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Mädi verzappelte fast vor Neugierde drinnen im Hause, was für einen Austrag draußen die Unterhandlungen nehmen möchten. Allem an sah es deutlich, daß von der Sache die Rede war, und als endlich Anne Bäbi ins Haus schoß, so zitterte es fast vor Freude und dachte: «Gäll, Anne Bäbi, gäll, jetz mußt einist cho anechneue; aber wart, dir will ih es reisen.» Mädi machte das bedenklichste Gesicht, welches es hatte, stellte sich mit dem Rücken gegen die Türe und ribsete an der Kaffeekanne, als ob es sie waschen täte. Anne Bäbi schoß in die Küche wie ein entronnener Komet, und die Kachelbänke zitterten und bebten, als ob rings der Kometenschweif sie streife und fege, aber sagen tat es nichts. Mädi schaute endlich um, aber Anne Bäbi nahm keine Notiz davon, sondern schoß eben das Erdäpfelkörbchen in eine Ecke, daß der Inhalt herum stob, als ob Erdäpfel Flaum und Federn wären. Mädi hatte seine Freude an diesem Zorn und dachte: «Gäll, jetz hets di; schieß du ume, es hilft dr alles nüt; zletscht mußt doch absetze u füre mit dr Sach.» Do hoschete es draußen an der Tür, aber Anne Bäbi hörte es in seiner Täube nicht, und Mädi wollte es nicht hören. Die Entwicklung nahte, Mädi wollte sie nicht hemmen lassen durch irgendeinen, der da nichts zu tun hätte, wie es meinte. Da sprang die Türe auf, und eine Stimme sagte: «Ih muß däich selber uftue, we mi niemere heißt ichecho.» Da sahen die beiden sich um, und unter der Türe stand Lisi groß und breit, und sein Kopf leuchtete wie der goldene Knopf am Kirchturm der großen Kirche in Solothurn, wenn die Sonne so recht herzhaft darauf scheint.
Jakobli hatte von weitem die gewaltige Postur daherwandern sehen mit einem Wartsäckli in der Hand, und gleich fiel ihm ein, das möchte Lisi sein, welches den versprochenen Krankenbesuch abzustatten käme; und mit einer Raschheit, die ihm sonst nicht eigen war, drückte er sich ab seinem Bank der Wand nach in den Stall, drückte die Tür wieder zu nach Leibeskräften und lehnte mit dem Rücken sich daran. «Aber Bub, was machst? Tue dTür uf! Wie wett ih gseh?» So rief Sami, der eben unter einer Kuh saß und molk. «Es chunnt, es chunnt, Herr Jemer, es chunnt!» rief Jakobli, «wo söll ih hi, wo chann ih mi vrstecke?» «Wer chunnt?» fragte Sami, «und tue doch uf und mach nit sövli dumm!» «He, du weißt ja wohl; du hests ja gseyt, es chömm.» «Potz Tüfel! Dem pressierts! Ist das scho da», sagte Sami, «was wottsch jetz mache?» «Furtlaufe, mi vrstecke, sterbe», sagte Jakobli. «He, um selb ists no nit z'tue, da wird wohl noch etwas angers z'mache sy. Aber was hest vori so starch mit dr Mutter gredt, wo si du ychegschosse ist, wie we me se jagti?«
Da erzählte Jakobli, was Mädi vom Schnupfsäckeli für Bricht gebracht, und wie die Mutter hinter ihn geraten, daß er hätte sagen sollen, es sei nichts an der Sache, und er hätte nichts im Kopf. Da sei es ihm gewesen, als müsse er ihr etwas sagen, was er noch keinem Menschen gesagt, weder jetzt wolle er es auch ihm sagen. Sami hörte mit großer Andacht zu, was Jakobli von seinem Meitschi erzählte, und wie das ihm nicht aus dem Sinn wolle Tag und Nacht, und fragte endlich: «Und die Alte, was hat sie dazu gesagt?» «Sie wollte, sie wäre unterm Herd», antwortete Jakobli. «Ho, für selb hets ke Gfahr. Du aber bist ein dummer Bub, daß du das nicht schon längst gesagt hast und dich da hast herumschleppen lassen wie ein dreijährig Kind. Ich habe dir schon lang gesagt: ›Wehr dich!‹ Sie zwängen dich nicht, vrschweige daß sie dich sterben ließen. Das ist ume es Kähr, u we du uf die Hingere steyhst, su chanst mache was d witt, u dys Meitschi näh, we d witt; aber du mußt ds Mul uftue. Hätt ihs gwüßt, daß du eis im Gring hättest, ih hätt scho lang angers drhingerwelle. Aber we d keim Mönsch nüt seist, su cha dr ke Mönsch helfe. Zell druf, das Meitschi mußt ha; dr Vater hilft dr, u we dMutter vo Sterbe ghört u e Wahrsägere 's gseit het, su zell druf, die gruppet y u lat di mache, was d witt!»
«Aber Herr Jemer! Was soll ich jetzt machen?» fragte Jakobli, «jetz ist dLisi da, und wir haben noch nichts miteinander geredet, und es wird ds Wüstist alles machen; u we üser vo Prozesse u Eidige ghöre, su ist ne nit meh z'helfe, u mir gruset es selber drvor, ih muß es säge.» «Häb nit Chummer!» sagte Sami. «Ih han e Ton ghört lüte, es werd ech nit viel tue, un es wird wohl eso sy. Drum bis ume ruhig u säg nit viel u la die angere mache u lue, was si säge welle. We d witt, su gruchs e klei, nimm dr Gring i dHäng u bärz wie es Roß, wes Buchweh het, su gsehst geng, was gah soll. Ih will dm Alte es Wort drvo rune; er wird de scho anestah, wes nötig ist u ne neuer stüpft. Los, sie brülle dr; du mußt di doch fürela; aber förcht di nit u säg nit viel, so ist dSach gwunne, zell druf!»
Allerdings brüllte Anne Bäbi zur Türe aus: «Jakobli, Jakobli!» als ob man es am Messer hätte. Als Lisi so unter der Küchentüre stund, fast so ungesinnet, als wie der Teufel erscheinen soll, wenn man ihm zur unrechten Stunde ruft, da machten Mädi und Anne Bäbi ihm Augen, dem Teufel hätten sie nicht ärgere machen können. «Was wottsch?» fragte Mädi spitz, dem es wohl in Sinn kam, wer das Mönsch sei. «He, chennst du mi nimme?» sagte Lisi zu Anne Bäbi, als ob es Mädi einer Antwort nicht würdig hielte, «das wär mr afe e suferi Sach, we du nimme wüßtisch, wer ih wär!» «He», sagte Anne Bäbi, «es chunnt es Tags gar mänge Gring vor dTür, daß me nit geng grad weiß, wem er ist, u bsungerbar we me nüt an ihn sinnet.»
Darauf wischte es langsam seine Hand am Fürtuch ab und sagte: «He nu so de, so bis Gottwillche, u was bringt di so ungsinnet? Gang yche!» «He, ungsinnet sött ih öppe nit cho, we dä chrankne ist, wo my Ma gä sött, u de han ihs lo säge; hets dä Stopfi, wo cho ist, nit usgrichtet?» «Er het neuis gstürmt», sagte Anne Bäbi, «aber mi het gar mängs z'sinne. Gang yche; ih will dr öppis Warms mache, we de mast, sust geyhts nit lang, su esse mr.» «Ho, ih ma wohl warte», sagte Lisi, «wo ist er? Ih will zun ihm.» «Gang ume afe yche, ih will luege, wo er ist», sagte Anne Bäbi. «He, das wirst wohl wüsse», sagte Lisi, «oder ist er nicht im Nest?» «Er ist hüt afe e wenig uf, süst ist er geng glege.» «Das ist wunderlig», sagte Lisi, «daß er uf ist, u han ih gmeint em Bricht a, es müß ufgeistet sy uf dr Stell.» «Das ist nüt Wunderligs», sagte Anne Bäbi. «Wes nit gstorbe sy muß, so besserets gwöhnlig. Wo ist dr Bub?» schnauzte es Mädi an. «Das wirst du wohl wissen», sagte Mädi, «du hest ja zletsch mit ihm gredt.»
Während Anne Bäbi ihn suchen ging und nicht fand und fast die Seele aus dem Leibe rief und kunterbunte Gedanken wälzte, wie das jetzt gehen solle, u wie es dr ärmst Hung sei auf der Welt, frug Lisi: «Du wirst dJumpfere sy?» «Ih sött», antwortete Mädi. «Was het er für e Chrankhit? Oder ists de zletsch ume Fantast?» fragte Lisi vertraulich. «He, lue de!» antwortete Mädi schnippisch. «Das han ih im Sinn», sagte Lisi, «dafür bin ih da. Ih wott wüsse, woran ih bi.» «He, das wird öppe z'vrnäh sy», sagte Mädi spöttisch. «Das denke ih o», sagte Lisi, «we si de e Narr wey, su chaufe si de lieber e ysige. Was Dolders ist gange?» «He, frag se selber», sagte Mädi, «ih weiß nüt; für selligi Sache muß me nit dJumpfere frage, die sy hütigstags nit viel angers weder dHüng.»
Da kam Anne Bäbi wieder und sagte: «Er chunnt, er ist im Stall gsy, er het grusami Freud a dr Waar, u da het er mi nit ghört. Chumm yche!» Bald darauf kam Jakobli durch die Küche, trotz Samis Zuspruch ängstlich und langsam. Mädi stund ihm zweg, machte ihm süße Augen, und als er ohne aufzusehen bei ihm vorbeiging, sagte es: «Bis ume nit erschrocke u säg grad, wies dr ums Herz ist.» Als er drin war, sagte Mädi für sich: «Dä ist doch grusam schüche; nit emal aluege het er mi meh dörfe, sit ers vors Mul usegla het, wie lieb er mi het. Aber angers brichte muß ih dä doch no, es wär sust gar es längwyligs Drbisy.»
Drinnen ging es sehr diplomatisch zu. Anne Bäbi legte das Brot auf den Tisch und sagte: «Nimm afe, we d mast!» Sövli hungrig sei es nicht, sagte Lisi, daß es nicht warte mög, u de hätts no öppis angers byn ihm. Als Jakobli hereinkam, brachte er kaum «Gott grüß di!» heraus und setzte sich auf den Ofentritt, während Lisi bei den Fenstern saß. «Gleidet hest, das ist wahr», sagte es, «chrankne bist doch gsi, ih gsehs, u bist no geng nit zweg. Aber ih will di grad nachegfuhret ha. Dr Ätti chauft bim Dolder mengist die leideste Säuli, wo se dr Säutryber dem Schindter gäb, we se dr Ätti nit nähm, u uf mi armi Türi, i acht Tage chennt si niemere, u ke Mönsch wurd meine, daß das die glyche Säuleni wäre. Un es wär ds Beste, ih blieb grad da, für zu dr z'luege, das wird de alles bessere. Wo fehlts dr?» «Ho, aparti niene», sagte Jakobli, «es frürt mi geng u ist mr süst nit am baasten.» «He, du wirst wohl öppe no z'rwärme sy», sagte Lisi und war wieder zweg. Der Verdacht war vergangen, daß die Krankheit nur vorgespiegelt. Es packte den Kram aus, den es mitgebracht, einige halbverdrückte Lebkuchen und ein halb Pfund Kaffee und etwas Zucker. Es tat, als ob es daheim und bereits Bäurin wäre, und kommandierte wie ein General und parlierte wie ein Weltsch.
Das setzte die meisten in Verlegenheit. Jakobli weinte fast. Anne Bäbi schoß wie üblich herum und balgete mit allen. Hansli dachte, das sei eine arige Sache, u er wett, er wär drus u dänne. Sami dachte, die tue afe; aber es müß dr Tüfel tue, we dies zwänge sött. Nur Mädi lächerte es auf den Stockzähnen; es dachte: «Die wird afe dGosche uftue, we die vrnimmt, was Trumpf ist.»
Nach dem Abendessen nahm Lisi allenthalben Augenschein; man sollte nicht im Zweifel sein, daß es zum Teil auf der Gschaui sei, aber allenthalben rümpfte es die Nase und hatte etwas auszusetzen. Es sei es styfs Taunergschickli, sagte es zuletzt, aber vom ene Burewese syg ke Red; es hätte sich die Sache anders vorgestellt, und wenn es gewußt hätte, wie es wäre, es würd si bsinnt ha. «He, weißt was», sagte Sami, der es hörte, «su fa wieder vorfer a di bsinne!» «He, das wird dich denk wenig agah», antwortete Lisi und nahm fürder nicht Notiz von Sami; aber den Vorsatz faßte es, dem wolle es bald zeigen, was Lisi könne. Als es Zeit ward zum Niedergehen, frug es, wo er ligg, es wolle ihm jetzt abwarten. Es mußte zweimal fragen. Anne Bäbi sagte gar nichts; endlich sagte Jakobli, dMutter sei bei ihm, und er bigehre niemer angers. «So», sagte Lisi, «su bigehrst mi de nit? He nu so de, su la's hocke; es wird sust wohl öppe e Ecke für mi sy; aber dr Höfligist bist de nadisch nit.» Anne Bäbi sagte: «Häbs nit für ungut, du chast bi Mädi ligge; es wär no eys Bett im Gade, aber selb ist nit azoge, ih ha nüt dra gsinnet.» Es hätte no nie ghört, daß me ds Sühniswyb, wenn es zDorf chömm, zur Jungfrau tüy; selligs syg es si de nit gwohnet. Für hinecht sygs ihm glych, aber für die angere Nächt well es de es aständigers Glieger, wenn es nit bi ihm söll sy. «Mi cha de öppe luege», antwortete Anne Bäbi.
Mädi lächerte Lisis Zuversichtlichkeit immer mehr; das werd dLueglöcher uftue, dachte es, wenn man es gehen und einer andern Platz machen heiße. Als aber der ganze Abend verfloß und kein Mensch ein Wort sagte, daß nicht alles gut sei, und Lisi tat, als hätte es das Heft schon in der Hand, da ward es Mädi doch zuletzt bang, das Mönsch möchte noch durestiere und kein Mensch ihm herzhaft die Spitze bieten. So mit angeborner Unverschämtheit zwängt man gar viel in der Welt, und wenn man tut, als verstehe eine Sache sich von selbst, so scheint der Zweifel daran schon eine Art Unverschämtheit und das Erheben dagegen gar wie ein Aufruhr, und das kannte Mädi so ungefähr, obgleich es weder an einem Hofe gelebt noch aristokratische Studien gemacht hatte; aber es ist halt alles tout comme chez nous, und alle Katzen haben Schwänze, wenn gleich die einen simpel grau sind und die andern schwarz oder weiß, die dritten aber schön brokardiert, das heißt dreifarbig, und so gleichsam den Katzenadel bilden; aber Schwänze haben sie doch, und zNacht sind sie alle grau.
Als nun Mädi vernahm, daß Lisi bei ihm liegen solle, da freute es sich und dachte: «Wart ume; dir will ich die Augen auftun; wohl, dir darf ichs sagen! Wenn man sie machen ließe, der Dolders Blätter wurd ne Meister. Myr Lebtig han ih kes sövli uvrschants Mönsch gseh. Aber ih has scho mengist gseit, u es ist doch eso, so öppe, was Maniere sy u Bruch, das weiß me niene wie hie ume, da mönschelets no. A angere Orte u bsungerbar da im Ärgau nide, da ist es grobs Volk, u si tüe, es het e ke Gattig.»
Allerdings war selben Abend große Verlegenheit im Hause, und kein Mensch hatte das Herz, dem Lisi zu sagen, woran es sei. Anne Bäbi sagte, es nehme sich der Sache nichts mehr an; es hätte es gut gemeint, und jetzt solle alles nichts sein. Seinetwegen! Es möge sich nicht sagen lassen, wenn es nicht gut gehen sollte, es sei schuld daran. Aber daß es jetzt alles alleine ausessen solle, selb nit; die, wo dGringe mache, die sölle se jetzt o zucheha. Jakobli jammerte und sagte: «Mutter, was soll ih? Es lost nüt uf mi, u du hest dSach gmacht, u du hest z'bifehle, u dr tusig Gottswille hilf und säg ab; es tschuderet mi, wenn ihs ume gseh!» «Dr Alt chann ihms säge», schnauzte Anne Bäbi, «wes sy muß; es tut ihms sauft, o einist ds Mul ufztue. Aber ih säges no einist, we drs zwänge weit, so zwängits, aber ih wott nüt drvo!» «Aber Mutter», sagte Jakobli, «es wott ja niemere nüt zwänge, u ih hätt ja nüt gseit u gfolget; het nit o dWahrsägere gseit, ih müß sterbe, we die mini würdi?» «Dreck, sterbe!» sagte Anne Bäbi.
Es wollte nicht den Namen haben, als glaube es an dieses Wort; aber es glaubte doch, und innerlich schauderte es ihns immer, wenn es daran dachte; aber das sollte niemand merken, es wollte nur der Gewalt weichen. Es glich dem, der eine Festung übergeben will, aber doch immer zuschießt in die Kreuz und in die Quer, daß man meinen sollte, wie er Haar auf den Zähnen hätte und entschlossen sei, unter den Trümmern zu sterben. Solche Kämpfe gibt es alle Tage in der Welt, und viele Leute gibt es, die es zur Gewohnheit haben, das, was sie am liebsten tun, sich abzwingen zu lassen. Darin liegt dann ein allerliebster Stoff zu Zänkereien, der nie ausgeht. Ein solcher Stoff aber ist denen, welchen Zank die Würze des Lebens ist, was Salz in einer Küche ist. Es ist aber auch prächtig, wenn man zanken kann um das, was man gerne tut, und dann wieder um das, was man nicht gerne tut; das ist die Figge und Mühle, und Fischeli zMorge und Krebseli zNacht.
Hansli war nicht sehr erbaut über die Zumutung seiner Frau, daß er die Sache austrappen solle, um die er nie gefragt worden war; es war aber nicht das erstemal, daß ihm das begegnete. Das Disputieren aber mit Anne Bäbi hatte er sich ganz abgestellt; er sagte daher bloß, er wett, er hätt nie nüt drvo ghört, u was es no gä chönn, wüß me nit; aber so am ene Wybervölchli neuis z'säge, werd öppe nit z'töte gah.
Während in der untern Region schwere Unterhandlungen mühsam gepflogen wurden und ihre Schwere dem Schlafe den Zugang wehrte, ging es in der oberen rascher zu, aber nicht, daß der Schlaf leichter kam.
Droben im Gaden hatten die beiden Nebenbuhlerinnen, Lisi mit Ärger, Mädi mit Schadenfreude im Herzen, ihre Lagerstätte gesucht. Lisi war voll Schimpfens über das kleine Haus und schlechte Gaden. Ihr Rußgaden sei eine Herrenstube gegen dieses, und ihre Gaden, wo es und die Schwester lägen, das seien Gmächer vo de schönste, wo me gseh well, u Sache hätten sie drin, mi suchti se nit dert; alles herthölzige Bettstatten heyge si u zweu Tischli, mi gsäch se nit schöner, u zwo nußbaumig Stabellen un e kirschbaumigi un e Schaft, mi heyg hie kener sellig, un e Spiegel, er syg größer als e Brattig. Aber dr Ätti heyg gseyt, won er ne kauft heyg, syner Meitleni manglete angeri Spiegel we si o öppis gseh welle drinne, as so die ordinäri Grieggle; so in e gwöhnlige Spiegel mög nit emal dr halb Gring, vrschwyge de öppis vo dr Postur.
Von da weg ließ sich Lisi auf seine Projekte. Alles mußte anders werden, das Haus neu, das Höfchen größer, und statt zwei oder drei Kühe sollten wenigstens sechs oder acht gehalten werden, und zwei, wo nicht vier Rosse, und junge, statt so einem alten Kaib, den bei ihnen nicht einmal der Schinder nähmte, wenn es ihm nicht wegem Schmutz wäre. Es wolle ihnen die alten Vergraueten sonnen, und da müsse es ein ander Leben geben; es wolle ihnen den Marsch schon machen. Und wie man es ihm heute gemacht, das vergesse es nicht; ein anderes wäre wieder fortgelaufen, aber es wolle es ihnen eintreiben. Trocknes Brot hätte man ihm anerboten, und Gsichter hätte man ihm dazu gemacht, als ob es dr Tüfel selber wär, und zletsch heyg mes da in es Hundsgaden gleyt, wo es sich sein Lebtag schämen müsse, daß es in einem solchen gelegen sei.
Mädi hatte diese Herzensergießungen mit wahrer Wollust eingesogen und mäuschenstill dazu sich gehalten; endlich stach es doch der Gugger. «Es wär me o so, bsungerbar wenn ih no vrgebe sövli Müh u Chöste hätt müsse ha u zletsch nüt drvo as e längi Nase», sagte es. Lisi fuhr auf, daß die Bettstatt krachte, es einen Blast gab durch das ganze Gaden, und fragte: «Was seist, was meinst, ist das ghaue oder gstoche?» «Kes vo bede», sagte Mädi, «ih ha das ume so däicht. U de söll neue Eini gseit ha us de Charte, dr Jung heyg e Angeri im Gring, u wenn er di näh müß, su sterb er. U das ist neue ychegange.» «Su sterb er, dä Möff, es ist mr glich; aber zerst muß er mi zEhre bringe! E Angeri heyg er? Selb ist nit, dä ist z'dumm. Wohl, dä wett ih! Dä ist bunge; dä muß warte, oder es müßt dann keine Gerechtigkeit mehr im Lande sein. E Angeri? Du lügst; dä weiß ja gar nit, was es Wybervolch ist, u dä weiß mit eire nüt azfa, was wett dä Lädi mit zwo mache? Du lügst u wottsch mi ume für e Narr ha!» «He glaub, was du willst», sagte Mädi, «dSach geht mich ja nichts an; aber frag morgen selber und mach, daß sie mit der Sprach füre müsse; de säg de, wer recht gha het, oder wer gloge het. Ih bi ume e arme Tropf u wott nüt gseit ha, aber lue de!»
So redete Mädi demütig, aber innerlich war es voll Hochmuts und dachte: «Du Dolders Bureblättere, gäll, dä arm Hung, wo d nüt schätzist u nebe dr z'ligge hest u de schüchst, wie wenn er rüdig wär, gäll, dä het dä Chehr ds Pre. Es ist doch de am Eng no neuer, dä ufs Rechte luegt u o weiß, wer öppe e Mönsch ist oder kene.» Als Lisi pülverte wie eine lebendige Schlüsselbüchse, so machte Mädi linksum, verbarg seinen Mund im Hauptkissen, damit Lisi das Kickern nicht höre; denn es wollte es fast töten vor Freude, daß es dem Lisi die Floh so gut hinter das Ohr gesetzt, und schlief bald selig ein. Lisis Bomben und Granaten verhallten daher im Blauen und ungehört; und wie am Ende auch die ärgsten achtundvierziger Batterien verstummen, wenn sie keine Antwort erhalten, so setzte endlich auch Lisi lugg und ergab sich dem, der alle Nächte über den Menschen kömmt, wenn nicht bereits ein stärkerer dessen Leib oder dessen Seele in Besitz genommen.
Als Lisi am folgenden Morgen erwachte, war kein Mädi mehr an seiner Seite, aber der Tag im Gaden lang und hell. Das war ihm nicht ungewohnt, denn sie hatten daheim den Brauch, daß ein jedes aufstehen konnte, wenn es wollte, und zMorgen essen, wenn es mochte. Es bildete sich daher bei ihnen das eigentümliche Schlafgewissen, das die Menschen zur bestimmten Stunde weckt, nicht aus. Dieses Gewissen entsteht nur da, wo eine bestimmte Ordnung ist, der sich die Menschen unterziehen müssen, oder wo ein lebendes Bewußtsein einer Pflicht ist, welche zu bestimmten Zeiten erfüllt werden muß. Dieses Gewissen läßt sich bei jedem Menschen bilden; und so wenig man es achtet, soviel wert ist es doch; denn wie viel schöner ist es, wenn das eigene Gewissen einen weckt zur Erfüllung seiner Pflicht, als wenn man von fremden Händen dazu sich muß schütteln und rütteln lassen! Darum pressierte Lisi auch nicht mit dem Aufstehen, mit dem Anziehen, so daß, als es hinunterkam, Mädi bereits das Morgenessen hinaus trug, Sami und Hansli eben in den Stall gingen, nur Anne Bäbi und Jakobli noch in der Stube waren. Mädi brachte wieder hinein, was für Lisi nötig war, und ließ im Vergeß beim Herausgehen die Tür offen.
Mädis Mitteilungen waren Lisi gleich nach dem Erwachen in Sinn gekommen, und wie allmählig das Wasser im Teekessel wärmer und wärmer wird, bis es endlich siedend übersprudelt, sobald nämlich Feuer unter dem Kessel ist, so waren diese Mitteilungen einigen buchigen Scheitern gleich, die heizten Lisi, und heißer und heißer ward es in seinem Kopf; und kaum hatte Anne Bäbi ihm Kaffee eingeschenkt, so sprudelte es mit der Frage hervor: «Ists de wahr, du heygist e Angeri im Gring u wellist mi la hocke?» Die Frage glich einem Blitz, der plötzlich niederfährt, während man glaubt, das Wetter sei noch lange nicht da. Weder Jakobli noch Anne Bäbi konnten antworten im ersten Klupf, und jedes hätte gegeben, was man gewollt, wenn es aus der Stube gewesen wäre.
«Wohl, das möchte ich sehen», fuhr Lisi fort, «das wär mir eine sufere Sache; da wollten wir doch auch dabeisein, ih u dr Ätti und dr Vetter; so desumeführe la mir is de no nit, drfür sy de sellig Stopfeni z'spät aufgestanden! Potz Dolder! Nachgelaufen bin ich dir nicht, und es hat noch hart gehalten, bis ich unserer Mutter es zu Gefallen getan u mi agla ha; so eine, wie du bist, ist nadisch ke Schleck, u we me nit drby öppe chönnt gut ha u si tröste, es währ nit geng, su hätt ih nüt vo dr möge; ih will drs graduse säge. Aber jetz ist zugesagt, ists richtig, jetz wott ih nimme zrück, u dSach muß vorwärtsgah uf dr Stell. Mit dr Krankheit wirds nit halb so bös sy, daß du nit mit mr chast cho ds Hochzyt agä; gang, legg di a!» Wäger möge er heute nicht, sagte Jakobli, es sei ihm wieder gar nicht wohl, und es solle mit dem Ätti rede, er werd hinter dem Hause sein. Dem laufe es nicht nach, sagte es, und probiere wolle es, ob er heute kommen wolle oder nicht; wenns de einist z'vrkünde ist, so cha me de dGschrift geng no usfertige. «Seh du», wandte es sich zu Anne Bäbi, «tue du dGosche uf; du bist mr nahgfahre u hest mr la Bscheid mache, wie wenn es eis Gurts gah sött; befiehl du jetz o u mach, daß es ab Brett geyht! Für e Narr meinst doch öppe nit, daß ih mi leu ha?»
Seinetwegen könne es gehen, wie es wolle, sagte Anne Bäbi, es wolle mit der Sache nichts mehr zu tun haben; machen sie es miteinander aus! Und so lasse es sich nicht kommen, es wisse Leute, sie seien stürmer als es, und gäb es ihm mehr nachfahre, könne es lange warten. «Das bruchst nüt meh», sagte Lisi, «es isch jetz, wies isch, u rede tuen ih, wies mr chunnt. U jetz, potz Dolder, wott ih grade Bscheid; wottsch zum Herre cho u di ga alegge enangerenah, oder ists de wahr, hest e Angeri?» Und damit stund Lisi auf und trat vor Jakobli mit einer Heftigkeit, als ob es ihn zerreißen wollte. «Wäger mag ih hüt nit», sagte Jakobli, «un es wär mr lieber, es wär gar nüt a dr Sach.» «Su hest de e Angeri!» rief Lisi, «das wird mr e sufers Mönsch, öppe es Gurli sy, es Luder; wohl, das möcht ich sehen, das Täschli!» «He, das ist eson es Bravs, as du bist, und de viellicht no öppis bräver, du Blättere du!» sagte Mädi unter der Türe, das nicht übers Herz bringen konnte, zu den schönen Titeln zu schweigen, die es ganz treuherzig auf sich bezog.
Lisi wandte sich der unerwarteten Gegnerin zu und sagte: «Pack dich! Du hast nichts in der Stube zu reden, und ds Ganze geyht di nüt a, du Chuchifösel!» «Soviel as di, u viellicht meh, du Moosgueg, du Zyberligränne du, was du bist!» schrie Mädi und machte Zähne dazu, so lang, daß man sie zu Mistgabelzinken hätte brauchen können. «Bist du öppe das Liebeli, won er im Gring het, u won er wird sölle ha? Du bist e Schöni, du! E vrgatterete Zunstäcke bist, e abgnagte Säutrog, u grad es selligs Fürblattehuhn möcht ih ihm gönne, we dSach mi nit aging. Aber pack di jetz, du Strupf, sust gibe ih dir usufer use!» «Un ih gange nit!» schrie Mädi und machte Augen, als ob es schon halb aus der Haut wäre, «u ghey du di use, du aufgeblasener Blasbalg, du Krüpfedrücker, was d bist, du Kropfloch! Ih bi zerst i dem Hus gsi u wirde, so Gottel, o zletzt drin sy, du Metzgermore du!»
Ja, Mädi hatte noch nicht ausgeredet, so hatte es eine im Gesicht, daß es das Feuer brennen sah im Elsaß; und ehe es sich gefaßt, fuhr Lisi mit ihm in die Küche, und dort ging es zBoden, beide brüllten, als ob man sie am Spieß hätte, daß Sami herbeisprang und Hansli kam im Geschwindschritt und Jakobli half, die beiden, die sich fast verbissen hatten, wie es zuweilen Jagdhunde tun, daß man ihnen den Mund mit einem Knebel aufbrechen muß, auseinanderreißen. Als man sie aufstellte, bluteten beide wie zwei gestochene Gusi, Mädi zu Mund und Nase aus, und seine früher schon baufälligen Zähne wackelten durcheinander, wie Korn auf dem Felde durcheinandergeht, wenn der Wind weht. Lisis Gesicht dagegen war, als ob man es durch eine Hechel gezogen hätte, und seine Haare sträußten sich um seinen Kopf wie die Mähne um den Kopf eines Hengstes, wenn er die Ehre seiner Herde verteidigt. Es brauchte gute Kraft und viel Anstrengung, die beiden zu verhindern, daß sie nicht von neuem aufeinander schossen; jede dünkte es, sie möchte noch mehr, und die andere hätte noch nicht genug.
Indessen, mit Gewalt hebt man eine Geiß hintenume. Mädi mußte zum Brunnen, Lisi zog man in die Stube. Am Brunnen lächerete es Mädi trotz seinen wackelnden Zähnen, daß es der Dolders Stute 's greiset hätte und gesagt, was niemand hätte sagen dörfen, und wie die Leute lachen werden die Dörfer hinunter, wenn sie das verkrauet Gfräß gseye dahercho, wo syg wie dr strubst Fureplätz. Und wenn schon im ganzen Haus niemand gewesen, der es dem Elefant habe sagen dürfen, daß man synere nüt meh well, es hätts dörfe; wohl, dem habe es es gesagt. Während so Mädi beim Brunnen Hosianna sang, tobte Lisi in der Stube wie ein angeschossener Tiger, und kein Mensch glaubte sich seines Lebens sicher. Anne Bäbi war unter der Stüblistür; Jakobli wußte nicht, wo sein; nur Sami zeigte den verblümten Wunsch, Lisi möchte ihm Gelegenheit geben, es in die Finger zu nehmen.
«So, wie ich bin, kömmst jetzt mit mir zum Pfarrer, das Hochzeit anzugeben, oder ich gehe auf der Stelle heim, und dann seht, wie es euch ergeht! Kein Kreuzer soll euch bleiben! Aber das Dolder Mönsch muß mir noch erwürgt sein; eher gehe ich nicht zum Haus hinaus.» Jetzt schien es doch Anne Bäbi, für den Jakobli wär das eine wohl Grüsligi, und es sei fry besser, wenn man ihr abkomme; aber prozediere und ds Wüsteste alles ausstehen, das war ihm auch schrecklich, und sagen, es hätte sich geirrt in der Person, es sehe es jetzt ein, das war ihm noch grüslicher. Als Jakobli verlegen mit der Antwort zögerte, sagte Sami, es dünke ihn, es könnte afange wissen, was man wolle, und es brauchte da nicht lange mehr zu fragen. Je eher es das Haus räume, desto besser wäre es für ihns; und wegen Prozediere förchte man sich nicht; öppe so lang wie sie auf dem Zyberlihoger vermöge man es auszuhalten. Unterdessen sei er froh, wenn es einen Andern fände, wenns nämlich noch einer wolle; aber es müß pressiere, sust chönnts ne zSinn cho, wies Not a Ma syg.
Samis Rede war wie die Lunte auf eine geladene Kanone; das Pulver brannte, aber als ob vornen im Loch ein Zapfen wäre, ging er nicht geradeaus, sondern blähte sich auf in ihrem Bauche; sie platzte, und nach allen Seiten flogen die Splitter. Nun sprengte es nicht buchstäblich Lisi in Stücke, aber es fuhr auch nicht geradezu auf Sami los, wie der erste Antrieb wohl war, sondern sein Zorn wühlte sein Innerstes auf, und Schandworte, Flüche, Drohungen flogen nach allen Seiten, den Splittern einer zersprengten Kanone gleich. Dann griff es nach seinem Wartsäckli, schoß zur Türe aus mit der Drohung, daß sie bald froh sein werden, es wiederkommen zu heißen; sie sollten es erfahren, was Lisi könne; und dä alt Muheim wolle es brichten, was Hochzeit machen sei.
Als es zur Tür ausschoß, war Mädi noch beim Brunnen, grännete Lisi nach und schabte ihm Rübchen. Lisi, nicht faul, schwenkte um auf Mädi los; dieses streckte kampfdurstig seine zehn Finger wie Enterhaken vor, hätte aber wohl eine tüchtige Knautschete im kalten Brunnen, dem es den Rücken kehrte, erlebt, wenn Hansli in seiner kaltblütigen Weise nicht dazwischengetreten und Lisi gesagt hätte, es solle sich nicht säumen, es hätte weit heim und hier nichts Apartiges mehr zu verrichten. «Das sollst du erfahren, du, was du bist, du alte Specksytechüng du! Wart ume, dir wey mr dy Mutech füremache! Wart ume, dir wey mrs zeige!» So ungefähr schoß Lisi seine Rückzugschüsse ab, untermischt mit einigen Flüchen und Schimpfwörtern an Mädi, das über den Brunnen hinüber immerfort grännete und Rübli schabte; und wär ihm ein hämpfeliger Stein im Wege gelegen, Mädi hätte sich in acht nehmen können.