Franz Grillparzer
Aesthetische Studien. - Sprachliche Studien. - Aphorismen.
Franz Grillparzer

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Sprachliche Studien.

(1822)

Die Beweise einer Verwandtschaft von Völkern aus der Verwandtschaft ihrer Sprachen sind um so trüglicher, da die historisch am wenigsten verwandten Völker es doch eigentlich genetisch gar sehr sind, als Menschen beiderseits nämlich: als Menschen, die mit denselben Organen, durch dasselbe Bedürfnis, aus denselben Anlässen zum Sprechen gebracht werden: wozu noch kommt, daß daher auch die ersten Worte aller Völker wahrscheinlich Onomatopöen sind. Sollen sie sich da nicht ähnlich sein?


(1857?)

Die Sprachgelehrten setzt mitunter der Zirkel in Verlegenheit, der darin liegt, daß die Sprache zum Behufe des Denkens erfunden oder gefunden werde, indes man doch ohne vorläufige Sprache nicht denken könne: welch letzteres auch ungezweifelt wahr ist. Aber es hat der Mensch, außer den Gedanken, und zwar noch früher, auch Empfindungen, Bedürfnisse, Triebe, Wünsche, Befürchtungen, die gleichfalls einen Ausdruck suchen und brauchen, wenn erst ein Zusammensein, ob auch nur von zweien, vorausgesetzt wird. Der Mensch allein würde lautlos sein wie das Tier und die Sprache ist weder ein Erzeugnis des Denkens, noch auch der Empfindung, sondern des Dranges und der Notwendigkeit der Mitteilung, wo denn freilich die Empfindungen das erste Mitzuteilende sind. Die Schwierigkeit bei der Mitteilung aber besteht nicht darin, ein Zeichen für das, was man meint, zu finden, sondern daß die andern mit dem Zeichen denselben Sinn verbinden, den ich hineinlegen will. Vor aller Uebereinkunft verständliche Zeichen nun sind nur die Gebärden. Die erste Sprache wird daher eine Gebärdensprache gewesen sein. Diese ist dem Menschen so natürlich, daß wir noch jetzt unsere Wortsprache mit Gebärden begleiten. Ebenso wird man aber auch nicht unterlassen haben – da die unartikulierte Stimme eben auch nichts als eine Gebärde für das Ohr ist – solche sichtbare Andeutungen durch Töne, Lautnachahmungen und Stimmaccente zu erläutern und zu ergänzen. Daß aus der Gewohnheit, die nämlichen Gebärden mit den nämlichen Stimm- und Lautfällen zu begleiten und aus der Ueberzeugung, daß in der Nacht, im Dickicht des Waldes das Stimmzeichen brauchbarer sei als die Gebärde, endlich das Uebergewicht auf die Seite der Mündlichkeit fallen mußte, ist ebenso einleuchtend. Wie aus diesem Gestammel des Bedürfnisses und des Sinneneindrucks unsere abstrakte Wortsprache entstehen konnte, erklärt eine Kategorie, welche in der Logik und Metaphysik keinen Platz hat, in der Wirklichkeit aber mächtiger als jede Macht ist: die Allmählichkeit. Ohnehin ist jedes, selbst das roheste Zeichen bis zu einem gewissen Grade abstrakt, da es nicht den einzelnen Gegenstand, sondern den Gegenstand im allgemeinen bezeichnet.

Hiermit geschieht nicht der Würde des Menschen ein Eintrag, da nur unter Voraussetzung seiner naturbestimmenden Eigenschaften eine solche Entwicklung möglich war und nicht der Punkt, von dem man anfängt, den Wert bestimmt, sondern der, auf dem man ankömmt.


(1860.)

Die Mitteilungsfähigkeit ist das Palladium der Menschheit. Die Tiere würden vielleicht von uns nicht so ungeheuer weit abstehen, wenn der Alte das Erlebte und Erfahrene seinen Jungen als Vermächtnis hinterlassen könnte. Aber in diesem Vorzuge liegt auch eine Gefahr des Verfalls. Die Frühergewesenen haben sich ihre geringen Kenntnisse mit vieler Mühe, durch Erfahrung und oft getäuschtes Nachdenken erworben. Sie sind dadurch in Fleisch und Blut übergegangen und zu Ueberzeugungen geworden. Die Spätern bauen auf dem Ueberlieferten fort und je höher sie bauen, um so schwächer werden ihnen die gar zu leicht, fast nur mit dem Gedächtnis erworbenen Grundlagen. Ist es endlich so weit gekommen, daß die Empfindungen zu Worten, die Ueberzeugungen zu Notizen geworden sind, so verliert die Generation ebensoviel an Charakter, als sie an Kenntnis gewinnt; und dann tritt jener Umsturz ein, der die alten Bildungsepochen zerstört hat und die unsere nicht verschonen wird.


(1819)

Die deutsche Sprache hat ihre Unbeholfenheit in der Poesie schon größtenteils abgelegt. In der Prosa wird sie dahin erst dann gelangen, wenn sie das Periodenmäßige aufgibt, das teils angeborne Gravität, teils Nachahmung des Lateinischen dem Deutschen aufgeredet haben. Der Mangel bestimmter, regelmäßig sich wiederholender Endsilben bei Nenn- und Zeitwörtern, die in den artikellosen Sprachen die entferntesten Glieder einer Rede so leicht und natürlich verbinden, der beschränkte Gebrauch der Mittelwörter, ja ihr Abgang in der leidenden Bedeutung; die häufigen sich selbst verwirrenden Hilfszeitwörter machen jede verschlungene Redestellung unzweckmäßig und man muß sie um so sorgfältiger fliehen, je mehr die verführerische, Kürze-lügende Möglichkeit, mehrere Sätze ineinander einzuschachteln, durch die abtrennbare Natur unserer Fürwörter begünstigt wird. Soeben bemerke ich, daß die vorstehende Warnung gegen die Verwickeltheit der Redestellung, durch ihre eigene Verwicklung sehr gut das Objekt darstellt, vor dem gewarnt wird und daher als Regel und Beispiel zugleich dienen kann.


Neue Rechtschreibung.

(1856.)

1.

Man will eine neue Rechtschreibung in den Schulen einführen. Ich bitte die Behörden, es zu unterlassen.

Man muß Neuerungen überhaupt nur einführen, wenn sie notwendig oder von wesentlichem Nutzen sind, sonst hat das Bestehende die Vorrechte des Natürlichen.

Der Prüfstein alles Neuen ist die Zeit. Erst wenn ein Menschenalter vorübergegangen ist und trotz alles Wechsels der Ansichten das Neue sich erhalten hat, weiß man, daß man eine Verbesserung gemacht und nicht einer Mode gehuldigt hat.

Nirgends ist die Vorsicht gegen Neuerungen so notwendig als in Deutschland, wo man alle zehn Jahre litterarische Absurditäten in Gang setzt, über die man zehn Jahre später wieder lacht.

Die Sprachen werden durch den Gebrauch und die großen Schriftsteller gemacht. Wie unsere Altvordern gesprochen und geschrieben haben, ist uns höchst gleichgültig, denn sie waren albern, und wir wollen uns bemühen, gescheit zu sein.

An dem Materiellen einer Sprache ist nichts stoßweise zu ändern, wenn sie einmal eine klassische Litteratur hat. Leider veralten auch die großen Schriftsteller, es wäre aber Frevel, beizutragen, daß sie vor der Zeit veralten.

Was für jedermann gilt, gilt vor allen für die Schule. Sie hat nichts vorzutragen, als was sich durch längere Geltung als gut und richtig bewährt hat.

Bei litterarischen Schulen mag einige Ausnahme gelten, obwohl wir auch da die traurigsten Beispiele in Deutschland gesehen haben. In Zeit von fünfzig Jahren sind vier philosophische Systeme vergöttert und verlacht worden. Aber die Zöglinge der höhern Schulen bleiben auch später in einigem Verhältnis zur Litteratur. Sie mögen sich die Kleider ihrer Jugend ändern lassen, wenn man statt der langen Taille wieder eine kurze trägt.

Die Schüler der deutschen Schule aber lernen, was man ihnen beibringt, für ihr ganzes Leben. Es wäre traurig, wenn ein Bekenner der neuen Orthographie in einer Schreibstube nicht aufgenommen oder nach zehn Jahren wieder entlassen würde, weil er nicht deutsch schreiben kann.

Man beherzige dies und überlasse die urhochdeutschen Bestrebungen den Phantasten und Pedanten. Es gibt in Deutschland nämlich auch Pedanten des Neuen und, was fast überall unerhört ist: phantastische Pedanten.


2.

Des Schreibens Regel nehmt, der Neuzeit zum Affront,
Aus einer Zeit, die schreiben nicht gekonnt.

Aber auch im Ernst ist es lächerlich, die alt- oder mittelhochdeutsche Schreibweise als Muster aufzustellen. Beim Uebergang aus der Runen- in die Buchstabenschrift erfand man nicht eigene deutsche Buchstaben, sondern nahm die lateinischen und suchte sie den deutschen Lauten anzupassen. Wie denn schon Notker oder Otfried, wer's nun eben war, sich beklagt, wie schwer es sei, für die deutschen Worte Buchstaben zu finden. Die brutalen Doppellaute oa und ao und uo und ou zeigen den greulichen Vokalismus unserer Vorfahren; mit den Mitlauten wird es auch nicht besser bestellt gewesen sein. Diese Unfähigkeit, die Sprachlaute wiederzugeben, soll nun als Regel für eine gebildete Sprache gelten.


(1820.)

Es ist etwas Aehnliches im Gebrauch des Wortes bei den Griechen und dem: erschrecklich der Oesterreicher, wenn sie sagen: erschrecklich schön, entsetzlich gut.


(1822.)

Das comfortable der Engländer liegt zwischen unserm behaglich und erquicklich in der Mitte. Es ist erquicklicher als unser behaglich und behaglicher als unser erquicklich.


(1826.)

Fällt es jedermann so schwer als mir, sich eine junge Römerin zu denken, die mit ihrem Heißgeliebten von ihrer Leidenschaft – lateinisch spricht? Warum kann ich mir sehr wohl eine Griechin in derselben Lage in ihrer Sprache redend vorstellen?


(1845–1846?)

Ein großer Nachteil der französischen Sprache gegenüber der deutschen besteht in der Allgemeinheit, in dem oft Unsinnlichen des Ausdrucks.

Z. B. die vielen Fügungen mit prendre, an dessen Stelle im Deutschen lauter genauer bezeichnende Zeitwörter stehen: prendre balcìne: Atem schöpfen, – tabac: Tabak schnupfen, – café: Kaffee trinken, – place: niedersitzen.

Derlei weite Ausdrücke geben der französischen Sprache etwas Naives, es ist aber das Naive des Kindes, das noch nicht das bezeichnende Wort kennt und statt der Species die Gattungsbenennung braucht.

*

Der Franzose hat kein Wort für stehen, reiten, schiffen, fechten u. s. w.

*

Wie viele Bedeutungen hat nicht unter anderm das Wort coup: boire un coup, à coup sure, encore un coup.

*

Zum Singen ist die italienische Sprache,
etwas zu sagen: die deutsche,
darzustellen: die griechische,
zu reden: die lateinische,
zu schwatzen: die französische,
für Verliebte: die spanische
und für Grobiane: die englische.


Aphorismen.

(1835.)

Die Betrachtung tötet, weil sie die Persönlichkeit aufhebt; die Bemerkung erfrischt, denn sie erregt und unterstützt die Thätigkeit. Mitten zwischen beiden durch wäre der wahre Weg.


(1819.)

Der Geist des Menschen und der Gang der Welt ist sich unter allen Umständen und zu allen Zeiten so gleich, daß selten ein Wahres ganz neu und selten ein Neues ganz wahr sein wird.


(1819.)

Die auf dem Ozean des menschlichen Wissens rudern wollen, kommen nicht weit, und die die Segel aufziehen, verschlägt der Sturm.


(1819.)

In die Zukunft schauen, ist schwer; in die Vergangenheit rein zurückblicken, noch schwerer. Ich sage: rein, d. h. ohne von dem, was in der Zwischenzeit sich begeben oder herausgestellt hat, etwas in den Rückblick mit einzumischen.


(1820.)

Wie groß sind die Fortschritte der Menschheit, wenn wir auf den Punkt sehen, von dem sie ausging; und wie klein, betrachten wir den Punkt, wo sie hin will.


(1817.)

Warum das Vergangene uns so lieblich dünkt? Aus demselben Grunde, warum eine Graswiese mit Blumen aus der Entfernung ein Blumenbeet scheint.


(1820.)

Ohne Ahnung vom Uebersinnlichen wäre der Mensch allerdings Tier; eine Ueberzeugung davon aber ist nur für den Thoren möglich und nur für den Entarteten notwendig.


(1808.)

Moral ein Maulkorb für den Willen, Logik ein Steigriemen für den Geist.


(1820.)

Wer Sittlichkeit zum alleinigen Zweck des Menschen macht, kommt mir vor wie einer, der die Bestimmung einer Uhr darin fände: daß sie nicht falsch gehe. Das erste bei der Uhr aber ist: daß sie gehe; das Nichtfalschgehen kommt dann erst als regulative Bestimmung hinzu. Wenn das Nichtfehlen das Höchste bei Uhren wäre, so möchten die unaufgezogenen die besten sein.


(1822)

Es ist mit der Gesundheit der Seele (Moralität) wie mit der des Leibes. Ohne beide ist ein tüchtiges Leben nicht denkbar. Sie aber beide zum Zweck des Lebens machen ist eins so widersinnig als das andere. Unter den Mitteln stehen sie obenan.


(1837)

Mit der Gesundheit der Seele ist es, wie mit der des Körpers. Ohne Gesundheit keine ersprießliche Thätigkeit; aber die Erhaltung der Gesundheit zum Geschäfte seines Lebens zu machen, ist die Sache der müßigen Thoren und Hypochondristen.


(1833)

Die aktiven Faktoren der Menschennatur sind die Neigungen und Leidenschaften; ihr Uebermaß zu hemmen, ist die Aufgabe des Sittlichen. Letzteres ist daher negativ und kann als solches nicht der Zweck des Menschen sein.


(1822)

Alle Unruhe im Menschen entspringt aus der Phantasie; denn selbst das Gewissen, wenn es auch seinen Stoff aus dem moralischen Sinne zieht, nimmt doch wenigstens seine Form aus ihr.


(1839)

Wenn man die Neigung der Menschen in neuester Zeit zur Immoralität und Gesetzlosigkeit bemerkt, muß man darüber nicht zu sehr erschrecken und nicht vergessen, daß, wenn jeder die Ungebundenheit für sich selbst in Anspruch nehmen möchte, er doch zugleich das Gebundensein aller andern wünscht, so daß das Ganze ohne viel Aenderung seinen Weg fortgeht und der Egoismus die öffentliche Moral nicht mehr stört als erhält.


(1811.)

Sich selbst kennen ist bei einem selbst mittelmäßigen Verstande nicht so schwer, als manche Leute sagen; aber im Leben dem gemäß handeln, was man von sich erkannt hat, ist ebenso schwer, als die Praxis in allen Dingen, gegen die Theorie betrachtet.


(1817.)

Jemandem große Verbindlichkeiten schuldig sein, hat nichts Unangenehmes, denn die Dankbarkeit ist eine süße Pflicht; nur kleine Verpflichtungen sind quälend.


(1817.)

Von allen Tugenden die schwerste und seltenste ist die Gerechtigkeit. Man findet zehn Großmütige gegen einen Gerechten.


(1819.)

Wir sind gegen keine Fehler an andern intoleranter, als welche die Karikatur unsrer eigenen sind.


(1818.)

Man ist nie eifersüchtiger, als wenn man in der Liebe anfängt, zu erkalten. Man traut dann der Geliebten nicht mehr, weil man dunkel fühlt, wie wenig einem selbst mehr zu trauen ist.


(1822.)

Der Mann thut durch Untreue seiner Frau ein Unrecht, die Frau, indem sie untreu ist, dem Mann einen Schimpf. Die Frau eines untreuen Mannes bedauert man, über den Mann einer untreuen Frau spottet man. Schon hierin liegt genug von dem Unterschiede, der zwischen beiden Geschlechtern in Bezug auf den Grad der Beleidigung obwaltet, die sie sich durch Untreue zufügen.


(1821.)

Man kann den Charakter eines Menschen nie besser kennen lernen, als an seinem Krankenbette, sowie die Gesinnungen während seines Rausches: ich habe zwei der Hauptapostel des neuen Katholizismus in diesen Zuständen gesehen und erschrak, daß man von daher Heil erwarte.


(1837.)

Niemand ist so sehr in Gefahr, stumpf zu werden, als der höchst Reizbare.


(1838.)

Worte verzeiht man allenfalls, Vorwürfe werden rückgegeben, widerlegt, beschwichtigt. Aber der stillschweigende Vorwurf, der aus dem Wesen eines Menschen hervorgeht, der erbittert die Schurken, und da ist keine Verzeihung.

Denen das Wesen, wie du bist,
Im stillen ein ewiger Vorwurf ist.


(1844.)

Das fürchterlichste Mittel gegen quälende Gedanken ist die Zerstreuung, sie führt zur Gedankenlosigkeit.


(1846)

Die gescheiten und die dummen Leute erkennt man unter andern auch daraus, daß die Dummen das verehren, was in ihrer eigenen Richtung liegt, die Gescheiten aber, was sie fühlen, daß ihnen abgeht.


(1834.)

Von einem haben die sogenannten gebildeten Leute gewöhnlich keine Vorstellung: daß jemand den zusammengesetzten und künstlichen Zustand, den sie Bildung nennen und der auch wirklich Bildung ist, durchgemacht haben könne und auf der andern Seite wieder ins Einfache und Natürliche herausgekommen sei. Ihnen scheint alles Schlichte: Unkultur.


(1838.)

Die Ungebildeten haben das Unglück, das Schwere nicht zu verstehen, dagegen verstehen die Gebildeten häufig das Leichte nicht, was ein noch viel größeres Unglück ist.

*

Der Ungebildete sieht überall nur einzelnes, der Halbgebildete die Regel, der Gebildete die Ausnahme.

*

In gewissen Ländern scheint man der Meinung: drei Esel machten zusammen einen gescheiten Menschen aus. Das ist aber grundfalsch. Mehrere Esel in concreto geben den Esel in abstracto, und das ist ein furchtbares Tier.


(1856.)

Durchbildung ist ein sehr gutes neues Wort und zeigt an, daß ein Mensch so von Bildung durchdrungen ist, daß, nach Austreibung alles Natürlichen, er sich als ein ausgespritztes anatomisches Präparat darstellt.


(1858.)

Den Berlinern merkt man ewig an, daß ihre Bildung von Franzosen und Juden ihren Anfang genommen hat.


(1820-1821.)

Jede poetische Feuersbrunst bringt, wie jede wirkliche, ihren eigenen Wind mit sich, der die Flammen nicht selten weiter trägt, als man anfangs vermuten konnte.


(1839.)

Seit man nicht mehr in die Kirche geht, ist das Theater der einzige öffentliche Gottesdienst, sowie die Litteratur die Privatandacht.


(1836.)

Diese Schriftsteller, die nur über anderes sprechen, Schmarotzerpflanzen.


(1836.)

Dilettanten genießen das Werk, Professoren zugleich den Meister.


(1835.)

Nachahmen oder anfeinden ist der Charakter der Menge.


(1844.)

Auf die Masse soll und muß jeder Dichter wirken, mit der Masse nie.


(1821.)

Wenn auch das Publikum nicht der oberste Richter in Kunstsachen ist, so ist es die Jury, die, ohne die Gesetze zu kennen, mit schlichtem Sinn den Fall betrachtet und im allgemeinen sein: Schuldig oder Nichtschuldig ausspricht.

Die Anwendung der Gesetze gehört dann freilich der Kritik.


(1822.)

Mir schien es immer höchst lächerlich, wenn man ein Volk in seinen Bewegungen anklagte und tadelte. Der Mensch ist ein selbständiges, freiwollendes und demgemäß handelndes Wesen höchstens dann, wenn er allein ist.

Der Geist der Menge ist blind und aufs Notwendige gerichtet, wie die Kräfte der Natur. Die mutige Begeisterung des Unkriegerischen in der Schlacht und der panische Schreck, der auch die Tapfern ergreift, sind nur einzelne, aber sichere Belege hierzu. Daher ist, was ein Volk thut, immer gut, wie diese Welt gewiß die beste ist, und wer über das, was geschieht, sich ärgert, kommt mir ebenso thöricht vor, als einer, dem nicht recht wäre, daß das Feuer warm und Eis kalt macht.

(1822.)


In einem kalten Zeitalter zu leben, ist kein Unglück. Denn, indem man sich der Kälte entgegenstellt, ergreift man notwendig das Entgegengesetzte: die Begeisterung. Begeisterung aber ist die Mutter alles Großen. Unheilbringend ist aber eine falschbegeisterte Zeit, denn um sich nicht mit fortreißen zu lassen, wird man auf die Kälte hingewiesen. Kälte jedoch sichtet und scheidet, bringt aber nichts hervor.


(1838.)

Wenn man in neuester Zeit gar so viel Wesens von der Bewahrung der Nationalitäten macht, so sollte man bedenken, daß, was die Nationen voneinander unterscheidet, mehr ihre Fehler als ihre Vorzüge sind –, und, wenn Vorzüge, gerade ihr Hervortreten eine Uebertreibung oder nicht gesunde Mischung beurkundet.


(1844.)

Die Allopathie möchte die Arzneikunst in eine Wissenschaft verwandeln, die Homöopathie in ein Handwerk.


(1844.)

Die Homöopathie fehlt schon darin, daß sie die Thätigkeit des Körpers bei einer Krankheit rein als das Bestreben ansieht, die Störung des Organismus zu entfernen. Sie ist aber zusammengesetzt aus der Gegenwirkung gegen die Krankheit und aus der durch die Krankheit herbeigeführten Störung.


(1860.)

Unser Erklären der Natur besteht darin, daß wir ein selten vorkommendes Unverständliches auf ein oft vorkommendes, aber ebenso Unverständliches zurückführen.


(1849.)

Alexander Humboldt der Herder der Naturwissenschaften.


(1849.)

Die Naturgeschichte der deutschen Poesie von Gervinus.


(1849.)

Ich halte es mit der Gelehrsamkeit, wie die Fürsten mit der Verräterei. Ich ehre die Gelehrsamkeit und verachte die Gelehrten, die eben nichts als Gelehrte sind.


Es ist ein altes Volkssprüchlein in Oesterreich: die Tiroler hörten »den Schnalzer« erst im vierzigsten Jahre. Wodurch man ausdrücken will, sie würden erst in diesem Lebensalter klug. Ich weiß nicht, worauf dieser Vorwurf sich gründet, mir wenigstens sind die Tiroler immer so klug, ja klüger vorgekommen, als die andern Leute. Gesetzt aber es wäre wahr, so hört dagegen der deutsche Litterat den »Schnalzer« erst im fünfzigsten Jahre.


(1838.)

Um es in einem Berufe weit zu bringen, muß man nicht allein die Vorzüge, sondern auch die Fehler desselben haben. Die ersten sind der Geist, die zweiten der Körper der Aufgabe.


(1816.)

Man hat so viel über die Gründe gesagt und geschrieben, warum die Schauspieler, obwohl so häufig gehätschelt und geschmeichelt, doch im allgemeinen der eigentlichen bürgerlichen Achtung entbehren? Sollte nicht der Hauptgrund dieser Erscheinung in dem indignierenden Gefühle liegen, jemanden zu sehen, der das Tiefste seines Gemütes, die edelsten Empfindungen, Gefühle, die wir im Innersten hegen und jedem Fremden verschließen möchten, offen und ohne Hülle dem Ungebildeten, Rohen für – Geld hingibt? Es geht beim Gemüte, wie beim Körper. Beide haben Teile, die nicht entblößt sein wollen, wenigstens der Neugierde nicht.


(1828.)

Ob es Klöster geben soll? – Solange das Cölibat besteht, d. h. solange das Wesen der katholischen Geistlichkeit auf einem fortwährend exaltierten Zustand basiert ist, werden auch immer Anstalten sein müssen, die, von der bürgerlichen und häuslichen Gesellschaft abgesondert, Pflanzschulen in solcher, von der gewöhnlichen abweichenden, Sinnesart abgeben können.


(1819.)

Warum die Orientalen vorzugsweise Rätsel lieben? Weil sie weniger denken, als wir, und es ihnen daher wohlthut, die Denkkraft manchmal aufzuregen, ohne sie zu ermüden. Es ist eine Kommotion des Verstandes, wenn er lang geruht hat.


(1838.)

Die Frömmelei des einen Teils der vornehmen Weiber fließt aus derselben Quelle, wie die Koketterie des andern Teils: Müßiggang und Langeweile. Sie vertrödeln den Tag an der geistlichen Toilette, wie die andern an der leiblichen. Der Beichtvater ist ihre Marchande de modes, die Beichte ihr Ankleidspiegel, Kirchgänge ihre Rendezvous, Haß und Verfolgung Andersdenkender ihre Eifersüchteleien und dépits amoureux.


(1823.)

Frauenzimmer haben in der Regel keinen Sinn für den Scherz, sie goutieren ihn nur, wenn sie gerade in lustiger Stimmung sind.


(1834.)

In der Kirche singen immer die am lautesten, die falsch singen.


(1808-1810.)

Mit Monarchen ist's wie mit der Sonne; die Menschen, die ihr am nächsten sind, sind auch die schwärzesten.


(1854.)

Wenn jemand meinte, die Bäume seien da, um den Himmel zu stützen, so müßten sie ihm alle zu kurz vorkommen.


(1824.)

Alle diese Inseln im weiten Meere, wie klein ihre Oberfläche und wie unermeßlich ihre Festen vom Spiegel des Wassers an bis zum Grunde des Meeres! In wie unermeßlichen Flächen und Krümmen, in wie mannigfaltigen Formationen mögen sie sich hinziehen unter dem Meere, ungeheure Länder und Regionen! Der Mensch nennt aber nur das Land, was für ihn sichtbar und bewohnbar über der Oberfläche sich zeigt. Mir kommen diese Gipfelländer über dem Meere wie die Zeit vor, gegenüber der Verhüllten, unermeßlichen Ewigkeit. Wenn man so viel Wasser auf der Karte sieht, so drängt sich einem das Bild auf, das Land sei im Wasser; und im Grunde ist doch alles Land, nur daß das Wasser die niedrigen Stellen bedeckt. O ihr armen Länder in der Tiefe der Wasser, Gott gebe, daß ihr auch einmal die freudige Sonne erblickt; o ihr Menschen, vom Unglück überflutet, Gott schenke euch einen freudigen Tag!


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