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Neuntes Kapitel.

 

Uebergänge und Ausläufe.

 

Es ist möglich, daß die arme Celinde beim Tode ihres unglücklichen Mannes mehr von dem Schauer vor dem Tode überhaupt, als vom Schmerz über den Verlust an sich geängstigt wurde. Wenn die weißen Tischtücher, mit welchen ein Sarg in die Grube gelassen wird, für Viele, die darum stehen, zu einem neuen fröhlichen »Tischlein, deck' dich« des Lebens gehören, und aus einer verlornen Hoffnung hundert neue blühen, einem erstickten Athemzuge tausend tiefere und schwellendere und belebtere nachfolgen, so hätte man auch bei Celinden nicht lange darüber forschen und prüfen sollen, ob ihr die Blumen, die sie auf des Gatten Grab pflanzte, recht vom Herzen gingen, oder ob sie ihren wiedererwachten Sinn für das Leben und die Farbenspiele der Sonne in ihnen verrieth. Wer kann hier entscheiden und richten! Celinde hatte mit am Grabe gestanden, als Blaustrumpf die Leichenrede hielt; sie fürchtete daheim ihre Einsamkeit mehr, als auf dem Kirchhofe das Gepolter des Sandes, den die Todtengräberspaten auf den dumpf widertönenden Sarg schütteten. Wie Blaustrumpf von den Feldherrntalenten des verabschiedeten Kriegers sprach und ihm, in Ermangelung einer in Amalienbad belegenen Garnison, redend einige donnernde Gewehrsalven von Verdiensten um den Staat, das Fürstenhaus und von Wiedersehen und Unsterblichkeit nachschickte und sogar ein dialektisches Kreuzfeuer über den Werth eines höhern Militairs, der sein Lebenlang für die Erhaltung des Friedens besorgt gewesen wäre, spielen ließ, blieben Celindens Augen trocken und irrten nur Hülfe suchend und obdachlos in dem Kreise der dazu aufgeforderten Leidtragenden umher. Als Blaustrumpf aber begann von des Abgeschiedenen letzten Lebenskämpfen zu sprechen, von dem stillen seligen Geistesdämmern seiner Krankheit und von dem frommen Engel, der ihn trug, daß sein Fuß an keinen Stein stieß, der ihn speiste, wie der Prophet in der Wüste gespeist wurde, und Alle mit feuchten Blicken zu ihr hinsahen, da mußte man sie fortführen und ihr unter den stillen Gräbern mit dem Troste des Lebens zusprechen, um nur den Durchbruch ihrer Thränen, die alle Fassung fortzuschwemmen schienen, zu hemmen. Ach, so kann uns selbst eine Last theuer und lieb werden, wenn wir sie lange getragen haben, und ein dem Tode längst geweihtes krankes, verkrüppeltes Kind wird von Elternliebe nur mit bitterstem Schmerz herausgegeben. So weiß man auch nicht, was in Celindens Herzen schlummerte. Schon das Gefühl, daß sie sich durch ihres Gatten Tod erleichtert finden mußte, und das Geständniß dieser Erleichterung, mußten sie wehmüthig gestimmt haben, wie es ja Menschen genug gibt, deren Thränen eine Anklage ihrer trocknen Augen und ein Vorwurf sind, den sie sich ihrer Kälte wegen machen, Menschen, die nicht die schlechtesten sind.

Schlachtenmaler gehörte z. B. zu ihnen; bei ihm trat das Thauwetter des Gefühls gewöhnlich nur aus Schmerz über seine Eiseskälte ein; er war ein zu umsichtiger, schöpferischer, trotziger Charakter, als daß er die von Außen kommenden Eindrücke nicht gleich gebändigt und seiner objectivirten Stellung (denn die war ihm immer gegenwärtig, wie einem Feldherrn) unterthänig gemacht hätte. Die Empfindung war bei ihm dann erst ein Vorwurf, den er sich machte; er wurde weich, weil es ihn schmerzte, so hart seyn zu können. Und Menschen dieser Art haben einen allwissenden, seelenkundigen Blick. Er wußte bald, daß Celindens Schmerz noch weit mehr Furcht war; der Tod betrübte nicht, sondern ängstigte sie. Ihr Zustand kam ihr selber schauerlich vor, und sie würde Schlachtenmalern um Schutz gebeten haben, auch ohne daß sie ihn liebte.

Ganz von selbst hatten sich die abgerissenen Fäden des frühern Verhältnisses wieder zusammen gefunden. Man strich sich scheinbar über die Stirn, als suche man dort eine längst entschwundene Erinnerung wieder aufzufrischen, obgleich die Erkennungszeichen wie goldene Buchstaben an der Stirn prangten oder wie auf einem Palimpsest nur mit den Notizen und Zahlen der gewöhnlichen hauswirthschaftlichen Alltäglichkeit überzogen waren. Schlachtenmaler hatte als Bad-Inspector Celinden so Vieles leisten können, was er für seine Pflicht ausgeben, sie aber auch als einen Tribut der alten Freundschaft aufnehmen konnte. Bei der Krankheit des Barons, seiner letzten gänzlichen Hülflosigkeit, wo man ihn legen und tragen mußte wie ein Wickelkind, bei seinem Sterben und nach dem Tode hatte sich Schlachtenmaler mit seiner umsichtigen und selbst handanlegenden Thätigkeit herrlichst bewährt und sich, Celindens zarten Sinn verstehend, wohl gehütet, die peinliche Stellung der Armen noch durch ein zur Schau getragenes Bestreben und Beabsichtigen zu vermehren. Er that, was er that, wie eine schuldige Pflicht und fiel erst da aus seiner Rolle, als von den traurigen Vorgängen der letzte Rest, Celinde selbst, einsam und bis auf den Tod erschrocken dastand, und man ihr sich nicht anders mehr hülfreich beweisen konnte, als durch geistige Annäherung. Schlachtenmaler fühlte wohl, was Alles auf ihm lag: denn hatte er nicht eigentlich dadurch, daß er den Plan zum Manoeuvre unterschlug und für unsägliche Zwecke benutzte, über den Baron alles Unglück verhängt, seinen Geist verwirrt und den frühen Tod des Vierzigers verschuldet?

Celinde wußte wohl, daß sie nun Amalienbad verlassen sollte; doch überredete sie Schlachtenmaler, so lange zu warten, bis das Grab des Barons mit all dem Schmuck würde versehen seyn, welchen man aus Kaputh kommen lassen mußte, da nicht einmal an Blumen in dieser dürftigen Gegend eine hinreichende Auswahl möglich war. Schlachtenmaler zeichnete einen Würfel als Grabstein, auf welchen aus Gußeisen Helm, Schild, Schwert und andere militairische Insignien kommen sollten. Als er mit diesem Plane Celinden gegenüberstand, wagte sie erst lange nicht, ihn anzusehen, und reichte ihm dann weinend die Hand, als wollte sie ihn jetzt erst zum ersten Male nach so langer Trennung begrüßen. Seine Zeichnungen, ihre Malereien, die musikalischen Abende und der Solger'sche Sophokles – Alles stand in diesem Augenblick wie von den Todten auf und blickte sich forschend und fragend an und tastete sich in die Nägelmale und suchte sich wiederzuerkennen; Schlachtenmaler, längst durch dieses Amalienbad in seinem Innern wankend gemacht, ja fast zerrüttet, hielt das selige Wiedersehen nicht lange aus, sondern sank erschöpft auf den Sessel und sagte nur mit einer Bitterkeit, die Celinden unendlich rührte: »Ach, was ist das Leben!« Es war gewiß nicht Viel und nichts Tiefes, was er da sagte, aber es lag ein ungeheurer Schmerz in dem Ausdruck, den seine Mienen annahmen. Die Seligkeit der Erinnerung, die ihn ergriff, war ein stechender und verwundender Ueberreiz. Beide Hände mußte er an sein Herz pressen, um es zu beruhigen.

In Celinden aber tauchten die alten Zeiten nicht wie drohende, zürnende und verhüllte Göttinnen, sondern wie lächelnde, gleich Schmetterlingen flatternde Nymphen mit bunten Flügeln auf, und sie konnte nicht weinen, weil sie Schlachtenmalern so unglücklich sah, sondern sie freute sich innerlich, weil sie einen so schönen, tiefen und bezaubernden Blick in sein gutes Theil werfen konnte. Wie er da an den Stuhl lehnte, die Hand das männlich schöne Haupt stützend und tief in Nachdenken verloren, da war er ihr wie eine selige, in Sonnenglanz sich badende Sonntagslandschaft, mit Glockengeläut und geschmückten Spaziergängern, mit Lerchenjubel und Waldhornruf; nicht jener schäumende Bergstrom, wie früher, der sich wild von den höchsten Gebirgszacken stürzte, in seinem Silberschaum allerdings manche losgerissene Alpenblume bergend, aber keck und grausam mit ihr spielend. Sie näherte sich ihm und nahm seine nachlässig hingleitende Rechte auf und fragte nach seinen Schicksalen, seit sie sich getrennt hatten. Schlachtenmaler sagte lächelnd: »Ach, Celinde, ich bin Vieles gewesen. Ich war eine Zeitlang unter dem Namen Carl Moor, in den böhmischen Gebirgen sehr thätig und opferte manchen Gutsbesitzer und zuletzt mich selbst dem Ideal einer veredelten Menschenrace. Dann war ich eine Zeitlang Hofmeister und Busenfreund bei einem jungen spanischen Kronprinzen, dessen Vater eine neue Welt erobert hatte, um damit die alte zu unterjochen. Mein Zögling war das Opfer des tyrannischen und eifersüchtigen Vaters, während ich selber noch mit diesem über Gedankenfreiheit mich nicht ganz verständigt habe. Die größte Abwechselung ist der Charakter meiner erlebten Abenteuer. Ich war sogar einmal genöthigt, vor meinen Verfolgern in die Wohnung eines Scharfrichters zu fliehen, der mich unter dem Namen Hinko so lang in seinem Handwerk unterrichtete, bis ich mich dem Irrthum, als ein Königssohn am Rabenstein entdeckt und zu großen Ehren befördert zu werden, nicht anders, als durch schnelles Umkleiden entziehen konnte. Bei vielen tragischen und komischen Begebenheiten bin ich einer der vornehmsten Mitspielenden gewesen; Schiller und Goethe, Kotzebue und Raupach sind mir für wesentliche Dienste, die ich ihnen leistete, Verpflichtungen schuldig; so Vieles hab' ich erlebt, daß ich endlich, überdrüssig des ewigen Wechsels, vom Schauplatz abtrat und die Zurückgezogenheit dieses Bades aufsuchte.« Celinde verstand den Freund nicht anders, als daß er ohne Bild von wirklich Erlebtem sprach; gerade das, was ihr von der Bühne hergenommen schien, war für sie das Gleichniß. Sie staunte und freute sich, ihn nach so vielen Irrfahrten in einem ruhigen Hafen zu wissen.

Für schöne und gute Seelen ist die Liebe in ihrem Entstehen und Fortschreiten nichts specifisch für sich Bestehendes, keine ausschließliche und alleinige Aufgabe, sondern ein griechisches Feuer, welches in dem gewöhnlichen Stabe des alltäglichen Lebens, mit dem man geht und wandert, innerlich verschlossen und geborgen ist. Wie eine Rebe rankt sie sich an das Spalier der gegebenen Verhältnisse auf, still unter ihren breiten Blättern reifend, bis die Zeit erfüllet ist. Nie erwähnt, ist sie immer zugegen. Ohne Händedruck sind die Seelen vereint. Im Zufälligen liegt die Absicht, das Bedeutende im Gewöhnlichen. So war auch zwischen Schlachtenmalern und Celinden jetzt eine innige Liebe vorauszusetzen, aber sie wurde nicht ausgesprochen. Sie ketteten sich unauflöslich an einander, ohne sich Beide den Verlust ihrer Freiheit gegeneinander einzugestehen. Sie fanden für den bedeutsamen Inhalt ihrer Gegenstimmungen gleichgültige Worte und legten in scheinbar zufällige Formen dasjenige thatsächlich nieder, was Andere sich erst in Katastrophen und künstlichen Scenen, nach gewechselten Briefen, gedrohten Selbstmorden und in bestellten Begegnungen weitläufig gestehen und auseinandersetzen müssen. Spinoza liebte Olympien, indem er von ihr Latein lernte, Voltaire die Marquise du Chatelet, indem sie zusammen Mathematik und Physik trieben und über Newton Bücher herausgaben, an welchen Beide gleichen Theil haben. So auch zückte Schlachtenmaler das Schwert seiner Liebe niemals offen, sondern trug es in der Scheide von Malerei, Lecture und Musik, durch welche er sich mit Celinden verständigte. Er war, da er ihren zarten Sinn kannte, unermüdlich, solche Vehikel seiner Neigung aufzufinden und die Naturwissenschaften, die alten Classiker und Schiller und Goethe für sich sprechen zu lassen. Diese Beschäftigungen steigerten die Sehnsucht mehr, als sie sie abkühlten; sie war nicht Wasser, sondern Oel für die Flammen ihrer Liebe.

Celinde fand noch ein anderes Mittel, ihrer Liebe zu Schlachtenmalern unverfängliche Worte zu geben. Sie hauchte nämlich den ganzen Zauber ihrer Zärtlichkeit, den sie gegen diesen zurückhalten mußte, gegen seinen Vater aus. Gerade an der treuen Hege und Pflege der Besitzthümer des Geliebten gibt die unschuldige Neigung der Frauen zuerst ihre Gefühle kund. Schlachtenmaler kannte Jemanden, dessen Geliebte sich ihm zuerst durch die Sorgfalt verrieth, welche sie seinen Handschuhen zuwandte. Sie duldete niemals eine aufgerissene Naht in ihnen, ja, ersparte ihm sogar den zu häufigen Ankauf von neuen dadurch, daß sie ihm, nach zarter Frauensitte, die Flecken mit Brodkrume und Gummi elasticum ausrieb. Für Celinden war Blasedow dieser Handschuh ihres Freundes. Sie besuchte ihn in der kleinen abgelegenen Kammer, die er sich zum Aufenthalt gewählt hatte, sie steuerte der beispiellosen Unordnung, die in diesen engen Mauern herrschte, sie suchte ihn für die Reize einer saubern Lebens- und Leibeseinrichtung dadurch empfänglich zu machen, daß sie nicht erst von deren Nothwendigkeit und Annehmlichkeit sprach, sondern ihm hinlegte, was er finden mußte, ihn zwang, zu nehmen, was er, ohne aufzufallen, nicht abweisen durfte, z. B. reine Hemden und saubere Schnupftücher. Sie hing sich wie eine Tochter an seinen Arm und hätte ihn wie Antigone nach Kolonos begleitet, wenn dieser Oedipus sich bewußt gewesen wäre, die Götter beleidigt zu haben. Die Sommerfäden manches zarten und sinnigen Gespräches, das sie mit einander führten, blieben in den Zweigen des Parkes hängen. Sie suchten sich die dunkelsten Schattengänge, die die äußersten Ränder des Parkes darboten, um mit einander auszutauschen Liebe gegen weisheitsvolle Sprüche, Trost gegen die poetischen Ahnungen eines Sehers, Ermunterung und zärtlichen Zuspruch gegen mannigfache geistvolle Belehrung. Sidonie, die, eine weltkluge Frau, den eigentlichen Schnallenhaken dieses innigen Bandes wohl kannte, nahm an den Spaziergängen mit jener vornehmen, scheinbar leidenschaftlosen Ruhe Theil, auf deren tiefstem Grund doch selbst bei so resignirten Wesen immer noch ein gewisses Gefühl von Haß oder etwas dem Aehnliches schlummerte. Auch gegen die Kälte, die ihr einmal angeboren war, konnte sie nicht. Blasedow gewann in diesem Verein eine Frische wieder, die wenigstens auf die Wangen seines Geistes einen heitern, ruhigen Abglanz zurückzauberten. Die Badegäste behaupteten, er hätte eine Prämie in der großherzoglich Darmstädtischen Serienziehung gewonnen. Schlachtenmaler indessen verfiel immer mehr in einen gegen seinen excentrischen Charakter so grell abstechenden Tiefsinn. Der Friede jenes schönen Vereins, in welchem Blasedow neues Leben gewonnen, schien ihn zu Empfindungen herabzustimmen, welchen eine ungewöhnliche Seelenqual zum Grund liegen mußte. Feurig, aber vor Zorn, flammten seine Augen nur auf, wenn ihm der Graf begegnete. Sonst schien er über etwas zu grübeln, das Celinde am wenigsten ahnte, da sie sich so glücklich fühlte.

Um diese Zeit war es, daß in der Amalienbader Gesellschaft eine Erscheinung auftrat, welche zwar nicht selber das Aufsehen, das sie machte, zu beabsichtigen und irgendwie nähren zu wollen schien, es aber auch nicht hindern konnte. Ein Türk in seiner Nationaltracht, mit zahlreicher Dienerschaft, trat plötzlich auf dem Schauplatz unserer Erzählung auf. Ein Bimbaschi schien er wenigstens zu seyn; seinem Gefolge und seinen Geldmitteln nach hätte er auch ein Pascha, von wenigstens zwei Roßschweifen, seyn können. Vielleicht war es auch nur ein Privatmann, der zu seinem Vergnügen in Europa reiste, oder ein umgekehrter Fürst Pückler, der die Absicht hatte, eine Reisebeschreibung über Europa herauszugeben. Viele Badgäste, die im Begriff waren, abzureisen, bestellten die Postpferde wieder ab; auch war Schlachtenmaler lange zweifelhaft, ob nicht der Graf, um die Gesellschaft zu fesseln, hier wieder eine Verkleidung veranstaltet und irgend einen Abenteurer in Türkenkleider gesteckt hätte. Indessen, so räthselhaft allerdings der Bimbaschi selber war, so konnte doch seiner Umgebung, die aus einem Haushofmeister, einem Koch, zwei Kammerdienern und vier Schwarzen bestand, der echte türkische Charakter nicht abgesprochen werden. Diese Leute verriethen in allen ihren Bewegungen und naiven Vorstellungen, daß sie von der europäischen Civilisation höchstens in den Fragen beleckt worden waren, die den Luxus betreffen; wenn es allerdings auch auffallend blieb, daß der Bimbaschi selber ein artiges, wenn gleich sehr gebrochenes Deutsch sprach. Ohne sich eines Dolmetschers zu bedienen, leitete der Fremdling alle Verhandlungen, die mit der ökonomischen Verwaltung des Bade-Ortes unvermeidlich waren. Zuweilen schlug er, wenn ihm ein Ausdruck nicht geläufig war, ein Wörterbuch nach, eine Sitte, die ihm aber auch dadurch wieder etwas Verdächtiges gab, daß er im Türkischen selbst öfters stecken zu bleiben schien. Freilich war das Letztere mehr eine Vermuthung: denn die Diener des Bimbaschi durften in seiner Gegenwart nur sprechen, wenn kein gesitteter Europäer zugegen war. Aber man wollte doch gehört haben, daß es ihm in seinen belauschten Gesprächen mit ihnen öfters an den recht bezeichnenden Wendungen fehlte, daß er wohl gar stockte, und Vieles von dem, was er sprach, den echten Türken unverständlich war. Wenn man nun hieraus wieder schließen wollte, der Bimbaschi dürfte ein Renegat seyn, so war dies theils voreilig, indem seine Gelehrsamkeit vielleicht die abgebrochenen Sätze liebte oder ihn dem gemeinen Muselmann unverständlich machte, theils war es gleichgültig, da das Interesse an dem Bimbaschi dadurch eher nur gehoben, als gemindert wurde. Und Niemanden war an alle dem weniger gelegen, als dem Grafen. Der räthselhafte Türke schien bei einer unerschöpflichen Casse zu seyn. Er nahm alle die Zimmer ein, welche Graf Leibrock und Herr von Hundt eben verlassen hatten, und, wenn er auch keinen Wein trank, so war er an andere theure Bequemlichkeiten gewöhnt und schien wenig Sinn für den Werth des Geldes zu haben. Das Letztere in dem Grade, daß Schlachtenmaler hier wieder ein Zeichen der Verstellung zu entdecken glaubte, ob er gleich an eine Intrigue des Grafen nun nicht mehr zu denken brauchte. Er gönnte dem Grafen die Wahrheit dieser Erscheinung nicht; er hätte gewünscht, Lug und Trug wäre sein Anfang und Ende gewesen; er ärgerte sich, daß dem Grafen eine falsche Saat in echten Früchten aufgehen sollte; doch ließ sich eine genauere Beobachtung nur in einiger Entfernung anstellen. Der Bimbaschi lebte zurückgezogen und beobachtete in fremder Gesellschaft ein hartnäckiges, dem Orientalen eigenthümliches Schweigen.

Eines Tages stand der Bimbaschi mit jener würdevollen Ruhe, die ihn beim Spiel immer auszeichnete, an der Roulette und warf, dem türkischen Fatum trauend, blindlings seine Goldmünzen in die Zahlen hinein. Da bemerkten die Umstehenden plötzlich, daß er erblaßte und sich an der Kante des grünen Tisches zu halten suchte. Der Gascogner Alboin hatte ihm eben einen ansehnlichen Gewinn auszuzahlen; doch achtete der Bimbaschi nicht darauf, sondern stierte in eine Ecke des Saales, wo eine lange, hagere Gestalt an der Mauer lehnte und mit abwesenden Blicken in die Flammen des über der Roulette hängenden Kronleuchters schaute. Die Umstehenden sahen bald den Bimbaschi, bald den unglücklichen Spieler Blasedow an. Dieser blieb unbeweglich, da er die Aufmerksamkeit, die er erregte, nicht bemerkte; jener ließ seinen Gewinn unangerührt auf der Stelle liegen und schien beim Anblick jenes gespenstischen Wesens mit Empfindungen zu kämpfen, die die höchste innere Aufregung voraussetzten. Indem schlug das Glück dem Bimbaschi wieder zu; man erinnerte ihn daran, daß der Goldhaufen, der auf der von ihm schon lange besetzten Zahl lag, ihm gehöre; der Türke fuhr wie Einer, der sich verrathen oder wie auf einem Gedanken ertappt glaubte, auf, besann sich, strich seinen dunkeln Bart und sagte halb in Pantomimen, halb in minder gebrochenem Deutsch, daß man den Gewinn jenem Mann an der Wand auszahlen solle. Damit ging er eilends vom Tisch und aus dem Saale. Der Graf, der zugegen war, meinte, das Geld gehöre der Bank, weil der Türk ein Gespenst gesehen zu haben glaubte und sich eingebildet hätte, daß er den Göttern, um sie nicht zu erzürnen, sein Glück opfern müsse; doch Schlachtenmaler stieß den Haken, mit welchem der Graf das Geld an sich ziehen wollte, zurück, strich es ruhig ein und trug es seinem Vater hin, der wie aus einem Traum erwachte und nicht wußte, was er zu diesem Geschenke sagen sollte.

 


 


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