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Vierundzwanzigstes Kapitel

Es wird dargetan, wie Hochzeithalten kein Narrenwerk ist

Anne Bäbi hatte einen schönen Traum gehabt. Wenn Jakobli Lisi genommen hätte, so hatte Anne Bäbi sich bereits das Hochzeit ausgedacht. Das sollte in diesem Falle zu Gutmütigen selbst gefeiert werden in seiner altertümlichen Pracht, daß die Leute sich darob verwundern müßten und sagen, so ein Staatsmönsch hätten sie lange nicht zur Kirchtüre ein gehen sehen, und e selligi vornehmi Vrwandtschaft syg o no nit bal zämecho. Wenn die Leute das alles mit Staunen betrachtet hätten, so würden sie endlich fragen: «Aber säget doch ume o, wie ist ds Jowägers Bueb zu ere sellige Frau cho?» De werd es heiße: «Sy Mutter het ihm drzu vrhulfe, das ist vo de Abgrichtetiste eini, mi gsäch er es nit emal a. Bhütis, er selber hätt üser Lebtig nie ke selligi übercho; si steyht fry dem ganze Dorf wohl a.»

So hatte Anne Bäbi geträumt, denn es ist in der ganzen Welt kein Anne Bäbi, das nicht auch seine Träume hat, so gut als die holdseligste Jungfrau, nur ganz andere. Diese Träume waren zuschanden gegangen, das tat weh, und jemand sollte es doch entgelten. Anne Bäbi begehrte natürlich nicht, daß sein Bub mit so einer ab der Gaß in Gutmütigen Hochzeit halte, sondern je weiter weg, desto lieber. Und so eine müsse nicht meinen, daß da Staat müsse gemacht werden; es söll in der Welt gehen, wie es sich für e jederi schick. So eini sei gewohnt zu laufe, u für ihri Sache z'führe, werde man keinen Zug brauchen; die seien wohl zu tragen. Hätte er eine genommen, wo o dr wert gsi wär, azspanne, un sie öppis z'führe gha hätt, es hätts kes Geld greut; aber für es Huhn oder es Gitzi zMärit z'führe un öppe es paar Kuderbützi, spann ke Mönsch en Esel a, vrschwyge de es Roß. So strafte nun Anne Bäbi seinen Sohn und dessen Braut dafür, daß es schöne Träume gehabt, die jetzt nicht in Erfüllung gingen, dafür, daß die Leute sagen werden, Jowägers Frau ist drwider gsi, aber es ist ere recht gscheh, die weiß doch de jetz, daß si nit alles zwänge cha. Sie mußten ihm zu Fuß gehen und den Bündel tragen. Es frier se ume minger, sagte es; ds Laufe erwärm, bsungerbar we me öppe nit Kleider heyg, für si recht azlege.

So mußte also Jakobli zu Fuße gehen; er schämte sich fast, es durete ihn für Meyeli; je minger eis afe gritte syg, dest wöhler tühy es ihm, bsungerbar uf eme eigete Wägeli, so dachte er. Und wenn einer so recht Liebe hat, so möchte er seinem Liebchen geben, was nur zu geben ist; und wenn er mit Gott unzufrieden ist, so ist es nur deswegen, weil er dem Verliebten nicht die ganze Welt in die Hände gibt, daß er sie seinem Liebchen schenkt.

Wie das gehen werde im Hause, machte ihm bange. Ob wohl sein Meitschi alles von der Mutter annehmen könnte, wie sie es könnten und gewöhnt seien, dachte er. Sie seien daran gewöhnt und könnten sich darein schicken, ihm aber werde es fremd vorkommen, und es werde es nicht so annehmen können. Darauf komme es an, und wenn es es dr tusig Gottswille nur könnte, sonst wäre er bös zweg; dr Mutter etgegeha chönn me nit, wes gut gah söll, u de dFrau ume gseh pläre u ere nit helfe, das brächt er doch schier nit übers Herz, u da wüßt er wäger, wäger nit, wie mache. Es ist aber auch nicht ein Wunder, daß dieses Jakobli so Kummer machte; denn man weiß doch nie voraus, wie zwei Gemüter zusammenpassen, wie sie sich annehmen, vertragen können. Es ist mit den Gemütern der Menschen wie mit den Stoffen der Erde; die einen ziehen sich an, die andern stoßen sich ab; so ist es von Natur. Nun aber ist doch der Unterschied, daß der Mensch nicht durch Notwendigkeit gebunden ist, sondern daß vor ihm das Gebiet der Freiheit ist, daß sein Geist über seine Natur gestellt ist, daß sein Geist die Natur zwingen kann zu ertragen, was ihr anfangs zuwider ist, daß er andere Naturen in der Sanftmut, der Liebe zu überwinden imstande ist.

Diese Gewalt des Geistes erkennt man im allgemeinen an; aber wenn zwei Naturen feindselig zusammenstoßen, so mutet eine der andern zu, sie solle sich umgestalten, modeln lassen, und jede will bleiben, wie sie ist, will des Geistes Macht sich nicht fügen, den Balken nicht aus dem Auge sägen lassen. Wo so die Naturen obermächtig sind, da ist ein ungeheures Ungefähr, ob wohl zwei zusammenpassen, und kein Mensch kann das voraus wissen; denn in jeder neuen Umgebung kommen neue Seiten der Menschen zum Vorschein, und in neuen Verhältnissen offenbaren sich immer neue Eigentümlichkeiten.

Da muß es einem allerdings schwer und bange machen, wenn man ein Weibchen nimmt und noch dazu mit einer wunderlichen Mutter es zusammenbringt. Und wenn auch das Weibchen noch so sanft und weich und lieb scheint, wer weiß, ob nicht beim Zusammentreffen mit der Mutter eine Salz- oder Bitterquelle zutage springt und das ganze Haus in eine Flut von Bitterkeit setzt wie zum Beispiel der artesische Brunnen zu Grenelle halb Paris unter Schlamm. Und wenn auch nicht, so ist des Weibes Gemüt vielleicht zu weich und zart für die Manövers der Schwiegermutter und wird nach und nach zerrieben, daß es ein Elend ist. Fragt einen Müller, wieviel es darauf ankömmt, ob gut gemahlen werde, daß zwei Steine, die aufeinander laufen, in Härte und Weiche genau zusammenpassen, und daß das noch schwer zu treffen sei. Und ist das bei Mühlsteinen schwer, die man doch mit Eisen und Stahl probieren kann, wieviel schwerer ist das bei Herzen, wo man mit keinem Finger daran längen kann. Es gibt Steine, die das Wetter nicht ertragen mögen, andern ist die Kälte zuwider, und obs nicht welche gibt, denen die Sonne nicht recht ist, weiß ich nicht; es gibt Zeuge, die man nicht waschen darf im heißen Wasser, andere nicht im kalten, andere soll man nicht bauchen, andere wollen keine Seife, und wäre ich eine Wäscherin, ich könnte sicher noch hundert Dinge sagen, was die einen wollen, die andern nicht wollen.

Aber von den Zeugen weiß man, ob sie von Wolle oder Leinen, bauelig oder halb und halb sind oder seiden oder sonst etwas; von den Herzen weiß man das wieder nicht, kein Wäscherweib, die beste Baucherin nicht einmal kann es einem sagen. So schwer und eigentlich unmöglich ist es, von vornenherein, a priori würden die Gelehrten sagen, zu bestimmen, wie ein Meitschi in neuen Verhältnissen sich machen werde. Hintenher ist gut predigen, und a posteriori sind die Gelehrten bsunderbar bschlagen und können es einem punktum sagen, wenns gedonnert hat, daß das gedonnert sei, und daß man das hätte voraussehen können; denn wenn es heiß sei, so gebe es Wolken, und wenn die Wolken zusammenführen, so gebe es ein Donnerwetter, und wenn es ein Donnerwetter gebe, so klepfe es, und wenn es in den Wolken klepfe, so sage man dem Donnern.

Und wenn man eines Herzens Beschaffenheit auch ordentlich ergründet hat, so kommt, beim Weibe namentlich, das empfänglicher und fruchtbarer Natur ist, lebendig ist in seiner Einbildungskraft, in Betracht, was für Samen in der nächsten Zeit ausgesäet wird in dessen Seele, und auch das liegt außer aller Berechnung. Wo ein Aas ist, da versammeln sich die Adler; aber wo ein jung Mädchen Hochzeit machen will, da laufen alle Weiber zusammen, junge und alte, und die Freundinnen werden noch einmal so zärtlich; und alle reden, und alle so streng sie mögen; und alle diese Worte sind Samenkörner und fallen hinein aufs Herz, und nie ist eines Mädchens Herz empfänglicher, fruchtbarer als in seiner Brautzeit. Und hat man auch wie ein Drache dieses Herz gehütet, gelingts vielleicht noch am Polterabend einer frevelnden Hand, die böse Saat zu streuen, ja mitten in der Nacht kömmt der Feind, Unkraut zu werfen in den durch den Tag behüteten Acker.

Und der arme Jakobli hatte dieses Herz nicht behütet. Lange drei Wochen war er ihm nicht genaht, und wenn kein anderer Wächter in selbem wachte, was mochte wohl da alles für die Zukunft bereitliegen? Hauptsächlich und vor allem gehen die meisten Reden der Freundinnen und Nachbarinnen da hinaus, daß das Mädchen sich tapfer halte; sie sind ähnlich denen, welche man einem Jüngling gibt, wenn er in die Schlacht zieht. E dumme Hung solle es nicht sein, sich nicht lassen ungeretu, gleich zeigen, wies gah söll; wie me bett, su lig me; nüt nahla gwinn; mit Süferlitue afa u, wes nüt nützi, mit Wüsttue es durezwänge. Un e Narr sölls nit sy u bös ha, es söll sis jetz gönne.

Möglich, daß die Stadtweiber und Meitscheni sich etwas feiner ausdrücken und vielleicht sogar weltsch oder halbweltsch; aber am Ende ist doch nur der Unterschied, daß man auf dem Lande solche Räte unverblümter und handgreiflicher gibt, in der Stadt mit mehr Rückhalt, verzuckert, und eben vielleicht halbweltsch. Wer wollte sich daher verwundern, wenn das Mädchen, das vor drei Wochen zufrieden war, ein Herz erobert zu haben, und selig war, neuere z'ha uf dr Welt, auf einmal eine ganz neue Welt vor Augen hat? Wer will sich wundern, wenn es den meisten Meitscheni am Hochzeitmorgen wird, wie es Alexander war, als er seine Mazedonier sammelte, um Persien und Indien zu erobern, wie es dem Cäsar war, als er ein Heer über den Rubikon führte, um Herr der Welt zu werden? Sie sind kühne Eroberinnen, eine jede eine Semiramis, ausziehend mit Hellebarden und Granaten, ein Reich, eine Welt sich zu erobern.

Aber muß es solchergestalten einem Bräutigam nicht fast werden, wie es einem königlichen Sohne zumute sein muß, wenn er den Feind ins Reich seines Vaters führt, oder wie einem römischen Senator, wenn er ihn führt ins Gebiet seiner Mutter? Muß er nicht zagen und bangen über das Schicksal des Vaters, der Mutter, den Ausgang des Kampfes, das Schicksal seines neuen Führers und sein eigenes, endliches Schicksal? Und wenn des Kampfes Trompeten schmettern, wird da nicht seine Seele von den Tönen in zwei Teile gerissen, und einer strebt hiehin und einer dorthin, und ein Teil bindet den andern Teil, und von beiden Seiten schimpfen ihn die streitenden Parteien Verräter, und beider Streiche fallen auf ihn? Wer ist solchen Bangens Zeuge nicht schon gewesen, und wie viele haben es nicht empfunden? Aber seltsam ist, daß das Umgekehrte nicht das gleiche Bangen zeuget, aber meist einen noch unglücklicheren Ausgang hat.

Ich meine, es geschehe nämlich oft, daß einer auf dem Throne eine auswärtige Macht zu Hülfe gerufen, um inländische Feinde zu begwältigen, um desto mächtiger den eigenen Sinn geltend zu machen. Herodes, welcher die Römer zu Hülfe rief, die Römer, welche auf die Barbaren sich stützen wollten, und tausend andere Beispiele predigen laut die Lehre, wie so zu Hülfe gerufene Freunde zu Meistern und zu Tyrannen werden, wenn nicht noch gesunde Kraft genug da ist, sie zu überwältigen. Und doch helfen alle Warnungen der Geschichte nichts, und alles Hinweisen auf sie hilft nichts. Wem es in den eigenen Beinen fehlt, will halt Krücken, und wer zum Beispiel in der Schweiz mit seiner schlotternden Zunge und wackelnden Beinen das Männchen machen möchte, greift nach Krücken, der Eine kriegt angfähr Radikale, der Andere Rotstrümpfler, dem Einen gibts Propagandisten daraus, dem Andern Jesuiten, und gäb wie man warnt, es hilft alles nichts; wie er fühlt, wie eng es im eigenen Hause wird, und wenn man es ihm einmal vereitelt hat, so versucht ers zum zweitenmal, und wenn es nicht gelingt, so kupet und tubelt und taubelet er zur Abwechslung, daß es grüslich ist.

Gerade wie dsAnne Bäbi haben sie es, das eigentlich Meister war, aber noch Meisterer sein wollte und derethalb Lisi ins Haus wollte und nicht begreifen wollte, daß es ihm noch tausendmal ärger gegangen wäre als dem Herodes mit den Römern; dem ließen die Römer doch noch etwas von der Sach, gleichsam die Hinterstube; Anne Bäbi aber hätte ins Ofenhaus sollen und nicht einmal ein Huhn haben können; und gegen ein manierliches Söhnisweib, das den besten Willen hatte, waffnete es sich mit Hellebarden und Granaten, und das, welches Kräuel machte an allen Gliedern und so lange als es konnte, hatte es für alle Gewalt ins Haus wollen.

So muß es einen bei solchen staatsrechtlichen Verhältnissen nicht wundernehmen, wenn es Jakobli Angst machte, ein Weibchen zu holen; wußte er doch nicht, was daraus werde, und dachte er, wie übel er zwegkommen müßte zwischen Frau und Mutter, wenn die Sache z'ungutem graten sollte, noch viel schlimmer als es einem Finger geht, wenn er zwischen Türe und Angel kömmt. Wenn die Achtung vor der Mutter den Mund verbindet, die Leiden der Frau das Herz zerreißen, die Mutter schreit: «Du mußt er es säge, mußt ere dr Vrstang mache, we si ne nit selber het, du Fösel!» die Frau klagt: «Lieb hest mi nüt, du wurdist sust nit so la mit mr umgah, wurdist dr Mutter dr Marsch mache; aber du wottsch es mit niemere vrderbe, du Höseler, was de bist!» da ist wirklich ein schlimm Dabeisein, und es gehört ein anderer Kerli dazu als so ein Jakobli, um in solcher Bedrängnis zwischen zwei Weibern das rechte Loch zu finden.

So wanderte tiefsinnig Jakobli Raxigen zu. Aber wie in dunkler Nacht Raketen prächtige Streifen ziehen und ein schön Luegen ist, wenn ihre sprühenden Funken Sternen gleich den Himmel zu bevölkern scheinen, so warf auch die Liebe und das Sehnen und das Bewußtsein, eine Seele gefunden zu haben, helle Lichter in sein dunkles Sinnen; und hinter diesen Lichtern, wie die Sterne hinter den sprühenden Funken, stand ihm das Vertrauen zu seinem lieben Herrn und Vater im Himmel, der bisher alles so wohl gemacht und ferner alles wohl machen werde.

Und wie er so wanderte und sann, knallte plötzlich ein Schuß durch des Abends Dunkel, und noch einer und noch einer, und die Schüsse wiederholten sich von Zeit zu Zeit und immer erschütternder, daß Jakobli dachte, das müsse ein groß und vornehm Hochzeit sein, welchem man schieße, bei ihm gehe es mit mingerem zu. Hätte er daheim Hochzeit gehalten, so wäre diese Ehre ihm auch geworden. Aber Jakobli irrte sich, gerade zu seinen Ehren geschah es, von Röseli veranstaltet. Es hatte ihm gar prächtig geschienen, wenn dem armen Meitschi zulieb und dem Götti zum Ärger geschossen würde nach alter Sitte, als ob die reichste Bauerntochter Hochzeit hielte.

Dieses Schießen ist eine militärische Ehre und stammt aus den Zeiten her, wo jeder Berner wußte, daß er ein geborner Soldat sei, und jeder Berner durch ein Gesetz gebunden war, in kriegerischem Schmuck Hochzeit zu halten, bewaffnet in der Kirche sich einsegnen zu lassen. Dieses Schießen, das noch immer gehört wird, ist Ursache von vielem Unglück; von solchem Schießen verstümmelte Menschen sieht man mehr im Bernerlande als im Kriege wund gewordene. Deswegen aber möchte doch solches Schießen nicht zu verbieten sein; wegen jedem einzelnen Unglücksfall soll man nicht ein Gesetz machen. Den Schießenden aber sollten die hundert Beispiele, die sie vor Augen haben, Vorsicht und Mäßigkeit predigen und die Lehre, daß, wenn Brönz zum Pulver kömmt, der Tüfel nicht mehr sicher ist und kein Katzenkopf hart genug.

Es wäre hier eine schöne Gelegenheit, ein halbes Dutzend Arme und Beine in die Luft zu sprengen und etwelche Ärzte damit in Verlegenheit zu setzen. Indessen, um der Aufrichtigkeit willen, da von allem dem nichts geschah, soll bei der Wahrheit geblieben und gemeldet werden, daß Röseli von seinem Einfall keinen solchen Verdruß bekam. Es hatte denselben dem Hansli mitgeteilt. Dieser besaß noch nicht die neue Sparsamkeit, die alles überflüssig findet, was man nicht selber ißt; denn die Summa der neuen Weisheit liegt ausgedrückt in dem Sprichwort: «Selber esse macht feiß», sondern er hatte noch ganz den altadelichen Sinn, der bei Gelegenheit zur Ehre des Hauses und zum Ergötzen der Andern ein Erkleckliches aufgehen zu lassen wagt. Er gab daher Röseli Beifall und Vollmacht, dafür zu brauchen, was hier üblich sei; es söll ne nüt reue. Röseli hatte alle jungen Bursche am Bändel, Meyeli war auch beliebt, dem alten Seppli machte jeder gerne eine Täubi; es war ihm daher leicht, das Schießen anzustellen. Reichlich Geld zu Pulver gab es, aber zu trinken keinen Tropfen auf den Schießplatz. Wenn sie kein Pulver mehr hätten, so sollten sie ins Wirtshaus kommen, sagte es, da müßten sie haben bis genug, und der Wein dünke sie nur um so besser, sagte es, wenn sie nicht schon mit einem vollen Kopf herkämen oder gar mit einem zerschossenen.

Jakobli kam ins Wirtshaus, und in sein Sinnen war nun auch der Gwunder gekommen, wem man so schieße, und ob die, denen man es tue, morgen mit ihm Hochzeit hätten. Er fragte daher Röseli, das schon lange seiner geharrt hatte, noch eher nach dem Schießen als nach seiner Braut, und Röseli, das noch nicht in die ziemliche Reihenfolge der Fragen sich einstudiert hatte und aus der Verletzung dieser Reihenfolge der Fragen kein Hauptverbrechen machte, wie es manch zimpfer Meitschi in der Stadt getan hätte, wollte ihn raten lassen. Jakobli aber erriet es nicht und hörte mit Staunen, daß er ins Dorf gezogen war wie ein König in seine Hauptstadt unter Kanonendonner, mit dem Unterschiede nur, daß er nicht wußte, wem das Donnern galt, und daß er zweibeinig einzog, während ein König achtspännig einfährt. Aber Gedanken hatte er auch gehabt, ungefähr auch, wie ein König sie haben soll nämlich schwere und bange, wie er zu tun habe, daß es gut komme in Zukunft, und wie er sich einstellen müsse, damit man mit ihm zufrieden sei und er nicht zwischen Türe und Angel gerate.

Solche Einstandsgedanken sind sehr wichtig; es kömmt aber alles darauf an, ob sie demütig oder hochmütig seien. Sind solche Einstandsgedanken, die jeder hegt, der in ein neu Verhältnis tritt, jedes Kindermeitschi und jeder König, jeder Mauser und jeder Minister, jeder Standesweibel und jedes Standeshaupt, hochmütig und gehen dahinaus, daß die Welt noch nie so etwas erlebt, nie einen solchen Mauser oder einen solchen König, nie ein solches Kindermeitschi, ein solches Standeshaupt, so kann man fast daraufzählen, am Ausgang hängt Spott und Schande, und der Hochmut nimmt einen bösen Austrag. Da wären Beispiele zu erzählen, könnte aber stinken in der Fechtschule! Sind die Gedanken aber demütig, sieht man die Größe seiner Aufgabe, wiegt man mit Angst seine Kräfte, sieht mit Bangen und Verlangen zu dem empor, in dem Hülfe die Fülle wohnt, in dessen Hand Segen und Gelingen ruhen, dann wird so gerne der Ausgang ein gesegneter, und ein neu Beispiel wird gegeben, wie mächtig der Herr im Schwachen sein kann, wenn er demütig seine Hülfe sucht.

Wie drinnen in der Stadt den König eine Illumination erwartet, Vivats ertönen, ein Mordspektakel losgeht, so ging auch vor Jakobli ein heller Abend auf.

Sein holdes Mädchen kam, nach drei unendlichen Wochen sah er es wieder. Was meint man, wenn einmal drei Wochen lang die Sonne ausbliebe, aber am zweiundzwanzigsten morgens glühten Lichtstreifen durch die Nacht, und sie höbe wieder ihr strahlend Haupt über die Berge, wie würde da dem Menschen sein Herz so voll Dank! Freude, Entzücken schlügen über ihm zusammen, in jedes Auge würde die wunderbare Schrift treten, die keine Worte hat, keine Schriftzeichen, die unaussprechlich ist, und die doch jeder versteht, und die das herrlichste Gebet vor Gott ist. So war es selben Abend Jakobli, als er sein Meyeli wieder hatte, als es ihm so lieb und gut in die Augen sah mit seinen wunderbaren, tiefblauen Augensternen. Der Kanoniere lustige Fröhlichkeit war gleichsam der strahlende Kranz um die stille, sinnige Freude der Brautleute, und zwischen beiden hin und her, der bewegliche Diamantenstrauß, bewegte sich Röseli in mutwilliger Lust, strudelnd aus dem Bewußtsein, ein gut Ziel glücklich erreicht zu haben.

Ein solch fröhlicher Abend wirft Wellen, den Meereswellen vergleichbar, und wie diese an heitere Ufer schlagen und an diese Ufer Schiffende tragen, so tragen sanft und leise glücklicher Abende tanzende Wellen manch Menschenkind an glückliche Gestade, an traumreiche Inseln, in des Paradieses verlornen Garten, den wachend kein Sterblicher findet. Aber wie die Flut ans Ufer rauschet, so rollt die Ebbe Welle um Welle zurück auf des Meeres bewegte Höhe; aus der Ruhe steiget die Bewegung, aus der Nacht kömmt wieder der Tag, und einen neuen Anlauf nimmt das Leben, zur Höhe den Menschen zu führen; und Manchen bewegt es nicht, und Mancher, wie hoch ihn auch das Leben hebt, rollt über Nacht immer wieder tiefer als der Tag ihn gehoben.

Die helle Morgensonne sah freundlich durch ein kleines Fenster, sah in kleinem Stübchen zweien rosigen Mädchen und ihrem Treiben zu. Auf einer Stabelle saß das eine, das wunderholde Gesichtchen dem Fenster zugekehrt, goldene Locken lang und seiden umflossen aufgelöst das liebliche Bild. Hinter ihm stand schalkhaft und mutwillig, schlank und kräftig ein anderes Mädchen und führte emsig und geschickt den engen Kamm durchs reiche Haar der andern, das wie goldene Wellen ihm durch die Hände floß, scheitelte dann die Haare in zwei Hälften auseinander, daß kein Härchen mehr auf der einen Seite war als auf der andern und schlank und grade wie eine March zwischen zwei Landesteilen des Hauptes Marche von der Stirne zum Scheitel lief. Dann ward die eine Hälfte wieder geteilt, und beide Teile, zwei schlanke Flechten, zwei glatten Schlangen gleich, in die breite, geblümte, schwarzseidene Schnur geflochten, die bis auf den Boden reichte, und als die eine Hälfte fertig war, kam die Reihe an die andere Hälfte, und kein Härchen durfte seine Spitze strecken wohin es wollte, jedes mußte eingebogen, die ganze Züpfe mußte glatt und jede Flechte makellos sein.

Das ganze Werk ward mit einer Sorgfalt vollbracht, daß man wohl sah, daß es das Hauptstück der Arbeit sei, und mit einem Geschick, von dem manche Kammerfrau hätte lernen können, und dazu alles ohne Pomade, nur hier und da ward der Kamm in Wasser getaucht. Als alles getan war, sagte Röseli: «Stang uf u lue, ih ha agwengt, was ih möge ha.»

Meyeli trat vor den Spiegel, und wie ein Tautropfen in weißer Rose, in dem die Sonne sich spiegelt, strahlte ihm sein Gesichtchen entgegen und färbte sich immer höher, je röter auch sein Ebenbild im Spiegel ward. Es war, als ob sie eine Zwiesprache führten, die niemand hörte, Dinge sich erzählten, die niemand wußte; und ob diesem ging eine helle Morgenröte, einen neuen Tag verkündend, in beiden Gesichtchen auf. Dann ward um den schlanken Hals das schwarze Göller getan, an dem schwer und blank die silbernen Kettlein hingen. Zum erstenmal sah Meyeli diesen Schmuck und durfte ihn fast nicht antun und hatte doch seine kindliche Freude daran; denn wo ist das Mädchen, dessen Augen nicht um so dunkler funkeln, je heller sein Schmuck strahlt?

Dann ward das seidene Halstuch über das weiße Hemd geheftet, dann ds Chuttli von feinem schwarzem Guttuch angezogen, die Arme in den Ärmeln zweggestreckt, endlich die schöne Kappe mit den reichen Blonden und den mächtigen Schnüren aufgesetzt, und fix und fertig bis ans Kränzlein war ein holdselig Bräutchen; und Röslein freute sich nicht wenig seines Werkes, schlug die Hände zusammen und sagte: «Myr Lebtig hätt ih nit glaubt, daß dKleider sövli machte, u daß si dir so wohl astienge. Du bist ganz es angers, un ih bi froh, daß du furtchunnst; nebe dir schien niemere nüt meh. Un we me öppe o nit ds Leidiste ist u dNase o zmitts im Gsicht het, gege dir ist me ume e Kuchimutz.» «Du bist geng ds Glyche u weißt all Lüt uszspotte», sagte Meyeli, aber nicht böse. Die schöne Tracht, das rauschende Zeug, das seidene Fürtuch, die unter dem Kuttli hervorglänzenden Hafte, alles das kam ihm so seltsam vor, es dünkte ihns, es sei eine andere Person, und vor dieser andern Person empfand es ordentlichen Respekt und war so demütig in seinem Herzen und machte sich so klein, daß es sich gerne verborgen hätte in des Stübchens finstersten Winkel. Aber Röseli musterte es hinaus in die Gaststube, wo Jakobli wartete und seinen Augen nicht traute, als das schmucke, zierliche Kind unter die Türe trat; eine fremde Hochzeiterin, meinte er, stehe da, die ihm aber doch so bekannt vorkam, als ob er sie erst gesehen. «Donnstig!» sagte er endlich, «bist du es? Ich kannte dich nicht.»

Da ward Meyeli rot, und Röseli meinte sich, pries seine Einkäufe, strich um Meyeli herum und strich es heraus von allen Seiten, daß dieses immer verlegener ward, immer demütiger und fast zu weinen angefangen hätte. Solche Kleider, sagte es, schickten sich gar nicht für ihns; was doch die Leute sagen würden, gestern noch so verhudelet, kein gerechter Faden am ganzen Leibe, heute nun in solchem Staate, und morgen wieder in den alten Kleidern, das schick sich nicht, und es schäme sich, daß es fast nicht aufsehen dürfe. E mindere hätte es besser getan und wäre anständiger gewesen. «Was werden doch die Leute sagen? Ich darf wahrhaftig nicht vor das Haus hinaus!» «He, was werden sie sagen?» sagte Röseli, «es stehe dir wohl an; wer das bezahlt hätte, müsse Geld haben; aber sie hätten es auch genommen, wenn es Einer ihnen hätte anschaffen wollen, aber so gfellig Hüng seien sie nie gewesen; wenn ihnen Einer hätte eine Halbe zahlen sollen, so hätten sie erst ihre liebe Not gehabt, vrschwyge we si öppis angers welle hätte. E Teil wird drs gönne u e Teil nit, wies geyht i dr Welt. Aber jetz heschs, u es ist zahlt, u das ist dHauptsach, u jetz bis zfride!»

Solche Zusprüche warfen allerdings sonnige Streifen über Meyelis Gemüt, und es konnte sich freuen seines Staates, und daß so etwas sein eigen sei; es strich mit der Hand über das seidene Fürtuch, fuhr mit der Hand an den Kopf, sich zu vergwissern, ob die schöne Blondenkappe noch oben sei, streckte bald ein Füßchen, bald das andere unter dem Kittel hervor und freute sich der schönen weiß wollenen Strümpfe, der gattlichen Schuhe; und doch hatte es die Zehen nicht übereinander gedrückt, als der Schuhmacher ihm das Maß nahm, wie viele hoffärtige Mädchen tun, die kleine Schuhe haben möchten, und damit der Schuhmacher kleine mache, ihn betrügen auf alle mögliche Weise; was ihr armer, ehrlicher, breitlochtiger, starkknochigter, verbeulter Fuß dazu sage, das fragen sie nicht.

Der aber ist nicht dumm; wer Sonntags Mädchen sieht, die wie auf glühendem Eisen gehn, denen allemal, wenn sie den Fuß absetzen und noch so leise, das Wasser in die Augen schießt, ja, wer das Glück hat, solche süße Kinder mit breiten Füßen, die klein sein sollten, mit den Schuhen in den Händen anzutreffen, wandelnd in den Strümpfen, der denke nur, das ist auch Eine, die den Schuhmacher hat bscheißen wollen, und jetzt treibt der Fuß ihr ihre Schalkheit ein; von wegen mit den Füßen ist nicht spassen, das sind kybigi Bursch.

Wenn des Meitschis Natur sich geltend gemacht und vom Weinwarm gegessen, das Röseli ihnen aufgestellt, so tauchte doch wieder übers Meitschi ein ander Wesen auf; das dachte an die Zukunft, was ihm warte, wie es bestehen möge, an die Vergangenheit, an seine seligen Eltern, was die sagen würden, wenn sie das erlebt. Es sah vor seinen Augen, wie die Mutter gestorben und gerne gestorben, aber doch über ihre Kinder geweint, daß sie keine Mutter mehr hätten, und hörte noch alle Worte, wie drungelich sie dem Vater die Kinder anempfohlen, und daß er bete mit ihnen, vor bösen Händen sie wahre. Es sah den Vater sterben, wie es ihn so hart hielt von seinen Kindern weg, und wie er innerlich so viel betete, daß der himmlische Vater ihr Vater sein möge; es sah noch seine Augen, wie er sie ansah eins nach dem andern, fast als ob er sie zähle, und wie er dann seine Hände zusammenlegte und aufwärts sah, und wie dabei sein Auge dunkler und dunkler wurde, wie er zwei schnelle Atemzüge tat, die Hände auseinanderfielen, das Herz stillestand.

Es war ihm wie damals, als sie im engen Stübchen ohne Mutter, ohne Vater waren, eine unendliche Trostlosigkeit über sie kam und in so recht innigem Elend ihre Herzen zerspringen wollten. Ohne daß es es wußte, rannen die Tränen ihm die Backen ab, daß Jakobli es recht ungern hatte, nicht bloß von wegen den Leuten, die ab- und zugingen; denn alle, die im Wirtshause waren, wollten sehen, wie schön Meyeli sei, und wie wohl ihm die Kleider stünden; sondern es fing ihn an der Gedanke zu plagen, ob wohl das Meitschi reuig geworden sei, gerne zurück möchte, ein Anderer im Herz ihm sei. Er war so innig, so still in sich selbst glücklich gewesen ohne Worte; da kam es wie eine schwarze Wolke über seine innerliche Freude, er mußte fragen: «Bist reuig?» «Nei, wäger nit!» sagte Meyeli und legte seine Hand in Jakoblis Hand und sah ihn an, daß es war, als käme seine Seele herauf aus ihrer geheimen Wohnung, träte sichtbarlich in die Augen und wölbe mit den Strahlen des reinsten Lichtes eine Brücke sich hinüber in der andern Augen, schwebe hinüber zur andern Seele, gatte sich mit ihr zum ewigen Bunde.

«Nei, wäger nit!» sagte Meyeli. «Ih han a Vater u Mutter gsinnet, wie sy hey müsse sterbe, u wie si so ungern von is weg sy, un du han ih gsinnet, ob si ächt jetz o wüsse, wies is geyht, u daß ih so glücklig worde syg.» Da schwand die Wolke wieder von Jakoblis Seele, und Meyelis innige Seele trat zu seiner Seele, und zwischen ihnen war weder ein Dunkel mehr noch eine Kluft, und Jakobli sagte: «Es duecht mi geng, es chönn nit sy; u wenn ih mr doch de säge, es syg, su duechts mi de, ih heyg das nit vrdient, u de wirds mr wieder angst, es chönnt no nüt drus werde, oder es chönnt no angers cho.»

Da fing es an zu läuten. Die Glocken haben einen wunderbaren Klang. Wer, der mit einer Leiche gegangen ist oder mit einer Taufe, hat die Klänge nicht im Herzen empfunden, wenn diese mahnend zu ihm herüberklangen? Aber noch viel anders läuten sie im Herzen der Braut, wenn sie rufen zum heißen Steine, zum Prüf- und Magnetsteine, der menschlichen Natur, wo es sich bewährt, was echt ist und was Flitter ist, wo das Gold zutage kömmt, Stroh und Stoppeln verweht, verbrannt werden. Selten eine ist so roh, daß sie nichts empfindet, daß nicht eine Welle aus dem Meere bräutlicher Empfindungen, gemischt aus Weh und Wonne, über den Rand ihres Gemütes schlägt. In Meyeli rauschten sie mächtig auf, und auch Jakobli ergriffen sie und bewegten sein Gemüt. Es waren nicht besondere Gedanken, die sich gleichsam Bild um Bild vor ihre Seelen stellten; es war gedankenloses, aber tiefes Empfinden; wie im heiligen Haine der Wind durch die Eichen zieht, so war es ein Wehen des Geistes in ihren Herzen, er machte keine Worte, und doch erklang seine Rede hinein in die innersten Falten des Herzens. Und des Pfarrers Worte, als er den Segen sprach, waren nicht die Macht, welche die Flut aufregte; sie waren nur der Wind, der hinter der Flut herrauschet, die Wellen höher hebt, eine bestimmte Richtung ihnen gibt. Sie sind selten, die Augenblicke im Menschenleben, wo in Weh und Wonne die heiligen Fluten weit über alles Denken gehn und den Menschen versenken in den tiefen Brunnen heiliger Andacht, süßen Bangens, heißen Sehnens. Schon lange hatten sie wieder die Kirche verlassen, und noch war Meyeli so seltsam zumut; es wußte nicht wo es war; es hatte Augen und sah nicht, Ohren und hörte nicht. Es war, als ob sein ganzer Mensch inwärts gezogen wäre in die innersten Kammern der Seele und von der Welt nichts merkte, von den Menschen rings nichts vernähme. Aber die Welt duldet ein Weilen in diesen wunderbaren Kammern nicht lange; des Tages Brandung erhebt feindselig gegen des Geistes Rauschen sich; der Mensch muß wieder hervor, hinaus, muß Bescheid geben des Tages Pochen und Rede stehen den fragenden Menschen, wie auch so oft der Klopfer an der Türe den Menschen aus Beten und Sinnen hinaus vor die Türe ruft, nicht schweigt, bis er draußen ist. Und gar oft ist das, was ihn hinausgeklopft, im grellsten Gegensatze mit dem, bei dem er drinnen war; und die Zustände, in welche des Tages Brandung ihn wirft, sind himmelweit verschieden von den Empfindungen, in denen er sich im Grunde seiner Seele gewiegt hatte. Meyeli mußte in seines Göttis Haus, mußte dort zusammenpacken, Abschied nehmen von ihm, von den Kindern, mußte durch das Dorf gehen, von allen sich besehen, ansprechen lassen. Vielen Bräuten oder jungen Weibchen ist das so unlieb nicht; andern aber ist es peinlich, sie kröchen lieber zur Katze unter den Ofen, als daß sie mit dem neuen Ehemann über die Gasse gingen.

Jakobli begleitete sein junges Weibchen; er wollte den Götti samt seinen Kindern zum Essen einladen; zudem hätte er sich nicht gerne von seinem Weibchen getrennt. Wenn es fortgeblieben wäre eine Viertel-, eine halbe Stunde, er hätte geglaubt, es sei fortgelaufen, jemand hätte es gestohlen, es sei ihm sonst ein Unglück begegnet. Was so junge Eheleute voll Ängsten sind, man glaubt es nicht, später werden sie kaltblütiger.

Wo sie durch gingen, sah man ihnen freundlich nach, und wem sie begegneten, der sprach sie freundlich an. «Eh tusig, Meyeli, wie hoffärtig!» sagte das Eine, «Dolder abenanger, du gfielst mr o!» ein Anderer. «So, das ist dä, wo dMeitleni nimmt wie dSchwalbeli dMugge, u son e uflätige Grüsel, wie me gseit het, ist er notti nit», sagte ein Dritter. Nur hier und da hinter einer Türe oder einem Brunnenstock standen einige, die fürchteten, im Rest zu bleiben, Töchter und Mägde, und die Eine sagte: «Pfi Tüfel, wenn ih de e sellige welle hätt, mängs hundert hätt ih de scho chönne ha», und die Andere sagte: «Lueget, was dä Grieggel für Kleider annehet; es ist si doch dr wert, e sellige Besestiel dä Weg z'bkleide; es muß e dumme Hung sy; er hätt süst uf Eini gluegt, wos o dr wert gsi wär.» Und eine Dritte:» Es ist ume lätz, daß ih nit zun ihm ha chönne cho, gäb er bhanget isch; ih hätt ihm welle Sache säge, es wär ihm erleidet, u das frömd Dreckloch spazierte nit wien e Pfau desume. Aber so ists i dr Welt, de nütnutzigste Täsche kalberet ds Glück eine zuche, won es bravs Mönsch si dAuge usluege cha, un es chunnt doch e kene.»

Bei Sepplis Haus zeigte sich niemand. Von weitem hatten sie Kinder gesehen; aber als ob sie auf der Lauer gestanden, schossen dieselben, als sie die Kommenden erblickten, ins Haus; nur die Katze war draußen geblieben und strich mit hochgehobenem Stiele an Meyelis Füßen herum.

Meyeli schloß die Türe auf, in der Küche hantierte Sepplis neue Gehülfin und gab auf Meyelis freundlichen Gruß keine Antwort. Drinnen in der Stube waren die Kinder und taten, als kennten sie Meyeli nicht mehr, und doch sah man ihnen an, daß das Fremdetun ihnen nicht aus dem Herzen kam, und etwas wie alte Anhänglichkeit lag auf ihren Gesichtern. Das junge Weibchen hatte ihnen allen etwas gekramet, aber sie wollten nichts nehmen, legten die Hände auf den Rücken, und erst, als das jüngste begierig in den erhaltenen Lebkuchen biß, konnten sich die andern nicht enthalten, auch nach ihren Gaben zu langen.

Da kam Seppli, erwiderte die Grüße kaum, sah scheel die Kinder an und sagte, es dueche ihn, sie hätten das können bleiben lassen; er hätte gute Lust, allen die Rute zu geben. Meyeli sagte, wenn es ihm recht wäre, so wollte es seine Sachen einpacken und mitnehmen, sie wollten gleich nach dem Essen drdür hey, ds Mas Eltern verlangten es, und weil er jemand anders habe, so werde es ihm nichts machen. Jakobli aber lud ihn gar dringend ein ins Wirtshaus, mit ihnen zu Mittag zu essen und die Kinder auch mitzubringen, er hätte bestellt und ungern, wenn er nicht käme. Aber Seppli sagte, er hätte selber zu essen daheim und nicht im Brauch, i dWirtshüser z'hocke; brav Lüt täten das nicht. Aber recht sei es ihm, wenn Meyeli mache, daß es wegkäme, es und seine Sachen; er hoffe aber, es werde seine und ander Leute Sache wohl voneinander kennen. «O Götti», sagte Meyeli, «han dr je öppis vruntreuet? U chumm cho luege, was ih nime!» «Da chönnt ih lang», sagte Seppli, «we me selligs im Sinn het, su wartet me nit bis zletsch. Aber mach u gang, es blanget mi jetz o, bis de furt bist.»

Dem mit Tränen in den Augen nach seinem Kämmerlein gehenden Meyeli wollte Jakobli folgen, aber es hieß ihn bleiben; es werde gleich wieder da sein. Es schämte sich vor ihm, seine Hüdeli einzupacken, seine zwei guten und drei bösen Hemdchen, seine drei Mänteli, wo es bei zweien die größte Mühe kostete, die Löcher zu verbergen, seine zwei Kitteli, von denen einer bös war und der andere noch böser, sein Gloschli, das einmal rot verbändelt gewesen war, jetzt aber ringsum Fransen hatte. Alles das und noch einige andere Stücke, die einmal neu gewesen waren, packte es in eine alte Ziehe und dachte bei jedem Stück, wenns doch Gottes Wille wäre, daß niemand beim Auspacken sei. Und erst jetzt war es so recht reuig, daß es nicht Röseli mit aller Macht von den schönen Kleidern abgehalten und auch alles Geld, das Hansli ihm gegeben, für währschafte Kleider angewendet. Aber erstlich ließ der Götti es nicht aus den Augen, und zweitens hatte es gar große Freude am Gelde selbst gehabt. Wenn es so große, schöne Silberstücke gesehen, so hatte es manchmal gedacht, ob es wohl auch einmal so glücklich würde, solche im Besitz zu haben; und wenn es sie hätte, wie wollte es sich ihrer freuen, wie Sorge tragen zu ihnen! Jetzt hatte es deren mehrere und hatte richtig Freude an ihnen und ans Ausgeben nie gedacht. Erst jetzt, wo seine Armütigkeit ihm Stück vor Stück in die Hände kam und vor Augen trat, erst jetzt fiel es ihm ein, was es hätte tun sollen. Wenn es schon von allem wenig hatte, so gab doch alles zusammen noch einen ordentlichen Bündel, und noch einiges blieb übrig, mit welchem es ein alt Wartsäcklein füllte, so daß es ganz bebündelt in die Stube kam.

Dort hatte Jakobli auch etwas auszustehen gehabt und nicht weniger als sein junges Weib droben in der Kammer. Seppli hatte Schuß um Schuß und immer scharf geladen abgefeuert auf ihn. Es gibt deren Leute, sie tragen sich etwas vorwärts, ihre Augen haben einen unheimlichen Schein, sehen niemand an, sondern bald links, bald rechts in eine Ecke. Aus ihrem Munde aber entladet sich wie aus einer Windbüchse Giftkügelchen um Giftkügelchen, alle wohl gezielt und scharf gebrannt. Sie gleichen Wegelagerern, die mit gespannter Büchse lauern hinterm Busche und auf alles Lebendige, das in ihren Bereich kömmt, feuern sonder Erbarmen und Schonung. All ihr Reden ist ein beständiges Gifteln, daher man Weiber dieser Art Giftlöffeli nennt. Die Männer aus dieser Rasse sind aber noch viel ärger und nicht selten; die sollten Giftgöhn oder Giftkellen heißen.

Gerade so einer war Seppli trotz seiner Frömmigkeit; denn gar viele Frömmigkeit ist nichts als ein Sprühregen bei vielem Staub; in den Boden dringt er nicht, sondern dämpft eben nur den Staub, und wenn es so feucht ist über dem Boden, so schleicht eben das wüste Gewürme umso lieber hervor. Lauter Trümpfe spielte Seppli aus, bald über liederliche Meitli, bald über liederliche Bursche, wo enandere nahgheye, es wüß ke Mönsch wo, u mit em erste beste hinger e Hag schlüfe, bald über die Undankbarkeit, wie me King us em Elend zieh chönn, u we me meint, mi hätt o öppis an ne, su laufe si drvo u trage eim no zum Hus us meh as ne ghör, und über Bauernsöhne, die täten, als hätten sie Geld z'fressen, un we me recht luegi, su syge si no die ferndrige Schuh schuldig un em Kämifeger no vo mängem Jahr nache.

Und während er so was sagte, so sah er in die Ecken; erst wenn sWort raus war, so schoß er einen Blick auf Jakobli, so wie der Schütze auch nach der Scheibe sieht, nach welcher er geschossen. Und zu allem dem hatte er bloß den Grund, daß diese Heirat ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte, und jetzt glaubte er, volles Recht zu haben zu Haß, Feindschaft, Verfolgung und weiß der Teufel was noch.

Es macht nämlich jeder Mensch eine Art Lebensrechnung, aber selbstsüchtige Menschen hauptsächlich haben den Gebrauch, Menschen wie Zahlen, mit denen man umspringen kann nach Belieben, sie addieren und dividieren, subtrahieren und multiplizieren, in diese Rechnungen zu bringen, und ganz besonders bringt man auf diese Weise Untergebene in Rechnung, ein Götti seine Patin, manchmal reiche Leute ein arm verwandt Kind. Macht das nun eine eigene Rechnung, läßt sich nicht trahieren und plizieren wie eine leblose Zahl, wird zum selbständigen Wesen mit eigenem Lebenszweck, so schimpfen sie auf die lästerlichste Weise, als ob es Teufel und Hölle an ihnen verdient, als ob sie völlig das Recht hätten, zu töten und zu schinden, wenn nicht das Töten überhaupt verboten, das Schinden aber dem Schinder überwiesen wäre.

Gerade so tat der grämliche Seppli auch, bis endlich in Jakobli der Mann erwachte und er anfing zu fragen, was dann eigentlich das zu bedeuten hätte; habe Meyeli etwas Schlechtes gemacht, so solle er es sagen; habe er Schaden an ihm gehabt, so solle er die Rechnung stellen; aber wenn ein Mädchen aus der Unterweisung sei, so dünke es ihn, sollte es Lohn verdienen, dr Gottswillen seien Solche doch nicht mehr da, wo sie vom Morgen früh bis abends spät ds Wüstest alles machen müßten und dafür nicht einmal Kleider hätten. Oder wenn er Schaden gehabt habe, so solle ers nur sagen; er sei da für gutzumachen, bis er zufrieden sei.

Aber Seppli hatte es auch wie alle Leute seinesgleichen; wenn man sie vor die Klinge nimmt oder gut deutsch mit ihnen reden will, so halten sie einem nicht stand und sagen: «Bhütis, ich habe ja nichts gesagt, oder wer sagt dir, daß ich dich gemeint?» Oder aber sie springen auf ein ander Feld. So machte es auch Seppli. Er sei scheints auch von denen einer, sagte er, wo nur von einer Gattig Spys wüsse u nie a dSeel sinne. Er rede nicht von den leiblichen Guttaten, die er erwiesen; da wisse er wohl, daß die Linke nicht wissen solle, was die Rechte tue; und ob es verdient, was es bekommen, da könne er seinethalben rechnen, wann er wolle, er habe es nicht im Brauch; «rucket es niemand auf!» heiße es. Aber wenn es an einem andern Orte gewesen wäre als bei ihm, wo es in der Zucht und Frömmigkeit gehalten worden sei, so hätte man sehen können, was es aus ihm gegeben. Als es zu ihnen gekommen, sei es eins gewesen, er wolle nicht sagen, wie eines; aber für selligs trag man einem keine Rechnig, und was man mit so einem hätte, wüßte niemand. Und we me se de zwegheyg, daß me hoffe dörft, es gäb Mönsche us ne, u üse Herrgott hätte einmal ein Wohlgefallen an ihnen, so liefen sie einem daraus u dem zu, wo me nit säge dörf, aber no umenandere gang wie e brüllede Leu u such, wen er vrschling. Aber er well schwyge; es heiß, wer schwyg, dä werd sy Lohn im Himmel ha; aber er werde si wohl hüte, meh es Kind z'näh dr Gottswille, we me de e sellige Dank drvo heyg. Meyeli unterbrach ihn, kommend mit den zwei Bündeln. Es werde doch nichts vergessen haben, frug er spöttisch. Es meine es nicht, antwortet es ehrlich und bewegt. Er glaubs, sagte er, und was er ihm hätte machen lassen, werde es alles haben. Es meins, sagte es, aber wenn er es etwa zurück begehre, so wolle es wieder auspacken.

«Han ih drs umegheusche?» sagte Seppli. «Los, so chumm mr nit; soll das jetz my Dank sy, uvrschanti Rede u Schmützwort? Wenn nit e Gott im Himmel wär, es erleidete eim, uf dr Welt z'sy. Machit jetz, daß dr furt chömit; ih bigehre nit, dr ganz Morge z'vrsume u zletsch für alles mr no la wüst z'säge!» «Aber Götti», sagte Meyeli, «ih has ja nit bös gmeint; chömit mit is i dsWirtshus!» «Los, chär nit!» sagte Seppli, «gäll, ume daß de mr no mängs fürha chönnist u mi trümpfe, du u die Täsche im Wirtshus? Ih merke ds Spiel wohl; aber ghörst, gang mr jetz; we d alles hesch, was de dynig ist, su hest jetz nüt meh da z'tüe!» Und gäb was Meyeli sagte, und wie es dankte, und als es die Kinder bhütete, er hatte auf alles ein giftig Wort, das schmerzlich in Meyelis Seele fuhr; und zu allem hatte er keine andere Ursache, als daß Meyeli einen Strich durch seine eigenmächtige Rechnung machte. Hätte er billig rechnen wollen, so würde er gefunden haben, daß er dem armen Meitschi ein nicht unbedeutend Stück Geld heraus schuldig wäre.

Es beelendete Meyeli im Tiefsten seiner Seele, auf solche Weise ein Haus zu verlassen, in welchem es den bedeutendsten Teil seiner Jugend, die Jahre verlebt hatte, in welchen das Bewußtsein sich entwickelt. Es hatte viel ausgestanden, aber seine Harmlosigkeit hatte allem den Stachel genommen, und wenn der Götti auch keinen Lohn, so hatte doch Gott ihm viele Freuden gegeben. Wo kein Gift im Herzen ist, sondern harmlose Liebe, da blühen sonder Kunst und Geld wie auf freier Wiese tausend Blumen, tausend Freuden auf dem Lebensacker; sie pflanzet kein Gärtner, kein Reicher kann sie kaufen; sie pflanzet alle Gott und schenkt sie den einfach treuen Gemütern.

Und Meyeli war nicht bloß dankbar dem Gärtner da oben, sondern auch Seppli, unter dessen Dach es sie genossen, und gerne hatte es ihm gedankt, und er vergällte ihm den Dank, und die Kinder, die es liebte trotz ihren Unarten, wollte es küssen, und er jagte sie von ihm weg, und so mußte es vom Hause weg nicht bloß wie ein unverschämter Bettler, dessen Dank man verschmäht, sondern wie eine eigentlich Schuldige, die man ausjagt. Das tat ihm grusam weh; der Tränen konnte es sich nicht enthalten; die Base, wenn sie auch wunderlich gewesen, hätte doch das nicht getan, dachte es. Aber sie war gestorben; es waren ja alle gestorben, die ihm sein Glück gegönnt hätten; es ward ihm recht finster in der Welt, und es weinte recht inniglich, so daß es ihm ganz dunkel vor den Augen ward. Jakobli trug den größten Bündel ihm nach und dachte wirklich nicht daran, daß in selbigem sein sämtlich Weibergut verpacket sei, sondern fühlte nur des Göttis Grausamkeit und einen ihm ungewohnten Zorn. Wäre er in solchen Dingen gewandter gewesen, er hätte den Götti an die Wand gedrückt; das Gelüsten dazu fühlte er in sich; aber die meisten Menschen bedürfen zu den meisten Dingen eine gewisse Vorbereitung.

Die aber, welche vorhin gespottet, die hatten ihre Burgerlust an Meyelis Tränen und am Trossel, ja an der ganzen Zügelten, die unter Jakoblis Arm Platz hatte. Es sei Einer ein ganzer Kerli, wenn er sövli erweiben könne; aber der Witzigist müsse er nicht sein, daß er den Bettlersack am heiterhellen Tag durchs Dorf trage. Sie wollten sich aber schämen, sövli lang unter fremden Leuten gewesen zu sein und nicht mehr erdienet zu haben; aber für zu etwas zu kommen, müsse man ein so dummes Lalimeitschi nicht sein wie das, wos geng glächeret heyg, wes umen e Türlistock gseh heyg. So hielt der Neid Gericht, während doch der meisten Urteil Seppli traf. Keines wohl schärfer als das Urteil Röselis, das unter der Türe stehend ihrem Wandern zusah. Meyelis Tränen verkündeten ihm, was geschehen war. Nur das reue ihns, sagte es, daß man einem solchen Kopfchieri den Hals nicht mit einem batzigen Hälsig strecken dürfe.

Meyeli war sonst ein sehr heiteres Wesen, und wie es Höhen gibt im Lande, die heiter zum Himmel sehen, wenn das ganze Land mit Nebel bedeckt ist, ja die Nebel und Wolken, welche von allen Seiten der Wind herweht, zu verzehren scheinen, daß heiter über ihnen der Himmel bleibt, so besaß es ebenfalls ein Gemüt, das Trübe zu verwerchen, daß es heiter blieb und lachen konnte, wo andere Gemüter gehüllt gewesen wären in des Weinens Wolken wie viele Niederungen in Nebel und Regen. Denn doch war sein Herz keine Sandwüste, wo nur Sonne oder Sandsturm ist; es gab auch Wetter, in denen die Brunnen der Tiefe aufbrachen und nicht alsobald versiegten wie in glühendem Sande ein mager Wässerlein.

Einen Lebensabschnitt hatte es vollendet, und was trug es weg aus demselben? Einen kleinen Bündel, an Kleidern leicht, an schnöden Worten schwer; das schien seines bisherigen Lebens Gewinn. Ein leichtfertiger Sinn hätte mit der Zukunft sich getröstet, ein tiefes Gemüt mußte Schmerz empfinden, und bange Ahnungen mußten aufsteigen. Es gibt überhaupt Tage im Menschenleben, an welchen auch die hellsten Gemüter für Ahnungen und Vorbedeutungen empfänglich sind. Es gibt eine Tiefe im menschlichen Gemüte, welche tiefer ist als der Eimer reicht, mit welchem die Philosophie ihre Weisheit schöpft. Umsonst bot Röseli allem auf, die neuen Eheleute lustig zu machen; der Nachmittag kam, seine Anstrengungen hatten keinen Erfolg gebracht.

Jakobli begann vom Aufbrechen zu reden. Röseli sagte, es müsse doch fragen, wo er sein Fuhrwerk habe. Jakobli ward rot und sagte mit Mühe, er hätte keins. Die Mutter habe gesagt, die Mähre hätte mehr zu tun als im Lande umezspringe, u junge Lüte tue es besser, zu laufen, sie frieren nur minder.

Jakobli wollte beschönigen und wußte nicht, wie tief hinein diese Worte gingen in seines Weibchens Herz, das kein Wort darauf sagte; wohl aber begehrte Röschen auf. «Hör, eine böse Mutter mußt du haben», sagte es, «wohl, dieser wollte ich den Marsch machen; aber daß ihr zu Fuß gehn sollt, das tue ich nicht! Da erst würde Seppli seine Freude haben und böse Leute ihr Gespött. Hat doch schon Mancher muckeln wollen, es müß nicht weit her sein mit dir, daß du so ein arm Meitschi nehmest, u daß niemere si zeigi. Einem, dem man schießt, der geht nicht zu Fuß heim mit einem Bündel unterm Arm, als ob er husiert oder Lumpen zämetreyt hätte; da käme ich ja selbst in Spott und Schande. Wir wollen euch führen lassen bis heim oder einmal, bis es nachtet, damit euch niemand kennt oder ansieht, daß ihr Hochzeitleute seid. Aber sag du mir auch, warum tust du so etwas? Nimmst nicht die Mähre aus dem Stalle und fährst und läßt die Alti hinter dr is Blutte donnern? Jä los, we du son e Fösel sy wottsch, su gnad Gott dyr Frau, u zletsch muß ih mr dFinger abbyße, daß ih dFinger i dr Sach gha ha!» Jakobli versprach sich, so gut er konnte; sagte, seine Mutter sei nit bös, aber wunderlig, u we me Geduld heyg, su machs nüt. «Aber wieviel Geduld muß öppere ha, wes nüt meh mache söll? U we me Geduld gnue hätt, was würde dann noch etwas machen?» Meyeli meinte, das Fahren sei nicht nötig; es wolle seine alten Kleider anziehen; dann achte man sich seiner und des Bündels nicht mehr. «Das wäre mir lustig», sagte Röseli, «so wien e Äschegrüdel auf dr Straß z'sy am Hochzyttag; das hätt mr e schöni Bidütig.»

Bald stand ein Wägeli zweg, und bewegt nahm Röseli Abschied von seiner Freundin; und daß sie bald etwas well la z'wüsse tue, das mußte sie versprechen. Jakobli dankte, aber mit wenig Worten, und als sie auf dem Sitz waren, da plötschte noch der Knecht neben sie und preßte sie zusammen, daß von Jakobli, der in der Mitte saß, kaum der Hut und beide Arme sichtbar waren.

So fuhren sie gepreßt der Zukunft entgegen; aber heiter war der Himmel, schön ging die Sonne unter, und als sie unter war, leuchtete noch lang und klar der Stern der Liebenden, der Abendstern ihnen in die Augen. Ohne viel Redens fuhren sie des Weges, bis es dunkler ward, Meyeli den Knecht umkehren hieß, seinen Bündel unter den Arm nahm und zu Fuße der neuen Heimat zu wanderte.

Jakobli trug diesmal das kleinere Wartsäckli und ging schweigend neben Meyeli her; denn es war ihm, wenn doch recht nur die Mutter freundlich wäre mit seinem Weibchen und ein ordentlich Nachtessen zweg hätte ihm zu Lieb und Ehr, wie allenthalben der Brauch. Und so war das seine Art, daß, wenn er so etwas sann, er nicht leicht davon seine Gedanken los brachte und sparsam seine Rede war. Was Meyeli ihn fragte, beantwortete er; dann saß seine Seele wieder in Gedanken fest, und schweigend wanderten sie zusammen.

Da schnürte dem armen Weibchen das Herz sich immer enger zusammen; sein Bündelchen schien ihm immer schwerer; seine Angst vor der Zukunft ward immer größer, und Jakobli tröstete es nicht, und warum er nicht redete, wußte es auch nicht. Es begann zu glauben, er sei sich reuig, es sei ihm, als wäre nur alles nicht; es konnte ihm nicht ins Gesicht sehen, und bei dunkelm Abend wird gleich jeder Gedanke so dunkel und so schwer, und immer schwerer drückt die Bürde, die man auf sich hat. Es kämpfte lange mit sich; es rollten ihm die Tränen über die Wangen, leise, wie die Sterne leise am Himmel gehn.

Aber endlich begann ein leises Weinen, und das Weinen wuchs, bis Jakobli erschrocken es hörte. Da frug er: «Was hesch?» Da drückte es Meyeli übers Herz, es konnte vor Schluchzen nicht weiter; es legte sein Bündelchen ab, setzte auf einen Stein am Wege sich und weinte bitterlich. Jakobli wollte trösten, zeigte auf ein Lichtchen in der Ferne; dort sei ihr Haus, also nicht mehr weit, es sölle es noch zwängen. Jetzt ward seine Angst noch größer und sein Weinen noch bitterer; so arm und so nah das fremde Haus, und so recht schwarz schien das Elend über ihm zusammenzuschlagen; und Jakobli stund vor ihm und wußte nicht zu helfen und fand immer weniger Worte.

Aber hell blieb über dem armen Pärchen der Himmel, freundlich zwitzerten die Sterne, Sternschnuppen glitten über ihre Häupter hin, als ob sie Mut bringen wollten von oben; und so lange heiter der Himmel bleibt über den Menschen und freundliche Sterne leuchten ins Leben hinein, so lange versinken wir ins Elend nicht, und was Elend scheint, ist eine schwarze Wolke, die vorübergeht, und wenn sie schwindet, kömmt der Himmel mit seinen freundlichen Sternen wieder.


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