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11.

Zwölf Tage später ritt ein Herold des Herzogs Albrecht von Österreich, der zu Ensisheim im Elsaß Hof hielt, mit einem Knecht vor der Burg von Hasela an und begehrte Einlaß im Namen seines Herrn.

»Kann mir schon denken, was der will«, lachte Graf Götz, als ihm der herzogliche Bote gemeldet wurde. »Laßt ihn ein und bringt ihn her!«

Der Reisige trat bald darauf vor den Grafen, bezeichnete sich als den Edelknecht Hug von Niefern und übergab ihm ein Schreiben seines Herrn. In diesem meldet der Herzog »seinen lieben getruwen vettern Johans und Götze gebrüder«, daß die Bürger von Villingen sich in ihrer Not und Bedrängnis an ihn gewandt und gebeten hätten, für sie einzustehen bei den Grafen von Hasela.

Er, der Herzog, schlage nun vor, am Samstag »vor sant Bartholomestag« in Offenburg eine Zusammenkunft und ein Mahl zu halten und dabei die Wirrnisse zu schlichten. Es sollten noch dazu als Schiedsrichter geladen werden Bischof Johans von Straßburg, Graf Rudolf von Hohenberg, Herzog Lutzmann von Teck und die freien Herren Otto von Ochsenstein und Walther von Geroldseck.

»Die hacken mir die Augen nicht aus«, murmelte der Graf vor sich hin. »Der Hohenberger, der Geroldsecker und der von Teck sind meine Vettern.«

»Macht's Euch bequem in meiner Burg«, sprach er laut zum Herold; »nächtigt hier und morgen reitet Ihr zurück mit meiner Antwort.«

»Der Herr Herzog läßt nur mündlich um ja oder nein bitten, und für den ersten Fall hab' ich schon je einen Brief an den Herzog von Teck und an den Grafen von Hohenberg zu bestellen und soll alsbald wieder abreiten«, gab der Reisige zurück.

»Gut, ich sage: Ja – und komme nach Offenburg mit meinem Bruder. Aber jetzt nehmt einen Imbiß und einen Trunk mit, ehe Ihr weiter reitet. Nach der Burg Schiltach, wo der Herzog von Teck haust, habt Ihr noch vier Stunden. Dort werdet Ihr nächtigen.«

»Es ist mir das Kloster Alpirsbach als Nachtquartier angewiesen worden«, antwortete der Edelknecht; »aber ich bin fremd hier in der Gegend und noch nicht lange in des Herzogs Diensten. Mein Herr war bislang der Graf von Pfirt, des Herzogs Schwervater.«

»Ich gebe Euch einen Knecht mit bis Schiltach und Alpirsbach. Sollte doch dieser Tage einer ins Kloster reiten. Ich habe den Mönchen Lieder geschickt zum Abschreiben und will fragen lassen, ob die Abschrift fertig ist. –

Wann waren denn die Villinger in Ensisheim?«

»Vor etwa sechs Tagen, Herr, aber sie mußten drei Tage warten, der Herzog war im Welschland bei einem Turnier. Und ich bin nun den dritten Tag unterwegs – das ganze Elsaß herunter und hatte noch in Straßburg beim Bischof ein Schreiben abzugeben.«

»Ich will«, nahm Graf Götz wieder das Wort, »während Ihr und Euer Knecht euch erfrischt, auch ein paar Zeilen an meinen Hohenberger Vetter schreiben, damit er Euch guten Bescheid gibt und hier einkehrt, wenn er nach Offenburg reitet, und nicht den Weg über den Kniebutz und durchs Renchtal nimmt. Auch an den Herzog von Teck will ich Euch was mitgeben.« –

»Rumo«, sprach der Graf, nachdem des Herzogs Herold wieder fort war und der Knappe die leeren Kannen vom Tisch trug, »nächste Woche reite ich nach Offenburg; da darfst du mit und deinen ersten Ritt machen in die Welt, nimmst aber deine Harfe mit.

Und jetzt geh' hinauf an den Talbach ob der Burg, wo mein Bruder nach Forellen fischt, und sag' ihm, er solle seine Fischerei aufgeben und kommen, ich wisse ihm was Neues.«

»Bruder Johans!« rief Götz dem bald darauf Eintretenden lachend entgegen, »eben war ein reitender Bote des Herzogs Albrecht von Ensisheim da. Die Villinger haben uns bei ihm verklagt. Er will am Samstag vor Bartholomä in Offenburg einen Tag halten, und unsere Vettern von Geroldseck, von Teck und von Hohenberg sollen mit Otto von Ochsenstein und dem Bischof von Straßburg Schiedsrichter sein.

Das wird recht werden, Johans. Du wirst sehen, wir kommen zu unserem Geld. Es muß darum ein lustiger Tag und nach dem Richterspruch gesungen werden. Ich nehm' deshalb den Rumo mit, und dem Reinbold von Staufenberg, der unweit Offenburg sitzt, schick' ich einen Knecht. Du weißt, der singt noch lieber als ich.«

»Du bist und bleibst halt ein merkwürdiger Mensch, Götz«, erwiderte Johans. »Zu den ernstesten Dingen willst und kannst du singen. Bist ein zartes Dichtergemüt und fürchtest doch keinen Teufel in der Welt. Kannst weinen, wenn Rumo ein welsches Liebeslied singt, und bist in der andern Stunde hart und grimm wie der Ritter Hagen in den Nibelungen.«

»In meiner Brust, mein lieber Johans, sind eben zwei Seelen«, entgegnete heiter Bruder Götz, »eine weiche und eine harte. Die weiche kommt von meinem Herzen, und an der harten ist unsere Zeit schuld, die mich geboren, erzogen und gelehrt hat, daß jeweils der Stärkste und Rücksichtsloseste Meister ist.

So hab' ich's gemacht den Villingern gegenüber, die uns brav ausgelacht, wenn wir sie ungestraft hätten laufen lassen; aber diese meine Gewalttat wird ungesühnt bleiben, und wir werden den Prozeß gewinnen, weil die Richter dem gleichen Grundsatz von Recht und Gewalt huldigen und dazu noch in ihrer Mehrheit unsere Vettern sind.

Drum wird eins gesungen in Offenburg, und dann reit' ich gleich nach Straßburg und kauf' dem Juden Sämele die Handschrift ab von Tristan und Isolde, die mir bisher zu teuer war. Vielleicht leg' ich mich dann noch einige Tage zum Staufenberger auf seine Burg, an deren Halden der beste Wein wächst oberhalb des Rheingaus und in deren Mauern alte Sagen gehen.

Du bist natürlich auch vors Gericht geladen und mußt einmal einen Tag von deiner Fischerei und Jägerei drangeben. Wir wollen die Schimmelhengste der Villinger an jenem Tag probieren, und was ich an reisigen Knechten hab', muß mit und ebenso der Wirich und der Krispin und der Künlin von Bärenbach und alle Dienstmannen um Hasela rum.«

»Ich geh', weil ich muß, aber Vergnügen ist's mir keines«, – gab Graf Johans zurück. »Mit mir hätten die Villinger gut machen gehabt. Wenn ich nur meine Ruhe und meinen Wald und mein Fischwasser habe, bin ich zufrieden.«

»Du bist eben ein kranker, stiller Mann, Johans, Graf Johans starb 1332 unvermählt. hättest sollen ein geistlicher Herr werden wie der Bruder Egino. Wenn ich aber auch so wäre, wie ihr zwei, so könnten wir die Herrschaft Fürstenberg-Hasela dem nächsten besten Kloster schenken und Mönche in demselben werden.« –

Ein heller, warmer Sommertag ging am 23. August des Jahres 1326 über das Kinzigtal hin. Eine stattliche Reiterschar zog von Hasela abwärts, als gält' es einen Kriegszug. Denn der Herzog von Teck, Graf Rudolf von Hohenberg und beide Grafen von Fürstenberg-Hasela ritten mit zahlreichen Knappen, Edelknechten und Rittern gen Offenburg.

Vom Schönberg her stieß zwei Stunden unter Hasela der freie Herr Walther III. von Geroldseck, Götzens und Johansens Schwager, zu dem reisigen Harst.

»Da kommt der dritte meiner Henker«, sprach lachend Graf Götz, dem Ankömmling die Rechte reichend.

»Was macht unsere Schwester Anna?«

»Sie läßt euch grüßen und hat mir aufgetragen, du sollst heute dem Herzog nicht so widerhaarig begegnen, Götz«, – gab der Geroldsecker zurück.

»Wenn ihr drei Blutrichter, wie es Recht und Pflicht ist, mir beisteht gegen die Villinger Krämer, so brauch' ich nicht widerhaarig zu sein, denn dann gibt der Herzog von selbst nach.«

»Wir Herren müssen heutzutage zusammenhalten«, meinte im Weiterreiten der Herzog von Teck. »Unsere Könige helfen den Bürgern ohnedies genug, und es ist diesen darob überall der Kamm gewachsen.«

»So was hör' ich gern, Vetter Lutzmann«, nahm Götz wieder das Wort. »Ich weiß, daß deinem Beispiele auch die andern folgen werden, selbst der Bischof von Straßburg, denn dem machen seine Bürger die Hölle auch heiß.«

»Es wird recht werden, Götz«, sprach Rudolf von Hohenberg, »aber jetzt laßt uns von etwas anderem reden. Du weißt, ein Angeklagter soll die Richter nicht zuvor für sich einnehmen und bestechen.«

»Ich will von was anderem reden«, fing Walther von Geroldseck an, »und euch zwei Schwäger fragen, wo ihr die milchweißen Hengste herhabt; die hab' ich in euerem Stall nicht gesehen, als ich vor einigen Monaten in Hasela war.«

»Die sind von den Villingern entlehnt«, antwortete lachend Graf Götz. »Mit sechs solcher haben sie den Geldwagen gebracht, und alle sechs stehen seither in unserem Stall; ich hoff' nicht, daß ihr Herren sie uns absprecht. Wenn ich das wüßte, fiel ich gleich über euch und euere Leute her, denn ich hab' die wildesten Helfer bei mir.

Doch der Friede sei mit uns. Dort schauen die Türme von Gengenbach das Tal herauf. Ich schlag' vor, wir besuchen den Abt Walther und nehmen bei ihm ein kleines Frühstück ein. Ich kann auch gleich nach meinem Jüngsten, dem Johans sehen, der seit kurzem in die Klosterschule geht.«

Beifällig nahmen alle den Vorschlag auf und an.

»Aber wir müssen«, fuhr Götz fort, »einen Reiter vorausschicken, sonst läßt der Wächter am Klostertor die Fallbrücke herunter, wenn er sieht, daß ein Kriegsheer naht. Die geistlichen Herren ahnen ohnedies nichts Gutes, wenn unsereiner kommt.

Wirich, gib deinem Andalusier die Sporen, reit vor und meld uns an! Der Großkellner soll vom besten Bermersbacher Edelwein und der Koch einen ›Pfeffer‹ dazu richten. Sag auch dem Abt, daß wir gleich wieder weiter reiten und er uns bald wieder los wird.« –

»Was führt so lieben Besuch in unser Stift heute?« fragte der Abt, der, weil er bei ihrer Ankunft noch in der Kirche gewesen, die Gäste erst zu begrüßen kam, da sie schon hinter den Kannen im Refektorium saßen.

»Hochwürdiger Herr«, ergriff Graf Götz das Wort, »es soll heute in Offenburg einer – eigentlich zwei, der zweite aber ist unschuldig – gehängt werden. Der Haupt-Delinquent bin ich. Da man aber einem armen Sünder überall gerne vor seinem letzten Stündlein einen guten Tropfen gibt, so hab' ich den Vorschlag gemacht, mit meinen Blutrichtern hier bei Euer Hochwürden und Gnaden zu dem Zweck Einkehr zu halten.«

»Hab' schon gehört, um was es sich handelt in Offenburg«, – antwortete lächelnd der Abt. »Mein Sekretär war vor einigen Tagen in Straßburg beim Bischof, und dieser hat uns einen Besuch zugesagt, wenn er demnächst in unsere Nachbarschaft komme als Schiedsrichter in Sachen Villingens gegen die Grafen Götz und Johans von Hasela.«

»Und doch fragt Ihr, Hochwürdiger, was uns zu Euch führe? Ihr geistlichen Herren tut gerne, als ob ihr nichts wisset, während ihr meist sehr gut unterrichtet seid«, gab mit spaßhafter Miene Götz zurück.

»Sind böse Zeiten«, meinte etwas verlegen der Abt, das doppelsinnige Kompliment des Grafen stillschweigend hinnehmend; »die Bürger wollen überall herauf und die bestehende Herrschaft abschütteln. Mir machen meine Gengenbacher und meine Zeller und die Bauern im Harmersbacher Tal trotz ihrer Reichsfreiheit meine wenigen Rechte auch streitig, so gut sie können.«

»Wenn sie den geistlichen Herren nicht folgen«, erwiderte der Graf, »so ist's noch begreiflich. Diese müssen selbst sich schützen lassen von ritterlichen und adeligen Leuten, aber uns verdankt die Bürgerschaft ihre Existenz. Unter dem Schutz unserer Burgen und Waffen sind sie groß geworden. Bürger kommt her von Burg. Und jetzt künden sie uns auf, wo sie können. Das ist der Dank.«

»Wenn gar aus der Teufelsgeschichte von der Pulvererfindung und von den Feuerwaffen etwas wird, dann sind wir Herren des Lebens nimmer sicher. Meine Vettern, die Grafen von Freiburg, glauben fest an die Zukunft dieser verfluchten Schießerei. Die Freiburger Waffenschmiede besteln und bessern immer noch daran herum.«

»Tröstet euch darüber, ihr Herren«, sprach der Abt »Ob Pulver und Blei oder Speer und Schwert den Ausschlag geben, ohne Herren können die Menschen nicht sein, und im großen und ganzen werden die Bürger und Bauern immer wieder nach Herren verlangen.

Ihr seht's heute schon an denen von Villingen, die, wie ich höre, nach den Herzogen von Österreich langen, da sie kaum los sind von den Fürstenbergern.«

»Recht so, mein lieber Abbas«, sprach Götz, »ich trinke einen guten Schluck auf Euer Wohl, auf die Zukunft der Herren und auf die Hoffnung, heute in Offenburg nicht gehängt zu werden.«

»Es hackt keine Krähe der andern die Augen aus, heißt ein alt' Sprichwort«, antwortete lächelnd der Abt, »und drum wird euch, Herr Graf, in Offenburg auch nicht wehe getan werden.« –

Eben war ein blasser Schüler ins Refektorium geführt worden, der jüngste Sohn des Grafen Götz. Er sprang auf seinen Vater zu und küßte ihn und dann auf des Vaters Geheiß auch die andern Herren der Tafelrunde.

»Ein schöner Knabe, aber etwas zart für Ritterart«, meinte Lutzmann von Teck zum Grafen Götz.

»Hast recht, Vetter! Der Bub' schlägt mir nicht nach. Überhaupt sag' ich mir oft, wenn ich diesen Knaben betrachte: ›Der Adler hat eine Taube gezeugt.‹ Er schlägt ganz der Mutter nach und ist ein verg'ratener Montforter. Meine Maid, die Herzeleide, die hat schon mehr Leben. Sie schlägt in meine Art

Und draußen bei meinen Knechten hab' ich einen, ein Knäpplein, der Sohn eines Harnaschers, der stammt von einer welschen Mutter. Der ist zum Ritter geboren. Alle ritterlichen Übungen lernt er spielend, und ein Harfen- und Lautenschläger und Sänger ist er, wie ein alter Barde. Ich hab' ihn mitgenommen heute, und wenn ihr über mich werdet gerichtet haben und ich noch am Leben bin, soll er den Herren aufspielen.

Dort auf jenem kleinen Hengstlein sitzt der Knabe, von dem ich dir vorhin sprach, Vetter Lutzmann«, redete Götz den Herzog an, als die Herren später in den Klosterhof traten.

»Richtig, Vetter«, gab dieser zurück. »Das ist ein Prachtskerl von einem Knappen.« –

Der Wächter am obern Tor der Reichsstadt Offenburg staunte, wie sein Amtsbruder unten am Straßburger Tor, als so viele reisige Leute gen Mittag des 23. August Einlaß begehrten. Die Wächter waren aber über deren Ankunft von einem Stadtknecht belehrt, denn der Tag war dem Reichsstadtschultheißen angezeigt worden und sollte auf dem Rathause stattfinden.

Vor dem Tor gab Graf Götz dem Wirich von Schnellingen noch den Auftrag: »Reit' schnell hinüber auf die Burg Staufenberg und sag' dem Ritter Reinbold, er soll auf den Nachmittag herüberkommen, ich sei hier. Es gebe lustige Gesellschaft in der Herberge zur alten Pfalz.« –

Auf der Stadtkirche läutete es eben zum Englischen Gruß des Mittags, als die Reisigen aus dem Kinzigtal vor dem Rathaus abstiegen. Alle, Herren und Knechte, knieten, wie es damals Sitte war, neben ihren Rossen auf die Erde und verrichteten das Gebet, zu dem die Glocke einlud.

Die steinerne Wendeltreppe des Rathauses herab kam der jugendliche Herzog Albrecht, die Herren zu begrüßen; denn er und der Bischof Johann von Dirpheim, vorher Bischof in Eichstädt, seit 1306 Bischof von Straßburg. und der freie Herr von Ochsenstein waren etwas früher gekommen, da der Weg von Straßburg näher war.

Auch der Schultheiß der Stadt Offenburg und zwei vom Rat hießen die Herren willkommen.

Der Herzog fragte, als alle in dem Ratssaal versammelt waren, die Ankömmlinge aus dem Kinzigtal, ob sie erst einen Trunk und Imbiß nehmen wollten oder ob die Tagsatzung gleich anheben sollte.

»Erst das Gericht, meine Herren«, nahm Graf Götz das Wort, – »und dann die Gerichte. Erst will ich wissen, woran ich bin, und dann erst mir Essen und Trinken schmecken oder nicht schmecken lassen.«

»Einverstanden!« riefen alle.

Der Bischof von Straßburg übernahm den Vorsitz, der Herzog und die Grafen von Hasela waren die Parteien, die andern schon genannten Herren die Richter.

»Wir können es kurz machen«, fuhr Graf Götz fort; »ich bin geständig, die Villinger, nachdem sie mir 5000 Mark Silber Loskaufgeld gebracht, gefangengenommen zu haben, und willens, sie erst wieder loszulassen, wenn sie mir noch 2500 Mark nachgeliefert haben. Aber dann verhandle ich doch nicht mit ihnen, sondern mit dem Herzog Albrecht und seinen Brüdern Heinrich und Otto. Mit denen will ich einen Verkauf abschließen über die Stadt Villingen und was an Dörfern in deren Weichbild dazugehört. Mit den Krämern und mit den Gevattern Schneider und Handschuhmacher verhandelt kein Fürstenberger mehr direkt.

Kommt der Kauf, so wie ich eben gesagt, zustande, so will ich die Gefangenen loslassen und auch noch einen Sühnevertrag eingehen und ihn ehrlich halten, so lange die Villinger ihn auch halten.

Und – damit ich's nicht vergesse, – die sechs Schimmelhengste, mit denen sie das Geld nach Hasela geführt, bleiben selbstverständlich mein.«

»Ich gestehe offen«, entgegnete jetzt der Herzog, »daß meine Brüder und ich einen Kauf abzuschließen gesonnen sind. Unsere Vettern von Fürstenberg wollen ja selbst der Stadt ledig werden, die ihnen und ihrem Vater wenig Freude gemacht hat. Und wenn zwei nimmer auskommen, ist's am besten, sie trennen sich.

Nur mein' ich, die 2500 Mark Silber und die Gefangennahme der Villinger in Hasela seien etwas Unbilliges.«

»Werter Vetter und Herzog«, hub Graf Götz dagegen an, »wenn ich ein reicher Mann wäre, wie Ihr, der Ihr eben erst die schöne Grafschaft Pfirt durch Euere Hausfrau ererbt habt, so könnt' ich's billiger tun. So aber muß ich schauen, wie ich zu Geld komme, um meine Schulden bei den Straßburger Juden zahlen zu können. Zu Geld kommt man aber in unserer Zeit am sichersten durch Gewalt, und die hab' ich nach zeitgemäßen Grundsätzen angewandt an Untertanen, die stets gegen ihre Herren rebelliert haben.

Ist Euch, Herr Herzog, der Kaufpreis zu hoch, so mach' ich einen Vorschlag zur Güte. Ihr kauft mir die Herrschaft ab um 7500 Mark. Die 5000, welche schon bezahlt sind, laßt Ihr den Villingern am Hals und schuldet mir bloß die 2500 Mark. So kommt Ihr zu einer billigen Herrschaft.

Und um Euch die Sache noch leichter zu machen, gebe ich noch die Burg Warenberg vor den Toren von Villingen in den Kauf. Die ist den Villingern doch ein Dorn im Fleisch, so lange ich sie habe.«

»Und die Gefangenen gebt Ihr auch frei?« fragte der Herzog hastig.

»Sofort, wenn wir zwei einig werden«, – entgegnete Götz.

»Dann brauchen wir kein Schiedsgericht. Hier, meine Hand zum Kauf!« sprach rasch der Herzog. »Ich unterhandle noch mit Villingen, und hernach erst machen wir den Handel und die Sühne schriftlich auf meiner Burg zu Ensisheim.«

»Seid ihr einverstanden, ihr Herren Richter?« fragte Götz, dem Herzog die Rechte schüttelnd.

»Wenn ihr selbst euch eint, braucht man uns nicht«, – meinten die Schiedsrichter und freuten sich des so schnell gemachten Friedens.

»Wenn alle Angeklagten so gut wegkämen, wie ihr zwei heute«, – sagte ihr Schwager von Geroldseck zu den Grafen, »dann würde nie einer gehängt.«

»Aber die Villinger, und das muß alsbald schriftlich gemacht werden«, wandte der Bischof von Straßburg noch ein, »müssen morgen schon entlassen werden, damit wir Schiedsrichter auch etwas besiegeln können.«

»Recht so, gnädiger Herr«, schloß Graf Götz die Verhandlung, »mein Bruder Johans reitet gegen Abend zurück und morgen läßt er die Villinger laufen, – das besiegeln wir alles heute noch, damit der Stadtschreiber von Offenburg auch etwas verdient.«

»Aber jetzt hinüber in die ›Alte Pfalz‹ zum Mahl. Ihr Herren Schiedsrichter seid meine und des Herzogs Gäste; in der Alten Pfalz, wo schon mancher deutsche König getafelt, ist's nicht schlecht.

Eigentlich sollte der Herzog von Österreich die Zeche allein zahlen, als der Einlader, aber ich will mit ihm teilen.«

»Es wird nichts geteilt, Herr Vetter«, meinte Herzog Albrecht. »Ich hab' den Tag und das Mahl bestellt, ich trage die Kosten und damit Punktum. Ihr sagt ja ohnedies, ich sei ein reicher Mann und Ihr ein armer.«

»Dann will ich aber für was anderes sorgen, für Tafelmusik und für den Gesang«, – entgegnete Graf Götz voll Heiterkeit. »Mein Knappe und der Ritter von Staufenberg werden das übernehmen.« –

Kaum hatte das Mahl, zu dem auch der Schultheiß und die zwei Ratsherren geladen waren, begonnen, als auf einen Wink des Fürstenbergers Rumo mit seiner Harfe eintrat – in höfischem Gewande: langem, faltigem Rock und gegürtet mit goldenem Bande. Sein wallendes, schwarzes Haar und seine schlanke Gestalt, die selbst aus dem langen Gewande noch durchblickte, machten ihn zu einem königlichen Sänger und Harfenspieler.

»So muß der König David als Knabe ausgesehen haben!« rief Herzog Albrecht aus, als er den Rumo sah, der bescheiden sich verneigte vor den Herren und abseits von der Tafel auf einem Stuhle sich niederließ.

»Er spielt auch wie ein David«, meinte stolz der Fürstenberger. »Laß deine Saiten los, Rumo, und sing ein welsches Lied. Sing das lustige Lied des Troubadours Marcabrun.« Lebte von 1140-1185.

Wie Orgelton und Glockenklang rauschte es jetzt durch die Stube, und dann begann der Knabe zu singen mit seiner frischen, hellen Stimme, daß die Herren alle zu essen aufhörten und lauschten.

»Jüngst begegn' ich bei der Linde
Einem muntern, kecken Kinde,
Einer Schäferin Dorinde,
Einer rechten Maid vom Lande,
Wie an Hemd und Latz und Binde,
Grobem Strumpf und Schuh ich finde
Und am drillichnen Gewande.

Näher tret' ich ihr geschwinde.
›Mädchen‹, – sprach ich – ›wohl nicht linde
Wird dein Haar zerzaust vom Winde!‹
›Junker‹, – spricht die Maid vom Lande
›Gott sei Dank, daß ich empfinde
Wenig von dem rauhen Winde,
Ich bin nicht von Zuckerkande.‹

›Mädchen, holde Mirabelle,
Sieh, ich komme hier zur Stelle,
Daß ich werde dein Geselle!
Du, o schöne Maid vom Lande,
Nicht darfst du auf alle Fälle
Schafe weiden fern am Quelle
So allein im led'gen Stande.‹

›Was bedeute ein Geselle,
So wie ihr, wird mir in Schnelle
Klar und offenbar und helle,
Junker‹, – spricht die Maid vom Lande.
›Wer nicht bleibt an seiner Stelle,
Trägt als Narre Kapp' und Schelle;
Nehmt, o Herr, mein Wort zum Pfande!‹

›Maid, von einem Kavaliere
Stammst du, der im Dorfreviere
Augen schuf dir von Saphire,
Du, o holde Maid vom Lande!
Doch, daß dich nur nicht regiere
Falsches Sprödigkeitsgeziere,
Denn das zeugt nicht von Verstande.‹

›Nie in städtischem Quartiere
Lebte mein Geschlecht; beim Stiere
Nur und Schaf im Dorfreviere,
Junker‹, – spricht die Maid vom Lande.
›Und daß Bauer und Hirt hantiere,
Statt zu gehen zum Turniere,
Dient auch ihnen nicht zur Schande.‹

›Eine Fee hat dir gegeben
Schönheit, die mich macht erbeben,
Mädchen, als du tratst ins Leben,
Mehr als sonst'ger Maid' vom Lande.
Doppelt würd' ich dich erheben,
Dürft ich innig dir umweben
Meiner Arme Liebesbande.‹

›Dank, Herr, eurem Lobbestreben!
Doch ich sag' euch auch daneben,
Daß es mich gelangweilt eben,
Junker‹, – spricht die Maid vom Lande.
›Ei, so muß ich das erleben,
Daß man führt an Hirtenstäben
Junker und am Gängelbande.‹

›Mädchen, solch ein Herz von Steine
Trägst du, hoff ich, nur zum Scheine.
Unterwegs, wie ich vermeine,
Bringt man eine Maid vom Lande
Wohl zu lieblichem Vereine;
Du wirst mein und ich der deine!
Das heißt handeln mit Verstande.‹

›Herr, ich seh', ihr sparet keine
Huldigung, so grob als feine,
Um zu lenken an der Leine
Eine solche Maid vom Lande.
Eurer Reden doch nicht eine
Lockt mich, zu verkaufen meine
Reine Mädchenschaft der Schande.‹

›Die Geschöpfe allerwegen
Siehst du süße Liebe hegen;
Laß drum uns auch ihrer pflegen,
Mich und dich, du Maid vom Lande!
Sei nicht länger mir entgegen!
Komm, wir sind in Hain's Gehegen
Sicher dort an Baches Rande.‹

›Ja, doch komme sich entgegen
Gleich und gleich – das wollt erwägen;
Herr und Dame, das bringt Segen,
Bauer auch und Maid vom Lande.
Hack' und Karst paßt nicht zum Degen,
Heller Himmel nicht zum Regen,
Weizen wächst nicht auf dem Sande.‹

›Schöne Maid, nicht zu bewegen
Bist du denn und mir entgegen,
Wie ich's traf in keinem Lande.‹ –
›Herr, lebt wohl! Ihr war't verwegen,
Säumt nicht länger meinetwegen,
Und Gott helf euch zum Verstande!‹«

Als Rumo geendet, riefen alle stürmischen Beifall, und Graf Rudolf von Hohenberg meinte:

»Den Knappen mußt du mir für einige Zeit geben, Vetter; meine Hausfrau leidet an Schwermut. Der Junge mit seinem Singen, der wird sie heilen.«

»Wenn es sich um die Heilung deines kranken Weibes handelt«, erwiderte Graf Götz, »sollst du ihn haben, Rudolf, sonst wär' er mir nit feil. Du kannst ihn auch noch etwas ausbilden im höfischen Wesen und in ritterlichen Übungen. Denn der Rumo hat vollauf das Zeug zu einem Edelknecht und später zu einem Ritter. Bei euch Hohenbergern geht's höfischer her als bei uns in Hasela. Aber das bitt' ich mir aus, daß du ihn mir jeder Zeit wieder schickst, wenn ich ihn brauche.«

»Ich dank' dir von Herzen, Vetter, für deine schnelle Zusage und freue mich, meiner Hausfrau ein solches Geschenk von dir bringen zu können. Der Knappe wird gut gehalten und erzogen werden, und du sollst deine Freude an ihm erleben.«

Rumo hatte die Herzen aller bereits erobert, als ein Konkurrent eintrat, Reinbold von Staufenberg, ein stattlicher Herr in den besten Jahren, dem man auf den ersten Blick den ritterlichen Sänger ansah.

»Grüß Gott, Reinbold!« rief Graf Götz ihm zu. »Schön, daß du gekommen bist.«

Er stellte dem Herzog, welchem der Ritter noch unbekannt war, seinen Freund vor als Sänger, Komponist und Haudegen und fügte bei:

»Die andern Elsässer Herren, so hier sind, kennen den Reinbold, und die Straßburger lieben ihn, 1329, also drei Jahre nach unserem Tag von Offenburg, brachen die Straßburger dem Ritter Reinbold seine Burg. wie mich die Villinger. Wenn jene ins Rebgeländ' kommen unter dem Staufenberg, um Wein zu kaufen, rupft er sie bisweilen, und auch den Kaufleuten, die von und nach Straßburg ziehen, ist er gefähr.

Aber, meine Herren, Freund Reinbold ist nebenbei der liebenswürdigste Sänger und Dichter. Jene wunderbare Geschichte eines seiner Vorfahren, des Ritters Peter von Staufenberg, hat sein Vater Egenolf in zierliche Reime gebracht und er sie ins Lied umgesetzt. Und schon manchen Tag und manche helle Mondnacht bin ich im Gebirg drüben auf seiner Burg gesessen und hab' seinem Sang gelauscht und von seinem herrlichen Rotwein getrunken.«

»Was ist das für eine Geschichte, die vom Ritter Peter?« fragte Herzog Albrecht.

»Ihr kennt die Geschichte nicht vom Ritter Peter und von der Fee, Vetter?« antwortete Götz.

»Wie sollt' ich sie kennen? Bin in Österreich geboren und erzogen und hab', seitdem ich im Elsaß bin und zu euch Schwaben komme, wenig Zeit gehabt, nach Rittergeschichten zu fahnden«, meinte der Herzog.

»Um so besser«, gab Götz zurück, »dann muß Reinbold sie euch erzählen und zwischenhinein einzelne Partien seiner Dichtung unter der Harfenbegleitung Rumos singen. Wollt Ihr so?«

»Ganz gerne«, erwiderte der Herzog.

»Aber erst muß ich eine Kanne trinken«, meinte Ritter Reinbold. »Es sind nur zwei Stunden von meiner Burg hierher, aber es ist verdammt warm heute, und ich habe Durst, schweren Durst.«

Nachdem er diesen fürs erste gestillt und mit Rumo wegen der Begleitung sich verständigt hatte, begann der Ritter von Staufenberg mit seiner gewaltigen Baritonstimme:

»Und seit sagt. das Abenteuer das,
Wie ich hiervor geschrieben las,
Von einem werten Ritter hehr,
Hieß Petermann von Temringer
Und war ein Degen userkoren,
Von Staufenberg war er geboren,
Das lit in Mortenowe, Alter Name für Ortenau, die Gegend um Offenburg.
Da mange schöne Frowe
Sich lat in Ehren schowen.

Der Ritter edel und gut
War von echtem Adelsblut.
Er ehrte arm und auch richen
Und ließ von ihm entwichen
Nie einen fahrenden Mann,
Er mußte seine Gabe hân.

Auch dient' er fließigliche
Gott im Himmelrîche
Und auch der zarten Mutter sin.
Marien, der werten Sühnerin,
Sprach er alle Morgen zu:
Hilf mir, daß ich also getu,
Daß ich din Huld erwerbe,
Ehe denn ich hier ersterbe!

Das entließ er nimmertag,
Daß er sin Gott im Himmel pflag,
Wie er noch viel manches pfligt, pflegt.
Der in Striten wohl gesiegt
Und auch in Turneye,
Der hochgeborne Leue.«

Hier schloß der Sänger und erzählte, wie Ritter Peter in der weiten Welt bekannt gewesen, manchen Sattel leer gemacht habe in Turnieren und Fehden in Schwaben, Bayern, Ungarland, in England und Frankreich, in Toscana und Lomparten (Lombardei), und wie er allerorten für den besten Ritter erklärt worden sei.

Zur Pfingstzeit wäre er einmal von langer Fahrt wieder heimgekehrt auf seine Burg und habe am Festtag seinem Knappen befohlen, die Rosse zu rüsten und mit ihm hinabzureiten nach Nußbach Ein Dorf, eine Stunde von der Burg weg im Renchtal heute noch gelegen. zum Gottesdienst:

»Da will ich Messe hören,
Daß Gott well zerstören
Meiner großen Sünden Teil,
Weil ich zu allen Ziten feil
Mein Leben trag und meinen Leib
Durch Ehre und durch manchen Streit.

Sie saßent uff und rittent dann,
Da ließ der tugendhafte Mann
Sinen Knaben ritten für,
Weil er nach siner G'wohnheit Kür Wahl.
Wollt' sprechen sin Gebett,
Wie er stets getan hett.«

Der Knabe reitet den Burgweg hinab; da sieht er auf einem Steine eine Frau sitzen, so schön, wie Gott noch nie eine geschaffen, und in wonniglichem Gewande, von Gold und Edelstein durchwoben. Des Knappen Herz ward verwund't, da die Frau ihn zuerst grüßte. Doch, er mußte weiterreiten, weil sein Herr ihm so befohlen.

Nun kam dieser:

»Da sie der Ritter angesach,
Verschwunden war sein Ungemach.
Da er die Schöne alleine fand,
Sin Herz durchschoß der Minne Brand.
Von Herzen ward er sunder froh,
Viel züchtiglich sprach er also:

Gott grüß euch, Frau, durch alle Zucht,
Gott grüß euch, wunderbare Frucht!
Ich grüß euch, allerschönstes Wîb,
Das je gewonnen Seel und Lîb,
Das mir auf Erden je ward kund,
Ich grüß euch, Fraue, tausend Stund.«

Sie dankt ihm diesen Gruß tugendlich und wunniglich, worauf er vom Pferde springt und sich zu ihr ins Gras setzt. Hier erzählt sie ihm, daß sie sein schützender Genius sei, der ihn begleitet habe von dem Tage an, da er »ein Pferd überschritten«. Auf Wegen und Stegen, in Stürmen und Streiten habe sie ihn beschützt und sei in alle Lande mit ihm gezogen als eine gütige Fee, obwohl er sie nie gesehen bis zur Stund.

Der Ritter bat sie, immer, aber sichtbar bei ihm zu bleiben bis an seinen Tod. Sie versprach ihm, auf seinen Wunsch stets zu ihm zu kommen, so oft er allein sei und wo immer er sein möge. Aber nie dürfe er ein ehlich Weib nehmen.

»Aber nimmst du ein ehlich Wîb,
So stirbet din viel stolzer Lîb
Darnach am dritten Tage,
Für wahr ich dir das sage!«

Ritter Peter versprach ihr Treue bis in den Tod und wollt' also gleich bei ihr bleiben, ohne zur Kirche zu reiten. Sie aber befahl es ihm; er sei auf Gottes Fährte und, ihn davon abwendig zu machen, sei Sünde. Sie gab ihm aber einen Fingerring, darin ein Edelstein lag, so die Sonne überschien, und versprach, zu ihm zu kommen, wenn er wieder in die Burg heimgekehrt wäre.

Peter bestieg sein Pferd und war bald wieder bei seinem Knappen, der sein gewartet hatte.

»Sie ritten in der Weile
Wohl auf eine halbe Meile,
Da das Dorf gelegen ist.
Es läuten schon zur selben Frist
Mit ein' gemeinen Schalle
Die Glocken all' und alle;
Deshalb er desto schneller reit.
Nach alter Gewohneheit
Mit dem Krüz man umging,
Ehe man die Messe angefing.

Da tut der tugendhafte Mann
Betend hin für den Altar stân
Und ließ sich nieder auf die Knie,
Dieweile man das Amt beging.
Da ruft der tugendliche Mann
Den werten Gott vom Himmel an
Und auch die zarte Mutter sin,
Maria, Himmelskönigin:
Ich befiehl dir immer mehre
Lîb, Seel, Gut und Ehre.

Und da der Segen geben ward,
Er hub sich balde uf die Fahrt
Und reit' mit Freuden wieder heim,
Sein Hochgemüte war nicht klein.«

Kaum auf seiner Feste angelangt, so hatte er ein heißes Begehren, die schöne Frau zu sehen, und sie erscheint auf seinen Wunsch jetzt und immerdar, auch auf seinen Fahrten in ferne Lande.

Überall aber sprach man dem ritterlichen Helden zu, ein Weib zu nehmen; doch umsonst.

Da ritt nach Jahr und Tag der Herr von Staufenberg nach Frankfurt zu einer Königswahl. Hier hörte der erwählte König ihn preisen als den ersten Ritter in allen Landen, und nachdem er seine Turnierkunst gesehen, trug er ihm seine Base zur Ehe an.

Trotz des Zuspruchs aller seiner Freunde und der Herren vom Hof wehrt Ritter Peter sich dessen mit der Behauptung, er habe ein Weib, das er nit verlassen dürfe, und welches das schönste sei, das je ein Menschenauge sah.

Da sprach ein Bischof: »Herr, laßt die Frau mich sehen.« Der Ritter antwortete: »Sie laßt sich vor niemanden sehen als vor mir allein.«

»Sie sprachen allgemeine,
So ist sie nicht ein rechtes Wîb
Ihr verlieret Seel' und Lîb,
Sprach ein alter Kapelan,
Und seid Ihr doch ein Christenmann;
Wie seid Ihr so besinnet,
Daß Ihr den Teufel minnet
Statt einer reinen Frauen zart?
Was Gutes je auf Erden ward
Gesprochen oder gesungen,
Davon seid Ihr verdrungen

Von Laien und von Pfaffen;
Der Teufel sich geschaffen
Hat zu einem Wîbe;
Die Seel in Euerem Lîbe
Muß ewiglich sin verloren,
Weil Ihr dem Teufel Euch verschworen.
Der Teufel in der Hölle
Ist Euer Schlafgeselle.«

Jetzt geht dem Peter von Temringer ein Licht auf, seine Fee könnte der Teufel sein, und er willigt in die Heirat der Königsbase; man soll sie ihm aber in die Mortenau senden; dort, auf seiner Burg, wolle er Hochzeit halten. In der kommenden Nacht wünscht er seine bisherige Frau nochmal zu sehen; sie kommt und sagt ihm betrübten Angesichts, was er vorhabe. Es werde aber sein Tod sein. Am dritten Tage nach der Hochzeit müsse er sterben. Sie werde am Hochzeitsmahl von der Saaldecke herab ihren Fuß sehen lassen. Dann solle er nicht länger säumen und den Priester holen lassen zum Beichten und zur letzten Ölung, denn es gehe mit ihm zu Ende.

Der Ritter Peter hört diese Drohung, glaubt sie aber nicht, weil er sie für Teufelslüge hält.

Er kehrt heim, die Braut kommt ihm nach, die Hochzeit findet statt.

»Da man an dem Tische saß
Und an dem ersten Essen waz war.
In einem wunniglichen Saal,
Da sah männiglich überall,
Daß etwas durch die Bühne Speicher, Plafond. stieß –
Eines Menschen Fuß sich sehen ließ.
Der Fuß in dem Saal erschein
Weißer denn als Elfenbein.«

Da schrie der Staufenberger und sprach: »O weh mir armen Mann, jetzt muß ich sterben!« Pfeifen, Tanzen und Singen ward eingestellt und nach einem Priester geschickt. Der Ritter erzählt, was ihm geschehen und wie es sich erfüllt, und Frauen und Mannen weinten über sein Geschick.

Die junge Frau jammerte am meisten, daß ihr Gemahl ihretwegen sterben sollte, und sie sprach:

»Du hast verloren um mich dein Leben,
So will auch ich durch dich begeben,
Daß ich will in ein Kloster fahren.
Mich selber will ich so bewahren,
Daß mich nimmer mehr kein Mann
Mit Augen soll gesehen hân.
So will ich bitten Gott für dich
Und auch sin Mutter lobelich,
Die den werten Gott gebar;
Sie nehme deiner Seele wahr.

Er aber sprach: Maria, Königin,
Laß dir min Seel' befohlen sin!
Das Wort er klägliche sprach,
Hiemit der Tod sin Herze brach.

Was soll ich sagen mehre?
Der edle Ritter hehre
Ward beklagt in allen Landen,
Weil er sich vor Schanden
Behütet hat alle sine Jahr'.
Man sprach still und offenbar,
Da war der teuerste Ritter tot,
Der je ein Pferd beschritten hot.
Also hat es ein Ende,
Gott uns sin Gnade sende. Amen.«

Gerührt von Spiel, Gesang, Geschichte und Dichtung stand der Herzog vom Tische auf und dankte dem Ritter Reinbold und dem Harfenspieler Rumo. Auch der Bischof und die anderen Herren ließen es nicht an Lobsprüchen fehlen.

»Ob die Geschichte auch wahr sein mag?« bemerkte der Bischof noch.

»Wahr?« fragte Reinbold erstaunt. »Vor zweihundert Jahren ist's erst passiert, und mein seliger Vater hat's geschrieben gelesen von der Hand eines Mönchs im Kloster Allerheiligen, dem unserer Ahnen einer es erzählt. Und in unseres Hauses Wappen und über unserer Burg Tor kann man einen Frauenfuß sehen, des zum Bezeugnis.«

»Ob wahr oder nicht«, meinte Graf Götz, »schön ist das Lied, schön war die Fee, und schön singen kann unser Reinbold.«

»Jetzt will ich euch noch ein lustiges Lied singen«, nahm dieser das Wort, »und der Harfenist soll mich begleiten. Es ist eine Lust zu singen, wenn der Knabe spielt. Das Lied ist vom alten Schenken von Limburg, der's vor hundert Jahren hat gesungen:

»Seid willkommen, Frau Sommerzeit,
Seid willkommen, Herr Maie,
Der manchem frohen Mut verleiht,
Daß er in Lieb' sich zweie!
Mir geht mein Lieb vor Blumenschein,
Mein Lieb vor Vögelsingen,
Mein Lieb muß die Vielliebe sein,
Mein Lieb, das kann wohl zwingen,
Und, o weh, Lieb, sollt' ich um Liebe ringen?

Gar vielerlei der Farben hat
In seinem Kram der Maie,
Die Haide prangt in vollem Staat
Mit Blumen mancherleie.
Gelb sind sie, rot, blau, braun und weiß,
Sind wonniglich entsprungen;
Die Vög'lein singen voller Fleiß,
Mich kann die Liebe jungen,
Hei, wird sie mein, so hab' ich wohl gesungen!

Mein Lieb trägt hoher Schönheit Kleid,
Von dem ich heuer singe;
Mein Lieb ist lieb, es ist nicht leid,
Mein Lieb ist guter Dinge!
Mein Lieb ist froh, so soll es sein,
Mein Lieb ist voller Güte;
Mein Lieb ist aller Wonnen Schrein,
Daß Gott sie immer hüte!
Wie dann mein Herz voll Freude blühte!«

»Habt Dank, lieber Ritter«, sprach Herzog Albrecht. »So schön singen und spielen hab' ich noch nie gehört, auch das herrliche Lied vom Schenken von Limburg war mir neu.

Doch jetzt müssen wir ans Aufbrechen denken, die Sonne geht dem Rheine zu. Wenn aber die Grafen von Hasela nach Ensisheim kommen, um die Verträge zu siegeln, kommt Ihr mit, Herr von Staufenberg, und dann wollen wir auch einmal in meiner Burg singen. Meine Hausfrau wird aufhorchen, wenn sie Euch hört.

Ich reite jetzt mit dem Herrn von Ochsenstein nach Straßburg und nächtige dort.«

»Und ich reite mit euch, ihr Herren«, nahm Götz das Wort. »Ich will meinem Leibjuden Sämele eine Handschrift von Tristan und Isolde abkaufen und ihm sagen, er könne sein altes Guthaben, auf das er schon lange wartet, holen in Hasela.«

»Wir sind auch mit dabei – nach Straßburg. Da wir so nahe der schönen Stadt sind, wollen wir auch einen Tag dort zubringen«, sprachen Lutzmann von Teck und Rudolf von Hohenberg.

»Dann reitest du, Johans, allein talauf mit den Knechten«, redete Graf Götz weiter, »und wenn du heimkommst, lassest die Villinger gleich springen. Du bist ja viel lieber dabei, einen loszulassen, als einen zu fangen.«

»Ich begleite den Grafen Johansen bis Gengenbach«, schloß der Bischof. »Hab' mich dort schon angesagt, sonst würd' ich gerne mit den Herren in Straßburg einreiten und sie in meiner Pfalz gastieren.«

Um die fünfte Stunde des Nachmittags ritten die Reisigen wieder zu den Toren von Offenburg hinaus, die eine Kavalkade durchs obere, die andere durchs Straßburger Tor.

Einsam trabte nur Reinbold von Staufenberg dem Gebirge und seiner Feste zu. Er hatte aber des Grafen Götz Versprechen, daß er ihn auf dem Rückweg besuche und wahrscheinlich auch die zwei anderen Herren mitbringe, damit sie dem guten Wein in Reinbolds Kellern Ehre antäten. –

Die Verhandlungen mit Villingen zogen sich hin und her, und erst am 30. November 1326 siegelten zu Ensisheim Johans und Götz von Fürstenberg, Herzog Ludwig von Teck, Rudolf von Hohenberg und Otto von Ochsenstein die Verkaufsurkunde, und am 1. Dezember errichtete Herzog Albrecht eine rechte, geschworene Sühne zwischen »den Grafen Johansen und Götzen und allen denen, die dobi woren, do sie ze Hasela gevongen wurden.« –


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