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XIV.
Winke für Heiraths-Candidaten.

» Sine ira et studio.«

»Edler Herr Graf,« sagte Patronio, »der König Ben-Avit von Sevilla war mit Romaquia vermählt; er liebte sie mehr als irgend etwas auf der Welt; sie war eine sehr gute Frau; aber zuweilen hatte sie Launen und sonderbare Begierden. Und es traf sich einmal, als sie in Cordova war, im Monat Februar, daß Schnee vom Himmel fiel; und Romaquia, als sie dieses sah, fing an zu weinen. Und der König fragte sie, warum sie weine; worauf sie antwortete, sie weine, weil sie noch nie in einem Lande gewesen, wo es Schnee gebe. Und der König, um ihr eine Freude zu machen, ließ nun das ganze Gebirge von Cordova mit Mandelbäumen bepflanzen. Da Cordova ein heißes Land ist und es nicht alle Jahre daselbst schneit, die Mandelbäume aber, wenn sie im Februar blühen, dem Schnee ähnlich sehen, so hoffte er, so die Lust der Königin gestillt zu haben. –

»Und ein anderes Mal sah Romaquia aus einem Zimmer, das auf den Fluß hinausging, eine Frau, die mit nackten Füßen Schlamm knetete, um daraus Ziegel zu machen. Und als Romaquia diese Frau sah, fing sie an zu weinen. Und der König fragte sie, warum sie weine. ›Deshalb,‹ antwortet sie, ›weil ich nie etwas nach meinem Belieben thun kann, nicht einmal, was diese Frau macht.‹ Und sogleich ließ der König den Teich von Cordova mit Rosenwasser füllen, und an die Stelle des Schlammes ließ er Zucker, Zimmet, Ingwer, Benzoe, Ambra, Moschus und alle andern guten Gewürze und wohlriechenden Dinge, die auf der Welt sind, hineinbringen, und statt des Strohs Zuckerrohr. Und als der Teich von allen diesen Dingen voll war und von einem Schlamm, wie Ihr in Euch denken könnt: lud der König seine Gemahlin ein, sich zu entschuhen, diesen Schlamm zu treten und Ziegel zu machen so viel sie wolle.

»Und an einem andern Tage, da wieder eine andere Laune über sie kam, fing sie wieder an zu weinen; und der König fragte sie, was sie habe. ›Wie sollte ich nicht weinen,‹ sagte sie, ›da der König nie etwas thut, um mir angenehm zu sein!‹ Und der gute König, da er sah, er habe, um ihr zu gefallen und ihre Wünsche zu befriedigen, schon so viel gethan, daß sie selbst nicht mehr wisse, was sie verlangen sollte, antwortete ihr die arabischen Worte: › Ehu alenahac aten,« was zu Deutsch heißt: ›Nicht einmal am Tage des Schlammes,‹ wodurch er ihr zu verstehen gab, daß, wenn sie das Uebrige vergäße, sie sich doch wenigstens des Schlammes erinnern solle, den er ihr zu Liebe gemacht hätte.«

(Aus dem » Grafen Lucanor,« einem Werke über Menschenkenntniß, vom spanischen Infanten Don Juan.)

Eine Jungfrau ist ein mit dem Siegel Salomonis verschlossener Schatz. Man kann sie freien, man kann zufrieden mit ihr leben, ihrer Zärtlichkeit und Treue versichert sein, ohne ihre tiefste Seele erschlossen zu haben. Wie viele Frauen und Männer glauben Liebe und Leidenschaft zu kennen, und doch ist Alles nur ein bloßes Spiel, eine Bewegung auf der Oberfläche, ein profaner Dilettantismus.

Viele Alltags-Männer verkehren mit ihren hochbegabten, sublim organisirten Frauen, wie ein ordinairer Musikus mit einer Orgel. Er spielt ein paar Flötenzüge, die andern Register und das Pedal weiß er nicht zu handhaben, die verstimmten Pfeifen nicht zur Harmonie zu bringen, – und am wenigsten versteht er sich auf die rechten Compositionen für sein Instrument.

Frauen kann man wie Statuen und Gemälde bewundern, so lange man sie geschäftslos auf dem Sopha sitzen, oder sich gemessen und förmlich bewegen sieht; aber es ist fast nicht möglich, ein junges, schönes, liebenswürdiges Weib im Hauswesen und mit Kindern geschäftig zu sehen, ja von ihr selbst Pflege und kleine Liebesdienste anzunehmen, ohne daß man von ihrem Zauber verstrickt wird. Das Bild einer sorgenden, zärtlichen, arbeitsamen, jungen Hausfrau schleicht sich in das kälteste Mannesherz ein. Die Vorstellung liegt zu nahe: so könntest Du auch geliebt, gepflegt, mit solcher Sorgfalt behütet sein. Ein bequemes, luxuriös erzogenes Mädchen kann unmöglich die Wünsche und Bilder in einem Manne hervorrufen, als eine junge Frau, die sich so recht in ihrem Elemente, in allen Phasen mütterlicher und ehelicher Sorge wie Thätigkeit darstellt. In der Bewegung zeigt sich die Grazie, in der Thätigkeit und im Kampfe die Kraft. Die Thatsache ist so wahr, daß jeder Mann, der andauernd in einer Familie verkehrt, die Tochter lieben lernt, welche das Hauswesen führt, falls sie nicht entschieden unliebenswürdig ist.

Die jungen Damen wissen mit diesen Mysterien und Zaubermitteln so vollkommen Bescheid, daß sie keine Gelegenheit versäumen, um mit ihnen zu operiren. Bei allen Hochzeiten, Festivitäten und ländlichen Excursionen entwickeln die Guten eine Geschäftigkeit, Oekonomie und Simplicität, die ihnen für Alltag durchaus nicht nachgesagt wird, aber schon manchen alten Junggesellen eingefangen hat. Es geht nichts über Unschuld und Natur, wenn noch ein klein bischen Koketterie und Pfiffigkeit mit im Spiele ist.

Freundschaft mit jungen Mädchen ist eine liebliche Mystification. Wer sich einem Mädchen in's Album schreibt, der pflügt Schnee. – Die ledige Freundin schreibt sich zuletzt doch in eines einzigen Mannes Herz, wie sich aus dem Naturgesetz versteht. Aus der Albumsfreundschaft wird dann ein Alpenschnee, welchen ein ideales Morgen- und Abendroth röthet, ohne ihn zu schmelzen. Wenn's solide und ersprießlich hergeht, kommt ein Schneeglöckchen oder Veilchen hervor. Die reelle Freundschaft, das heile Menschenthum gedeiht nicht auf idealen Höhen sondern im Thale der Ehe und des Werkeltaglebens, wo die Hütten stehen, der Acker im Schweiße des Angesichts gepflügt wird, und der Mensch alle Stunden des Tages an den Austausch von Tugenden und Selbstverläugnungen, von Liebesdiensten und Mitleidenschaften, von Zärtlichkeit und Treue angewiesen ist.

Ein Weib kann einen Raufbold und Todschläger lieben, ohne lächerlich oder ehrlos zu erscheinen; aber sie darf keinen Hanswurst heirathen, keinen Poltron, keinen Menschen, der sich lächerlich oder feig gezeigt hat.

Feigheit ist eine Sünde wider den heiligen Geist der männlichen Natur, mit welchem das Weib ihre natürliche Furchtsamkeit repariren will. Ein Mann, der Feigheit verräth, kann von einem edeln Weibe eben so wenig Liebe verlangen, als wenn es sich ergeben hätte, das er selbst zum weiblichen Geschlecht gehört. Häßlichkeit übersieht das Weib; es wird aber zufolge des Naturgesetzes in ihm von dem weibischen Aussehen und den weibischen Manieren eines Mannes angeekelt und empört. Wenn der Ehre des Mannes im Allgemeinen nichts entgegensteht, – wenn er nicht unmännliche Lebens-Gewohnheiten angenommen hat, wenn das Weib hoffen darf, sich durch des Mannes Wahl vor der Welt geehrt zu sehen: so kann der Bewerber sich versichert halten, daß die Ausdauer seiner Bewerbungen zuletzt den Sinn der Erwählten auch dann erweichen wird, falls er häßlicher, älter und unliebenswürdiger ist, als Liebe und Leidenschaft oder die billigsten Rücksichten auf natürliche Forderungen es gestatten. Ganz analoge Erscheinungen liegen dem Zauber zu Grunde, welchen gewisse Weiber über den Mann ausüben. Sie dürfen nichts Männliches an sich haben, es muß das weibliche, also das natürliche Element: die Fügsamkeit, die Weichheit, die Eingebung, die Leidenschaft in ihnen ausgesprochen sein.

Es ist gleichwohl Thatsache, daß Frauen, welche ein halb oder ganz abenteuerliches Leben führen, daß leichtfertige Sängerinnen und Tänzerinnen nicht nur über lockere Fürsten und Cavaliere, sondern auch über die solidesten Charaktere eine unbegrenzte Herrschaft gewinnen können. Die gelegentlichen Tugenden und Menagen sind es nicht, welche in diesem Falle die Männerherzen bezwingen. Diesen Weibern fehlt nicht selten die Weiblichkeit und die Scham; es fehlt ihnen das Bewußtsein der weiblichen Würde, und sehr oft sogar ein Herz, das mit Treue und ganzer Hingebung zu lieben vermag. Warum tragen sie gleichwohl den Sieg selbst dann über ehrbare Frauen davon, wenn diese: schöner, geistvoller, gebildeter, ja wenn sie sogar zärtlich, lebhaft, witzig, feurig und voller Einbildungskraft sind? (aber freilich innerhalb der Grenzen der Sitte und Wohlanständigkeit.) Worin liegt denn der dämonische Zauber eben bei jenen Weibern, deren ganzes Wesen aus Sinnlichkeit, Laune, Caprice und Leichtfertigkeit besteht; worin liegt die Macht selbst bei solchen Courtisanen, denen die schlimmsten Leidenschaften im Auge funkeln? Worin? Worin anders, als eben in diesen elementaren Leidenschaften und Wetterwendigkeiten, in dieser aufgelösten Sittlichkeit und Vernunft! Die grobsinnlichen und charakterlosen Mannsbilder fühlen sehr wohl, daß sie den geistvollen und edelgearteten Frauen keine Sympathien und noch weniger eine sittliche Hingebung abgewinnen; sie werfen sich also mit richtigem Instinkt in die Arme der idealisirten und anständig maskirten Buhlerinnen. Bei den geistvollen und soliden Männern aber wird eben durch die vernünftige Lebensordnung eine natürliche Reaction in solcher Stärke hervorgerufen, daß ihnen eine sinnliche Liebe und die Trägerin einer solchen unendlich reizender, bequemer und abfrischender werden muß, als ein edles Weib, das sich dem Geiste des Mannes vermählt fühlen und keine gefällige Priesterin von Natur-Mysterien sein will, in welchen sich der alte Adam rehabilitirt.

Verlieben magst Du dich, geliebter unbekannter Leser und Cavalier, in Tänzerinnen, in abenteuernde und complaisante Damen vom großen Styl, wenn Du es einmal nicht lassen kannst und dein Taschengeld im großen Style los werden willst, ( nam habent manus ablativus) aber: mit dem Heirathen laß Dich in diesen hochromantischen Fällen nicht ein! Mit Frauenzimmern ist es wie mit Naturproducten. Es giebt solcher, die roh und die gekocht genießbar sind; man lebt besser von lauter Kartoffeln als von lauter Apfelsinen; aber der erste Anbiß von einer süßen Orange ist freilich romantischer, als der in eine gekochte, oder gar in eine rohe Knollenfrucht. Goethe läßt Ottilien in ihrem Tagebuch sagen: »Es giebt Frauen, die sich besser im Freien, und Andere, die sich natürlicher in der Stube ausnehmen.« –

Bauer-Dirnen muß man freilich nicht auf gebohnten Parquettboden, Stadtdamen aber nicht im Erntefelde, im Walde, oder nur unter den Hof-Sperlingen sehen, denn wenn ihnen nicht ein zart-natursinniger moderner Dichter zu Hülfe kommt, so hören und verstehen sie kein Sterbens-Wörtchen von alle dem » was sich die Vöglein erzählen oder der Wald

Man kann die Frauen aber nicht bloß den Blumen, den Südfrüchten oder den vaterländischen Gemüsen, sondern auch den Vögeln vergleichen.

Es giebt unter ihnen bunt gefiederte, gesanglose Holz-Spechte und unansehnliche Nachtigallen, munter zwitschernde, hausbackne, kerngesunde Sperlinge, welche Sommer und Winter vergnügt durchhalten, und dann wieder gesanggeübte, in Vogelbauern zur Welt gekommene Kanarienvögel; also künstlich veredelte Sperlinge, welche in der elementaren Freiheit zu Grunde gehen. Es giebt Tauben und Krähen; Perlhühner, die einen sägenschärfenden Lärm machen; und ordinair gackernde Hennen, die aber regelmäßig Eier legen. Man darf ihnen also schwerlich vorwerfen, daß sie keine wilden Auer- oder Adlerhennen sind. Und wenn die Mannsleute sich selbst für keine Adler oder Schwäne halten dürfen, wenn sie weder auf Felshöhen noch in einsamen Wald-Seen nisten: was wollen sie dann mit einer Schwanin oder Adlerin? Es ist schon am natürlichsten, wenn sich der ordinaire Haushahn mit der Gackerhenne, und die Gans sich mit dem Gänserich paart. –

Ein Gelehrter thut für das Ganze besser: seine Haushälterin zu heirathen (wenn sie sonst eine frische, gutgeartete und gescheute Person ist), als eine Gouvernante oder Schriftstellerin; denn von der drallen Naturalistin werden die Kinder viel leichter Mutterwitz erben, als bei der ebenbürtigen Verbindung in Aussicht gestellt ist. Die ausgezeichnetsten und körperlich gesundesten Menschen entstammen in der Regel einer Mutter, die viel natürliche Anlagen, und einem Vater, der gebildeten Geist besitzt. Ein so beeigenschafteter Mann wird sich weniger durch eine Dame von feiner Erziehung, von Schulkenntnissen und sublimen Lebensarten ergänzt finden, als vielmehr durch eine Frau von Gemüths-Anlagen, von anschauendem Verstande und praktischer Art. Aus einer solchen Ehe kann sehr natürlich eine Nachkommenschaft hervorgehen, welche möglichst angenähert das complette Menschen-Gewächs darstellt, d. h. ein solches, in welchem Natur und Geist, Theorie und Praxis, Real-Sinn und Idealismus incarniert sind; und aus diesen Thatsachen folgt klar und baar die Notwendigkeit, daß Frauen mehr auf natürlich-praktischen Wegen durch den Geist des Hauses, durch Landessitte, Thätigkeit und Anschauungen gebildet werden, als durch höhere Töchterschulen, Privatstunden, Musik und Literatur. Diese Heirats-Philosophie hat aber noch einen Revers, der ad notam zu nehmen ist. Den Unterschied von roher Natur und Erziehung wird man recht eindringlich an der Thatsache gewahr: daß Heirathen zwischen gebildeten Männern und Dienstmädchen oder Haushälterinnen selten ein gutes Ende nehmen. So lange das Mädchen jung und hübsch, so lange sie von ihrer Jugend und Liebe inspirirt und von der Ehe illuminirt ist auf eine höhere Staffel gehoben zu sein, geht Alles gut; sobald aber mit der natürlichen Lebenskraft auch die Begeisterung, und mit derselben die Ambition, die sittliche Haltung und Delicatesse schwindet, und wenn dann in älteren Tagen die gemeine, rohe Lebensart, der Mangel an Schule und Erziehung zum Vorschein kommt: wird diese Ehe eine Unmöglichkeit, und dies in dem Maße, als die Frau selbst fühlt, daß zwischen ihrer Bildung und der des Mannes eine Kluft befindlich ist, und daß sie ihm nicht ebenbürtig ist; daß er sie nur sinnlich geliebt hat.

Wenn man aber den Mangel an körperlichen Reizen, an Natur und Inspiration, dazu die Prüderie und Blasirtheit bei den gebildeten Mädchen von heute ansieht, so wünscht man ihnen zur Correction die Demüthigung: gebildete Männer möchten das Experiment einer Verbindung mit Mädchen aus dem gemeinen Volke wagen. Wenigstens sind ihnen dann gesunde Kinder, und der gebildeten Schichte eine Anfrischung der Race garantirt.

Es ist mit den Tugenden der Alltags-Weiber ganz wie mit den Verdiensten und guten Seiten der Männer vom gewöhnlichen Schlage. Porzia hat Recht: »Abscheulich, wenn er betrunken (oder von Zeit-Ideen stimulirt, von Literaturdinte begeistert), und höchst abscheulich, wenn er ganz abgenüchtert ist.«

Ad vocem: isolirte Tugenden und Talente, so muß erinnert werden: ein Kunstwerk, ein Dichtwerk wird nicht aus einzelnen Schönheiten und Virtuositäten zusammengesetzt; es muß ein organisches, abgerundetes Ganzes, es muß von einem Herzens-Impuls, einem Glauben und Lieben, einer lebendigen Idee getragen, auf dem Untergrunde der Natur gewachsen sein. Noch weniger geben so und so viel löbliche Handlungen, Gewohnheiten oder manierliche Lebensarten ein Weib heraus, in welchem ein Adams-Sohn seine Eva erblicken kann. Entweder hat das Weiblein nur eine verkünstelte, in den höheren Töchterschulen verschnittene, von Dintenkleksen entstellte Natur, oder sie ist so roh und elementar wie ein roher Schinken, der, schlecht gesalzen und schlecht geräuchert, obendrein ohne Senf genossen werden soll. Lassen wir aber die Extreme zur Seite und halten wir uns an die Mitte, d. h. an die beliebte Mittelmäßigkeit, an die Neutralisation von Töchterschule und elementarer Natur, so ergiebt sich folgende Censur: Die mittelmäßigen Weiber verrichten ihre langweilige Schuldigkeit mit so viel langweiliger Unschuld, daß ein Mann von gewecktem Geiste sich nach einem Verhältniß umsieht, in welchem die Werktags-Tugenden mit ein wenig Witz und Phantasie, die phlegmatische Gemüthsruhe mit einigen Schmeckproben von Affecten versetzt sind. – Selbst der blaue Himmel kann langweilig werden, wenn er Monde lang kein Wölkchen, wenn er sich keinmal in der Majestät des Donnerwetters zeigt. Der reine Aether schickt sich nur für ideale Lebensarten, für klassische Studien und Verhältnisse. Werktags-Arbeiten wollen von Wind und Wetter, d. h. von starken Leidenschaften begleitet sein; oder Geist und Seele ersticken bei lebendigem Leibe in der Philisterei. Versinkt ein gewöhnliches, ein geistloses, prosaisches Weib obenein in Apathie, so wird die Ehe für einen Mann von Geist ein bleiernes Zeitalter sein. Blei liegt ihm dann in den Gliedern und im Kopfe; und wenn er mit der soliden und gemüthsruhigen Frau Liebsten in's Freie geht, so wundert er sich im Stillen, daß die Vögel nicht aus der Luft herabfallen, da sie doch unmöglich ohne Bleigewichte geschaffen sind. Das Schlimmste ist aber, daß die Seelenruhe und Apathie der gewöhnlichen Weiber sich alle Wochen ein paarmal in Jähzorn und Spectakel-Wirthschaft umzusetzen pflegt; und daß die Extreme von Tobsucht und Phlegma bei einer echten Naturalistin durch keine Mitteltöne und Mittelstimmungen verbunden sind. Da hätten wir also die gewünschten starken Leidenschaften als Contrast zum blauen Aether; nur schade, daß die gemeine Spectakelmacherei mit Kindern, Mägden und Nachbarsleuten ebenso wenig mit Romantik und edeln Affecten zu thun hat, als das Nebel-Phlegma mit der himmelblauen Luft. –

In der Regel werden die Leute bewundert und als Tugend-Ausbunde, als Charakter-Menschen gepriesen, die sofort nach einem erlittenen Unglück, nach dem Verlust von Weib und Kind weiter fortarbeiten und packeseln, sich nämlich durch Arbeit zerstreuen. Ich kann aber in solcher schnellen Contenance und Arbeitströstung nur Nüchternheit, Abhärtung und Gemeinheit ersehen. Ausnahmsweise mag Seelenstärke und Tüchtigkeit bei solcher Lebensart mit im Spiele sein; aber das tiefste und sublimste Gefühl verträgt sich mit Seelenstärke und Charakter-Energie, mit methodischer Pflichterfüllung nicht allzu gut. – Die schlaffen Naturen und Faullenzer wird kein verständiger und tüchtiger Mensch schlechtweg zu den gefühlvollen und sublim organisirten Naturen rechnen; aber der Schmerz eines edeln und tiefen Menschen besteht auf seinem heiligen Recht, und erlaubt nicht: daß eine Wittwe unmittelbar hinter dem Begräbniß große Wäsche und Mägde-Disciplin handhabt; oder wenn der Verblichene eine Fabrik und Wirthschaft hinterlassen hat: daß dann die edle Gattin im Trauerstaat pflichteifrig und arbeitsbesessen durch alle Fabrikräume oder Schweineställe läuft. Die Umstände können auch das nothwendig machen, aber es muß mit Menage und Selbstverläugnung, nicht con amore geschehen. Diese männlich gefaßten Arbeits-Weiber sind eben so verdächtig, als die sentimentalen Schlumpliesen. Die gebildeten Wasch- und Schauer-Weiber haben kein poetisches Gefühl, und die ideal-fühlenden Seelen selten Fleiß und Verstand oder nur Herz. Wer beides besitzt, kann unmöglich einen andern Impuls und eine vollkommenere Genugthuung haben, als die Verwirklichung des Guten, Heiligen und Schönen durch seiner Hände Arbeit, seine Sorge und seinen Fleiß. – Aber die große Masse der Menschen, und besonders die praktischen Weiber, sind geschäftig und thätig aus Gewohnheit und langer Weile, lieben Handarbeit und Sorge, um der innern Leere, der Gedanken-Confusion oder dem Gefühl der geistigen Nichtigkeit zu entgehen. Diese Lebensart ist ein Segen für den Staat und schadet auch den Männern nicht zu viel, wenn sie zur ordinair praktischen Sorte gehören. – Es kommt überall in diesem Leben auf Wahlverwandtschaften an, und de gustibus non est disputandum. – Nach meiner Philosophie unterscheidet sich der Mensch von seinem Ackervieh nicht nur durch seine Gestalt und Sprache und Bekleidung, oder Herrschaft über die Thiere, sondern auch dadurch: daß er seine Arbeit überdichtet und überdenkt. Daß mit dem Dichten keine Verse und Phantastereien, und mit dem Denken keine abstracten Grübeleien gemeint sind, sei gegen die ordinairen Praktikanten gesagt. Der Geist muß auf Natur und Praxis gezogen werden, aber eben darum auch die Praxis und Wirklichkeit auf den Geist.

In einem Hause, wo Dienstboten, Offizianten und Gouvernanten gehalten werden, ist die Menschenkenntniß das leichteste Ding von der Welt. – Wenn sich diese dienstbaren Geister nicht als solche, wenn sie sich nicht als blos gelittene und untergebene Wesen, als weiße Sklaven, sondern als geachtete und herzlich behandelte, zu Rechten wie Pflichten angenommene Familien-Mitglieder fühlen: dann ist dieses Haus sicherlich von einem guten Geiste beseelt und regiert, dann heirathet sich's gut aus so einem Ort. Wo aber die Dienstleute über das Fräulein klagen, wo sie ihm nicht mit Liebe zugethan sind: da gewähren die sonstigen Tugenden, Talente und Sittsamkeiten der jungen, wie der alten Dame blutwenig Garantie für eine glückliche Ehe und echt menschliche Existenz.

Ich möchte auch dem Heiraths-Candidaten gerathen haben, darauf zu achten, ob seiner still Erkornen von ihren Freundinnen ein garstiger Spitzname gegeben, und ob derselbe in weiteren Kreisen adoptirt worden ist: denn liebenswürdigen, unbescholtenen Mädchen und Wittwen passirt so ein Malheur nicht leicht. So billig und gewissenhaft ist die böse Welt doch zuletzt, daß sie entschieden gute und liebenswürdige Menschen ungeschoren und unverläumdet läßt; – daß sie wahre Herzens-Reinheit respectirt.

Geistesgegenwart und Replikenwitz kann man wohl haben, und dabei ein schämiges, feines Frauenzimmer mit einem noch feinern Gewissen sein; den eben das gute Gewissen ist es, welches die wahre Dreistigkeit, und durch sie die bündigsten und besten Antworten giebt. Wenn man aber mit einem Weibe zu thun hat, die unter keinen Umständen und keinen Augenblick eine bissige und schlagende Antwort schuldig bleibt, die sogar ein ganzes Rudel von Opponenten und Widersachern nach allen Richtungen hin abzufertigen versteht, ohne nur extraordinair echauffirt zu sein: so darf man sich überzeugt halten, daß so eine bereits viel durchgemacht hat; – und daß man von ihr keine sonderliche Discretion in delicaten oder verfänglichen Verhältnissen zu erwarten hat. Routinirter Witz kennt keine Großmuth, und ist in der Regel die Maske für allerlei inneres Zerwürfniß – Glaube, Liebe, gutes Gewissen und Herzens-Einfalt produciren keinen Witz. Ein witzroutinirtes Frauenzimmer ist vollends ein Monstrum, und wer sie zur Ehe nimmt, kommt gegen sie nicht auf. – Und was ist das für ein fluchwürdiges Verhältniß, wenn man die Person, der unsere Zärtlichkeit gewidmet sein soll, profan abtrumpfen, oder sich von ihr mit Uebermuth tractiren lassen muß.

Chesterfield räth seinem Sohn: Frauenzimmer für erwachsene Kinder anzusehen. Der Rath ist so übel nicht, das Recept aber noch zutreffender, wenn man sich diese frauenzimmerliche Kindheit mit Diplomaten-Politik versetzt denken kann. – Eines haben die Frauenzimmer gar nicht mit den Kindern gemein, nämlich die Naivetät. Nichts kann lächerlicher sein, als wenn man an die durchgreifende Naivetät eines Frauenzimmers glaubt. – Die Frauen stehen vollkommen naiv zu Künsten und Wissenschaften, zu Mechanik, Grammatik und Logik, zur objectiven Wahrheit und reinen Vernunft; aber in ihrer Sphäre und Liebespraxis, gegenüber dem Manne, ist ein Mädchen von sechszehn Jahren keineswegs naiv, sondern voll der natürlichen List und Sicherheit, die ein Erbe aller Evastöchter, und das Gefühl der Ueberlegenheit über den Adamssohn und Liebhaber ist. Aber abgesehen davon, produciren die heutigen Lebensverhältnisse und Bildungsmittel nur bei den ungebildeten Ständen und den simpelsten Personen eine unverdächtige Naivetät.

Wo uns in gebildeten Ständen und Lebensverhältnissen eine Naivetät entgegentritt, die gleich auf die Zunge fällt wie junger Wein, da muß entweder eine himmlische Natur, oder eine natürliche Dummheit im Spiele sein.

Wie es heute in der Welt hergeht, bei modernen Lectüren, Redensarten, Rectificationen, Controlen und Experimenten: muß man in Borneo oder im Himmel zu Hause, und fast von ihm herabgefallen sein, um so simpel, natürlich und harmlos zu wirthschaften, daß eine ungelogene Naivetät zum Vorschein kommen kann.

Die geschmackvollen, gebildeten und verständigen Menschen halten sich also das Genre hart vom Leibe, und selbst die » Backfischchen« debütiren die Rolle nicht mehr, wenn sie auch Land-Pastors- und Försterstöchter sind. – »Es thut's halt nimmer mehr.« – Was auf den Brettern, welche die Welt bedeuten, aus der Mode gekommen ist, – das verabschiedet sich auch bald in der wirklichen Welt. – Aechte Naivetät besteht nicht nur in einer conventionellen Unwissenheit, sondern in einer Tiefe, Mächtigkeit und Heiligkeit der Natur, die allen förmlichen Menschenwitz und Verstand obenauf schwimmen läßt, wie rostig Blei und Eisen auf flüssigem Golde. – Eine so edle und mächtige Natur bekundet aber nur das wahre Genie, welches allein den Natur-Menschen mitten in aller Civilisation und Entartung darstellen darf.

Bei Frauen muß man auf das Unverträglichste gefaßt sein, besonders aber geben ihre delicaten Redensarten und distinguirten Manieren keinen Maaßstab für ihre Handlungen und ihren wahren Charakter an. – Man lernt z. B. ein Mädchen oder eine junge Wittwe kennen, und verkehrt mit ihr Jahre lang fein, ganz fein, so daß man zu empfinden vermeint, wie einem die grobe Wolle abwächst und die feine kommen will. Man schmeichelt sich mit einer veredelten Physik, alles auf Grund des transparent-sittlichen Verkehrs – Ideale werden ausgetauscht, d. h. mit hingehauchten, verblümten Worten angedeutet, und nur mit symbolischen Blicken, Mienen, Bewegungen und Modulationen der Stimme interpretirt. – Wenn man bei diesem Duo unverheirathet ist, und wegen Mangels an festem Einkommen nicht Ehe-Anträge formiren kann, stürzt man sich bis auf Weiteres in Melancholie; denn man sieht sich am Ziele und kann es doch nicht mit der Hand berühren. Die Göttin steht vor uns, aber in die Arme schließen dürfen wir sie nicht. Die Dame scheint zu merken, was uns fehlt; denn auch sie wird von da an einsylbig und changirt für die nächste Zeit Farbe und Ton. Mit einem Mal Trauer und Thränen: was ist's: die Dame hat sich verlobt; und mit wem? mit einem reichen, dummen Bengel, oder mit einem reichen, alten, abgeknackten Ehrenmann, womöglich mit einem lebenslustigen Abenteurer und gelegentlichen Schuft. Das Ideal ist also an den Nagel gehängt; denn was das Heirathen betrifft, da nehmen Frauenzimmer die Menschen ohne Ekel wie sie sind – und nicht wie sie sein sollen!! – Sehr praktisch das, sehr nothwendig; aber viel zu prosaisch und gemein für das probirte ideale Genre am Anfange des Verkehrs! Je idealer der Anfang, desto realistischer das Ende. –

Frauen plaudern zwar ihres Nebenmenschen Geheimnisse gerne aus: die eigenen behalten sie klüglichermaßen für sich. Die weibliche Verschwiegenheit erscheint aber bei keiner Gelegenheit in so bewundernswerthem Clair-obscur, als wenn sie sich auf Verlobungen bezieht.

Wenn z. B. der Herr Verlobte eine entschieden annehmbare oder brillante Partie darstellt, so wird mit ihm auf allen Stegen und Wegen, in allen Ton- und Tactarten schön und patent gethan. Wenn also nicht recht dahinter zu kommen ist, ob ein Paar verlobt ist oder nicht, so mag man immerhin daraus abnehmen, nicht nur: daß der Herr Bewerber halb annehmbar und halb willkommen ist, sondern Er selbst mag sich auch vorsehen, daß er nicht bei der nächsten Gelegenheit gegen einen liebenswürdigeren, profitableren Cavalier ausgetauscht wird; denn auf diesen Fall ist bereits von vorneherein der Grundsatz eines » halbofficiösen« Verhältnisses beliebt worden, und nicht aus jungfräulicher Scham. –

Das regelmäßige Correspondiren verdirbt die natürliche, stille Herzens-Correspondenz: ist dem auf Seele, auf Divination, auf Heimlichkeit und Scham angewiesenen Weibe eine Unnatur. –

Die Schriftlichkeit des Verfahrens im Liebesprozeß ist der Mündlichkeit, auf welche das Weib angewiesen ist, ein unästhetisches Dementi; für ihre mimisch-plastischen Liebespraktiken eine Entkräftung. Dann und wann ein naives Duodezbriefchen und Denkzettelchen, ohne gesuchte Gedanken aber mit desto mehr Gedankenstrichen, Seufzerchen, Dintenklecksen, Krähenfüßen, Fragezeichen, Ausrufungszeichen, Nachschriften, Grüßen und Bestellungen: kann in allen Fällen nichts schaden; der Curiosität halber und im Interesse einer komischen Jungfrauen-Gravität mag es auch ein paarmal ein vernünftiger Brief werden; warum das nicht? Aber eine regelmäßig abgehaspelte, sich überall ausladende, sich über delikate Punkte auslassende Correspondenz bringt nothwendig den letzten Schimmer von Heiligenschein, bringt alle Illusionen, und mit denselben, mit der Platz greifenden Verständigkeit, die Liebe, oft auch die Hochzeit über Seite. Der Hochzeiten dürfen sich aber doch selbst die Vernunft-Jungfrauen zu keiner Zeit ohne »Bekränkung« entschlagen wollen: daher, wenn ich unmaßgeblich vorschlagen darf, um's Himmels und um der Liebe Willen: nur ja keine abgründliche, immer schlagfertige Correspondenz! – In die Kategorie der widernatürlichen Lebensarten, durch welche bei Frauen die weibliche Divination, Natur und Unbefangenheit gestört und zuletzt die Corruption verschuldet wird, gehören auch die Tagebücher mit der Aufgabe, durch dieselben besser und frömmer zu werden. Solche Proceduren und Experimente führen zur schlimmsten Heuchelei, zu einem Versteckspiel mit dem eigenen Selbst.

Die Schwachheit der Liebhaber buchstabirt sich aus einem schönen Gesicht und Körper Alles zusammen, was sie eben will.

Das Phlegma stellt sich ihnen als Ruhe, die Apathie als Sanftmuth, die Beschränktheit als Einfachheit, die Indolenz als Vornehmheit und Styl und ein unruhiges, närrisches Wesen als Gewecktheit und Munterkeit dar. – Die Dummheit legen sich die Verliebten als edle Herzens-Einfalt, die Maulfaulheit als Schweigsamkeit, den gänzlichen Mangel an Redegabe als Bescheidenheit und Gedankentiefe aus, auch als zukünftige Werktüchtigkeit. Die träge Langsamkeit aller Bewegungen gilt dem verzauberten Liebhaber für majestätische Haltung; die Unfähigkeit, durch eine fremde Persönlichkeit afficirt, überhaupt durch irgend etwas lebhaft interessirt zu werden, scheint Würde und Noblesse, der stupide Eigensinn aber: Consequenz und Charakterfestigkeit zu sein.

Mangel an Erziehung und geselligem Tact wird als Naivetät und Witz, keckliche Dreistigkeit als Unbefangenheit und Geistesgegenwart, Stolz und Dünkel als edles Selbstgefühl oder angeborne Hoheit interpretirt. Unkluge Plauderei darf nichts anderes als Offenherzigkeit, kindisches und läppisches Wesen muß Schelmerei und Kindlichkeit sein, Albernheit wird auf graziöse Tändelei, schnippisches Wesen auf knospige, herbe Jungfräulichkeit, Verliebtheit auf Hingebung, auf glühende Leidenschaft, Koketterie auf den Humor des weiblichen Wesens getauft. Glück auf! rufen die Bergleute einander zu, wenn sie in den Schacht fahren – und auch du, lieber Heiraths-Kandidat, fahre wohl; du wirst ja bald sehen, ob du in einer Gold- oder Silbergrube bist, oder ob du auf Blei und Quecksilber, auf Vitriol und Galmei gräbst – und selbst im Gold- und Silberbergwerk wirst du die Arbeiten mit dem Metall und die Markscheidekunst kennen lernen. Also Courage und Glück auf!

Man kann oft nicht begreifen, wie aus einem schönen, liebenswürdigen und interessanten Mädchen so rasch eine schlumpige, schlaffe, langweilige und ordinaire Frau werden kann. Es ist aber nichts klarer, als eine Metamorphose dieser Art.

Ein hübsches, vigoureuses Mädchen weiß vor allen Dingen, daß sie es ist, und welchen Eindruck sie insbesondere auf alle Mannsleute, respective auf ihren Liebhaber hervorbringt. – Die gemeinen Evas-Listen und Talente werden also durch die Eitelkeit, die pikante Situation und den augenblicklichen Erfolg bis zur Virtuosität erhöht. – Das Bewußtsein der Kleidsamkeit, die natürliche Lebenslust und Dreistigkeit macht witzig: der gesättigte Muthwille, die Bewunderung und jugendliche Lebenskraft produciren Grazie. – Jugend, Schönheit und sinnliches Behagen geben selbst den gewöhnlichsten Lebens-Aeußerungen und Redensarten eine Folie, die das Glas als Edelstein erglänzen läßt.

Wo ist der Menschenkenner und Bräutigam, der aus einem Paar blitzender, junger Mädchen-Augen, oder aus solchen, die im Dufte einer augenblicklichen Herzensrührung schwimmen, den sinnlichen Untergrund und das ordinaire Prinzip herausfindet, welches in einem Augenblick ganz wohl ein poetisches und seelisches sein kann.

Also das Frauenzimmer ist oft von Natur wie ein Schwan ausgestattet; vom Geiste aber nur zwischen diesen noblen Vogel und eine Gans in die Mitte gestellt; und selbst von der Leda ist es historisch-zweifelhaft, ob sie von Zeus in einen Schwan oder in eine Gans verwandelt wurde. So lange die Jugend und das Jugend-Glück dauert, ahmt der Instinct die Bewegungen und Lebensarten des noblen Vogels nach. Mit dem ersten Kindbette, mit den ersten Haussorgen, Krankheiten und Verdrießlichkeiten schwindet der körperliche Liebreiz, der Beifall, die überschäumende Lebenslust; mit diesen Elementen aber auch die Grazie, die Munterkeit und der Witz. Das mißlaunig gewordene Weiblein läßt sich körperlich und geistig gehen; zeigt sich dem satten Herrn Gemahl im körperlichen und geistigen Negligé, und setzt Schnödigkeit oder Gemeinheit, auch affectirte Sentimentalität an Stelle der frühern jungfräulichen Liebenswürdigkeit. – Die etwaigen Talente, Kunstfertigkeiten und feinern Lebensarten werden nun, da die Haupt-Effecte verloren gegangen sind, zur Seite geworfen, die Hefen durch Leidenschaften aufgerührt; mit einem Wort: der ordinaire Vogel producirt sich sans gêne und mit malitiöser Selbstgefälligkeit; Glück auf! wenn er nur eine Gans, kein Geier und keine Nachteule ist!

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