Anastasius Grün
Nibelungen im Frack
Anastasius Grün

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Der berühmte Chevalier von Pöllnitz am Merseburger Hofe.Daß die Rolle, die das Gedicht dem Chevalier von Pöllnitz zuwies, dessen historischem Character nicht widerspreche, wird Jeder zugeben, der sein Leben aus dem ihm von Friedrich II. ausgefertigten Abschiedsdiplome kennt.

                Das Bienlein ist gar fleißig, noch fleißiger der Tourist,
Nebst Honig sammelnd Manches, was gar nicht Honig ist;
Das Immlein jede Blume durchforscht, die lenzig blüht,
Und Jener jed' Gehirne, das denkt, und jedes Herz, das glüht.

»Ich war an allen Höfen!« Mit Recht es rühmen darf
Der Chevalier von Pöllnitz, da man aus allen ihn warf;
Er hat auch die Geschichte vom Zwerg in schnellster Frist
Erhascht wie den seltnen Falter und an den Reisehut gespießt.

Gen Mersburg wallend denkt er: Ich will mich präsentiren
Als Peters Abgesandter, das Zwerglein reclamiren;
Mersburg wird mich tractiren und Rußland decoriren,
Im Obdach unterm Eichbaum darf ich der Eicheln Fall riskiren

Der Herzog hat's vernommen, er weiß sich kaum zu fassen:
»Mein Zwerglein, kaum gewonnen, ich soll dich wieder lassen!«
Der Kleine spricht: »Verbergt mich in des Thronhimmels Falten,
Ein russisch Lied ihm singend, will ich statt Euch die Red' ihm halten.«

Der Fremde tritt zum Throne: »Ein Flüchtling fand hier Gelaß,
Heim sendet ihn, zu wenden von Euch des Zaren Haß!«
Doch von dem Thron hernieder zu ihm die Antwort klingt:
»Vernimm als unsern Ausspruch ein Lied, das deine Heimath singt:

Held Dieterich von Bern saß auf Ravenna's Throne,Theodorich der Große, in Lied und Sage der Vorzeit auch Dietrich von Bern genannt. Das vorliegende Factum berichtet Cassiodor. (Var. V. ep. 2.)
Da traten in den Saal Gesandte fremder Zone:

Sie nannten Esthen sich, ein braunes Fell ihr Kleid,
Am Hals ein beinern Bild des Ebers ihr Geschmeid;

Ihr Festschmuck Keul' und Bart, fürwahr seltsame Tracht
Hier vor des feinen Hofs Juwel und Seidenpracht!

Sie brachten als Geschenk von Bernstein volle Laden
Und Linnen manch ein Stück vom allerfeinsten Faden:

»Sieh was die Flur uns zollt, sieh was die See uns landet
In unsrem Heimathland, daran das Ostmeer brandet.

»Es ist so weit von hier, daß auf der langen Reise
Aus starken Männern wir fast wurden schwache Greise.

»Doch Ruhm wallt weiter als ein Menschenalter zog,
In unsre Wäldernacht dein Ruhm wie Nordlicht flog!

»O woll' auch unser Land mit deinem Purpur decken
Uns Fürst sein, Hort und Schirm und unsrer Feinde Schrecken!

Drauf Dieterich der Fürst: »Wenn auf der langen Reise
Aus starken Männern ihr geworden fast schon Greise:

»So käm' ich, selbst ein Greis – seht meine weißen Haare, –
Als Fürst in euer Land wohl nur auf meiner Bahre.

»Blieb eures Lands Tribut ich zu empfangen hier,
Verzehrt' als Reisegeld ihn euer Bote schier.

»Bis daß er kommt zu euch, ist längst mein voller Segen
Ein loser Nebelhauch, statt frischer duft'ger Regen;

»Bis euch die Ruthe trifft, die ich im Zorn erhoben,
Ist sie ein todtes Reis, verdorrt längst und zerstoben.

»Der Liebe Leben ist umfassen und beglücken,
Des Hasses Wesen ist zu treffen und zu drücken!

»Sonst ist der Liebe Gluth ein Hof am Mond, ein blasser,
Sonst ist des Hasses Schlag ein Wetterschlag in's Wasser!

»Wählt Sonn' und Jovis Aar zu Fürsten immerhin,
Sind sie auch etwas weit, doch näher als ich bin;

»Als Segen trifft euch doch der Sonne Strahlenpfeil,
Als Fluch erreicht euch doch des Adlers Wetterkeil.«

So sprach der Fürst zu den Gesandten fremder Zone,
Doch dir auch, o mein Volk, sprach er zu Nutz und Lohne:

Und lächelt dir der Zar, nicht juble vor der Zeit!
Der Himmel ist gar hoch, der Zare wohnt gar weit.

Und zürnt der Zare dir, sei's dir kein großes Leid!
Der Himmel ist gar hoch, der Zare wohnt gar weit.«

Pöllnitz, erstaunt, betroffen, starrt auf des Herzogs Mund,
Der, nicht die Lippen regend, doch spricht so schön, so rund!
– Ich will's Euch wohl vertrauen, doch ihm verrath' ich's nicht:
Es ist des Herzogs Zwerglein, das aus dem Baldachine spricht. –

Dem Tagebuch er Abends bekennt: »Ich sah noch nie
Wie hier zum Völkerglücke bei Fürsten solch Genie;
Nicht nur kunstfertger Geiger, Bauchredner ist er auch,
Der eine lange Ballade mir deklamirte durch den Bauch!« –

So pfeift jedweder Vogel im Lenz sein Urtheil los;
Zaunkönig an der Hecke sieht Alles erstaunlich groß,
Stoßfalke in den Wolken sieht Alles unendlich klein,
Die Lerche zwischen beiden mag bester Kritikus noch sein.


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