meine Frau, sie – sie ist an einen gewissen Luxus gewöhnt, sie kann nicht in einer Mietkaserne wohnen; ich kann sie dem – dem – ich weiß nicht was – nicht aussetzen. Sie ist eine Dame, sie ist verwöhnt, sie – o, ich will alles, alles thun – Tag und Nacht arbeiten – was es auch sei, – nur – nur –!«

Er war aufgesprungen und lief mit erregten Geberden im Zimmer hin und her.

»Nun, nun, Tom, rege dich doch nicht so auf. Komm, setz' dich wieder hin und beruhige dich. Komm her, hör' mich an.«

»Ich bitte um Verzeihung, ich bin schon wieder ruhig, fahren Sie fort,« entgegnete Tom, zu seinem Sitz zurückkehrend.

»Du weißt doch, daß es mir nur darauf ankommt, dir deine Lage in ihrem wahren Lichte zu zeigen. Sich Täuschungen hinzugeben, kann doch gar nichts nützen, nicht wahr? Es ist viel besser, wenn du der Sache offen ins Gesicht blickst; du mußt nun einmal in den sauren Apfel beißen, das hilft nichts. Du gehörst zu der hilflosesten Menschenklasse, die es gibt; ja, mein Freund, ohne alle Frage zur hilflosesten Menschenklasse. Man könnte sie vornehme Arbeiter ohne Erwerbsfähigkeit nennen. Du bist ein Gentleman, das heißt, du hast eine gewisse Erziehung, eine gewisse Bildung genossen. Aber was für eine Erziehung? Was für eine Bildung? Was nützen sie dir? In welcher Weise unterscheiden sie dich von einem Manne, der sie nicht genossen hat? Das will ich dir jetzt sagen. Sie erhöhen deine Ansprüche ans Leben, ohne deine Tüchtigkeit fürs Leben zu vergrößern; sie erzeugen Bedürfnisse, die andre nicht fühlen, aber sie geben dir nicht die Fähigkeit, sie zu befriedigen. Verstehst du? Ein Mann, der weiter nichts kann, als lesen, schreiben und rechnen, ist für alle praktischen Lebenszwecke ebensoviel wert als du; er kann ebensoviel verdienen, als du; aber er hat wenige und einfache Bedürfnisse; die deinigen sind – dank deiner Erziehung und Bildung – mannigfacher und schwerer zu befriedigen. – Folgst du mir? Was also die Fähigkeit, Geld zu verdienen, anlangt, so stehst du mit ihm auf derselben Stufe. Deine Bildung erhebt dich nicht über ihn; was aber deine Bildung fertig gebracht hat, das ist, daß sie dich unfähig gemacht hat, ein Leben zu ertragen, wie jener es führen muß. Ja, Freundchen, so ist es, das ist die einfache, nackte Wahrheit; davon beißt keine Maus einen Faden ab. Deine Bildung hat dir die Neigungen, Gewohnheiten, Bedürfnisse und Schwächen eines reichen Mannes verschafft, aber sie hat dir weder Reichtümer verliehen, noch die Fähigkeit, Reichtümer zu erwerben. Du hast weder einen gelehrten Beruf erlernt, noch ein Geschäft. Wenn ein Mann ein Geschäft betreibt, sei es nun Juristerei oder Schuhflickerei, so hat er als Konkurrenten nur die beschränkte Zahl von Menschen, die dasselbe Geschäft ebenso gut oder besser verstehn, als er. Versteht aber ein Mann gar kein Geschäft, dann ist die Zahl seiner Mitbewerber thatsächlich unbegrenzt. Folglich übersteigt das Angebot an Arbeit die Nachfrage; Arbeit zu erhalten ist schwierig, ihr Preis gering. Nenne mir irgend etwas, was du leisten kannst; Tausende von Beschäftigungslosen können dasselbe leisten, ebensogut wie du. Im Kampf ums Dasein ist ein gewöhnlicher Handwerker besser dran, als du. Er ist darauf vorbereitet, dazu gewaffnet und gerüstet, sozusagen, du nicht. Er ist abgehärteter, er kann Entbehrungen ertragen, die du nicht ertragen kannst, und er besitzt in seinem Handwerk eine Waffe, die dir fehlt. Du gleichst einer Landratte auf dem Wasser oder einem Seemann am Lande. Es ist kein Platz für dich in der Welt, sie hat für dich keine Verwendung. Ja, Freund, Kraft ohne Erwerbsfähigkeit ist furchtbar im Nachteil, aber vornehme Arbeitskraft ohne Erwerbsfähigkeit ist noch weit schlimmer dran. Wenn du kein Gentleman wärest, dann gäbe es eine Menge Beschäftigungen, denen du dich zuwenden könntest, die dir aber als Gentleman verschlossen sind. Du kannst zum Beispiel nicht Schutzmann werden, und doch bezieht ein Schutzmann einen Gehalt von zwölfhundert Dollars jährlich. Aber du – nein, du kannst keine andre Beschäftigung suchen, als eine von denen, die man anständig nennt, und innerhalb dieser Grenzen ist alles besetzt und die Bezahlung lumpig. Nimm zum Beispiel eine Schreiberstelle. Das wäre das einzige, wozu ich dir allenfalls verhelfen könnte. Also eine Schreiberstelle. Eine Schreiberstelle, die zwanzig Dollars wöchentlich einbringt, ist schon ganz ungewöhnlich gut. Siehst du, worauf ich hinaus will?«

»Wie es scheint, wollen Sie mir klar machen, daß ich nicht hoffen darf, mehr als zwanzig Dollars wöchentlich zu verdienen. Nun, wenn andre Leute damit auskommen, werden wir's auch wohl können. Wir werden's wohl müssen, wie's scheint. – Können Sie mir eine solche Schreiberstelle verschaffen? Meinen Sie, daß es möglich sein wird? Ich habe sonst niemand, an den ich mich wenden kann – niemand, der in der Lage wäre, mir helfen zu können.«

»Natürlich, lieber Junge, wird es mir eine große Freude sein, alles für dich zu thun, was ich kann – um deiner selbst willen, und weil du der Sohn deines Vaters bist. Aber versprechen kann ich dir nichts. Das Höchste, was ich thun kann, ist es zu versuchen. Ich kann bei den Leuten, die ich kenne, nur fragen, und wenn ich etwas höre, kann ich dich empfehlen. Aber wie gesagt, Arbeit von der Art, wie du sie verrichten kannst, ist ungemein schwierig zu finden. Schreiberstellen zu zwanzig Dollars die Woche liegen nicht auf der Straße. Wochen, Monate können vergehn, ehe sich etwas bietet. Du hast ja aber noch fünfhundert Dollars, und wenn du hauszuhalten verstehst, muß das noch eine Weile vorhalten.«

»Natürlich werden wir so sparsam als möglich sein, und wenn zwanzig Dollars die Woche das Höchste ist, was ich zu verdienen hoffen darf, werden wir sofort anfangen, uns darauf einzurichten. Danach müßten uns fünfhundert Dollars sechs Monat über Wasser halten.«

»Das ist verständig, Tom. Ich werde dir ein paar Worte schreiben, sobald ich dir etwas mitzuteilen habe. Jetzt mußt du mich entschuldigen; ich habe um zwölf Uhr eine Besprechung in Liberty Street, und es ist schon fünf Minuten nach Zwölf. – O, gieb mir deine Adresse – das wäre eine schöne Geschichte gewesen, wenn du fortgegangen wärst, ohne mir deine Adresse da zu lassen, ha, ha, ha! – Schön! – Meine besten Empfehlungen an deine Frau – leb' wohl.«

Entsprach das Bild, das Soule von Toms Lage entworfen hatte, wohl der Wahrheit? Das war die Frage, die unsres jungen Freundes Gedanken bedrückte, als er nach der obern Stadt zurückkehrte. Verhielt es sich wirklich so, dann waren seine Aussichten nicht nur ernst, sondern nahezu verzweifelt. Sein Herz sank, sein Hals war ihm wie zugeschnürt, und der Atem rang sich ihm in stöhnendem Keuchen aus der Brust. Selbst wenn es ihm gelang, Beschäftigung zu finden, durfte er nicht hoffen, mehr als zwanzig Dollars wöchentlich zu verdienen; aber ob er überhaupt Beschäftigung finden würde, das war die Frage. Nach Soules Darstellung war das nichts weniger als leicht. Wochen und Monate mußte er vielleicht unthätig ausharren, ehe er auch nur anfangen konnte, einen Hungerlohn zu verdienen.

»Es wird wohl so sein,« sagte er sich. »Mr. Soule weiß, was er sagt. Er ist Rechtsanwalt, er ist mit dem Geschäftsleben genau bekannt und hat ganz gewiß recht. Was für eine Veranlassung könnte er auch haben, die Sache mir gegenüber falsch darzustellen oder auch nur zu übertreiben? Eher das Gegenteil! Ja, ja; es ist so, wie er sagt. Und dennoch –«

Und dennoch lehnte er sich dagegen auf. Soules Ausführungen erschienen ihm plötzlich ohne Sinn und Verstand. Er, Thomas Gardiner, ein gescheuter Mensch, mit einer guten Bildung ausgerüstet, voll Energie, begierig mit aller Kraft zu ergreifen, was sich ihm bieten würde – er sollte unfähig sein, seine Arbeitskraft, seine Kenntnisse, seinen Verstand nutzbar zu machen – er sollte dazu gezwungen sein, unthätig die Daumen zu drehen, aus Mangel an Arbeitsgelegenheit, – er sollte, wenn sich eine solche Gelegenheit bot, nicht im stande sein, sich der Welt in höherem Grade nützlich zu machen (und folglich auch mehr zu verdienen), als ein andrer mit beträchtlich geringeren Kenntnissen und Fähigkeiten? Das schien ihm nicht nur verkehrt und unvereinbar mit der allwallenden Gerechtigkeit, sondern auch unglaublich, eine contradictio in adjecto zu sein. Sein Verstand sträubte sich dagegen, ebenso wie er sich gegen die Behauptung gesträubt haben würde, daß zweimal zwei fünf mache, und doch – und doch hatte Mr. Soule das gesagt, und Mr. Soule mußte es wissen.

Tom empfand die Bitterkeit des Gemüts, die wir alle fühlen, wenn wir uns einem Lehrsatz oder einer Behauptung gegenübergestellt sehen, die uns verblüffen, einer Erscheinung, die wir nicht wegleugnen, aber noch weniger als wirklich vorhanden zugeben können, die mit allem, was wir bis dahin für zweifellos und unbestritten gehalten haben, in unlösbarem Widerspruch steht, die allen Gesetzen richtiger Gedankenfolgerung hohnspricht, und uns dennoch mit der Unbeugsamkeit unleugbarer Thatsachen ins Gesicht starrt. Und auch die schmerzlichere und schwerer zu ertragende Bitterkeit blieb ihm nicht erspart, die ein Mann fühlen muß, der sich stark weiß, aber in hilfloser Ohnmacht seine Kraft nicht anwenden kann. Gefesselt und geknebelt zu sein, wie Gulliver von den Lilliputanern gefesselt und geknebelt war, das war seine Lage, und er konnte nichts thun, als hoffen und harren.

Ein so tief entmutigter und niedergeschlagener junger Mann, wie Tom, war wohl in diesem Augenblick auf der ganzen Manhattaninsel nicht zu finden. Wenn er den Blick in die Zukunft richtete, fuhr er erschrocken zurück, denn es zeigte sich ihm kein Hoffnungsschimmer; wenn er an seine Frau dachte, zog sich ihm das Herz in krampfhaftem Schmerz zusammen. Ihr liebes Antlitz stand vor ihm, blaß, abgemagert, mit traurigen, sorgenvollen Augen, gleichsam ein prophetisches Bild des Mangels, der Entbehrungen, die von ihr fernzuhalten, er vielleicht nicht im stande sein würde. – Wie im Traum wandelte er den Broadway hinauf. Zeit und Entfernung gingen spurlos an ihm vorüber, so daß er überrascht war, als er sich plötzlich an der Ecke der 42. Straße fand. Er sah nach seiner Uhr, es war ein Viertel nach Eins.

»Ah, Monsieur, endlich!« rief Rose, als er ins Wohnzimmer trat. »Wissen Sie auch, mein Herr, daß Sie zwanzig Minuten zu spät kommen?«

Natürlich folgten auf diese Bemerkungen einige Zärtlichkeiten, die wir wohl übergehen können. »Sieh mal da,« gebot sie, als dies Geschäft gründlich und mit Erfolg besorgt war, und deutete mit dem Finger die Richtung an, die sein Blick nehmen sollte. Er gehorchte und sah hin, und was er sah, war der kleine runde Tisch, an dem sie gewöhnlich ihren Morgenkaffee tranken, bedeckt mit einem blütenweißen Tischtuch und besetzt mit allem, was zu einem einladenden Frühstück gehört.

»Siehst du,« erklärte sie, »Sparsamkeit ist eine gebieterische Notwendigkeit für uns, und da wir die Erfahrung gemacht haben, daß es durchaus keine Ersparnis ist, wenn wir nach einem billigen Restaurant gehen, habe ich beschlossen, daß wir von jetzt an, bis wir ausziehen, jeden Tag chez nous frühstücken. Heute haben wir weiche Eier, die ich auf unsrer Spirituslampe kochen werde, geröstete Brotschnitten, gesalzene Zunge, Thee und Pfirsiche. Du sollst mal sehen, wie hübsch das wird, und so sparsam, ganz wundervoll. Ich habe nicht einmal volle zwei Dollars ausgegeben und Vorräte eingekauft, die uns für drei oder vier Tage reichen werden. Und dann ist's auch so'n Spaß, meinst du nicht? Und – aber Tom, warum siehst du denn so verdrießlich aus? Gefällt's dir nicht? Magst du das nicht? O, ich dachte, ich glaubte –«

»Nein, nein, das ist's nicht, mein Schatz. Das ist ein herrlicher Gedanke von dir. Aber ich habe dir noch nichts von meiner Unterredung mit Mr. Soule erzählt.«

»O, Tom! Was denn? War er garstig gegen dich? Du siehst so – so traurig – so sorgenvoll aus.«

»O nein, er war sehr gütig und freundlich. Aber er sagte – und ich glaube, er weiß Bescheid – er thut wenigstens so – und man sollte denken, er müßte Bescheid wissen – er sagte, ich könnte unmöglich mehr als zwanzig Dollars wöchentlich verdienen.«

»Zwanzig Dollars wöchentlich – und?«

»Nun, hast du einen Begriff davon, wie furchtbar wenig das ist? Das ist ungefähr der vierte Teil von dem, was wir bis jetzt verbraucht haben. Ich sehe keine Möglichkeit, wie wir davon leben sollen. Nimm nur mal allein das Kostgeld. Wir können keinesfalls mehr als allerhöchstens fünfzehn Dollars bezahlen. Was für eine Sorte Pension werden wir wohl für fünfzehn Dollars die Woche finden!«

»Ich weiß nicht,« entgegnete sie kleinlaut und den Kopf schüttelnd. »Ich habe mich heute morgen nur nach Pensionen zu fünfundzwanzig Dollars umgesehen. Dafür könnten wir ein ganz behagliches Unterkommen finden.«

»Nun müssen wir uns also etwas für fünfzehn Dollars suchen. Ich fürchte, das wird recht schwierig sein und ganz besonders hart für dich. Wir werden sehr arm sein, viel ärmer, als wir dachten. Er meinte auch, es würde wohl ziemlich lange dauern, bis ich überhaupt Beschäftigung fände. Möglicherweise muß ich, wer weiß wie lange, unthätig bleiben.«

Und dann schilderte er ihr die bitteren Pillen, eine nach der andern, die ihm Soule zu verschlucken gegeben hatte, und das Ergebnis war, daß keins von beiden viel Eßlust hatte, als sie sich zu Roses selbstbereitetem Frühstück niederließen. Sie aßen buchstäblich ihr Brot mit Thränen.

Allein der Hoffnung Spannkraft nimmt in der menschlichen Brust nie ab. Bald spielte wieder ein Lächeln um Roses Lippen. Wie die Sonne, die im Frühjahrsschauer einen Regenbogen hervorgezaubert, der ja das Sinnbild der Hoffnung ist, schimmerte es durch ihre Thränen.

»O, Tom, er irrt sich ganz bestimmt,« behauptete sie. »Was er sagt, ist ja ganz unvernünftig. Er ist ein greulicher alter Unglücksrabe, ich wollte, du wärst gar nicht zu ihm gegangen. Und Tom, du weißt doch, heute abend kommt Mr. Pearse, um uns den Namen des Versteigerers mitzuteilen. Ihn wollen wir fragen, und was er sagt, das wollen wir glauben, Tom.«

Pearse kam, und Tom teilte ihm mit, was Soule gesagt hatte. »O, Mr. Pearse,« flehte Rose. »Es ist nicht wahr, es kann nicht wahr sein! Ich habe Tom gesagt, er solle nur warten, bis wir mit Ihnen gesprochen hätten, Sie würden sagen, es sei nicht wahr.«

Pearse wurde dadurch in eine keineswegs angenehme Lage versetzt. Eine Weile schwebte er zwischen einer frommen Lüge und einer grausamen Wahrheit. Endlich entschied er sich für diese.

»Ich – ich fürchte, Mrs. Gardiner, es ist viel Wahres in dem, was Mr. Soule gesagt hat. Ein Mann ohne Berufsbildung gleicht heutzutage einem Krüppel ohne Krücken. Schreibarbeit ist beinahe das Einzige, was er leisten kann, und die ist schwer zu finden und wird erbärmlich bezahlt. Für rein mechanische Schreibarbeit ist zwanzig Dollars wöchentlich schon eine sehr anständige Bezahlung.«

Die Finsternis wurde dichter.


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