Johann Christian Guenther
Gedichte
Johann Christian Guenther

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Antwortschreiben einer Braut an einen gewissen Pfarrer

        Monsieur, sie sparen die Karessen
Mitsamt der freien Schmeichelei,
Ein Mensch, der den Verstand vergessen,
Meint, daß ich schon ein Engel sei;
Von ihnen steht mir dieser Titel,
Mit Gunst gesagt, so gar nicht an.
Warum? Es ist nun mehr kein Mittel,
Das sie und mich verbinden kann.
Mich wundert, daß sie sich nicht schämen,
Als ein berufner Gottes - Mann
Manch schlüpfrig Wort in Mund zu nehmen,
Das keine Keuschheit leiden kann.
Auf Kanzeln macht ihr heil'ger Eifer
Uns Mädchen stets die Hölle heiß
Und weckt dadurch der Mißgunst Geifer,
Der unsern Kuß zu höhnen weiß,
Und gleichwohl stellt oft ihr Exempel
Die allergrößten Heuchler vor;
Sie prahlen auf Altar und Tempel
Und donnern in des Pöbels Ohr.
Von außen lassen sie als Engel,
Doch sieht ein Kluger auf den Grund,
So stecken sie voll großer Mängel
So wie des Pharisäers Mund.
Monsieur, sie wollen zwar vexieren,
Das kommt nicht apostolisch raus;
Der Schafspelz soll sie etwas zieren,
Doch füttert ihn der Wolfsbalg aus.
Sie schwatzen viel von Pfaffenschätzen
Und reden mir aus Hochmut ein,
Den Kaufmann hinten an zu setzen,
Und wollen Hahn im Korbe sein.
Sie mögen mit den blonden Haaren
Und ihrer silbernen Couleur
Zu andern auf die Hochzeit fahren;
Ich weiß mein Teil und mag nichts mehr.
Sie schielen an Verstand und Witze,
Der Fehler ist gewiß nicht schlecht;
Drum mach ich mir auch jetzt zunütze,
Was nächst ihr Reim geradebrecht.
Ihr Tippelswalde mag sie nähren
Und bald als Suprintenten sehn,
Mir darf es doch kein Brot gewähren,
Denn dies kann anderwärts geschehn.
Mein Liebster, den ich jetzo küsse
Und der mich wieder zärtlich küßt,
Macht mir das Leben auch so süße,
Als ein hochwürdig Ämtchen ist.
Der Kirchhof unter meinem Kleide
Ist nicht für ihren Leib bestimmtDer Vergleichspunkt ist hier die Erde, in die der Körper gebettet wird
Sie suchen andre Liebesfreude
Bei einer, die mit Quendel glimmtEine, die sich besonder parfümiert.
Und wollen sie sonst keine Myrten,
So mögen's Hasepappeln sein,
Die ihren Schlaf und Haar umgürten;
Adieu, Monsieur, sie sind nicht mein.

 


 


 << zurück weiter >>