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Zweites Kapitel

Wie Jakobli unterwiesen wird und die Mutter mit ihm spazieren geht

Jakobli wuchs in die Unterweisung hinein, die Eltern wußten nicht wie. Als einmal Hansli die Bibel aufschlug, wo die Geburts- und Sterbefälle der Familie verzeichnet waren, und dort Jakoblis Taufzeit fand, so wollte Anne Bäbi zuerst behaupten, Hansli sei beim Aufzeichnen verschossen. Als aber die Taufzettel der Gevatterleute die gleiche Jahreszahl auswiesen, so wollte Anne Bäbi noch lange nicht glauben, daß deswegen Jakobli fünfzehn Jahre alt sei, sondern behauptete lange, es möge rechnen wie es wolle, so mache es nur vierzehn. Als es sich endlich ergeben mußte, da weinte es gar bitterlich, daß es Hansli fast nicht trösten konnte. Ach, wenn ein Kind einmal unterwiesen sei, so sei man nicht mehr Meister, so ein Müetti werde nur verachtet, und gäb wie gut einer sei, so werde er verführt, und der Teufel gehe umher wie ein brüllender Löwe und suche, wen er verschlinge, und «Herr Jeses, Herr Jeses, wer weiß, was er aus unserem Jakobli macht!»so klagte Anne Bäbi. Indessen, wie über jedes Grab das Gras wächst, wächst über jedes Leid ein Trost, und als Jakobli einmal in der Unterweisung war, hatte Anne Bäbi große Freude daran und mochte fast nicht warten, bis die Erlaubnis nahte und es wußte, was Jakobli für einen Spruch erhielt. Sobald er aus der Unterweisung heimkam, so wurde er gefragt: «Was habt ihr heute gehabt, was hat der Herr gesagt, hat du auch antworten müssen?» Sie waren mit dem Herrn nie recht zufrieden. Hatte er antworten müssen, so sagten sie, es dueche sie, er sei immer nur hinter ihrem Jakobli; hatte er nicht antworten müssen, so sagten sie, sie wüßten doch nicht, was sie dem Herrn zuleid getan hätten, aber es dueche sie, er möge sich mit ihrem Buben nicht recht gmühen; es duechte sie, es wäre ihm das Rechte, wenn er ihn schauben könnte. Hatte er antworten können, so freute es sie sehr, und sie sagten, das sei so eine Frage gewesen, mancher Erwachsene hätte nicht darauf antworten können, und wenn der Herr solches frage, so dueche es sie nichts anderes, wenn die meisten nicht antworten könnten. Hatte aber Jakobli nicht antworten können, so sagten sie, er solle ihm das andere Mal, wenn er solche Dinge frage, nur herzhaft sagen, das wüßte er nicht, das gehöre nicht zur Lehre. Keinem vernünftigen Menschen wäre zu ihrer Zeit Solches in Sinn gekommen und in einer Unterweisung dann erst nicht.

Indessen sagte das Jakobli nie; und wer am meisten erschrocken wäre, wenn er es gesagt hätte, wären Hansli und sein Anne Bäbi gewesen. Jakobli war nicht von den Aufbegehrischen, nicht von den Naturen, welche die Revolutionen machen; er war froh, wenn ihn der Herr ruhig ließ, und wenn der Herr ihn geplaget hätte, so hätte er geweint, aber unverschämt wäre er nie geworden, die Familienanlage fehlte ihm. Aber der Pfarrer plagete ihn nicht; das freundliche, rot und weiße Gesicht gefiel ihm so übel nicht, höchstens sagte er ihm: «Jakobli, fürchte dich nicht, aber gib Achtung und sage, was du weißt; mit Hocke und Ufstah ist dSach nit gmacht.»

Und Jakobli gab Achtung, und es setzte sich Manches in ihm an, und gute Gedanken lagerten sich ab in seiner Seele, und wenn die Angst um das Antworten nicht gewesen wäre, es hätte sich noch mehr da abgelagert. Es wurde ihm manchmal, wenn der Pfarrer sich aus den Fragen und Antworten heraus redete und in die Herrlichkeit Gottes und die höhere Bestimmung der Menschen hinein, ganz heiß um das Herz, und das Wasser kam ihm in die Augen, und er wußte nicht, wo er war, und es dünkte ihn, als höre er mit Engelszungen reden, in einer Sprache, wie man sie im Himmel rede; daß er sie schon zu verstehen vermöge, das verwunderte ihn sehr, so daß es ihm manchmal war, als sei er gestorben und ab der Welt. Je mehr Ostern nahte, wo er die Erlaubnis erhalten sollte, desto mehr machte ihm dieselbe Gedanken; denn da sollte er Gott selbst etwas versprechen, wie der Pfarrer sagte, und ob er es dann auch halten könnte, das machte ihm bange.

Anne Bäbi sah bald, daß Jakobli ernsthafter ward, und sagte ihm fast allemal, wenn er aus der Unterweisung kam: «Jakobli, du mußt das nicht zu schwer nehmen, das macht nit halb sövli, und es ist grad für. Der Pfarrer ist e Göhl, daß er euch so in die Ängsten jagt; er sollte doch wissen, daß das nichts abträgt, und daß deswegen niemand ein anderer Mensch wird. Wenn ich zu ihm käme, ich sagte es ihm.» Dann sagte Jakobli, daß sie das ihm nicht ds Herrgotts wäre; der Pfarrer sei ihm lieb, und er mache es gerade recht, und es sei ihm nie wöhler, als wenn er so alles vergesse, nicht wisse, sei er in der Kirche oder im Schulhause, im Grabe oder im Himmel, und Leib und Seele nur ein Ohr zu sein scheinen, in welches des Pfarrers Reden fielen. Er sei ihm gar bsunderbar lieb, und er wisse einmal nicht, wie es gehe, wenn er nicht mehr in die Unterweisung könne. Ds Augenwasser komme ihm allemal, wenn er daran sinne.

Solche Reden erbauten die Eltern sehr, machten aber Hansli besonders Angst. Jakobli sei viel zu gut für diese Welt, und er hätte immer gehört, solche Kinder sterben frühe; aber man sehe jetzt, daß er nicht umsonst so frühe schon die Hände zum Gebete gefaltet hätte, sagte der bekümmerte Vater. Als Jakobli nach der Voradmission heimkam, so bat er Vater und Mutter um Verzeihung, wenn er sie etwa beleidiget hätte, dankte für alles Gute, das sie ihm erwiesen, und versprach ihnen, daß er ihr Leben lang ihr gehorsamer, getreuer Sohn sein wolle.

Da ward die Rührung groß bei Hansli und Anne Bäbi, und sie sagten, das sei öppe noch nie erhört worden, daß so etwas einem Kinde in den Sinn gekommen wäre. Und Sami und Mädi mußten auch in die Stube kommen, und Jakobli mußte wiederholen, was er gesagt hatte, und da sagten beide auch, sie hätten das nie erlebt und nie davon gehört, daß ein Unterweisiger Solches zu seinen Eltern geredet hätte. Jakobli sagte endlich, es wäre ihm auch nicht in Sinn gekommen, allein der Pfarrer hätte sie dazu ermahnt. Das glaubten aber weder Hansli noch Sami, weder Mädi noch Anne Bäbi. Anne Bäbi sagte, wenn es der Pfarrer gesagt hätte, so würden es die andern Kinder auch machen, und nun hätte es von keinem gehört, welches so daheim geredet hätte. Selligs käme auch einem Pfarrer nicht in Sinn; die hätten ganz andere Sachen z'sinne. Und bei diesem Glauben blieben alle, gäb wie Jakobli widerredete. Das sei eben schön an ihm, daß er nicht einmal den Namen haben wolle, sagten die andern.

Am Tage der öffentlichen Admission gingen alle im Hause in die Kirche; ein jeder wollte sehen, ob Jakobli nicht der Brävst und Töllst unter allen wäre, und Mädi wollte auch gleich Musterung halten, welches Meitli sich wohl für ihn am besten schicken würde. Aber zur Steuer der Wahrheit muß man es sagen, daß in der Kirche die meisten weltlichen Gedanken untergingen, und daß alle recht andächtigen Teil an der feierlichen Handlung nahmen, und daß selbst Anne Bäbi von Herzen betete, es möchten doch alle Kinder treu und fromm bleiben und nicht bloß ihr Jakobli.

Am folgenden Tage war allen seltsam zumut. Es war keine Schule, keine Unterweisung mehr; Jakobli war daheim, war unterwiesen, konnte mit ihnen das Nachtmahl nehmen; es war ihnen fast, als sei eine Türe aufgegangen, und durch diese Türe müßten sie jetzt hinaus in eine neue Welt, oder als müßten sie jemand erwarten, müßten Vorbereitungen machen, müßte etwas Außerordentliches sich ereignen, der Bräutigam komme in selbsteigener Person, zu sehen, ob sie Öl hätten in ihren Lampen. Wenn die Eltern ihren Jakobli ansahen, so schoß ihnen das Wasser in die Augen, und Jakobli strich um Vater und Mutter herum, wie treue Hündchen tun; es war ihm, als seien sie ihm noch nie so lieb gewesen, und wenn er sie unvermerkt anrühren konnte, so hüpfte ihm das Herz vor Freude. Diese feierliche Stimmung schwand nach und nach, aber seltsam blieb ihnen der Gedanke, daß sie einen erwachsenen Sohn haben sollten, und bei Anne Bäbi knüpften sich an den einen Gedanken unwillkürlich andere Gedanken, und weil Anne Bäbi diese Gedanken hatte, so meinte es, Jakobli hätte sie auch, und daher ward es mißtrauisch gegen ihn und bewachte ihn Schritt für Schritt, und weil er ihm nichts sagen wollte und so eine gleichgültige Miene machte, so meinte Anne Bäbi, er wolle ihm alles verheimlichen, er hätte ihns nicht mehr lieb, und das kostete ihns manche bittere Träne.

Die Sonntage wurden Anne Bäbi schwere Tage, die Tanzsonntage und die anderen. Jakobli war gewohnt, des Sonntags den Gottesdienst zu besuchen, vormittags und nachmittags, und auch unterwiesen setzte er die Gewohnheit fort. Nun kam er aber nicht immer gleich nach dessen Ende heim, sondern stund hier und dort mit den jungen Burschen zusammen, stund bei den Keglern oder lief Kugelwerfern nach; ja er hatte sogar hier und da einen Schoppen und kam erst zum Nachtessen heim. Das ließ nun Anne Bäbi fast nicht leben, es wußte nicht warum, und der Angst, welche ihns alle Sonntage nachmittags ergriff, wenn Jakobli fort war, konnte es keinen Namen geben. Es suchte daher ihn vom Nachmittagsgottesdienst abzuhalten, tat ihm wie aus Vergeß den Hut oder die Sonntagkappe in den Schaft, sobald er aus der Predigt kam, und Jakobli durfte sie entweder nicht fordern, oder wenn er sie suchte und darnach fragte, so sagte Anne Bäbi: «Eh! Ich habe sie im Vergeß weggetan; aber bleib du heute daheim, ich glaube, es gebe ander Wetter.»

Andere Male redete es mit ihm eine Partie nach dem Bohnenplätz oder der Flachsern ab, welche Jakobli nicht wohl ausschlagen konnte. Ging er aber einmal alleine fort, so hatte Anne Bäbi keine Ruhe daheim, es lief ihm nach ins Dorf, hatte hier etwas zu verrichten oder dort, spionierte dabei um Kirchhof und Wirtshaus herum, wo sein Jakobli sei und bei wem, und wenn er zur Seltenheit einmal im Wirtshause selbst war, so lief Anne Bäbi darum herum wie eine Gluggere um eine Kräze, in welche eins ihrer Hühnchen verlaufen. Kaum war dann Jakobli daheim und endlich im Bett, so kam Anne Bäbi, nahm die Sonntagshosen, löste die Hosenträger ab und sagte, es wolle sie putzen und wegtun, morgen hätte es nicht Zeit dazu, und sie eine ganze Woche da herumliegen zu lassen, sei ihm nicht anständig. Hatte Anne Bäbi dieselben einmal in Händen, so war es ihm, als falle ihm ein Stein ab dem Herzen, als sei es einem rechten Unglück entronnen.

Nun lag Jakobli im Bett und lief ihm selbe Nacht nicht mehr fort; seine Sonntagshosen waren hinter Schloß und Riegel, die Werktagshosen gab es ihm erst am Morgen zum Bette, und ohne Hosen lief er nicht herum, das wußte es wohl. Dann leerte es die Hosensäcke und zählte leise das Geld nach, wieviel wohl fehle. Jakobli hatte viel Geld, aber Anne Bäbi hatte es gut in der Rechnung, und jeden mangelnden Kreuzer merkte es. Es war Jakobli auch nicht verboten, Geld zu brauchen; aber wenn an seinem Gelde ein Kreuzer fehlte, so hatte Anne Bäbis Seele keine Ruhe bis es wußte, wo derselbe hingekommen, und Jakobli mußte genau brichten. Wenn es nun zu machen war, so suchte es dem Jakobli alle Münze abzulocken, bis er nur grobe Silberstücke im Sack hatte; es wußte, so ein Silberstück reute ihn; er ging manchmal lieber nicht ins Wirtshaus, als daß er wechseln ließ, und wenn er es tat, so sagte am Abend Anne Bäbi: «E Jakobli, warum gibst du doch das schöne Silber weg, e Jakobli, das kömmt nicht gut! Warum sagst dus nicht, daß du Geld brauchen wollest? Ich hätte dir auch wechseln können. Eh Jakobli, das tue mir nicht mehr!» Und Jakobli nahm es zu Herzen; er tat der Mutter nicht gerne etwas zuleid.

Schweigend sah Hansli diesem Spiel zu, obgleich es ihm nicht ganz recht war. Er wußte von Jugend auf nichts anders, als daß ein junger Bursch mit den jungen Burschen laufe, daß er mitmache, soweit der Grundsatz, daß jeder zu sich selbst sehen müsse, es erlaube. Ohne den geringsten Kummer hätte er Jakobli ganze Nächte ausbleiben sehen; denn warum sollte ihm etwas Kummer machen, was Großvater, Vater und er getan, was der Brauch war? Er hätte auch gar nicht ungern gehört, Jakobli sei bei einer Schlägerei gewesen und hätte sich brav gestellt, und wenn eine solche Schlägerei zwanzig, vierzig und mehr Kronen gekostet, er hätte nicht Mux gemacht, sondern, während er das Geld aufgezählt, vielleicht gesagt: «Es ist viel Geld; aber wenn man es hat, so macht es desto minder, und wer weiß, ob da, wo dies gewesen ist, nicht noch mehr ist.»

Dieses war Hanslis Ansicht. Aber er war nicht der Mann, der viel von seinen Ansichten redete, und auch nicht der, welcher seine Ansicht andern aufdrang; er war nicht der Meinung, daß er anderer Menschen Naturen meistern und modeln müsse. Es mußte stark kommen, ehe er sich gegen Frau oder Knecht die leiseste Bemerkung über ihr Betragen erlaubte, und wenn es in drei Jahren zweimal geschah, so meinte Anne Bäbi, wie übel es gegangen; und der Knecht sagte zur Magd, wenn er nichts mehr recht machen könne, so sei es denn nicht, daß er sein Lebtag dableiben müsse.

So hatte Hansli Jowäger ein einziges Mal zu seinem Anne Bäbi gesagt, als Anne Bäbi den Jakobli von dem Nachmittagsgottesdienst abhalten und für einen Spaziergang in den Kabisplätz gewinnen wollte, es duech ne, sie seien erst den letzten Sonntag im Kabisplätz gewesen.

Aber Hansli sagte so etwas lange nicht wieder; denn Anne Bäbi sagte, so erleide ihm das Leben, wenn es es so gut meine, und er reise ihm den Bub so auf. In der heutigen Welt könne man nicht Sorge und Kummer genug haben, und wenn der Vater selbst noch helfe die Kinder verführen, wo das dann hin solle? Hansli schwieg, obgleich es ihn duechte, Anne Bäbi tue nur zu nötlich, und der alte Gott lebe auch noch. So floß ihnen ein Sommer und ein Winter dahin, und Anne Bäbi lebte übel dabei, besonders im Winter, wo nirgends ein Bohnenplätz war, nach welchem es das Söhnchen führen konnte.

Es konnte Gott nicht genug danken, als endlich der Winter dahinging, der Frühling sich regte, das Pflanzen anfing und man hingehen konnte, zu sehen, ob der Flachs errinnen wolle, und ob die Erdflöhe ihm was täten, und ob die Bäume blühen wollten und kein Ungeziefer daran sei.

So hatte den Sonntag nach Ostern Anne Bäbi ihren Sohn auch daheim zu behalten gewußt; diesmal hatte er es grusam ungern getan. Man las hinter dem Wirtshause Eier auf, und wenn er schon in keine Partie getreten war, so hätte er doch für sein Leben gerne zugesehen. Auch schämte er sich dieser Privatvergnügen mit seiner Mutter im Bohnen- und Kabisplätz immer mehr.

Seine Kameraden hatten ihn schon manchmal damit aufgezogen, ihn ausgelacht, ihn gefragt, ob er sein Lebtag an der Mutter Scheube hangen wolle, ob er vielleicht noch nicht entwöhnt sei oder noch am Lulli sauge. Jakobli war das zu Herzen gegangen; er ließ sich nicht gerne auslachen. Aber seiner Mutter sagte er solche Reden nicht wieder, ließ sie dieselben auch nicht entgelten, liebte sie nicht weniger; aber lieber wäre er nicht mehr so oft mit ihr spazieren gegangen den Bäumen oder dem Flachs nach.

Als daher an jenem Sonntage die Mutter seine Kappe wie im Vergeß ergriff, sie abbürstete und wegtun wollte, sagte er recht freundlich: «Habe nicht Mühe, Mutter, ich brauche sie diesen Nachmittag noch.» «Wo wotsch?» fragte Anne Bäbi ärgerlich. «He, Mutter», sagte Jakobli, «es sind frische Unterweisungskinder heute in der Kinderlehre, und da nimmt es mich wunder, wieviel seien, und was sie können?» «He, das kannst du an einem andern Sonntag noch immer erfahren.» «Ja, Mutter, und dann möchte ich sehen, wie man Eier aufliest; ich habe schon manchmal davon gehört und es noch nie gesehen.» «Selligs Lumpewerch sieht man immer noch früh genug», sagte Anne Bäbi. «Heute ist der erste Sonntag, wo man so recht hinaus mag, und do dünkt mich, es wäre anständiger, du kämest mit mir und sähest, wie unsere Sachen sind; du mußt dich der Sachen auch etwas annehmen und nicht immer so sein, als gehe dich alles nichts an.» Da schoß Jakobli das Wasser in die Augen, aber er sagte nichts mehr. Das kam nun Hansli übers Herz, und er nahm es in beide Hände und sagte, es dueche ihn, am andern Sonntag lese man keine Eier auf, aber auf dem Lande könne man viel mehr sehen als an diesem; es werde jetzt kaum noch etwas hervor sein. Da sagte Anne Bäbi, es wolle nichts gesagt haben, wenn das so gemeint sei; es könne schweigen, ja freilich, und ihm die Sache auch lassen gleich sein. Aber es duechs, man sollte afe wissen, wie es in der Welt gehe, und ihm nicht immer dareinreden, wenn es es gut meine.

Da schwiegen allerdings alle, und während die Mutter abwusch, saß Jakobli ganz traurig vor dem Hause, sah, wie das junge Volk dem Dorfe zu strömte, und konnte manchen Ruf, mitzukommen, fast nicht beantworten, so würgte es ihn im Halse, er wußte nicht, war es Halsweh oder sonst was. Hansli stund vor dem Stall, wollte tubaken, aber das Feuer ging ihm immer aus allemal, wenn er nach Jakobli sah. Der Bursche dauerte ihn; es schien ihm nicht recht, daß man ihm so vor allem sei und ihm keine Freude lasse, ihn eingänterle wie einen gefangenen Vogel. Er hätte gerne etwas zu seinen Gunsten getan; er werweisete, ob er den Vorschlag machen wolle, daß sie samt und sonders hingehen und dem Eierlesen zusehen wollten, oder ob er noch einmal es wagen wolle, ihm zBest z'reden. Heute sei es nun einmal so, dachte er endlich; aber so könne es nicht gehen, ein andermal müsse er doch noch ein Wort reden; so habe ja der Bube keine Freude, und doch war es ihm wieder nicht recht, daß er ihn so im Stich ließ; er trätschete ihm näher und näher und fing ihm an zu reden von seinen Schafen und Tauben, und es dueche ihn, es wäre Zeit, fort mit seinen zwei Widderlämmern, er löse jetzt am meisten. Am andern Dienstag sei Markt in Solothurn, er sollte hinab wegen einer Kuh, und wenn Jakobli Lust hätte, so könnte er mit seinen zwei Lämmern ihn begleiten, er wollte sie ihm treiben helfen.

Anne Bäbi hörte das beim Abwaschen, und es duechte ihns, einem solchen Alten, der seinen Sohn selbst aufweise und zur Liederlichkeit verführe, sollte man die Rute geben. Aber wenn es sein müsse, so wolle es es ihnen schon reisen. Der Weg werde wohl breit genug sein für alle drei, und im Keller oder im Gaden werde wohl auch etwas sein, das verkauft sein müsse. Anne Bäbi pressierte mit dem Abwaschen nicht; die Hauptsache war ihm die, den Nachmittag zu verbrauchen. Längst hatte es verläutet, als es hinaus kam, noch die Kappe bindend. «Du wirst wohl nicht mitkommen», sagte es, die Türe hinter sich zuziehend, zu Hansli, «und ich werde nicht bschließen sollen?» «Es wird wohl jemand hüten müssen», sagte Hansli. «He nu so de», sagte Anne Bäbi, «und häb nit Längizyti, wir kommen bald wieder.»

Anne Bäbi ging voraus, Jakobli hinterdrein mit den Händen in den Hosensäcken. Anne Bäbi hatte viel zu sehen, Jakobli viel zu sinnen. Es nahm Anne Bäbi fast mehr wunder, was für Sachen andere Leute hätten, als wie ihre eigenen stünden, und was es sah, und was es fand, das bemerkte es laut zu Jakoblis Händen, und Jakobli hörte es schweigend, und Anne Bäbi begehrte es nicht anders, es machte sich selbst die kürziste Zyti.

An die Bemerkungen über Acker und Bäume knüpfte es Bemerkungen über ihre Eigentümer, über Mann und Weib, Kinder und Kindeskinder und hatte so fast für sich selbst das halbe Dorf verhandelt, als sie endlich zum eigenen Flachse kamen. An demselben hatte Anne Bäbi große Freude und meinte, es nehme es nur wunder, was die Schnitzigebüri, wo immer witziger sein wolle als alle andern Leute, sagen werde, wenn sie diesen Flachs sehe und dann ihren dagegen halte. Es nehme es nur wunder, was sie zWort haben werde, daß sie den schlechtesten hätte weit und breit, wer daran schuld sein müsse, ob der Mann oder der Acker oder der lieb Gott.

Als Anne Bäbi sich sattsam am Flachs erlabet hatte, manchmal zringsum gegangen war, daß man hätte meinen sollen, es zähle die Stüdeli, sagte es, es dueche ihns, es möchte noch zu den Bäumen auf dem Längacker; es hatte ihm noch niemand sagen können, ob die blühen wollten oder nicht.

Da sagte Jakobli, es dueche ihn, er möchte heim, es wolle ihn anfangen so wunderlich zu frieren.

«Warum nicht gar frieren!» sagte Anne Bäbi, «die Sonne scheint ja so schön warm; das sy mr afe Flause!» Anne Bäbi hatte schwer von einer Gedankenreihe zur andern zu kommen, und wenn es etwas im Kopfe hatte, so war es, als hätte es keine Augen mehr darin. Es hatte nun im Kopf, Jakobli möchte heim, um noch zum Eierauflesen zu können; und weil von der Flachsern der Weg beim Wirtshaus vorbeiging, so fürchtete es, er möchte ihm beim Wirtshause dahintenbleiben, und ganz ds Wüsteste dürfte es nicht machen so vor allen Leuten.

So wanderte es ohne weitere Komplimente dem Längacker zu und Jakobli stillschweigend der Mutter nach. Unterwegs dachte die Mutter, so einen wie sie hätte doch niemand; unter Hunderten käme kein einziger so styf der Mutter nach und gäbte ihr ds Gleit, während die jungen Burschen wüst tun. Aber es käme bei allen Sachen darauf an, wie man es vornehme. Billig sei es doch, daß er auch was hätte, und wenn sie heimkämen, so müßte er ein Kaffee haben und einen Eiertätsch, wie es längs Stück keinen gemacht hätte. Als es diesen Entschluß gefaßt hatte, setzte es seine Verhandlungen fort, und auf dem Heimwege, auf welchem das Wirtshaus weit beiseite liegen blieb, wurde der andere halbe Teil der Dorfschaft über das Knie genommen.


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