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7.

Das auf dem Felde und in den Werkstätten arbeitende Volk will nirgends Krieg, am allerwenigsten das Volk auf dem Lande und am Pflug. Das Wort Krieg ist ein Schreckenswort für die arbeitende Menschheit, die im allgemeinen zufrieden ist, wenn sie auskömmlich Brot und ein gerechtes Maß persönlicher Freiheit hat. Ein Volk muß schon bis aufs Blut geschunden werden, bis es, wie in Frankreich Ende des 18. Jahrhunderts, zur Revolution greift.

Trotzdem das Wort Krieg ein Schreckenswort ist für die Masse des Volkes, kommen immer wieder Kriege, weil sie, wie ich schon gesagt, zu den Flüchen gehören, die auf der Menschheit liegen. Seitdem Gott die ersten Menschen, welche der Versuchung des Feindes Gottes unterlegen waren, – an den Sündenfall glauben alle alten Religionen – aus dem Paradies des Friedens trieb und Kain seinen Bruder erschlug, seitdem hetzen die teuflischen Leidenschaften: die Herrschsucht, die Hab- und Rachgier, die Ruhmsucht einzelner oder ganzer Gruppen die Menschen in Kriege, und niemand freut sich darob mehr, als der Feind Gottes und des Menschengeschlechts.

Im gegenwärtigen Krieg haben die Habgier der Engländer, der Neid der Russen, die Rachsucht der Franzosen und die Käuflichkeit italienischer Hetzer die Völker am Pflug und in der Werkstätte mit allen möglichen Mitteln in den Krieg getrieben, dessen meistes Blut das arme Volk liefert und dessen Hauptziel der Niederwerfung Deutschlands gilt. Wenn man die Haupthetzer in England, Frankreich und Rußland hört, wollen sie vorab Deutschland klein machen und nebenher seinen Verbündeten, den Österreichern und den Türken, den Meister zeigen. Sie haben aber diesmal die Rechnung ohne den Wirt gemacht, wie man im Schwarzwald sagt, d. h. ohne die Preußen.

Ich liebe, wie man aus meinen Büchern weiß, die Preußen nicht besonders. Sie sind mir zu viel Herrenmenschen, und ich liebe das gemeine Volk, aus dem ich herkomme. Auch steckt mir seit 1849 eine Abneigung gegen die Preußen im Blut, weil sie mir, dem feurigen Revolutionsknaben, den Heckerhut mit der Hahnenfeder und der schwarz-rot-goldenen Kokarde vom Kopf diktierten und der ganzen badischen Republik ein schnelles Ende bereiteten. Aber trotzdem habe ich seit vierzig Jahren ihre hervorragenden Leistungen in der Verwaltung und im Kriegswesen stets anerkannt, obwohl, wenn es auf mich ankäme, es keinen einzigen zum Totschießen seines Mitmenschen organisierten Soldaten auf Erden geben dürfte. Das wäre auch der Wille Gottes.

Doch wo Licht ist, ist auch Schatten, und je größer der Mann, um so länger der Schatten, sagt ein altes Sprichwort. Drum haben auch unsere norddeutschen Brüder ihre Schattenseiten. Sie wissen sich z. B. außerhalb ihres engeren Landes nicht beliebt zu machen. Doch auch dafür haben sie eine Entschuldigung, wenn unser Weltweiser Schopenhauer recht hat, daß nur die Lumpen allgemein beliebt seien.

Die Preußen haben schon in den Befreiungskriegen vor 100 Jahren das Beste geleistet. Aber als fünfzig Jahre später die Kriege mit Dänemark und Osterreich kamen, hatten sie, wie der schon genannte Prinz und General Hohenlohe, der sie mitmachte, schreibt, das praktische Kriegsspiel verlernt und machten nicht wenige Fehler. Aber sie zogen Nutzen daraus und lernten, lernten, lernten unter des Königs Wilhelm eifriger Mitwirkung, bis sie 1870 unter der Oberleitung des großen Strategen Moltke die glänzenden Siege über die Franzosen erfochten. Moltkes Schule und das eifrige Lernen auch nach den Siegen schufen die deutsche Reichsarmee, die heute der ganzen Welt die Spitze bietet, sieghaft die Hauptlast des Weltkrieges trägt und ihren Verbündeten vom heiligen Land Tyrol bis Konstantinopel mit Rat und Tat zum Siege hilft.

Und heute stehen alle unbesiegt da. Aber der schreckliche Krieg mit einer Welt voll Feinden hat furchtbar schwere Opfer gekostet an Gut und Blut, und niemand, außer den Wucherern und Kriegsgewinnern, ist in deutschen Landen, der nicht den Frieden wünscht, aber einen des Blutes und der Opfer würdigen, ehrenvollen Frieden. Keinen Frieden, wie die bisher immer unterliegenden Feinde, die Engländer und Franzosen und Russen, ihn uns in ihrem Hochmut und in ihrer Verblendung diktieren möchten. Auch wünschen wir keinen Frieden, in welchem, wie es schon öfters geschehen in der Geschichte der Kriege, Tinte und Feder, d. i. die Diplomaten am grünen Tisch, verderben und schmälern, was Blut und Eisen gewonnen haben. Anno 1871 mußten die Franzosen alles ersetzen, was wir Deutsche Schaden hatten, und jedes deutsche Dienstmädchen, das in Paris seinen Koffer eingebüßt bei der Ausweisung, mußten sie entschädigen.

Wir erwarten auch einen Frieden, der nur des ganzen Volkes Wohl im Auge hat, ohne die Interessen und die Konkurrenzfurcht einzelner Großindustriellen und Großkapitalisten zu berücksichtigen.

So groß der Ruhm ist, den die deutschen Reichsheere unter preußischer Führung sich erwerben, ebenso groß wäre die Schmach, wenn wir bei Beendigung des Kriegs wieder den deutschen Michel spielten und unsern Feinden, die Deutschland zertrümmern und zerstückeln und arm machen wollen auf Jahrhunderte hinaus, nachgeben und weichen würden, ehe wir so viel als möglich Sühne hätten für Blut und Gut, für Witwen und Waisen der Gefallenen und für das Heer von Invaliden aller Art und ehe wir dafür gesorgt hätten, daß wir in Zukunft nicht so leicht überfallen werden.

Wir haben noch Verluste genug im Handel, im Verkehr mit dem Ausland, in der Industrie und im Gewerbsleben, und die Zukunft wird uns ohnedies noch Opfer genug auflegen, und wir werden größere Lasten tragen, als vor dem Kriege. Erst die Enkel der Väter, die heute im Felde stehen, werden vielleicht bessere Zeiten schauen. Aber wie lange? Hienieden ist das Land der Vergänglichkeit und des Vergessenwerdens. »Vorüber gehen die Schmerzen und die Wonnen,« sagt ein Dichter. Die Wunden des heutigen Kriegs werden heilen – die Herzen, die heute bluten, werden zu schlagen aufhören, die Augen, die heute weinen, sich schließen für immer – und die Toten und Gefallenen werden vergessen sein, wie heute in den eigenen Familien die auf den Schneefeldern Rußlands im Winter 1812/13 Begrabenen. Nur in den Geschichtsbüchern werden dereinst die Großtaten unserer Tage noch fortleben, im Volke nicht mehr.

Das ist der Gang des Menschenlebens.

Trotz des Abscheus vor dem gräßlichen Morden in der heutigen Kriegführung und trotz des Abscheus vor künftigen Kriegen werden die Menschen späterer Generationen wieder Kriege führen. Selbst Revolutionen werden kommen und die »Brüderlichkeit« ebenso wenig bringen, als die große französische Revolution sie gebracht. Diese Dinge, so schrecklich sie sind, gehören nun einmal zum eisernen Bestand des menschlichen Elends, das auch fortbesteht, trotzdem der große Friedensfürst und Verkündiger der Feindesliebe auf Erden erschienen ist. Wie heißt es im Evangelium des Weihnachtsfestes?: »Er kam in die Welt, aber die Welt hat ihn nicht erkannt.« Und sie erkennt ihn heute noch nicht, sonst wäre die Welt ein Paradies des Friedens und der Liebe; arm und reich würden nach seinen Lehren leben und handeln und die Macht des Bösen wäre gebrochen.

Die Menschen erkennen nicht, was ihnen zum Frieden dient. Sie meinen, Künste und Wissenschaften, Gesetze und Bildungsanstalten und Elektrizität und Dampf und Eisenbahnen und Industrie könnten ihnen das Glück bringen. Aber sie bringen es nicht und werden es nicht bringen. Drum wird es auf Erden fortgehen in Kampf und Streit, in Not und Tod, bis zu dem Tage, da sich erfüllt, was der Seher der Geheimen Offenbarung schreibt: »Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. Denn der erste Himmel und die erste Erde waren vergangen. Das Meer ist auch nicht mehr. Gott wird abtrocknen alle Tränen. Es wird weder Tod noch Trauer noch Klage noch Schmerz mehr sein. Denn was vorher war, das ist vorüber. Der auf dem Throne saß, sprach: ›Siehe, ich mache alles neu‹«

Also auch die Meere werden vergehen und damit der ewige Krieg, der in ihnen herrscht unter den Geschöpfen in den Wassern.

Alle Kreatur, alles Geschaffene seufzt nach Erlösung, sagt der Apostel. So ist es. Es seufzt nicht bloß der Mensch und klagt und weint hienieden; es seufzen die Meere, in dumpf brüllendem Weh ihre Wellen peitschend; es seufzen die heulenden Winde und Stürme; es seufzen die Tiere, die in der Wildnis brüllen, und es klagt das Vögelein im Singen sein Leid. Nur ihr Fische seid stumm, aber aus der Tiefe eurer Augen spricht die Wehmut und die Traurigkeit, das stille Dulden, und der Delphin weint.

Also allüberall Leid und Schmerz und Klage, nicht bloß auf den Schlachtfeldern der Menschen und in ihren Heimstätten. –

Und nun, ehe wir uns trennen, liebe Fischleute, habe ich noch eine Bitte an einige von euch.


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