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Vor langen, langen Zeiten, bevor noch die Erde erschaffen war, gab es nur zwei Götter: Ompong Batara Guru di-atas, den Himmelsgott, und Ompong Debata di-toru, den Beherrscher der Unterwelt. Der Gott der Unterwelt hatte eine wunderschöne Tochter. Sie war dem Batara Guru vermählt und von ihm in sein Wolkenreich mitgenommen worden.
Dort führten die Neuvermählten ein herrliches Leben. Nur in einem war ihr Glück unvollkommen: Vier Jahre lang waren sie verheiratet, und doch war ihnen noch kein Kind geboren. Darüber war das Götterpaar tief betrübt, und sie entschieden sich, ihrem glänzenden Leben zu entsagen, um als Einsiedler Trost für ihren Schmerz zu suchen.
In alten zerlumpten Kleidern verließen sie ihren himmlischen Palast. Nur einige Ackergeräte und etwas Reis nahmen sie mit, um ihren Hunger zu stillen. Am Ufer des Meeres wollten sie sich eine Hütte erbauen.
In diesem unansehnlichen Hüttchen verbrachten sie ihre Mußezeit, die ihnen jedoch nur gering zugemessen war, denn weitaus die meiste Zeit widmeten sie der Anlage eines schönen Gartens, den sie mit den zierlichsten und herrlichsten Blumen bepflanzten.
Aber mit diesem Vergnügen und dieser Freude war es bald zu Ende.
Eines Tages, um die Mittagsstunde, als sie gerade unter dem Dache ihres Hüttchens ausruhten, hob sich aus dem Meere ein gewaltiges Scheusal, die Seeschlange Tumuldang di bosi. Die begab sich geradenwegs nach dem Garten, wühlte ihn um und um, fraß alle Blumen und Gewächse auf und schlief darauf gesättigt in dem Garten ein.
Bald erwachte Batara Guru, und als er die von dem Ungeheuer angerichtete Zerstörung erblickte, war seine Wut grenzenlos. Und sofort befahl er einem seiner Djuwa (Vorkämpfer), das Ungeheuer zu erschlagen.
Der Djuwa war über diesen Auftrag nicht gerade besonders erfreut, zumal als er der entsetzlichen Zähne und der riesenhaften Größe des Untieres ansichtig wurde. Vor dem Kampfe hielt er es daher für besser, sich in Güte mit ihm zu einigen.
Er weckte also die Schlange und verwies ihr das unziemliche Benehmen.
Das Meeresungeheuer, das aus seinem Schlafe aufgestört war, sah den Djuwa mit bösen Augen an und sagte, es wäre die eigene Schuld Batara Gurus, denn es geziemte sich nicht, wenn ein so erhabener, hoher Herr sich zum einfachen Bauer erniedrigte. »Und,« fuhr es weiter fort, »wenn du nicht willst, daß ich dich verschlinge, dann rufe sofort Batara Guru und seine Frau herbei, sage ihnen, ich wolle sie sprechen. Bestelle ihnen auch, daß sie mir Bananen und Opferspeisen mitbringen, denn ich habe fürchterlichen Hunger.«
Der Djuwa eilte schnell zum Batara Guru und berichtete ihm, was die Schlange gesagt hatte.
Batara Guru holte die geforderten Sachen zusammen und begab sich darauf mit seiner Gemahlin zu Tumuldang di bosi.
Als er bei ihr ankam, nahm er sofort das Wort und machte ihr Vorwürfe über die rohe, gemeine und unanständige Art, mit der sie in sein Reich eingefallen war.
Tumuldang di bosi erwiderte: »Edler Fürst! Ich erfüllte nur meine Pflicht, ja, eigentlich hätte ich dir noch ein ganz anderes, viel ärgeres Los bereiten müssen, denn du hast nicht einmal für Nachkommen gesorgt.«
»Weshalb hältst du mir das vor?« antwortete Batara Guru, »das ist ja der tiefste Schmerz unseres Lebens, daß wir keine Kinder haben. Weißt du ein Mittel, wie wir Kinder bekommen können, werde ich dir ewig dankbar bleiben.«
»Wohlan,« sprach die Schlange, »ich kenne ein Mittel, und du sollst es erhalten, wenn du getreu meine Anweisungen befolgst. Doch zunächst fülle mir einmal den Rachen mit all den Dingen, die du mitbrachtest, den Bananen und den Opferspeisen.«
Batara Guru war wenig davon erbaut und sagte: »Großväterchen! Dein Rachen ist wohl an die sieben Ellen lang, und du hast so große, scharfe Zähne, daß ich mich fürchte, wenn ich sie nur ansehe. Verzeihe mir, wenn ich deine Bitte nicht erfülle.«
Tumuldang di bosi war darüber nicht weiter verstimmt, sondern sogleich bereit, ihm seinen Argwohn zu nehmen. »Stelle dein Schwert,« sagte sie, »senkrecht in meinen Rachen, dann vermag ich ihn nicht zu schließen und du kannst ohne Sorge deine Hand hineinstecken.«
Batara Guru gehorchte und packte der Schlange die Speisen ins Maul.
Als er darauf die Hand wieder herauszog, sah er voll Staunen einen wunderschönen Ring an seinem Finger glitzern. Er wußte nicht, was dies bedeuten sollte; und damit die Schlange reden konnte, nahm er ihr wieder das Schwert aus dem Rachen.
»Schau her, Großväterchen!« sagte Batara Guru, »was für einen Ring ich aus deinem Maule erhalten habe. Was bedeutet das?«
»Der Ring,« erwiderte die Schlange, »ist ein Sinsing pintapinta, ein Wunschring. Jetzt kannst du dir wünschen, was du willst, einen Sohn, eine Tochter, Schweinefleisch oder Palmwein, einerlei, was du nur haben willst, jeder Wunsch wird dir erfüllt werden.«
Da freuten sich Batara Guru und seine Gemahlin und tanzten und hüpften voll Vergnügen.
Darauf erzählte ihnen Tumuldang di bosi, wie sie den Ring gebrauchen müßten, und als sie sich dann verabschiedete, wünschte sie beiden ein glückliches Leben und verschwand in den Wellen. Das Götterpaar begab sich nun mit neuer Hoffnung nach seiner alten himmlischen Wohnung, und als es Vollmond war, rieb Batara Guru, wie die Schlange es ihm geraten hatte, den Ring mit Limonensaft und wünschte sich dabei einen Sohn.
Und nach neun Monaten beschenkte seine Frau ihn mit einem Knaben.
Der Ring hatte also seine Macht erwiesen, und als er noch viermal gerieben war, besaß das Götterpaar drei Söhne und zwei Töchter.
Die Knaben hießen: Paduka di Adji, Tuwan Benuwa Koling und Tuwan Radja Samsai Sahima-Hina; die Mädchen: Tuwan Benuwa Katji und Tuwan Benuwa Mangili Bulan.
Der älteste Sohn begab sich in die Unterwelt zu seinem Großvater Ompong debata di-toru; der jüngste blieb bei seinem Vater im Himmel, der mittlere aber schuf die Erde.
Er nahm sieben Hände voll Erde und fertigte daraus die Erdscheibe, die Batara Guru alsdann mit einem Seidenfaden am Himmel aufhängte. Dadurch wurde die Unterwelt in Finsternis gehüllt, denn die Erde fing das Licht der Sonne auf. Darüber empörte sich Paduka di Adji, er verursachte einen Gewittersturm, der die Erde in Staub zerflattern ließ.
Siebenmal fertigte Tuwan Benuwa Koling hintereinander eine neue Erdscheibe, aber siebenmal wurde sie auch von seinem Bruder vernichtet.
Da beschloß Batara Guru, sich selbst an die Arbeit zu machen. Während Paduka di Adji schlief, stieg er zur Unterwelt hinab und setzte über den Widerspenstigen ein Eisengitter. Das bestand aus vier quer übereinandergelegten Stäben, deren acht Enden sich den acht Himmelsrichtungen zuwandten. Darauf stellte er die Erdscheibe wieder her, glättete sie und machte sie eben.
Als Paduka di Adji erwachte und sich erheben wollte, stieß er überall gegen das Eisengitter; er schüttelte und rüttelte an den Stäben, und schüttelte so stark, daß die glatte Oberfläche verschwand, sie Runzeln und Risse bekam. Berge und Täler entstanden.
Doch das Gitter war stark und fest und trotzte allen seinen Bemühungen, Paduka di Adji blieb gefangen.
Und bis zum heutigen Tage liegt er noch unter dem Gitter; wenn er daran rüttelt, wenn er es zu zerbrechen versucht, dann erbebt die Erde.