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(1819.)
Ich nehme mir bei diesen Anmerkungen vor, ohne Rücksicht auf ein System, über jeden Gegenstand dasjenige niederzuschreiben, was mir aus seinem eigenen Wesen zu fließen scheint. Die dadurch entstehenden Widersprüche werden sich am Ende entweder von selbst heben, oder, indem sie nicht wegzuschaffen sind, mir die Unmöglichkeit eines Systems beweisen.
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Als die Natur lebende, selbstthätige Wesen erschuf, die vom mütterlichen Boden getrennt, und daher von der absolut zwingenden Naturnotwendigkeit emanzipiert fortleben und bestehen sollten, sicherte sie die Fortdauer ihres Werkes auf die zweckmäßigste Art dadurch, daß sie jeder auf diese Art freigegebenen Kraft, nebst dem Vermögen zu wirken, auch noch ein Streben nach Wirksamkeit und einen unwillkürlichen Drang nach allem gab, was diese Wirksamkeit erhalten und vermehren kann.
Diese Einrichtung, die man im allgemeinen mit dem Namen Trieb bezeichnet, äußert sich schon bei den Tieren auf eine höchst merkwürdige Art, Unter dem Namen des Instinkts bringt er, besonders in einzelnen Fällen und bei einzelnen Gattungen Wirkungen hervor, die durch ihre Vernunftähnlichkeit in Erstaunen setzen. Immer aber sichert er die Erhaltung und Fortpflanzung auf die unfehlbarste Weise.
Auch dem Menschen fehlen diese Triebe nicht. Er hat sie als Körperwesen, nicht in gleicher Stärke, aber ebenso unverkennbar als das Tier; er hat sie als Empfindungswesen, und Lieb' und Haß, Wohlgefallen und Abscheu bezeugen nur allzulaut ihre Gewalt; er hat sie als Vernunftwesen, als erkennendes, wollendes, ahnend-urteilendes Geschöpf, sich äußernd in seinem Streben nach dem Wahren, nach dem Guten, nach dem Schönen.
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Unter hundert Menschen ist kaum einer, der einen tüchtigen, selbständigen Verstand hat; unter tausend kaum einer, der eine tüchtige lebhafte Phantasie hat; und unter zehntausend mit Verstand und Phantasie begabten Menschen kaum einer, bei dem beide Hand in Hand gehen können, wie sie es müssen, wenn ein Kunstwerk hervorgebracht werden soll.
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Wozu also eine Aesthetik, wenn sie weder lehren kann, wie das Schöne hervorzubringen, noch, wie es mit Geschmack zu genießen ist? Dazu, weil es die Sache eines vernünftigen Menschen ist, sich von allen seinen Handlungen und Urteilen einen Grund angeben zu können. Wenn die Aesthetik auch keine Rechenkunst des Schönen ist, so ist sie doch die Probe der Rechnung.
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Ich hätte fast Lust, jene Einteilung der Aesthetiker geradehin zu leugnen, nach welcher das Erhabene als ein eigenes Genus dem Schönen an die Seite gesetzt wird. Das Erhabene ist nichts als ein Modus des Schönen und als solcher dem Lieblichen entgegengesetzt, beide als letzte Grenzpunkte des Schönen, über die hinaus das Reich der Schönheit aufhört, in den Bezirken des Kleinlichen und Gigantesken. Das Gefühl des Erhebens über sich selbst, das den Menschen beim Ansehen des Erhabenen ergreifen soll und als charakteristisches Zeichen desselben angegeben wird, muß die Betrachtung jedes Schönen begleiten und ist eben das Merkzeichen, an dem sich das Schöne von dem bloß Wohlgefälligen ausscheidet.
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Man sagt: der Zweck des Schönen ist Vergnügen! Erstens: was heißt denn das: Zweck des Schönen? Der Zweck des Wahren ist das Wahre und der Zweck des Schönen das Schöne, denn, wenn man je auf die praktischen Wirkungen des Schönen achten will, wer wird da bloß das Vergnügen nennen, das auch das Angenehme hervorbringt und das Schöne nur insofern, als es auch angenehm ist, was nicht immer der Fall ist. (NB. Das ist nur wahr vom Vergnügen im gewöhnlichen Verstande; im höhern wird es vom Schönen immer hervorgebracht.) Rechnet man für nichts die Erhebung des Geistes, die Erhöhung des ganzen Daseins, das Thätigwerden von Gefühlen, die oft im ganzen wirklichen Leben eines Menschen nicht in Anregung kommen? Den Ueberblick über das Ganze des Lebens, die Einsicht in die eigene Brust, in das Getrieb eigener und fremder Leidenschaften? Das Wacherhalten des Enthusiasmus jeder Art, den die engen Verhältnisse der Bürgerwelt so leicht einschläfern? Ist das alles nichts, daß man nötig hat: durch das Unterschieben des bloßen Vergnügens als Zweck der Kunst den Künstler mit dem Taschenspieler in eine Klasse zu setzen?
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Es gibt eine zweifache Art, die Welt zu betrachten: die wissenschaftliche und die beschauliche oder kontemplative. Die erste geschieht – freilich in ihrem Ursprunge durch die Sinnlichkeit vermittelt – fast ausschließlich durch das Erkenntnisvermögen. Von Wahrnehmungen zu Begriffen und von diesen zu Urteilen und Schlüssen emporsteigend, gewinnen wir eine Ansicht, die auf die Natur unsers Geistes gegründet, und bei gehöriger Deduktion, ebenso unerschütterlich als seine Gesetze, die Grundlage von allen dem ausmacht, was als Wissen die Welt erleuchtet und als Wahres sie beglückt. Diese Ansicht des All hat ihre Vorteile, aber auch ihre Nachteile. Das Vorteilhafte besteht – insofern sie sich innerhalb ihrer Grenzen hält – in der Beweisbarkeit ihrer Ansprüche; der Nachteil eben in diesen Grenzen. Gerade über das, was die Forschbegierde von jeher am meisten erregt, gerade über die großen Angelegenheiten der Menschheit, über den letzten Zusammenhang der Dinge, die unsichtbare Kette, die die Sinnenwelt und das darüber Befestigte mit einem Band verknüpft, gerade hierüber fühlt sie ihre Kraft versiegen, und – gewohnt in strenger Stufenfolge vorzugehen, sieht sie am Rande ihres Kreises wohl noch die Stangen der großen Leiter ins All hinaufreichen, aber ohne Sprossen, und sie sinkt zurück. Hier kann man nun allerdings die übrigen Vermögen der Seele den Platz der Zurückweichenden einnehmen lassen und mit ihnen den höhern Raum versuchen zu durchdringen, aber – für jeden Fall hört nun das Wissen mit seiner strengen Beweisbarkeit auf, und das erneuerte Beginnen fällt mit dem zusammen, was oben als der zweite Teil unseres Forschungsvermögens, mit dem Namen des Beschaulichen bezeichnet worden ist. –
Unter Beschauung verstehe ich jene Richtung des menschlichen Wesens, durch welche alle seine Kräfte und Vermögen, innere und äußere, ohne Sonderung, ohne daß eines oder das andere vorherrsche, wie in einem Brennpunkte auf einen Gegenstand geheftet werden, der dadurch umleuchtet, erhellt und mit einer Lebendigkeit ins Bewußtsein aufgenommen wird, die beinahe keinen Unterschied zwischen dem Gegenstande und seiner Vorstellung erkennen läßt. Diese Vorstellungsart schließt den Verstand und die Vernunft keineswegs aus, begreift sie vielmehr notwendig in sich, aber nur als Teil des Ganzen, ohne vorherrschende Gewalt.
Wie gefährlich die Wirkung dieses Beschauungsvermögens in seiner Anwendung auf Gegenstände des Wissens und als Supplement des Erkenntnisvermögens ist, haben die Erfahrungen aller Jahrhunderte nur zu deutlich gezeigt. Gar leicht mit der Vernunft vermischt, und seine Ausbeute unter dem Bilde derselben als Ideen ausprägend, veranlaßte sie um so leichter Irrtümer aller Art, als sie hier beinahe ohne Kontrolle ist und vor dem Vorwurfe des Nichtbegreifens gesichert, die Schuld des Nichtverstehens leicht von sich auf die Beschränktheit der Gegner wälzen konnte.
Allerdings aber gibt es eine Anwendung dieses Beschauungsvermögens, wo dasselbe der Kontrolle nicht entbehrt, insofern es nämlich sich bestrebt, das, was es geschaut, in einem Bilde darzustellen – insofern es zur Kunst wird. Denn da es das Eigentümliche eines Kunstwerkes ist, daß es die Idee, die Anschauung des Künstlers, nicht bloß für ihn selbst erkennbar ausdrückt, sondern auch zur Leiter diene, an der andere des Genusses Fähige zu der ihnen früher unbekannten Idee des Künstlers emporklimmen, so liegt eben in dieser Zugänglichkeit für andere die sicherste Bürgschaft ihrer Realität, ihrer Uebereinstimmung nämlich mit den innern und äußern Gesetzen der Natur.
Hiermit ist nun zweierlei ausgesprochen: Es gibt eine Kunst und es gibt Gesetze der Kunst, die aber nichts anders sind, als die Gesetze der geistigen und körperlichen Natur in ihrer Zusammenstimmung angewendet auf die Kunst. In ihrer Zusammenstimmung sage ich, denn da die Kunst auf einer inneren Anschauung beruht und somit ihrer Wesenheit nach, sowohl über die bloße Körperwelt hinausgeht, als auch – da nicht bloß die Vernunft, sondern alle Vermögen des inneren Menschen bei ihrer Hervorbringung thätig sind – nicht an die alleinige Gesetzgebung der Vernunft gebunden ist, aus diesen Gründen kann sie von beiden Gesetzgebungen nur so viel annehmen, als nötig ist, um nicht physisch unmöglich und logisch und moralisch widersprechend zu sein. Sie wird daher die sklavische Nachahmung der Natur von der einen Seite und die Strenge des Begriffs von der anderen Seite verschmähen, und ihre eigentlichste Aufgabe wird darin bestehen, in der Frucht ihrer Wirksamkeit wie in der Ursache ihres Entstehens beide Welten sich durchdringen und ohne Vorherrschen eine durch die andere sich verherrlichen zu lassen. Ist dies geschehen, hat sie das Mannigfaltige der Wahrnehmung im Einklange mit den Gesetzen des Geistes, aber ohne Vorherrschen des Begriffs für die Anschauung, zu einem Ganzen, zur Einheit gebracht, so hat sie ihren Zweck, das Schöne, erschaffen.
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Die Einbildungskraft ist entweder reproduktiv, wenn sie bloß das Gegebene, Anwesende oder Abwesende vorstellt, oder sie ist produktiv, wenn sie bloß das Abwesende, als solches noch nicht Gegebene vorstellt. Jedoch gibt auch die produktive nicht den Stoff, den sie aus der Natur nimmt, sondern nur die Form, insofern sie den erhaltenen Stoff in neue Verbindungen bringt. Sie erhebt sich insofern über die Erfahrung und wird Phantasie genannt. Diese äußert sich entweder 1. als Kombinationsvermögen, indem sie die gegebenen Formen zu neuen, über die Erfahrung hinausgehenden Bildern vereinigt. Dies geschieht entweder unwillkürlich, wie im Traum, oder mit Willkür, und letzteres zwar entweder zu einem bestimmten Zwecke, unter der unmittelbaren Leitung des Verstandes, wie bei den mechanischen Künsten, oder ohne eigentlichen Zweck, in welchem Falle sie das Dichtungsvermögen heißt.
2. Aeußert sie sich als Vermögen der Grundanschauungen (des Raumes, der Zeit, der Gestalt, der Dauer, des Grades, der Zahl etc.), welche Vorstellungen uns nicht durch die Erfahrung gegeben werden, daher sie auch reine Anschauungen heißen und die Einbildungskraft in Beziehung auf sie transcendental genannt wird.
Die kombinierende Phantasie liefert entweder 1. Bilder, die aus den Gesetzen der Gedankenassociation (durch das Gesetz der Zeitfolge und Gleichzeitigkeit, Aehnlichkeit und Verwandtschaft der Vorstellungen, sowie deren Beziehungen auf das individuelle Subjekt) zu erklären sind; oder 2. ihre Wirkungen sind aus dem Gesetze der Gedankenassociation nicht zu erklären; hier ist sie selbstthätig und macht die Grundbedingung des Dichtungsvermügens aus.
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Der Zustand, in welchem der menschliche Geist sich gegenwärtig befindet, ist nicht sein ursprünglicher. Jedermann gibt das zu hinsichtlich des Grades seiner Ausbildung; es gilt aber auch von der Art und Weise seines Wirkens. Der Geist des Menschen ist einer und die Abteilungen, in die wir ihn zum Behufe der Erkenntnis nach einzelnen Vermögen zerlegen, existieren weder wirklich, noch sind sie selbst im angenommenen Prinzip der Teilung so streng geschieden, als die Benennungen glauben machen könnten. Es gibt keinen Verstand ohne Urteilskraft, kein Denken ohne Erinnern, keine Vernunft ohne Phantasie; sie durchdringen sich wechselweise und nur das Vorherrschende gibt den Namen. Diese Sonderung ist schwer zu tadeln. Das Quantitative unserer Fortschritte hat dadurch gewiß unendlich gewonnen. Das ganze Verfahren ließe sich mit demjenigen ähnlichen vergleichen, durch welches die technischen Arbeiten der Ernährung, Bekleidung, Behausung, die im ursprünglichen Zustande jeder alle zu eigenem Gebrauche besorgt, beim Fortschreiten der Kultur aber jedes Einzelne einem einzelnen zugeteilt wird. Da ist nun nicht zu leugnen, daß der Schneider, der bloß schneidert, ein Kleid verfertigen werde, das die Fellbedeckung des Urmenschen unendlich übertrifft und ebenso der Schuster den Schuh und der Schreiner den Tisch; ob aber der Schneider als Mensch in seiner Gesamtbildung durch diese Teilung nicht ebensoviel verliert, als er als Schneider gewinnt, ist noch eine andere Frage. Ebenso ist es mit den Geistesfähigkeiten. Verstand und Vernunft z. B. haben durch jene Sonderung der Vermögen zwar allerdings einen Grad der Schärfe der Abstraktionsfähigkeit erreicht, der von vornherein beinah unmöglich scheinen müßte, und zur Erforschung und Zergliederung von Teilvorstellungen ist das gewiß höchst ersprießlich: aber wie nun? wenn es sich darum handelt, die Welt zu betrachten? Welche traurigen Resultate haben da die Erfahrungen der letzten Zeit gezeigt! und wer würde nicht da den ungetrübten Blick des Naturforschers vorziehen dem zersplitterten und zersplitternden des kritischen Philosophen? Je weiter wir in der Zeit zurückgehen, je weniger treffen wir diese strenge Sonderung der Vermögen und was die Schriften der Alten so anziehend, so unnachahmlich macht, ist eben dieses Hervorleuchten des ganzen Menschen, statt eines einzigen Vermögens. Sie überzeugen, wir wollen überweisen. Daher kommt es aber auch, daß selbst die Scharfsinnigsten der Alten für uns so wenig schließend scheinen. Dieses führt nun auf folgende Einteilung der Arten, die Welt zu betrachten (wissenschaftliche und beschauliche).
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A priori läßt sich das Gefühl des Schönen durchaus nicht deduzieren. Es ist zwar von vornherein gewiß, daß dasjenige, was Ordnung und Harmonie in unsere Teilvorstellungen bringt, indem es das Auffassen erleichtert, eben dieser Erleichterung wegen ein gewisses Vergnügen erregen müsse, aber dieses Wohlgefallen ist von dem ästhetischen so himmelweit unterschieden, als die Berechnung der Quinte von ihrem Klang. A priori betrachtet, müßte das systematisch geordnete Lehrgebäude einer Wissenschaft ebensoviel Vergnügen machen, als das schönste Kunstwerk.
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Das Gefühl des Schönen ist ein unendliches, weshalb es auch unter dessen charakteristische Zeichen gehört, daß dabei die Wirkung weit die veranlassende Ursache übersteigt. Was liegt denn in dem Materiellen oder selbst in den Verhältnissen einer wohlgeordneten Säulenreihe, daß es mit einem Schlage dein ganzes Wesen erhebt, dich anzieht, fesselt, dich bis zu Thränen entzückt, alles, was du Großes und Herrliches gesehen, gelesen, gehört, empfunden, mit einem Zauberschlage emporregt und in lauen Wellen durch die erweiterten Adern strömen läßt? Warum bist du besser, milder, gütiger, mutiger in dem Augenblicke der Beschallung und bald darauf, solange der Eindruck noch in deinem Innern wogt? Warum entzückt dich die Natur selbst in dieser Stimmung mehr, so daß selbst Gräser und Mücken eine Bedeutung gewinnen? Kannst du hassen, grollen, beneiden, hinterhalten in dieser Stimmung? Scheint nicht der ewige Zwiespalt der sittlichen und sinnlichen Natur, des Wollens und Sollens, in diesem Augenblicke ausgeglichen? Ist dir Gott noch unbegreiflich, und unverständlich das All? Fühlst du nicht deine Verwandtschaft mit den Wesen unter dir und mit etwas über dir? Ist es nicht, als ob unsichtbare Fäden sich aus deinem Innern ausspannten und in ungeahnten Beziehungen die ganze Welt verbänden? Und das alles hätte der armselige Säulengang aus hartem Sandstein, nach dem oder jenem Verhältnisse geordnet, bewirkt? Oder wäre es nicht das Gefühl der Ganzheit; das momentane Aufhören der Zersplitterung, in die das Leben unser Wesen versetzt; das Gefühl der Einheit alles Endlichen in einem Unendlichen, was diese Wirkungen hervorruft? – Ferner zum deutlichen Beweis, daß nicht bloß die Phantasie auf Kosten der übrigen Vermögen erhöht wird – du denkst auch leichter in diesem Zustande; alle Wahrheiten – höchstens die mathematischen ausgenommen, die eben die strengste Sonderung fordern – sind dir einleuchtender, selbst die philosophische Abstraktion gelingt besser, zum deutlichen Beweise, daß die durch das Schöne bewirkte Erhöhung der innern Kräfte nicht eine teilweise, sondern eine allgemeine ist.
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Auch das Wunderbare ist der Nachahmung der Natur nicht enthoben. Nicht zwar, als ob es in seiner Bilderverbindung an das wirklich in der Natur Vorkommende oder selbst an das Physisch-Mögliche gebunden wäre, sondern dadurch, daß es eine aus der Menschennatur fließende, durch den Lauf der Jahrhunderte bewährte und ausgebildete Form des Wunderglaubens gibt, der es treu bleiben muß, wenn es poetisch geglaubt werden oder praktisch wirksam sein soll. Als unangreifbar für das Wunderbare erscheinen: das Urfaktum des Selbstbewußtseins; das Gesetz der Kausalität (vermöge dessen wohl die Ursache erdichtet sein kann, aber nie die Wirkung, oder deutlicher: das Erdichtete der Wirkung schon in der Ursache vorkommen muß). Auf gleiche Weise können beim Fühlen und Wollen allerdings die Motive außer dem Kreise der Natur liegen, aber aus diesen Motiven muß psychologisch natürlich der Gefühls- und Willensakt fließen. Die thätige Aeußerung des Willens gehört wieder unter der oben gegebenen allgemeinen Beschränkung völlig dem Reiche des Wunders an.
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Arthur Schopenhauer findet, und mit Recht, einen Grund des wahrhaft künstlerischen Reizes, den die genauen Naturnachahmungen der Niederländer in ihren Stillleben und Landschaften auf uns machen, in der Vorstellung von der Ruhe und rein beschauenden Stille des Gemüts, die in dem Künstler herrschend gewesen sein muß, um derlei Dinge objektiv zu betrachten und so treu genau darzustellen. Ist nun gerade das Gemüt des Beschauers von Leidenschaften – oder Leiden bewegt, so kann die Vorstellung dieser objektiven Ruhe bis zur höchsten Rührung steigen.
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Man hat die Nachahmung der Natur als das höchste Gesetz der Kunst aufgestellt. Ich frage aber: kann man die Natur nachahmen? – Die Bildhauerkunst gibt Formen, aber des höchsten Reizes, der Bewegung, der Farbe, entbehrt sie. Die Malerei stellt Landschaften dar, und das Höchste, was sie erreichen kann, ist, daß sie das äußere Ansehen des Baumschlages, der Gräser, der Wolken so täuschend als möglich darstellt; kann sie uns aber auch das Rauschen dieser Bäume, das Wallen dieser Gräser, das Ziehen dieser Wolken, was gerade in einer wirklichen Landschaft den Hauptreiz ausmacht, wiedergeben? Wo bleibt der Gesang der Vögel, das Murmeln des Baches, das Geläute der Glocken? Von einer beschriebenen Landschaft, die das Bewegliche darin allerdings, wenn auch matt, wiedergeben kann, ist wieder hinsichtlich der Anschaulichkeit an keine Vergleichung mit der wirklichen zu denken. Und doch bewegt die einfarbige, regungslose Natur, die gemalte, beschriebene Landschaft in der Kunst Menschen, welche die wirkliche kalt ließ in der Natur! – Wie kommt es nun, daß das matte Abbild stärker anspricht, als das lebendige Urbild? Denn die technische Vollendung der Nachahmung kann doch keine Rührung hervorbringen, höchstens ein Erstaunen, wie es die Kunststücke eines sogenannten starken Mannes oder die unzähligen Gesichter in den Kirschkernen unserer Kunstkammern erregen. Ferner: wirkt denn die Natur (insofern sie nämlich nicht Befriedigungsmittel unserer Bedürfnisse darbeut) wirklich unmittelbar auf uns, und warum wirkt sie denn nicht auch auf die Tiere, warum nicht auf alle Menschen gleich? Was liegt denn in der Röte der Wolken, im Verglimmen des Lichtes, im Hereinbrechen der Schatten beim Untergange der Sonne Rührendes, daß mir darüber die Thränen in den Augen stehen? Warum gehe ich die frischen, grünenden Bäume vorüber und bleibe stehen vor dem blitzgetroffenen, betrachte ihn, bleibe versunken stehen und kehre mich zuletzt mit einem Seufzer ab? Was beseufze ich? den Baum? Er fühlt seine Verletzung nicht. Oder beseufze ich halb unbewußt das Fallen alles Großen, das Verblühen des Blühenden, »das Los des Schönen auf der Erde«? Trage ich meine Empfindung auf den Baum über, und ist er mir nur ein Bild dessen, was ich dabei denke? Wenn es nun so ist, und es ist so, so wird es auch begreiflich, warum die Natur bloß tiefer denkende und empfindende Menschen bewegt, indes die andern, durch zufällige Nebendinge zerstreut, gar nicht zum Bewußtsein des eigentlich Wirksamen kommen. Wenn nun aber der zum Auffassen und Wiedergeben des Gemüt-Ansprechenden in der Natur Fähige sich hinsetzt, um seine Empfindung bleibend darzustellen, und er demnach aus dem beobachteten Naturgegenstande – mit Hinweglassung des für die Wirkung Gleichgültigen oder Störenden – dasjenige aufzeichnet, was die gefühlte Wirkung auf ihn hervorgebracht hat; so wird nun auch der flachere Beschauer auf diese Art zur Aufmerksamkeit angeregt und durch das Wegschneiden der gleichgültigen Nebendinge auf den eigentlichen Punkt gefesselt, die vorher ihm entgangene Beziehung deutlich werden, und er wird vor dem Kunstwerke fühlen, was er an dem Naturgegenstande weder bemerkte, noch ohne den Künstler je bemerkt hätte, da es weniger der Gegenstand dem Beschauer, als vielmehr der Beschauer dem Gegenstande mitgeteilt hat. Er wird die Idee des Künstlers erkennen und die Nachahmung des Gegenstandes wird nur das Mittel der Verständlichung gewesen sein.
Bouterweck erklärt sehr gut das ästhetische Gefühl aus dem Urgefühle des Menschen, mit dem derselbe, außer dem Zustande der Roheit, aber noch vor der Sonderung seiner einzelnen Vermögen gedacht, die Welt mit all seinen Auffassungsmitteln, physischen, Geistes- und Gemütskräften ungeteilt in sich aufnimmt, so daß in dem entstehenden Wahrnehmungsbilde Beziehungen aller Art sich zu einem, erfreuenden, erhebenden, aber zugleich unbestimmten Eindruck vereinigen.
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Man spricht von einer Wahrheit der Kunst, die durchaus notwendig sei, wenn letztere das Schöne hervorbringen wolle; auf der andern Seite gesteht man aber doch wieder, daß manches in den Künsten schön sei, obgleich es nicht wahr ist. Wie hängt das zusammen? Etwa auf folgende Art. Daß die Künste eine gewisse Wahrheit haben müssen, folgt schon daraus, daß sie, wie man allgemein zugibt, täuschen, d. h. durch den Schein wirken sollen; da es nun aber, wie keine Wirkung ohne Schein, so auch keinen Schein ohne Wahrheit, d. h. ohne teilweise Uebereinstimmung der Vorstellung mit ihrem Gegenstande gibt, so folgt wohl von selbst, daß die Künste wenigstens nicht unwahr sein können. Die hier geforderte Wahrheit wird aber keineswegs die objektive, die der Erkenntnis sein können. Diese ist einerseits für die Kunst unerreichbar, weil sie, ohnehin nicht auf Wissen gestellt, auch das Erkenntnisvermögen, das bei Gewinnung jener demonstrabeln Wahrheit allein, oder doch absolut vorherrschend thätig erscheint, nur als ein Teilvermögen ihrer Gesamtkraft aufnehmen kann, in welche Gesamtkraft hingegen gerade diejenigen Geistes- und Gemütsthätigkeiten, welche durch den täuschenden Schein, den sie erzeugen, dem Zustandekommen der Erkenntnis so hinderlich sind, als wesentliche Teile gehören. Auf der andern Seite aber wäre diese Wahrheit, nebstdem daß sie für die Kunst unerreichbar ist, auch noch für sie unzureichend, da durch dieselbe nur das Erkenntnisvermögen einseitig befriedigt wäre, die übrigen, bei der künstlerischen Beschauung thätigen Vermögen aber leer ausgehen würden, und somit wohl ein Wissen, aber kein Kunstwerk entstehen könnte.
Die Wahrheit, die jedes Kunstwerk haben muß, kann demnach nur eine solche sein, welche sich auf alle, bei der Zustandebringung desselben thätigen Kräfte gleichmäßig trifft; denn jedes eines Eindrucks fähige Vermögen hat seine eigene Wahrheit, die in der Uebereinstimmung seiner Eindrücke mit deren Gegenstande, modifiziert durch die aus seiner innern Einrichtung hervorgehenden Gesetze seiner Wirksamkeit besteht. Verstand, Phantasie, Gefühl und Sinnlichkeit verlangen daher jedes ihre Wahrheit in der Kunst, von denen zugleich aber jede einzelne bedingt und beschränkt wird durch die Möglichkeit der andern, eben weil sie zu einem Eindrucke zusammenfließen sollen. Es wird demnach die bloße Wahrheit des Verstandes in einem Kunstwerke keinen Platz finden, wenn und insofern sie die Wahrheit der Sinnlichkeit aufhebt, so wie die Phantasie ihre Uebereinstimmung nur so weit verfolgen kann, als sie die Grundbedingungen des Gefühls nicht verletzt. Hieraus entsteht nun statt der objektiven eine subjektive, die ästhetische oder Kunstwahrheit, die jedes Kunstwerk haben muß, wenn es wirken, den Menschen bewegen soll. Die Wahrheit des einen oder andern dieser Vermögen nun, insofern dadurch die der übrigen paralysiert und nicht zur Sprache gelassen wird, ist das, was man Täuschung der Kunst nennt, welche Täuschung gleichfalls eine Wahrheit ist, denn sonst könnte sie nicht wirken, aber eine teilweise, nicht objektive.
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Es gibt auch eine teleologische Begeisterung (aus abbildloser Betrachtung der Natur). Diese unterscheidet sich von der ästhetischen dadurch, daß letztere durch unmittelbare Beziehung auf ein begrenztes Objekt der Anschauung zur Einheit gebracht und befriedigt wird.
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Die volle Übereinstimmung eines Gegenstandes mit unserem Erkenntnisvermögen ist ein Begriff; er begründet das Wahre, im Schönen liegt gleichsam bloß eine dunkle Vorahnung einer solchen Übereinstimmung.
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Die Personifikation, als Versinnlichung eines Begriffes, wird dann zur Allegorie, wenn nicht die Schönheit der Darstellung, sondern der Begriff selbst als Hauptsache und Zweck erscheint und die Versinnlichung nur als Mittel zur Möglichkeit (wie in der bildenden Kunst) oder zur größeren Eindringlichkeit und Annehmlichkeit der Darstellung des Begriffes (wie in der Poesie) angewendet wird. Die Allegorie gehört daher, wie die äsopische Fabel, nur zum Teile ins Gebiet der Kunst.
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Es ist unstreitig, daß durch öftere Wahrnehmung mannigfaltiger Individuen, die zu einer Gattung gehören, sich der Einbildungskraft ein gewisses abgezogenes Bild, ein Typus der Gattung eindrückt, der sodann beim Formen von Begriffen die Grundlage macht. Die gewöhnliche Aufmerksamkeit auf die Operation des Denkens zeigt dies. In dem Augenblicke z. B., als ich den Begriff: »Farbe« denke, zuckt, beinahe zugleich, ein gewisses undeutliches Bild von etwas, das, ohne eigentlich eine bestimmte Farbe darzustellen, doch mit jeder Farbe mehr Aehnlichkeit hat, als mit sonst irgend etwas in der Welt – dieses undeutliche Bild, sage ich, dieses ununterscheidbare Aggregat von Bildergliedern zuckt wie ein Blitz zugleich mit dem Gedanken durch die Seele und gibt der Form des Begriffes erst den Inhalt. Dieses Phantasiebild liegt selbst den abstraktesten Begriffen und Ideen, denen von Zeit, Ewigkeit, Gott u. s. w. zu Grunde, sonst sind sie undenkbar. Dieser Typus der Einbildungskraft nun, weiter verfolgt, in seinen Teilen zu größerer Klarheit des Bewußtseins gebracht, gibt die Grundlage des Ideals für die Kunst.
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Kants Zweckmäßigkeit ohne Zweck und Zusammenstimmung zur Erkenntnis, überhaupt ohne Begriff, in seiner Erklärung der Schönheit, verstehe ich ungefähr so: Außer der objektiven Beschaffenheit eines Gegenstandes, die vor allem dem Begriff zu Grunde liegt, und den subjektiven Beziehungen, die am vorherrschendsten in der Empfindung des Angenehmen walten, kann es ja noch einen dritten Bezug geben, das Dasein z. B. eines gemeinschaftlichen Bandes, das, aus einem gemeinschaftlichen Urheber hervorgehend, den Betrachtenden und das Betrachtete umschlingt und sich gegenseitig nähert. Vielleicht oder vielmehr wahrscheinlich liegt der im Geschmacksurteil gefühlten Zusammenstimmung ein solches Drittes zu Grunde, welches das Wort des Rätsels, den wirklichen Begriff des Zweckes zur erkannten bloßen Form der Zweckmäßigkeit enthält; dies Dritte kommt aber nicht in unser deutliches Bewußtsein, und wir müssen es daher beim Denken über das Schöne außer der Rechnung lassen.
(Um 1840.)
Wenn man das Wort Ästhetik ausspricht, so kann man damit zweierlei meinen: Ästhetik als einen Teil der Philosophie, und Ästhetik als Kunstlehre. In ersterem Sinne soll der Mensch über alles denken, nicht aufhören zu versuchen, auf die Gefahr, das Letzte seines Strebens nie zu erreichen. Denkt er doch über den Zusammenhang der Welt nach, obwohl tausend an eins zu setzen ist, daß er diesen Zusammenhang nie einsehen wird. Da zeigt sich aber gleich ein großer Unterschied: die wirkliche Welt besteht, gleichviel, ob wir sie begreifen oder nicht; die Welt des Kunstschönen soll aber erst hervorgebracht werden, und da dürfte eine falsche Auffassung leicht von den nachteiligsten Folgen sein. Glücklicherweise ist die Natur der Beschränktheit des menschlichen Geistes schon von vornherein zu Hilfe gekommen. Man kann richtig denken ohne Logik, rechtschaffen handeln ohne Moral und das Schöne empfinden, ja hervorbringen ohne Ästhetik. Außer allem Zweifel werden unsere natürlichen Vermögen durch die Wissenschaft geschärft, erhöht, ja berichtigt, aber die Wichtigkeit jener Theorien liegt weniger in dem Nutzen der wahren als in der absoluten Schädlichkeit der falschen. Es ist schon oft gesagt und wiederholt worden, daß die vorzüglichsten Dichtwerke entstanden sind, ehe man von Regeln nur einen Begriff hatte, und die entgegengesetzte Erscheinung, daß in neuerer Zeit, je mehr man sich mit Ästhetik beschäftigt, die praktische Poesie immer leerer und matter wird, scheint eins wie das andere nicht sehr zu Gunsten einer solchen Wissenschaft zu sprechen. Ohne Zweifel würde eine richtige Aesthetik ein großer Gewinn für die Kunst sein. Sie würde zwar die spezifische Begabung oder das Talent nie entbehrlich machen, uns aber doch vor dem ganz Verkehrten und Absurden bewahren, das in unserer Zeit eine so große Rolle spielt, nicht gerechnet die demütigende Erscheinung des immerwährenden Geschmackwechsels, die ihren Wohnsitz vor allem in unserm Deutschland aufgeschlagen hat.
(1834.)
Die Kunst überhaupt einzuteilen, ohne sie zu zerstückeln, Goethes Konfession am Schluß der Farbenlehre.
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Die Aufgabe der Kunst ist: in der Natur jene Folge darzustellen, welche der Idee von Zweckmäßigkeit für das Gemüt, die wir Schönheit nennen, entspricht.
(1836.)
Schön ist dasjenige, das, indem es das Sinnliche vollkommen befriedigt, zugleich die Seele erhebt. Was dem Sinnlichen allein genug thut, ist angenehm. Was die Seele erhebt, ohne durch das vollkommene Sinnliche dahin zu gelangen, ist gut, wahr, recht, was man will, aber nicht schön.
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Die Schönheit ist die vollkommene Uebereinstimmung des Sinnlichen mit dem Geistigen.
(1839.)
Wenn der sinnlich befriedigende Eindruck durch Erweckung der Idee das Vollkommene ins Uebersinnliche hinüberreicht, so nennen wir das das Schöne.
(1839.)
Die Darstellung unserer Empfindung in und mittels der Natur ist die Poesie oder vielmehr die Kunst im allgemeinen.
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Es ist die eigentliche Aufgabe, wieviel Unsinn ein Gedicht nicht nur enthalten kann, sondern muß; denn der Sinn ist die Prosa. Weh dem Gedichte, das sich völlig durch den Verstand erklären läßt!
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Das in seiner Art, also isoliert Vollkommene ist das ästhetisch Schöne; das in seiner Beziehung auf das Ganze Vollkommene, das moralisch Gute.
(1844.)
Schön ist, was durch die Vollkommenheit in seiner Art die Idee der Vollkommenheit im allgemeinen erweckt.
(1839.)
In der Kunst ist Gedanke nicht jenes Produkt des Denkvermögens, das in der Prosa mit diesem Namen bezeichnet wird, sondern ein in sich abgeschlossener Kunstorganismus, dem ein Gedanke oder eine Empfindung zu Grunde liegt.
(1820.)
Man hat die Kunst eine Nachahmung der Natur genannt. Warum sollten wir aber etwas nachmachen, das wir schon ohnehin in der Wirklichkeit besitzen? Die Porträtmalerei ahmt die Natur nach, damit wir einen Gegenstand, selbst dann, wenn er von uns entfernt ist, vor uns haben können. Wie tief steht aber die Porträtmalerei auf der Stufe der Künste. Und wäre die Kunst überhaupt nichts als das? – Sie ist auch keine Verschönerung der Natur: denn wer könnte die Natur im einzelnen schöner machen, als sie ist. Vergleicht einen gemalten Baum mit einem lebendigen, eine beschriebene Landschaft mit einer wirklichen, die mediceische Venus mit eurer Geliebten! – Was ist denn also die Kunst? – Sie ist die Hervorbringung einer andern Natur, als die, welche uns umgibt, einer Natur, die mehr mit den Forderungen unseres Verstandes, unserer Empfindung, unseres Schönheitsideals, unseres Strebens nach Einheit übereinstimmt. Wenn wir dabei die äußere Natur nachahmen, so geschieht es nur, weil wir unserer Schöpfung auch eine Existenz geben und sie von einem leeren Traumbild unterscheiden wollen. Nun sind aber, so sehr es in unserer Willkür steht, den Dingen eine Essenz zu leihen, doch unsere Vorstellungen von Existenz durchaus nur vom Existierenden abstrahiert und gehen nicht weiter als dieses; daher müssen wir wieder zur Natur unsere Zuflucht nehmen, und ihre Nachahmung ist nicht der Punkt, von dem mir ausgehen, sondern der, auf den wir zurückkommen.
(1837.)
In der revue des deux mondes habe ich neulich den Satz gelesen: Die Kunst ist keine Nachahmung der Natur, sie ist eine Erklärung derselben. Es ist viel Wahres da drin. Eine Erklärung in der Nachahmung.
(1821.)
Das Urteil ausübender Künstler über Kunstwerke ist nicht immer das verläßlichste. Denn von Neid und absichtlicher Parteilichkeit abgesehen, überschätzt unter ihnen der Thor das, was er selbst hat, auch in der fremden Gabe; der Einsichtige hingegen das, was er nicht hat und wonach er strebt.
(1821.)
Nicht der Gedanke macht das Kunstwerk, sondern die Darstellung des Gedankens. Das bei den Deutschen so beliebte Vorherrschen der Idee hat den Nachteil, daß dabei leicht die Nachahmung der Natur als untergeordnet erscheint; ohne Naturgemäßheit aber gibt es in der Kunst keine Wahrheit, und ohne Wahrheit keinen Eindruck. Worüber ist denn der reiche Werner zu Grunde gegangen, als durch diese immerwährende Unterordnung der Natur unter den Begriff? Alle unsere Vorstellungen von Existenz sind nur vom Existierenden abgezogen, und wenn man das letztere aus den Augen verliert, so gibt es nur Träume und keine Wesen, logische Möglichkeiten, aber keine Wirklichkeiten, nicht einmal den Schein davon. Die Kunst soll aber eine, wenn auch höhere, Welt mit Wesen sein, ein erhöhtes Wachen mit glänzenden Gestalten; nicht ein Schlaf voll Träume.
(1821.)
Die Betrachter von Kunstwerken lassen sich nach drei Stufen der Ausbildung einteilen. Die ersten sehen bloß aufs Außen- und Machwerk; das sind die rohesten und gemeinsten, und die meisten. Die zweiten, die, obschon über die vorige Stufe hinaus, doch selbst nicht überflüssig Ideen haben und bei denen die wenigen vorhandenen als Embryonen unentwickelt daliegen, sehen auf Gehalt, Gefühl, Rührung, Begriff, moralischen Wert, weil sie sich durch diese Eigenschaften eines Kunstwerkes ihrer eigenen Empfindungen und unentwickelten Ansichten erst bewußt werden und zu einem wohlthätigen Gefühl ihres eigenen Selbst gelangen. Die dritten endlich, die selbst was zu machen im stande sind, oder die wenigstens wissen, worauf es dabei ankommt, sehen auf die Darstellung. Sie, denen hundertmal die herrlichsten Ideen durch den Kopf gehen, bis sie einmal zur künstlerischen Ausbildung einer einzigen gelangen können, wissen, daß Ideen wohlfeil sind und nur dann ein Verdienst begründen, wenn sie durch Verschmelzung mit der Natur zum äußern Leben gekommen, wenn das Begriffsskelett mit dem weichen Fleisch des Daseins bekleidet worden ist. Sämtliche Neu-Altdeutsche mit ihrer Bewunderung der Kunstwerke des Mittelalters sind auf der zweiten Kunststufe. Der Umstand, daß trotz alles Redens und Theoretisierens keiner von ihnen etwas Tüchtiges hervorbringt, könnte sie schon über ihre Impotenz belehrt haben und über ihr Verkennen dessen, worauf es ankommt. Ein Hund von dieser zweiten Art ist auch der Speth, der in seinem Buche: »Die Kunst in Italien«Erster Teil München 1819 albernes Gewäsch vorbringt und sich untersteht, den ehrwürdigen Goethe zu verunglimpfen.
(1821.)
Schlendrian und Pedantismus in der Kunst urteilen immer gern nach Gattungen, diese billigen, diese verwerfen sie: der offene Kunstsinn aber kennt keine Gattungen, sondern nur Individuen.
(1855.)
Darum ist in der Kunst das Bewußtlose das Höchste, weil auch in der Natur der bewußtlose Zweck das Herrschende ist. Zweckmäßigkeit ohne Zweck hat es Kant genannt.
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Ich stelle mir die Sache so vor: Der Mittelpunkt des menschlichen Wesens, sinnlichen und geistigen, ist die Seele. In ihr liegt alles vereinigt und aufbewahrt: Erfahrenes, Erlebtes, Gedachtes, Gefühltes. Dieser Zuwachs ist, was man Bildung nennt. Er ändert in einem gewissen Grade selbst die Substanz der Seele, und durch ihn ist der Mensch im vierzigsten Jahre ein anderer, als im vierten. Den Gesamtausdruck der Seele, insofern ihr Streben nicht nach außen geht, nenne ich die Empfindung, Die Empfindung ist nicht ohne Unterscheidung, weil das Geistige eben auch in ihr liegt. Wird die Empfindung durch starke Eindrücke angeregt, so verliert sich diese Unterscheidung, und sie wird Gefühl, sowie andererseits durch gemäßigte Anlässe die Unterscheidung vom Geiste aus sich mehr und mehr Platz macht und das entsteht, was Kants Urteilskraft ist, ein anschauender Verstand, der die Regel aus dem Geiste und die Teile aus dem sich gliedernden, unermeßlichen Vorrate von aufbewahrten Eindrücken nimmt. Diese Urteilskraft liegt dem gesunden Menschenverstand zu Grunde. Im vollständigen Auseinandertreten verfällt die Empfindung einerseits dem sinnlichen Bedürfnis, andererseits verfeinert sie sich zum Verstande, oder Vernunft, oder Geiste, wie man es eben nennen will.
Der Sitz der Kunst ist in der Empfindung, die einerseits den Unterscheidungen der Urteilskraft nahe steht, andererseits aber durch ihr Hineinreichen in den ganzen Menschen eine ungeheure Verknüpfung – Ideenassociation – anregt, deren Vorstellungen ihrem Ursprung von außen nach sich zu Bildern verkörpern und als Phantasie die natürliche Auffassung des Menschen nachahmen, die sinnlichen Eindrücke mit Gedanken verbindet, nur daß hier die Bilder sich schon nach einem Gesichtspunkte einstellen, indes die äußern Eindrücke zufällig und unvermittelt überraschen.
Ich weiß wohl, daß das alles dummes Zeug ist, aber die Welt würde in diesem Augenblicke zusammenbrechen, wenn ihre Verbindungen solche wären, die wir einsehen könnten.
(1855.)
Daß sich über die Kunst und den Vernunftgebrauch von vornherein nichts ausmachen läßt, erhellt schon daraus, daß der Gegenstand der Kunst: das Schöne, durchaus ein Ergebnis der Erfahrung ist. Ob der Gedanke, in inniger Verbindung mit dem sinnlich wohlgefälligen Bilde, mehr Vergnügen über die Veredlung des sinnlichen Eindrucks, oder mehr Mißvergnügen über den unadäquaten Ausdruck des Gedankens hervorbringen wird, läßt sich vom Standpunkte des Geistes nicht voraus bestimmen. Ich sage: unadäquater Ausdruck, weil sich der Gedanke nur durch Gedanken völlig entsprechend ausdrücken läßt. Und wenn wir auch den Menschen als so vorherrschend sinnlich annähmen, daß ein Bild ihn mehr befriedigte, als eine Ausführung durch Gedanken, so wäre doch erst das Wohlgefallen an der Kunst vorausbestimmt, aber noch nicht die Begeisterung, das Entzücken, das Hinreißende der Kunst.
(1856.)
Das Urteil, das der vortreffliche Macaulay in seiner englischen Geschichte Kapitel XIV über die Predigten Tillotsons fällt: His reasoning was just sufficiently profound and sufficiently refined to be followed by a popular audience with that slight degree of intellectual exertion which is a pleasure, gilt noch viel mehr als von einer Predigt, von dem Anteil, den die Denkkraft an dem Genuß künstlerischer, eigentlich ästhetischer Gegenstände zu nehmen hat.
(1840.)
Die Wissenschaft überzeugt durch Gründe, die Kunst soll durch ihr Dasein überzeugen, wie die Wirklichkeit, wie die Natur.
(1839.)
Das Aesthetische ist vielleicht eins mit dem Eindrucke, den das Vollkommene in seiner Art auf uns macht. Eben weil letzteres im Individuum gewöhnlich nicht vorkommt, erweckt es den Begriff der Gattung, des Zusammenhanges der Wesen, des Ganzen, und erhebt den Menschen so über sich, ja die Welt.
(1839.)
Die Kunst verhält sich zur Natur, wie der Wein zur Traube.
(1856.)
Wenn man vom Verderben eines Strebens, einer Richtung, einer Kunst spricht, so meint man wie natürlich nicht die mangelhaften Schritte, die vom Anfange aus bis zur Gewinnung eines, der Vollkommenheit sich nähernden Standpunktes gemacht werden. Sie sind förderlich, notwendig und in ihrer Unvollkommenheit verehrungswürdig, ob es gleich lächerlich ist, wenn eine übersättigte Zeit ihnen einen höhern Wert zuschreiben will, als den, den sie wirklich haben. Verderben heißt: eine schon vorgeschrittene Kunst durch falsche Bestrebungen wieder rückgängig machen. Da stößt man denn freilich bei den Verteidigern eines immerwährenden Fortschrittes gewaltig an. Aber wollte man diesen auch, gegen alle Erfahrung, im ganzen der Welt zugeben, so stößt man doch im einzelnen damit gewaltig an, besonders wenn es sich um Begabungen und Energien handelt, die nur bei einzelnen vorkommen, ja ihrer Natur nach eine Art Abgeschlossenheit, um nicht zu sagen: Einseitigkeit bedingen. Kenntnisse lassen sich mitteilen, Kräfte nicht. Die Bildung, die allerdings in den letzten drei Jahrhunderten in immerwährendem Fortschritt war, beruht auf einem Gleichgewicht aller menschlichen Fähigkeiten; Bestrebungen, die wesentlich ein Uebergewicht besonderer Eigenschaften voraussetzen, sind weit entfernt, durch solche Allgemeinheiten gefördert zu werden, Bildung haben und seine Bildung am gehörigen Orte vergessen zu können, sind für den neuern Dichter gleich wichtige Erfordernisse, ja letzteres beinahe wichtiger, wie es schwerer ist.
Man kann eine Kunst theoretisch oder praktisch verderben.
Die falschen Theorien verderben eigentlich die Kunst nicht, sie kommen erst, wenn sie bereits verdorben ist. Die Produktion hat eine so überwältigende Macht, daß ästhetisches Gefasel dagegen unwirksam bleibt. Erst wenn die Ausübung ermattet oder sich selber untreu geworden ist, dann machen sich die falschen Grundsätze breit und erschweren, ja machen die Rückkehr für die Masse halb unmöglich. Erst ein neues schaffendes Talent bricht oft spät genug den Bann; denn die echten Grundsätze liegen im Talente selbst und, als erweckbarer Keim, auch in der Masse.
Also nur die Künstler verderben die Kunst. Das ist oft gesagt worden und daher nichts Neues. Meistens aber wurde der Satz so gebraucht, als ob es die eigentlich schlechten Künstler wären, die dieses Verderbnis herbeiführen. Das ist aber ganz unwahr. Die schlechten Dichter bleiben unbeachtet, und die mittelmäßigen unterhalten, oft ganz mit Recht, die Menge, die aber recht wohl zu unterscheiden weiß, daß, wenn sie Wallensteins Tod sieht, sie auf eigentlichem Kunstgebiete steht, indes sie sich gestern bei Kotzebue oder Iffland ganz einfach nur unterhalten hat.
Die ausgezeichneten Künstler sind es, die die Kunst verderben, wenn sie sich individuellen Richtungen mit zu großer Vorliebe hingeben. Der Tadel trifft aber dann eigentlich nicht sie. Jede Begabung hat das Recht, zu sein, was sie ist, und wenn die Kunst ein Allgemeines hat, das aus der Sache selbst fließt und in dem Zusammentreffen mit allen großen Künstlern desselben Faches sich kundgibt, so macht das Individuelle den eigentlichen Reiz aus, der unterscheidet und erfrischt. Wollte Gott, jeder Künstler wäre ein anderer. Wenn aber die Nachahmer, durch den Glanz des Namens und das Einschneidende der Besonderheit verführt, sich auf das Individuelle werfen, ohne die Individualität zu besitzen, die es naturgemäß erzeugt und ebenso rechtfertigt als entschuldigt, dann weicht die Kunst von ihrem Wege ab, und die Verwilderung tritt ein, entweder augenblicklich, wenn das Nachgeahmte leidenschaftlicher Natur war, oder später, als Nachwirkung gegen reflektive Kälte und launische Ablehnung.
Man muß daher unter den ausgezeichneten Künstlern einen großen Unterschied machen, zwischen den vortrefflichen als solchen und den mustergültigen (der eigentliche Begriff für das, was man klassisch nennt). Die ersteren gehen einen Pfad, der nur für sie gangbar ist, die zweiten den Weg, der für alle paßt. Der Ausdruck originell ist daher sehr zweideutiger Natur, und es gehört eine große Begabung dazu, um einen Künstler nicht schon durch diese Bezeichnung in die zweite Rangstufe zu setzen. Auf den eigentlich großen Künstler übt das von seinen Vorgängern Übernommene als Vorhandenes die Macht eines Natürlichen, und er macht es wie alle andern, nur unendlichemale besser.
So ist in der Musik Beethoven vielleicht ein so großes musikalisches Talent als Mozart oder Haydn, nur hat etwas Bizarres in seiner Naturanlage, verbunden mit dem Streben originell zu sein, und allbekannte traurige Lebensumstände ihn dahin geführt, daß, in weiterer Ausbildung durch talentlose Nachtreter, die Tonkunst zu einem Schlachtfelde geworden ist, wo der Ton mit der Kunst und die Kunst mit dem Ton blutige Bürgerkriege führen.
(1845.)
Das Unerwartete darf allerdings und soll in der Kunst vorkommen; aber wie es eintritt, muß es wirken wie ein Notwendiges und durch sich selbst Gerechtfertigtes.
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Der Künstler, an dem man die Originalität als charakteristische Eigenschaft hervorhebt, gehört schon deshalb in den zweiten Rang; denn die Geister ersten Ranges charakterisiert der Sinn für das Natürliche. Sie machen es wie alle andern, nur unendlichemale besser.
(1820.)
Allerdings ist es falsch, daß die Form das Höchste in der Kunst sei, aber das Höchste ist in der Kunst nur insofern etwas, als es in der Form erscheint; d. h. insofern es der Künstler nicht bloß gedacht und empfunden, sondern das Vorgestellte auch adäquat dargestellt hat.
(1819.)
Jede Entfernung von der Natur in der Kunst ist entweder Stil oder Manier, Stil, wenn die Entfernung nach den Forderungen des Ideals geschieht! Manier, geschieht sie aus was immer für einem andern Gesichtspunkte.
(1829.)
Die sogenannte moralische Ansicht ist der größte Feind der wahren Kunst, da einer der Hauptvorzüge dieser letztern gerade darin besteht, daß man durch ihr Medium auch jene Seiten der menschlichen Natur genießen kann, welche das Moralgesetz mit Recht aus dem wirklichen Leben entfernt hält.
Sie werden es sonderbar, vielleicht wohl gar ein wenig lächerlich finden, wenn ich mit meiner so entschieden und oft ausgesprochenen Abneigung gegen die in unsern Tagen überhandnehmende Kunstkritik, mir beigehen lasse, mit Aufsätzen ans Licht zu treten, die ein ähnliches kritisches Bestreben unverhohlen schon an der Stirne tragen. Sonderbar oder nicht, wenigstens schließt die Sache keinen Widerspruch ein. Niemand kann sich von der Richtung der Zeit frei halten, in der er lebt. Selbst den, der sie bestreitet, zwingt sie, wenn auch nicht mit ihren Waffen, doch immer auf ihrem Boden zu kämpfen, und wovon gar nicht die Rede sein sollte, davon muß er reden, wenn er überhaupt sprechen will. Ferner: mag man auch noch so sehr von der Unnotwendigkeit einer abgesondert auftretenden Kritik durchdrungen sein, so macht doch, wenn einmal die Schranke durchbrochen ist, das Dasein einer schlechten, die Gegenüberstellung einer guten wieder gewissermaßen notwendig, wie Fieberrinde an sich ein übles Ding ist, aber nach eingetretenem Fieber nur gar zu wünschenswert wird. Endlich möcht' ich nicht Werke kritisieren, sondern Kritiken, oder wenigstens nur solche Werke, die ihr Entstehen, statt einem unschuldigen Trieb, zu schaffen, einem Fleisch gewordenen kritischen Geiste verdanken.
Zur Sache! Das Grundübel unserer neuesten deutschen Litteratur und Kunst scheint mir in dem Vorherrschen eines gewissen Dilettantismus zu liegen.
Der Dilettant ist ein gesteigerter Liebhaber. So wie dieser, kann auch er viele, ja bedeutende Einsicht in das Wesen einer Kunst, ja selbst eigene Ideen von größerem oder geringerem poetischen Gehalte haben, nur fehlt ihm bei allem Streben doch das Vermögen einer genügenden Darstellung. Solche Leute kommen im Leben häufig vor. Sie sind, wenn ihre Auffassungsgabe mit Selbsterkenntnis und Bescheidenheit geplant ist, höchst liebenswürdig und interessant. Was sie hervorbringen, entzückt ihre Freunde, weil diese im stande und in der Stimmung sind, das Fehlende der Darstellung aus ihrer Kenntnis des Verfassers zu supplieren, und eine gewisse Unbeholfenheit in der Anwendung der Mittel wird nicht selten zu einem eigenen Reiz, wie das Lallen des Kindes der Mutter entzückender klingt, als aller Wohllaut der Dichtkunst im Munde der Musik.
Beim Dilettanten gilt immer der Willen fürs Werk, indes ein Künstler nur derjenige genannt werden kann, der auch ins Werk zu setzen vermag, was er will. Jede Kunst liegt in der vollkommenen Darstellung der mehr oder weniger vollkommenen Idee; und dies zwar so sehr, daß nur darin ihr charakteristischer Unterschied von der Wissenschaft zu suchen ist.
Wer das Schöne weder weiß noch fühlt, ist ein Tropf; wer es fühlt, ein Liebhaber; wer es weiß, ein Kunstphilosoph; wer, was er davon fühlt und weiß, auszuführen strebt, ein Dilettant; wer es ausführt, ein Künstler. Wer mit einem beschränkten Ideenkreis seinen kleinen Vorrat selbständig außer sich hinzustellen vermag, ist ein Künstler, indes der Ideenreichste, dem die Gabe, das Gedachte von seinem Innern abzulösen, mangelt, dieses Namens ewig wird entbehren müssen. Hölty in seiner Nußschale wird ein Dichter bleiben bis ans Ende der Welt, und die Schlegel werden es ewiglich nicht sein, waren sie auch tiefer als die Tiefe des Weltmeers. Die niederländischen Kuh- und Gemüse-Raphaels sind Maler, und der sinnige Schnorr wird es täglich weniger, je mehr er sinnt.
Es liegt aber diese Darstellung, die ich als das charakteristische Merkmal jedes Kunstwerkes betrachte, wie schon oben bemerkt wurde, in der vollkommenen Ablösung des Hervorgebrachten von dem hervorbringenden Gemüte. Erst wenn die Frucht von dem Mutterleibe getrennt und die letzte verbindende Schnur abgeschnitten ist, dann erst tritt ein neuer Mensch ins Dasein, der das Prinzip seines Daseins in sich selbst trägt und als Geschöpf wandelt nach eigener Richte.
(1822.)
Das Kunsturteil des Dilettanten und des Meisters unterscheiden sich darin, daß ersterer dabei das Kunstwerk mit sich in Übereinstimmung zu bringen sucht, letzterer sich mit dem Kunstwerke.
(1836.)
Die Kunst ist keine Frucht der Bildung, denn das Wesen der Bildung ist Vielseitigkeit, die Kunst aber beruht auf einer Einseitigkeit. Ihr muß nämlich ein Stoff und ein Gedanke im Augenblicke des Schaffens und des Genießens an die Stelle der ganzen übrigen Welt treten.
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Es gibt, besonders in Deutschland, Kunstliebhaber und Dilettanten, die in einem fremden Werke nur das lieben, was sie von ihrem eigenen hineingetragen haben. Wie gewisse Insekten, die, da sie nicht Lebenswärme genug haben, ihre Jungen selbst auszubrüten, die Eier in fremde lebende Körper hineinlegen. So gefällt Tieck, der mit dem Erhabenen nur durch das Medium Shakespeares zusammenhängt, an dem großen Briten eigentlich nur das, was er in ihn hineindeutet und dichtet. Solche Leute, an sich ziemlich unschädlich, sind als Kritiker und Freunde besonders gefährlich für ausübende Künstler. Schober ist ein solcher Mensch.
(1819–1820.)
Ein gewisser Kunstsinn ist in Deutschland ziemlich verbreitet, der Künstlersinn aber ist fremd darin.
(1838.)
Was den Deutschen vor allem fehlt, ist der Kunstsinn. Dieser besteht darin, den Gedanken im Bilde zu genießen. Die Deutschen gehen aber auf den Gedanken los, ohne sich um das Bild viel zu bekümmern. Diese Geistesverfassung gehört der Wissenschaft an, zerstört aber die Kunst.
(1854.)
Wenn eine Zeit in der Kunst für das Hohe und Tiefe schwärmt, so ist der Geschmack verdorben; denn der wahre Sinn – um nicht zu sagen: das Verständnis – für das Tiefe und Hohe ist immer nur das Vorrecht einzelner Begabter, die andern beten nach.
(1834.)
Was dem empfindenden Menschen wahr ist, ist poetisch wahr, und was dem denkenden Menschen wahr ist, philosophisch wahr. Jeder, der eine wenn auch nur subjektiv wahre Beziehung der Dinge auf das Gemüt entdeckt und darzustellen weiß, ist ein Dichter. Byron so gut als Klopstock.
(1834.)
Philosophisch wahr ist, was sich erweisen läßt; poetisch wahr das, wovon man überzeugt ist, oder besser, was man als wahr fühlt, im Gegensatz von dem, was man als wahr weiß.
(1834.)
Die Welt mit den Gesetzen der Empfindung in Übereinstimmung zu bringen, das ist die Aufgabe der Poesie, oder vielmehr der Kunst im allgemeinen.
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Des Menschen unabweisliches Streben ist, sich mit der Welt in Uebereinstimmung zu setzen. Wo das nun nicht gehen will, sucht die Philosophie am Menschen zu bessern, die Poesie kehrt es um, und ändert die Welt.
(1857?)
Der Kunst die Erkenntnis der Ideen zuzuschreiben, ist lächerlich, da der Ausdruck Idee doch immer eine objektive Gültigkeit beansprucht, wo es denn endlich auf die Urbilder der Dinge hinausgeht, deren Erkenntnis dem Menschen wohl nicht gegeben sein dürfte. Daß dem Künstler bei vollständiger Konzentration aller Kräfte (der Philosoph konzentriert nur die geistigen) das innere Wesen der Gegenstände deutlicher werde als den übrigen Erdensöhnen, ist allerdings anzunehmen, aber wie weit ist es da noch bis zu den Urbildern. In früherer Zeit hat man statt Ideen Ansichten gesagt, und da kann es denn allerdings höchst vernünftige und annähernd richtige geben.
(1830.)
Was ist komisch? Ist komisch und lächerlich das nämliche? Wenn lächerlich das ist, worüber man lacht, so ist auch der Witz lächerlich, ohne darum komisch zu sein. Der Witz ist korrosiv, das Komische ist expansiv. Witzige Menschen sind oft nicht gute Menschen, komische sind fast nie böse. Der Witz gehört dem Geiste an, die Komik jener gemischten Region, die man Gemüt nennen kann, wenn es einem beliebt, wo Empfindung und Gefühl, Fürwahrhalten (Glauben?) und Phantasie, Neigung und Wärme ihren Sitz haben. – In der Wirkung steht das Komische am nächsten dem Spaßhaften, obwohl die Hervorbringung des letztern etwas Bewußtes hat, das bei dem Komischen nicht notwendig ist. Man macht einen Spaß, und man ist komisch. – Hier wäre vielleicht einzubohren! – Wie, wenn das Komische das Objektiv-Lächerliche wäre, gegenüber dem Spaßhaften, dem Witzigen, dem Satirischen, das in der Wendung liegt und subjektiver Natur ist.
(1822.)
Man schreit jetzt in allen Künsten so sehr gegen die Regeln und daß das Genie sich durch sie nicht könne binden lassen. Das letztere ist wohl auch wahr. Aber durch gänzliches Aufheben der Regel auch jene Köpfe davon zu befreien, die keine Genies sind, muß doch notwendig zum Unsinn führen; und das thut es auch.
(1820.)
Der Hauptgrund der Verschiedenheit in den Kunsturteilen der Männer und denen der Frauen liegt darin, daß letztere in der Regel keiner Abstraktion fähig sind und nur das bewundern können, was sie zugleich auch vollkommen billigen.
(1822.)
Unser Entzücken über ein Kunstwerk ist offenbar aus diesen drei Empfindungen zusammengesetzt: das ist nicht bloß möglich; das ist! – So mein Innerstes ansprechend, so auf einen Punkt vereinigt, so eins mit meinem Wesen habe ich es selbst in der Natur nicht gesehen! – Und das hat ein Mensch gemacht! –
(1822.)
Ein Kunstwerk muß sein wie die Natur, deren verklärtes Abbild es ist: für den tiefsten Forscherblick noch nicht ganz erklärbar; und doch schon für das bloße Beschauen etwas, und zwar etwas Bedeutendes. Wer etwas schafft, das der gemeinmenschlichen Fassungskraft nichts ist und erst der tiefsinnigen Reflexion sich gestaltet, hat vielleicht ein philosophisches Problem glücklich in poetischer Einkleidung gelöst, aber er hat kein Kunstwerk gebildet.
(1836-1838.)
Was ist denn nun diese Begeisterung, die zum Schaffen in der Kunst als notwendig bezeichnet wird? Es ist nicht jene Steigerung der Gemüts- und Geisteskräfte, die, von ähnlichen physischen Zuständen begleitet und unterstützt, gewöhnlich mit einem solchen Namen bezeichnet wird. Diese Begeisterung ist bloß teils die äußere Erscheinung, teils die Folge einer vorausgegangenen anderen Ursache. Sonst würden ja Kunstwerke Ausgeburten eines kranken Zustandes, einer Art geistigkörperlichen Trunkenheit heißen müssen. Die eigentliche Begeisterung ist die Hinrichtung aller Kräfte und Fähigkeiten auf einen Punkt, der für diesen Augenblick die ganze übrige Welt nicht sowohl verschlingen, als repräsentieren muß. Die Steigerung des Seelenzustandes entsteht dadurch, daß die einzelnen Kräfte, aus ihrer Zerstreuung über die ganze Welt in die Enge des einzelnen Gegenstandes gebracht, sich berühren, wechselseitig unterstützen, heben, ergänzen. Durch diese Isolierung nun wird der Gegenstand gleichsam aus dem flachen Niveau seiner Umgebungen herausgehoben; statt nur an der Oberfläche, von allen Seiten umleuchtet, durchdrungen; er gewinnt Körper, bewegt sich, lebt. Dazu gehört aber die Konzentration aller Kräfte. Nur wenn das Kunstwerk für den Künstler eine Welt war, wird es auch eine Welt für den Beschauer. In neuerer Zeit aber breiten sich die Richtungen zu sehr aus. Der Raum des Kunstwerkes scheint dem Künstler zu eng, er will daneben und dazwischen noch dies und das, und wie ihm das Gefühl der Notwendigkeit des Geschaffenen fehlt, stellt es sich auch bei dem Beschauer nicht ein.
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Die Begeisterung der augenblicklichen Leidenschaft, die Begeisterung der Narrheit und die Begeisterung des Skandals, die einzigen in der neuesten Poesie übrig gebliebenen Stellvertreter der poetischen Begeisterung.
(1821–1822?)
Die neueste Zeit unterscheidet sich von ihren Vorgängerinnen auch darin, daß sie in allen Dingen einen ganz neuen Weg gefunden zu haben glaubt, obgleich diese Neuerungen, genau betrachtet, eben auch nur Nachahmungen oder Umkehrungen oder Verwechslungen längst dagewesener, allgemeiner oder besonderer Erscheinungen sind. – So ist die neueste Kriegskunst wahrscheinlich nur dadurch entstanden, daß die improvisierten Generale der französischen Revolution instinktmäßig die Kriegführung der wilden Horden nachahmten und dadurch ihre taktisch gebildeten, aber geistlosen Gegner in heillose Verwirrung setzten, bis endlich der letzte Vervollkommner der kannibalischen Methode in eigener Waghalsigkeit ein seiner glänzenden Laufbahn unwürdiges Ende fand. Und so wird das System in künftigen Hordenfeldzügen fortdauern, bis einmal ein Mann von Geist etwa die Grundsätze Friedrichs des Großen als eine neue Neuheit hervorsucht und die stumpfgewordene Genialität mit denselben Waffen besiegt, die es siegreich verspottete.
Was von den garstigen Künsten gilt, gilt auch von den schönen. Sie haben sich in neuester Zeit sämtlich erweitert, weil sie teils in ihre wechselseitigen Gebiete, teils in die Prosa hinübergriffen, und halten sich nun für reicher, weil sie mehr Geld in der Kassa haben, wenn auch geborgtes.
Ich will hier vorzugsweise von der Musik sprechen; einmal weil ich sie liebe und immer mit Eifer getrieben habe, dann weil es die einzige Kunst ist, in der wir Deutsche einen eigenen Weg gebrochen haben, indes wir in den übrigen viel zu spät gekommen sind, um auf etwas anderes, als auf den Ruhm mehr oder weniger glücklicher Nachahmer Anspruch machen zu können.
Meine Behauptung geht nun dahin: daß die Musik, abgesehen von dem Mangel an Talenten, in Deutschland auf dem Wege der Verschlechterung sei, weil sie sich aus ihrem eigenen Gebiete in das der Poesie hinüber begeben hat.
Hier ist nun vor allem nötig, daß wir die Gebiete der verschiedenen Künste zu bestimmen suchen.
Wie unähnlich sie jedoch im einzelnen sein mögen, so kommen sie doch in den Hauptbestimmungen, als einer und derselben Richtung des menschlichen Geistes, der Kunst angehörig, wie natürlich überein. Diese Grundbedingungen oder wesentlichen Bestandteile aller Kunst nun sind: der sinnliche Eindruck, die Empfindung, der Gedanke. Was einen dieser Faktoren entbehrt, gehört nicht mehr der Kunst an, verschieden aber ist das Maß des Anteils und die Stufenfolge, in der die verschiedenen Künste an denselben teilnehmen.
Die Malerei (Plastik mit einbegriffen) geht vom sinnlichen Eindruck aus, erweckt dadurch den Gedanken und durch diesen die Empfindung. Die Musik, gleichfalls vom Sinn empfangen, geht jedoch unmittelbar auf die Empfindung über, und der Gedanke, der kaum je zum völligen Bewußtsein gelangt, ist in seiner Unbestimmtheit der letzte, gleichgültigste Bestandteil des Wohlgefallens oder Mißfallens. Die Poesie endlich, die freilich auch sinnlich gehört oder gesehen werden muß, wo denn aus dem guten oder schlechten Fall der Verse allerdings ein Minimum von Lust oder Unlust entstehen mag, fängt doch eigentlich erst mit dem den Worten entsprechenden Gedanken an, erregt durch ihre Verknüpfung die Empfindung, und die nicht von außen hinein-, sondern von innen herausgehende Versinnlichung ist erst die letzte Stufe der Vollendung.
Diese Unterschiede, wie gleichgültig sie von vornherein scheinen mögen, bestimmen doch wirklich das Gebiet der Künste.
Von seinem Ursprunge kann sich nichts lossagen. Der sinnliche Eindruck, wo er den Anfang macht, ist so stark, daß die später folgende Billigung oder Mißbilligung des Verstandes die Wirkung nie mehr ausgleichen kann, die das Individuum durch seine natürlichste Wahrnehmungsquelle, den Sinn, empfangen hat; es könnte höchstens dadurch ein Umkehren, eine Art Reue entstehen, die aber immer einen zusammengesetzten Eindruck gäbe, nie einen einfachen ganzen, wie ihn die Kunst fordert.
(1836.)
Ihr Elenden, die ihr Geist habt, aber nur nicht, eure Werke damit zu begeistigen! Was kümmert mich der Mensch in euch! Das geht eure Angehörigen, eure Frauen und Kinder an. Im Künstler lebt nur das, was er zu verarbeiten, was er zum Zwecke der Kunst zu verwenden weiß. Eure Werke seid ihr. Wer hat nicht Geist? Der Philister hat ihn auch. Nicht die Hand gibt einen Wert, sondern was man mit der Hand macht.
(Um 1840?)
Nicht leicht wird ein Wort in neuester Zeit häufiger gebraucht als das Wort Genie und das ihm entsprechende Adjektiv genial. Die Bezeichnung als Talent ist dagegen so im Werte gesunken, daß man es, Menschen und Werken beigefügt, beinahe als eine Beleidigung betrachten kann und nicht viel mehr sagen will, als gemein, Mittelgut, unus ex multis.
Was wollen denn aber vor allem die beiden Ausdrücke sagen, und inwieweit ist daher ihr Gebrauch ein richtiger? Da nun in den höchsten geistigen Sphären die Grenzen oft ineinander laufen und es sich hier überdies vorläufig um eine Sprachbestimmung handelt, so wollen wir die Sprache selbst als Beispiel und Musterbild voranstellen.
Da nennen wir denn ein Sprachgenie denjenigen, der die innigsten Beziehungen und Verwandtschaften vieler Sprachen erfaßt und durchschaut und so regelgebend auf seine und die Sprache im allgemeinen rückwirkt, gesetzt auch, daß er sich in keinem einzigen Idiom, seine Muttersprache ausgenommen, geläufig auszudrücken vermöchte. Ein Sprachtalent dagegen wird demjenigen zugeschrieben, der viele Sprachen mit Leichtigkeit erlernt hat und sich ihrer mit Geläufigkeit und Gewandtheit in vorkommenden Fällen, sprechend und schreibend, bedient. Jakob Grimm ist ein Sprachgenie, der Kardinal Mezzofanti ein Sprachtalent.
Wir mögen die beiden Ausdrücke durch alle Fächer und Bildungsformen verfolgen, immer wird sich zeigen, daß Genie sich auf die Tiefe und Eigentümlichkeit der Auffassung, Talent dagegen auf das Vermögen der Ausübung bezieht.
In den wissenschaftlichen Bestrebungen nun, wo der Gedanke die Hauptsache ausmacht und die Darstellung nur als Einkleidung, als Nebensache erscheint, mag allerdings Genialität für sich allein ausreichen, obgleich auch hier, wer einer entdeckten Wahrheit keine Ueberzeugung beizufügen weiß, in Gefahr steht, fruchtlos sich bestrebt zu haben . . .
Man hört in neuerer Zeit nichts häufiger als den Ausdruck: genial. Da fragt sich nun zuerst, was das heißen soll? Will man damit von jemanden sagen, er sei ein Genie? oder nur, er sei etwas annähernd dem Genie Aehnliches? Im ersten Falle sollte man bedenken, daß das Genie, wie die Aloe, kaum alle hundert Jahre einmal blüht. Es hat ganze Zeiträume gegeben, die nicht ein einziges Exemplar dieser seltenen Pflanze aufzuweisen hatten, und sollte die neuere Zeit daran auf einmal so fruchtbar geworden sein? Wodurch und wie? da es sich hier um eine Naturgabe handelt und nicht um etwas Erworbenes, Ungebildetes, wie jedermann zugibt. Nimmt man aber genial nur für etwas dem Genie Aehnliches, so muß vor allem genauer bestimmt werden, was denn das Genie eigentlich sei, um es auch in seiner Aehnlichkeit wiederzuerkennen und von verwandten Gaben zu unterscheiden. Die nächst verwandte Gabe aber ist das Talent. Betrachtet man nun Talent und Genie als Stufenleiter eines und desselben Vermögens, nur dem Grade nach verschieden, so würden die Ausdrücke: ein großes, ein außerordentliches Talent, und: ein Genie, gleichbedeutend sein, was man wieder nicht zugibt. Schon die Ausdrucksweise des gewöhnlichen Lebens unterscheidet hier sehr genau. Wer viele Sprachen mit Leichtigkeit erlernt und mit Fertigkeit gebraucht, ist ein Sprachtalent; wer die Uebereinstimmung und die allgemeinen Bezüge derselben Sprachen oder vielmehr der Sprache überhaupt durchschaut, von den Zweigen zum Stamm, vom Stamm zur Wurzel verfolgt und nachweist, ist ein Sprachgenie, wenn er sich auch in keinem einzigen fremden Idiom mit Bequemlichkeit auszudrücken vermöchte. So nennen wir den Abbé Mezzofanti ein außerordentliches Sprachtalent, Jakob Grimm, wenn man will, ein Sprachgenie. Es bleibt also nichts übrig, als einen spezifischen Unterschied zuzugeben und das Genie in die Eigentümlichkeit der Auffassung und das Talent in die Geschicklichkeit der Ausübung zu setzen.
Da leuchtet nun sogleich ein, daß in den geistigen Bestrebungen, die auf Erforschung der Wahrheit, auf Erweiterung unserer Kenntnisse gehen, das Genie und nur das Genie es ist, in dem alles Heil liegt. Wer eine neue Wahrheit gefunden hat, gesetzt, er drückte sich auch so unbeholfen aus, als Kant oder Hegel, ist ein Wohlthäter des Menschengeschlechtes.
Anders aber dürfte es in den Künsten sein. Wenn irgend ein Künstler, ein Dichter zum Beispiel, eine neue Idee, eine Wahrheit nämlich, gefunden hätte – obwohl mir im ganzen Bereich der Poesie kein Dichter bekannt ist, von dem man so etwas sagen könnte – so hätte er sich dadurch nur in die Reihe der Philosophen oder Naturkundigen gestellt, als Dichter aber noch gar nichts geleistet. Denn die Kunst besteht in der Lebendigmachung der Idee, in der Zurückführung des Gedankens auf die Wirklichkeit, in der Darstellung mit einem Worte. Wenn man sich hier durch eine Unterscheidung der philosophischen von der poetischen Idee helfen wollte, so wäre dabei wenig gewonnen, denn die poetische Idee ist schon eine Einkleidung, eine Versinnlichung, eine Verkörperung der philosophischen, und somit sie selbst schon eine Darstellung. Was bei den Philosophen gegenüber der Auffindung des Gedankens Nebensache ist: die Auffaßbarkeit von Seite des Zuhörers, ist bei dem Künstler die Hauptsache; die Kunst ist eben nichts, als der Komplex der Mittel, seine Gedanken lebendig auf den Zuhörer übergehen zu machen. Wer die höchsten Gedanken hat, aber sie nicht darzustellen vermag, kann ein außerordentlicher Mensch sein, ein Künstler aber ist er nicht.
Da man aber anderseits doch Gedanken haben muß, wenn man ihrer darstellen will, so ist allerdings Genie, verbunden mit dem Talente, Eigentümlichkeit der Auffassung, Hand in Hand mit der Gabe der Lebendigmachung, das Höchste, was die Kunstwelt aufzuweisen hat. Nur kommt das Ding, wie gesagt, oft in Jahrhunderten nicht einmal vor.
Das eigentliche Genie ausgeschlossen, kann daher die Bezeichnung genial nur auf einen Teil jenes weltbeglückenden Ganzen gerichtet sein, und da die als genial Bezeichneten den Beinamen: Talent mit Entschiedenheit, als eine Art Unglimpf, zurückweisen, so bleibt für sie vom Genie, mit Ausschluß der Darstellungsfähigkeit, nur das Eigentümliche der Auffassung, die Originalität des Gedankens übrig. Da kommt nun zu bemerken, daß in einer Zeit, wo die Ideen fixiert sind, die Eigentümlichkeit der Ansicht allerdings eine gewisse Stärke des Geistes voraussetzt. Sind die Ideen aber einmal im Fluß, hat sich die Zeit von Ehrfurcht und Ordnung emanzipiert, so ist nichts leichter, als aus dem wirbelnden Strudel ein paar Gedanken: qui heurlent de se trouver ensemble, herauszugreifen und gewaltthätig zu verbinden. Wenn man es nur mit der Richtigkeit nicht so genau nimmt, so hat dann die Eigentümlichkeit wenig Schwieriges. Jeder Gedanke, auf den Kopf gestellt, gibt einen neuen, und ein Narr im Narrenhause hat mehr originelle Einfälle, als alle Dichter seit Erschaffung der Welt zusammengenommen.
Aber auch die Originalität im besten Sinne zugegeben, so ist doch in der Kunstwelt derjenige, der eigentümliche Gedanken hat und sie nicht angemessen darzustellen vermag, das, was man im gewöhnlichen Leben einen Stümper nennt, d. h. ein solcher, der das nicht machen kann, was er machen möchte.
Ich bin hier bei dem Punkte angekommen, auf den ich von vornherein mein Augenmerk richtete. Genialität ohne Talent ist der Teufel der neueren Kunst, Wenn ich sage: ohne Talent, so meine ich nicht, als ob diese Gabe der neuern Zeit ganz fehlte. Aber je größer der Gedanke, um so schwieriger die Ausführung. Ein Talent, welches für einen mäßigen Stoff ausgereicht hätte, wird lächerlich, wenn es sich mit einem großen befaßt, und so haben wir denn lauter verunglückte Meisterwerke, statt genießbaren Kunstprodukten. Wenn hierin in Deutschland die bildende Kunst eine Ausnahme macht, so beruht dieses auf der einfachen Ursache, daß die Natur in ihrer unerforschten Machtvollkommenheit sich entschlossen hat, nach langer Sparsamkeit einige dem Genie nah kommende, wenn nicht gar es erreichende Talente hervorzubringen, die dann den andern die Richtung geben. Poesie und Musik aber sind gleichmäßig in jenem Grundübel befangen.
(1835)
Klassisch ist fehlerfrei.
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Genialität ist Eigentümlichkeit der Auffassung; Talent Fähigkeit des Wiedergebens; Genialität ohne Talent gibt keinen andern Wert, als einen höchst persönlichen. Sie geht nur den Besitzer und seine nächste Umgebung an. Was nicht ausgeführt wird, ist leer; was nicht ausgeführt werden kann, ist verrückt. Das Talent gehört der Welt. Es ist das Vermögen, der Idee eine Ueberzeugung oder ein Gegenbild beizugesellen. Das heutige Deutschland ist die Heimat der Genialen und Talentlosen.
*
Man ist darum noch nicht eigentümlich, weil man die gang und gäbe Meinung auf den Kopf stellt.
*
In Deutschland pflegt man Genie und Talent als Stufengrade derselben Kraft, als quantitativ verschieden zu betrachten. Ihr Unterschied ist aber qualitativ, Genialität bezeichnet die Eigentümlichkeit der Auffassung, Talent die Fähigkeit des Wiedergebens und der Ausführung; das Genie faßt einen großen Gedanken, das Talent fügt ihm eine Ueberzeugung oder ein Gegenbild bei. Das neueste Deutschland ist vielleicht genial, aber gewiß talentlos.
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Gott, gib uns für jedes Dutzend unserer Genies nur ein Talent, und wir sind geborgen.
(1839.)
Das Genie bezieht sich auf die Auffassung, das Talent auf die Ausführung, Talent ohne Genie behält immer seinen Wert, Genie ohne Talent ist ein Vorsatz ohne That, ein Wollen ohne Können, ein Satz ohne Ueberzeugung. Niemand spricht mehr von Genie als die Talentlosen.
(1838.)
Wenn ein Talent und ein Charakter zusammenkommen, so entsteht das Genie.
(1811.)
Leute von Talent, wie man gewisse Leute zu nennen pflegt, unterscheiden sich, außer manchen andern Fällen, noch darin von großen Köpfen, daß es ihnen sehr leicht wird, etwas Angewöhntes abzulegen; z. B. ein solcher Mensch wird, wenn er im Griechischen die Reuchlinische mit der Erasmischen Aussprache vertauschen soll, es leicht thun und in acht Tagen so lesen, als ob er nie anders gelesen hätte; ein wahrer Kopf, der einmal eine Sache seinem Geiste eingeprägt hat, nimmt sehr schwer etwas Widersprechendes auf, und wenn es ihm ja die Vernunft anrät, wird ihn das Alte noch oft genug in den Nacken schlagen.
(1812-1813.)
Das Genie unterscheidet sich von dem Talente weniger durch die Menge neuer Gedanken, als dadurch, daß es dieselben fruchtbringend macht, und sie immer auf der rechten Stelle hat; mit einem Wort, daß bei ihm alles zum Ganzen wird, indes das Talent lauter, wenn auch schöne, Teile hervorbringt.
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Menschen von Talent sind weniger Musiker, als vielmehr musikalische Instrumente; ohne fremde Hilfe bringen sie keinen Ton hervor, aber bei fremder, auch der leisesten Berührung entwickelt sich aus ihnen herrliche Melodie.
(1836.)
Sich des Geistes der Zeit bemächtigen, ist die Sache des großen Talentes; sich vom Geiste der Zeit fortziehen lassen, bezeichnet das gewöhnliche. Beides unterscheidet sich wie Handeln und Leiden.
(1819.)
Ein Weiser mag und soll höher stehen, als seine Zeit; der Dichter als solcher nicht, aber ihr Gipfel soll er sein.