Anastasius Grün
Nibelungen im Frack
Anastasius Grün

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Der Herzog bereist seine Staaten.

                      »Soll's, während wir hier geigen, im Land so übel stehn?
O laßt, wie ich regierte, mich eignen Auges sehn!
Den Schatz indeß bewahre Ries' Einheer, Zwerg Laurin.« –
Der Fürst rollt mit dem Kanzler inkognito durch's Land dahin.

Incognito das heiße: Auf, Thüren und Thore weit!
Die Böller los und Glocken! Doch bergt, verhängt das Leid
Mit Blumen- und Mädchenguirlanden, betäubt's mit Sang und Klang,
Macht doppelt tief den Bückling und eure Reden doppelt lang!

Der Fürst sah über Lützen verspätete Geier steigen:
Nicht immer regieren weise die Fürsten, die nicht geigen;
Er sah es, wie in Lauchstädt bei hallischer Musen Sang
Natur, der Aerzte bester, den Kelch voll schäumenden Heilborns schwang;

Er sah in der »goldnen Aue« das Meer von Saaten wogen,
Ein Bild bescheidnen Reichthums: Fruchtbäume von Last gebogen,
Die Rebe, Südens Flüchtling, an Fenster um Einlaß klopfen,
Stolz mißt von luft'ger Stange sie, der hier König ist, der Hopfen;

Um Schkeuditz die schönen Forste voll Tannen hoch und schlank,
Dank! sang vom Thurm die Glocke, das Glöcklein der Trift klang Dank!
In Lüften pfiff die Lerche, im Korn das Bäuerlein;
Der Fürst rief: »Du regierest fürtrefflich, goldner Sonnenschein!«

Volksjubel aller Orten, sich sonnend in Fürstenhuld!
O Eloquenz der Schulzen, o fürstliche Geduld!
Der Bürgermeister die Schlüssel darbringt auf Kissen und Teller,
Und hat die Stadt nicht Thore, vergoldte Schlüssel sind's vom Keller.

Umrankt von Arabesken ein heitres Dichterlied
Scheint's, wenn durch Ehrenporten der Herzog lächelnd zieht,
Ganz weiß, ihm Blumen streuend viel Kindlein drängen herein,
Der Herzog denkt zufrieden: Ich muß doch kein Herodes sein! – –

Bei Dölitsch stehn auf der Höhe drei Linden alt und breit,
Im Frein hier hielten Landtag die Männer alter Zeit;
Da will der Herzog rasten, er sinnt und schaut zu Thale,
Saatfelder, Auen, Triften reiht an ihr Band, wie Perlen, die Saale:

»Wie kommt's, daß diese Bäume den Menschen überdauern
Und seine fliehnden Geschlechter und seine fallenden Mauern?
Hat, Demuth uns zu predgen, der Herr sie aufgestellt?
Wie, oder einst zu Zeugen, gedächtnißstark, wenn Gericht er hält?

»Wie dort des Stromes Wellen, so ihnen vorüber rauschen
Jahrhunderte voll Thaten! Sie aber stehn und lauschen;
Die Knospenaugen sehen, im Stamme wohnen Seelen,
Was ihnen vorgeschritten, sie werden's wieder einst erzählen!

»Ein schön Berathen, ihr Alten, war's hier im Lindenzelte,
Frei vor dem Himmel, der helfe, frei vor dem Land, dem's gelte!
Redfreiheit schützt der Panzer, an's Schwert greift flink der Zorn;
Die Sonne lächelt schweigend: es wächst die Tanne, es reift das Korn.

»Flohn wir, ihr Licht nur scheuend, zum Rath in dunkle Kammer?
Heilt schneller der geschriebne, als der gesprochne Jammer?
Die Motte frißt die Lettern, die Liebe schrieb, die Zorn;
Die Sonne lächelt schweigend: es wächst die Tanne, es reift das Korn.

»Heil dir, weckt wie ihr Leuchten, Wohlwollen deine Saaten!
Weh dir, wenn deine Mißgunst verhagelt Keime der Thaten!
Den Weltgang wird's nicht irren, ist Hemmniß nicht, noch Sporn;
Die Sonne lächelt schweigend: es wächst die Tanne, es reift das Korn.

»Soll ich den Berg durchbohren, der mir den Weg umrändert,
Die Bahn des Stromes kürzen, der frei im Thale schlendert?
Das hieß' in Gottes Werke die Fehler bessern wollen;
Daß ich sie nicht verschlimmre, mag stehn der Berg, der Strom mag rollen!

»Mir ist's, als weht' vom Himmel ein Blatt mir in den Schooß
Ganz weiß, daß drauf ich schreibe ein Wort, doch wichtig, groß!
Schreib' ich das Wörtlein: Liebe? Haß will doch auch sein Recht!
Lieb' allem Edlen, Schönen! Haß Allem, was gemein und schlecht!

»Mensch? Schreib' ich's mit Lettern von Staube, wär's nicht ein dreist Anmaßen?
Gott? Schreib' ich mit Lichtbuchstaben ihn, den ich nicht kann fassen?
Das Blatt blieb' unbeschrieben, den Winden gäb' ich's preis!
So wahrt' ich's frei von Makel, heimflög' es fleckenrein und weiß.

»Doch Heil dem gewaltgen Arme, der in das Weltrad greift,
Es hemmend oder treibend, bis ihn's zermalmt und schleift!
Der Schöpfergeist ist's selber, der sich in ihm verjüngt
Und, Gutes bessernd – schaffend, zerstörend – nur nach Vollendung ringt.

»Den neuen Bau zu thürmen fühl' ich den Arm zu schwach;
Möcht' er den alten schirmen getreu vor Fall und Schmach!
Getrost lass' ich des Zepters Gewicht Statthaltern zwein:
Dir freie Menschenseele, dir ewger, warmer Sonnenschein!«

Der Herzog wallt zu Thale. – Dort aus der Kirche schreitet
Ein Brautpaar; arme Leute, nicht von Musik begleitet.
»Wie? stumm, verwaist von Klängen, ein hochzeitlicher Zug?
Zu bessern deinen Fehler, Herr, ist mein Arm jetzt stark genug!«

Der Herzog nimmt die Geige, er streicht sie frei und stark,
In Aller Blick fährt Freude und Freude durchbebt ihr Mark!
Der Zweig im Haar des Bräutchens hat neuen Duft und Glanz,
Im Reigen sich schwingen die Gäste, ein lebend gewordner Blumenkranz!

Es wiegen sich die Klänge im klaren Vollmondschein,
Sie steigen empor die Hänge bis zu den Linden drei'n,
Die lauschen und die rauschen, als ob sie hätten Seelen;
Was heute sie erlauschen, sie werden's weiter noch erzählen.


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