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Elftes Kapitel.

 

Das Duell.

 

Die schönsten Sommertage waren vorüber, und mit ihnen flog einer der Gäste nach dem andern fort. Um so weniger hätte man ahnen können, daß noch ein so später Besuch eintreffen würde. Professor Sägenreißer aus Kaputh war es, der es über sich vermocht hatte, sich einmal von seinen Kranken und seinen ganzen und verstümmelten Todten zu trennen, um für den eigenen, durch heranrückendes Alter hinfälligen Körper etwas zu thun. Sägenreißer hatte von dem Ruf dieser neuen Quelle gehört und beschloß, da ihre Bestandtheile ihm zusagen müßten, und da sie seinem Wohnorte so nahe lag, noch die letzten Spätsommerwochen dieser wohlthätigen Erholung zu widmen. Daß schon die Blätter der Bäume sich herbstlich färbten und hier und da erstorben von den Zweigen fielen, hielt ihn nicht zurück, wie auch Blasedow sagte, daß die Natur nie einen persönlicheren Charakter als im Herbste hat.

Der Graf erschrack, als ihm der Name des neuen Ankömmlings in dem Fremdenbuche gezeigt wurde. Er dachte dabei weniger an die Gefahr, seine Quelle der sachkundigen Untersuchung eines Arztes preisgegeben zu sehen, als an das Gerücht, welches seinen und seiner Frau Leichnam zum Einsatz einer bei Sägenreißer stehenden Schuld machte. So lustig diese Gerüchte über die bei dem Anatomen gemachten Insätze waren (wir wissen es schon aus genauerer Quelle), so wird man sich doch schwerlich einer Beklommenheit erwehren können, wo man genöthigt ist, mit Menschen und Verhältnissen zusammenzutreffen, zu welchen uns eine, wenn auch völlig irrthümliche Nachrede eine Beziehung gibt. Es war aber, wie wir sehen werden, ein desto größeres Unglück für den Grafen, daß er den neuen Gast absichtlich vermied: denn Niemand konnte mißtrauischer seyn, wie dieser.

Aber noch gewaltsamer lastete auf Schlachtenmalern dieser neue Besuch. Er dachte an die Summen Geldes, die er dem Professor schuldig war, und an das Unterpfand, welches er ihm verschrieben hatte. Die geringen Einkünfte, welche er von seiner Stelle bezog, hatten bis jetzt kaum hingereicht, die in einem mehr als sechsjährigen wilden und oft sehr unglücklichen Vagabundenleben aufgehäuften Schulden abzutragen. Ueber den Zeitraum, wo er den so großmüthigen Darleiher hätte befriedigen sollen, waren längst noch einmal so viel Jahre verstrichen, und Schlachtenmaler hatte nicht einmal Gewißheit, was er von dem unheimlichen und so verrufenen Arzte selber denken sollte. Der Eindruck, den dessen astrologische Apparate auf seine damals noch leichtgläubige und jugendliche Phantasie gemacht hatten, schien sich als dauernd und gewiß in ihm erhalten zu haben. Er zweifelte keinen Augenblick, daß die plötzliche Ankunft Sägenreißers eine Erinnerung an seine Schuld seyn solle; ja, es war ihm, als wenn er den Tod auf sich lauern sähe, die Rache eines Dämonen, dem er sich verschrieben hatte, und der in der That aus seinen Spaziergängen, wo er ihm, dem Ungekannten, begegnete, öfters in seiner Brieftasche blätterte oder wohl gar einen forschenden und durchbohrenden Blick aus seinen sonst so gutmüthigen, aber in dem Bade doch öfters feindseligen und mißtrauischen Augen auf ihn richtete.

Man muß hinzufügen, daß Schlachtenmaler seit längerer Zeit geistig und, soweit der Körper davon abhängig wird, auch physisch krank war. Celinde nahm diesen Zustand für ein gemildertes und durch Unglück erweichtes Gemüth, sie sah durch das Alles, wodurch Schlachtenmaler seiner Vergangenheit untreu wurde, ihn sich näher gebracht. Sie ahnte nichts von dem tiefen moralischen Elend, in dessen Mißgefühlen ihr Freund sich krümmte und mit der Zeit immer mehr und mehr aufrieb. Schlachtenmaler fühlte das Unglück, ein durch und durch verfehltes Leben führen zu müssen, eben so tief, wie Blasedow, daß er die Schuld davon war. Er war sich der schönsten Fähigkeiten und der edelsten Empfindungen bewußt, ohne daß er davon etwas in der Wirklichkeit bethätigte, als das Gegentheil. Seine Stellung war untergeordnet, sein Gewissen war untergraben. Das seit mehr denn sechs Jahren geführte Leben lag allerdings als eine leichtsinnige Erinnerung hinter ihm, deren Schuld mehr den Vater traf; doch wie viel hatte er zu dem Schicksal nicht aus seinen eigenen Mitteln muthwillig und nicht selten gewissenlos hinzugefügt! Solcher Streiche, wie der mit der Erdpechbrochure, war sein noch so junges Leben voll. Da war keine ihm begegnende Treuherzigkeit, die er nicht hintergangen, kein Vertrauen, das er nicht gemißbraucht hätte, ja, man möchte fast sagen, kein offenes Fenster, in das er nicht gestiegen wäre. Wenn er sich auch das Zeugniß geben konnte, nie dabei einem bösen Willen gefolgt zu seyn, sondern mehr der Lust an Verwirrungen und Umtrieben und der Verführung, auch wohl der Noth des Augenblicks, so sah er doch, daß einst im Register seiner Thaten eine zahllose Menge zweideutiger Handlungen würden aufgezeichnet stehen, von denen er die übermüthigsten zwar gleich schon nach ihrer Ausführung bereut hatte, ohne daß sie ihn jedoch verhindert hätten, sie zu wiederholen, wo sich die Gelegenheit bot. Und welch eine Schuld hatte er nicht noch in diesen letzten Monaten aufgehäuft! Er konnte den Betrug mit der Amalienquelle allerdings einen humoristischen Streich nennen und würde ohne Gewissensbisse darüber haben sterben können; aber quälend wirkte doch auf sein besseres Bewußtseyn die Schuld, sich bei diesem Streiche zum Verbündeten des Grafen gemacht zu haben. Was bei ihm ein Spiel mit der Leichtgläubigkeit der Masse war, wurde bei seinem Mitschuldigen ein mit böser Berechnung angelegter Plan. Unbefangen und wie zum Scherze hatte er dem Grafen zu seinem Vorhaben die Hand geboten und nicht geahnt, welch einen Schreck es ihm machen würde, wenn ihm das auf seine Lüge gebaute Glück wie eine redlich verdiente Wahrheit gegenüberstehen würde. So muß es dem treulosen Baumeister seyn, der zum Fundament eines Gebäudes schlechtes Material nahm, das bessere unterschlug und nun darauf ein zum Wohnsitz von Menschen bestimmtes massives Gebäude sich erheben sieht, dessen Zusammensturz er in jedem Augenblick erwarten muß. Die Folge dieses unglücklichen Bewußtseyns, das sich bei Schlachtenmalern oft bis zur Verzweiflung steigerte, war ein tödtlicher Haß, den er auf den Grafen warf, und den dieser so gut verstand, daß er sorglich genug einem gefährlichen Ausbruch desselben aus dem Wege ging.

Die Ankunft Sägenreißers schien dem geängsteten und unglücklichen Gemüthe des Schuldbewußten kein gewöhnlicher Zufall. Er sah hier die Annäherung des Schicksals, das da käme, um ihn an die höheren Gesetze der Vergeltung zu erinnern. Jetzt schien sich ihm Alles mit Einemmale zu erfüllen, was seit einiger Zeit in ihm verworren rang; er bereitete sich in der Stille vor, dem Schicksal gegenüber die Waffen zu strecken, und wenn es mit seinem Leben wäre. Da nun seine Vorstellungen seither alle anfingen, immer auf der Grenze zwischen Leben und Tod zu wandeln, und seine Würfel, die er in banger Einsamkeit im Geiste warf, alle nur die schwarze oder weiße Farbe zeigten, so kamen seine grübelnden Gedanken allmählich auf eine Vorstellung, welche der letzten zusammengerafften Kraft Simsons glichen, die dem Tode voranging. Er wollte Sägenreißern den Arm geben: denn er dachte nicht, aus einem Duell mit dem pistolenkundigen Grafen das Leben davon zu tragen. Dies Duell, fühlte er, mußte ihn von der Gewissensschuld befreien, die er in Verbindung mit dem Grafen auf sich gezogen hatte, er mußte die beleidigten edeln und bessern Geister seines Innern versöhnen und sie an einem Manne rächen, der mit kaltem Blut einen Scherz zu einem weit umfassenden, großen Truggewebe ausgefasert hatte. Von dem Augenblick an, wo sich diese quälenden Gedanken an Sägenreißer, seine Unbesonnenheit und die Rache an dem Grafen so zutreffend mit einander vermählten, war er aufgeweckt und entschlossen und zeigte in allen seinen Vorbereitungen auf die Katastrophe jene krampfhafte Erregung des Willens, die sich nur für so harmlose Seelen, wie Celinde, hinter äußerer Ruhe und Zufriedenheit sicher und unbemerkt verbergen kann.

Es war schwer, den Grafen durch einen gleichsam vorgehaltenen Stock so zum Fallen zu bringen, daß er nicht wieder aufstehen konnte, ohne auch den am Boden liegenden Fehdehandschuh zu einem Duell mit aufzuheben. Schlachtenmaler war ein Untergebener, ein Diener des Grafen. Dieser konnte ihn für eine öffentliche Beleidigung züchtigen lassen, ob er es gleich der zwischen ihnen obwaltenden Geheimnisse wegen niemals würde gewagt haben. Schlachtenmaler berechnete dies und baute darauf den Plan, seinen Gegner dennoch zu seiner so ernsten und blutigen Genugthuung, wie er sie wünschte, zu zwingen. Der Graf, bei seiner großen Menschenkenntniß und dem Gefühl seiner Schuld, sah dem Benehmen seines jungen Freundes (denn in diesem Verhältnisse hatten sie gestanden) bald eine böswillige, versteckte Absicht an. Er mußte meiden, vor andern Leuten mit ihm zu reden, weil er sich der rücksichtslosesten Antworten und ungescheut ausgesprochener Beleidigungen gewärtigen konnte. Er wußte sehr gut, daß hier mehr als seine adelige und herrschaftliche Prärogative auf dem Spiele stand, und wich jeder nähern Berührung mit dem ihm wahnsinnig geworden scheinenden Gegner aus. Eines Tages jedoch erreichten die Unarten, die sich Schlachtenmaler gegen den Grafen erlaubte, den höchsten Grad. Dieser saß nämlich an dem zweiten grünen Tische des Spielsaales, wo zur Abwechselung mit dem Roulette öfters mit den Gästen auch Rouge et noir gespielt wurde. Der Graf spielte die Karten aus, während die Umstehenden ihre Einsätze auf den Glück oder Unglück bringenden Feldern bald hier-, bald dorthin rückten. Hätte der Graf gesehen, daß sich Schlachtenmaler leise unter die Spielenden mischte und spielte, er würde aufgestanden seyn. So aber fuhr dieser plötzlich mit den Worten auf den Grafen los: »Herr, Sie sind ein Betrüger; Ihre Karten sind falsch!« Die Mitspielenden fuhren zurück, der Graf sprang leichenblaß auf, während Schlachtenmaler die Karten ergriff und sie in’s Zimmer warf, so daß sie in alle Ecken flogen und nicht mehr verglichen werden konnten. Waren sie wirklich falsch, so blieb diese Beschämung dem Grafen jetzt erspart; aber der nächste Zweck Schlachtenmalers war erreicht. Er hatte dem Grafen die Nothwendigkeit in die Hand gegeben, irgend etwas für seine Ehre thun zu müssen, und ging aus dem Saale. Der Beleidigte blickte ihm mit zorndurchglühtem Antlitz nach und sagte, um nur die Stille zu unterbrechen: »Er ist verrückt!« Indessen konnte damit dem Erstaunen der zugegen gewesenen Gäste nicht Genüge gethan werden. Der Graf, der sich bald entfernte, fühlte, daß es einer entschiedeneren Rechtfertigung bedurfte, und konnte doch auch wieder nicht geneigt seyn, sich, wenn auch mit einem Bürgerlichen, doch mit seinem eigenen Diener zu schlagen. Ihn einer entehrenden Strafe zu unterwerfen und dann der Dienste zu entlassen, war noch unräthlicher, da er damit seinen Ruf in die Hand eines Mannes würde gegeben haben, der sich gerade an diesem rächen wollte und nichts verschwieg. Unentschlossen sein Zimmer mit großen Schritten durchmessend, empfing er ein Billet. Er erbrach und las:

»Die Stunde ist da, wo wir mit einander abrechnen müssen. Bei der Theilung unseres gemeinsamen Verdienstes bin ich zu kurz gekommen, so daß ich mich durch etwas Anderes schadlos halten muß. Das Vergnügen, Sie einen falschen Spieler genannt zu haben, ist für meine Befriedigung noch lange nicht hinreichend: denn ich war mitleidig genug, die Karten in den Wind zu streuen, um jeder Untersuchung vorzubeugen. Mein eigentlicher Antheil an dem guten Erfolg unserer gemeinschaftlichen metallurgischen und balneologischen Bemühungen soll erst kommen; ich denke, Sie werden, da Sie sich’s zur Ehre rechneten, mit mir anzuknüpfen, sich auch mit Ehren wieder von mir abnesteln. Vor Gott und der Amalienquelle sind wir Beide gleich. Ich denke, Sie werden mich auf den Entschluß, den Sie fassen müssen, nicht allzulange warten lassen!

Oscar Blasedow,  
genannt Schlachtenmaler

Der Graf, ritterlichen Wallungen nicht unzugänglich, zerknitterte das Papier und war jetzt um so mehr zum Aeußersten entschlossen, als es leicht das Letzte seyn konnte, für den Gegner nämlich. Und für ihn selbst? Was fesselte ihn noch an dies Daseyn, das sich für ihn längst in ein rastloses Elend verwandelt hatte? Der Einsatz, den er mit seinem eignen Leben machte, schien ihm klein gegen den Gewinn, der für ihn auf dem blutigen Spiele stand, den Tod des Mitschuldigen. Mit jener kaltblütigen Entsagung, die nicht das Erbtheil niederer und gemeiner Seelen ist, griff er in eine herausgezogene Schublade seines Schreibtisches. Neben unzähligen papiernen, an seine Gläubiger verschwendeten Gründen, von denen er Abschriften behalten, lag hier auch in friedlicher Form die ultima ratio rerum. Er nahm zwei Pistolen aus dem Kasten und band die zu ihnen gehörige Munition in zwei lederne Beutelchen, legte Alles auf den Tisch und bedeckte es mit seidenen Schnupftüchern. Dann schickte er zu einem seiner im Bade gerade anwesenden adeligen Freunde, einem guten Spieler und Schützen, eröffnete ihm sein Vorhaben, duldete keinen Widerspruch und leitete den Verfolg seiner Absichten so schnell ein, daß noch an demselben Tage in der Nähe des sogenannten Hirschparks, wo sich eine dem Publicum nicht zugängliche Umzäunung befand, der Ehrenhandel geschlichtet werden sollte.

Kurz vor der Katastrophe empfing Sägenreißer folgendes Billet:

»Mein Herr!

»Es ist gut, daß Sie meinem Gedächtnisse zu Hülfe gekommen sind. Im Strudel eines vielbewegten, nicht immer glücklichen Lebens war mir die Erinnerung an eine Ihnen schuldige Verbindlichkeit entfallen, welche Sie recht gethan haben mir durch Ihre persönliche Erscheinung an diesem Orte wieder vorzuführen. Die Summe, die ich Ihnen seit länger als sechs Jahren schulde, bin ich nicht im Stande, Ihnen jetzt wiederzugeben; meinen Ihnen längst verfallenen Arm jedoch, steht Ihnen frei, sogleich nach meinem in Kürze erfolgten Ableben sich als das Ihnen gebührende Unterpfand zu nehmen. Sollte die Operation, die ich eben im Begriff bin, mit mir zu machen, mißlingen, so haben Sie sich wenigstens von meinem besten Wollen, Ihnen gerecht zu werden, überzeugt und sind vielleicht nicht abgeneigt, den Termin der Rückzahlung noch auf einige Zeit zu verschieben.

Mit Hochachtung

Oscar Blasedow,  
genannt Schlachtenmaler.

Wenn auch Sägenreißern Name und Sache in diesem Briefe nicht schnell gegenwärtig waren, so fühlte er doch, daß hier etwas Gewaltthätiges im Werke war, welches man durch schnelle Dazwischenkunft noch vielleicht hindern konnte. Rasch griff er nach Hut und Stock und riß eben die Thür auf, als sie schon von Außen im Begriff war geöffnet zu werden. Sägenreißer zog sich zurück, um einem langen verdeckten Korbe Platz zu machen, den man eben in sein Zimmer tragen wollte. Er riß die Decke ab und erblickte einen ohnmächtig daliegenden Verwundeten, dem das Blut in's Antlitz und nach allen Seiten hin gespritzt war. Als Sägenreißer den Namen des Unglücklichen gehört hatte, war er so betroffen, daß er sich sammeln mußte, um mit schneller Hülfe beizuspringen. Wie durch ein bitter ironisches Schicksal war Schlachtenmalern der rechte Arm zerschmettert, und zwar in dem Grade, daß an eine Heilung desselben nicht zu denken war. Die Oberarmröhre war auf das Gewaltsamste, ganz in der Nähe des Schulterblatts, durch die Kugel zerbrochen worden. Sägenreißer wollte seinen Augen nicht trauen; und dennoch mußte er sich gestehen, daß Rettung hier nur durch Amputation des Armes möglich würde. Entschlossen, wie er war, benutzte er die Ohnmacht des Verwundeten, ließ ihn auf sein Bett legen und öffnete den Schrank, in welchem er seine zum Glück mitgenommenen Apparate liegen hatte. Schlachtenmalers Brüder, die ihm secundirt zu haben schienen, waren ihm in Allem zur Hand und sahen wohl ein, daß der Arm vor dem Brande nicht sicher war, sondern abgenommen werden mußte. Sägenreißer legte seine Verbände an und begann eine Operation, die ihm sonst so geläufig war, unter den obwaltenden Umständen aber die heftigste Gemüthsaufregung kostete.

Von den fürchterlichen Schmerzen, die die Operation dem Verwundeten verursachen mußte, erwachte der Arme aus seiner Betäubung. Aber, weit entfernt, ein verzagtes Herz zu zeigen, schien ihn diese Einlösung seines gegebenen Wortes zu ermuthigen. Entschlossen biß er die Zähne zusammen und hielt bis zum Schluß sein Leiden aus, worauf er wieder in eine Ohnmacht verfiel, die endlich in einen leisen Schlaf überging. Seine Brüder weinten, als sie den losgetrennten Arm sahen; Sägenreißer legte ihn in ein Gefäß mit Spiritus und stellte es an einen Ort, wo Beides unbemerkt blieb. Er verlor den Kranken keinen Moment aus dem Auge, brachte künstliche, stark riechende Lebensgeister in die Nähe seiner fast erstorbenen äußern Respirations-Organe, netzte seine Stirn und ordnete alles zur Bequemlichkeit des Kranken nur Erdenkliche an. Besuch ließ er nicht zu, nur daß er den Brüdern erlaubte, mit ihm gemeinschaftlich an dem Krankenlager zu wachen. Die Vorhänge des Bettes und der Fenster wurden herabgelassen, und die Dielen des Fußbodens mit Decken belegt.

Erst nach drei Tagen erholte sich Schlachtenmaler von den Ohnmachten, in die er abwechselnd verfiel, und der allgemeinen Entkräftung und Fieberhaftigkeit seines Zustandes. Als seine Vorstellungen wieder klar zu werden anfingen, war sein erstes Verlangen nach Celinden. Man hatte ihr den schrecklichen Zustand und die Gefahr, in der ihr Freund schwebte, verborgen gehalten, ob sich gleich nicht ganz verbergen ließ, daß er krank war. Ihre Liebe kämpfte mit der angebornen Schamhaftigkeit: sie wußte nicht, ob sie wagen durfte, vor sein Krankenlager zu treten; doch würde man sie auch nicht zugelassen haben. Da sich aber die Krankheit nicht gab, so steigerte sich ihre Ungeduld zum unseligsten Mißtrauen; sie nahm für gewiß an, daß er mit einer heftigen Krankheit zu ringen hätte, und gab sich erst zufrieden, als ihr Sägenreißer die heiligste Versicherung gab, daß sein Pflegbefohlener außer Gefahr war. Leidenschaftlich war auch der Antheil, den der Türk an dem Unglück Schlachtenmalers nahm: er ließ nicht drei Stunden des Tages verfließen, ohne sich nach seinem Befinden zu erkundigen. Blasedow selbst war vielleicht am ruhigsten.

Als es Sägenreißer wagen konnte, auf die Fragen des Kranken zu antworten und somit sein Gemüth in Erregung zu bringen, sagte der edle Mann: »Jetzt kann ich Ihnen, mein junger Freund, nicht einmal Ihre Verschreibung zurückstellen. Ich fand sie erst lange Zeit, nachdem Sie schon Kaputh verlassen hatten, und mußte sogleich darüber lachen, was mir wohl nicht eingefallen wäre, wenn ich gewußt hätte, wie das enden sollte! Ich kannte den Ruf, in dem ich stand, und hütete mich wohl, eine scheinbare Bestätigung desselben aufzubewahren; ich zerriß Ihre Verschreibung und somit auch das Document, daß ich Ihnen Geld geliehen. Sie hätten es unter allen Umständen ableugnen können, ich würde Ihnen meine Ansprüche durch nichts haben beweisen können.«

Schlachtenmaler lächelte, als wollte er sagen: »Gute Ausrede – ich weiß doch, daß es Ihnen Freude macht, meinen Arm zu haben!«

Sägenreißer fürchtete, in dergleichen Gefühlen betroffen zu werden, und sagte: »Liegen Sie nur ruhig; ich schaff' Ihnen für Ihr Unglück noch eine ganz andere Genugthuung. Ich erfuhr von Ihren trefflichen Brüdern den Zusammenhang vieler Dinge und bin eben im Begriff, mit dem Wasser der Amalienquelle einen chemischen Versuch anzustellen.«

Schlachtenmaler wollte ihm winken, dies schlummern zu lassen; aber, ach – er hatte keinen Arm mehr, und Sägenreißer trat zurück, die Vorhänge des Bettes zuziehend und still an dem, was er vorhatte, weiter arbeitend.

 


 


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