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XII.
Zur vergleichenden Charakteristik der Frauen.

Die Spanierin.

Ich lasse meiner Darstellung einige Bemerkungen anderer Schriftsteller vorausgehen.

»Die spanischen Frauen«, sagt Hubert in seinen Skizzen aus Spanien, »können und dürfen in keiner Hinsicht mit denen des übrigen Europa's verglichen werden. Ihre Vorzüge und ihre Fehler gehen aus einem moralischen, religiösen und gesellschaftlichen Zustande hervor, der in keinem andern Lande seines Gleichen findet.«

»Ohne Plage, ohne Fürsorge wachsen und blühen sie auf dem fruchtbaren Boden Iberiens, wie die Blumen und Früchte dieses glücklichen Landes. Sie genießen keine Erziehung, wenigstens in dem Sinne nicht, welchen wir mit diesem Worte verbinden; – und doch ist ihr Geist so lebendig, und ihr Herz so liebenswürdig, daß ihnen kein Reiz und kein Mittel der Anziehung, welche ihr Geschlecht in andern Ländern durch lange Uebung und Belehrung erwirbt, mangelt. Vorzüglich besitzen sie eine ganz eigenthümliche Anmuth, welche sich in allem ihrem Thun, in ihrer Sprache, in ihren Blicken, ihrem Gange, selbst in ihren Fehlern, kurz in ihrem ganzen Leben ausspricht. Es ist unmöglich, diese Zauberei zu zergliedern oder zu erklären; sie entsteht durch ein gewisses Sichgehenlassen, welches mit Kraftäußerung und Ausdauer verbunden ist. Sie ist ein Lebensüberfluß, eine immerwährende Exaltation, welche zu keiner Zeit und bei keiner Gelegenheit Mäßigung erlaubt, sondern stets zu dem Aeußersten treibt; sei es im Schmerz, in der Frömmigkeit oder in der Gottlosigkeit. Die Spanierin ist ohne falsche Scham, ohne Ziererei, und sie bewährt eine natürliche Selbstverläugnung, eine Nichtachtung des Lebens und jeder Lebens-Gefahr, wie kein anderes Weib.«

»Diese angeborne Kraftäußerung und Ausdauer verläßt die Spanierin auch bei den gewöhnlichsten und gleichgültigsten Gegenständen nicht. Sie ist fest und innig mit ihrem ganzen Sein verwachsen, daß man sie schon am Kinde deutlich erkennt; sie wächst und entwickelt sich mit dem Alter, und ihr muß man das leidenschaftliche Wesen zuschreiben, welches die Spanierin dem geringsten Worte, der kleinsten Bewegung einhaucht, und welches in ihrem Benehmen jene Freiheit, jene Ungezwungenheit, und wenn ich mich so ausdrücken darf, jenes Auslegen der Reize verursacht, welches Frauen anderer Länder nie nachahmen können, ohne Sitte und Anstand zu verletzen.«

»Sonderbar genug wird die eheliche Treue von den Spanierinnen häufig verletzt, die doch in der Liebe untadelige Muster derselben sind.«

»Die Liebe ist das Leben einer Spanierin, der einzige, der wichtigste Zweck und Gegenstand ihres Seins; diese Liebe hat ihre bestimmten Gesetze, ausnahmslose Regeln und strenge Pflichten, deren Uebertretung oder Nichtbeachtung in ihren Augen das schändlichste Verbrechen, ja mehr als Verbrechen ist.« –

Die Männer haben National-Charaktere, die Frauen National-Temperamente. Dr. Guttenstein bezeichnet in seiner Geschichte des spanischen Volkes die letzteren auf folgende Weise: »Ein Stolz, der nach allgemeiner Herrschaft strebt, ein Eigensinn, der nur sich selbst nachgiebt, eine Rachsucht, die alles aufopfert, und eine glühende, rastlos schwärmende Phantasie; dies sind in der That keine liebenswürdigen Eigenschaften. Aber auf der andern Seite ist auch Treue und Anhänglichkeit, Seelenstärke und Heroismus in hohem Grade bei den Spanierinnen zu finden. Alle ihre Empfindungen sind heftig, aber alle tragen ein Gepräge von Kraft und Hoheit, welches unwillkürlich hinreißt. Das Aeußere einer Spanierin ist der Abdruck ihres Charakters. Ihr schöner Wuchs, ihr majestätischer Gang, ihre sonore Stimme, ihr schwarzes, feuriges Auge, die Heftigkeit ihrer Gesticulationen, kurz der Ausdruck ihrer ganzen Persönlichkeit kündet den Charakter an. Ihre Reize entwickeln sich früh, um zeitig zu verwelken, wozu das Klima, die hitzigen Nahrungsmittel und der sinnliche Genuß beitragen. Eine Spanierin von vierzig Jahren scheint noch einmal so alt und ihre ganze Figur zeugt von Uebersättigung und beschleunigtem Alter. Ihre Zähne sind fast immer verdorben, da sie die Dulces oder Zuckerwerk übermäßig zu genießen pflegen.

Der feste Charakter der Spanierin bewahrt sie vor der Veränderlichkeit und ihr Stolz vor Niederträchtigkeiten; aber sie erfüllt jene Tugenden mehr um ihrer selbst als um Anderer willen. Sie ist der erhabensten Gesinnungen, der größten Aufopferungen, der edelsten Handlungen fähig, aber die Motive sind in ihrer Achtung für sich selbst, nicht in ihrer Liebe zu suchen. Sie betrachtet ihren Liebhaber als ihr Eigenthum, als einen Sklaven, der ihr am Herzen liegt, den sie um ihrer selbst willen schont; aber von dem sie auch völlige Hingebung fordert. Die Dienste eines solchen Liebhabers sind äußerst beschwerlich und eine Reihe immerwährender Aufmerksamkeiten. An den Arm seiner Dame gekettet, muß er ihr unaufhörlicher Gesellschafter, ihr beständiger Begleiter sein, und weder der Prado, noch die Messe, noch das Theater kann sie von ihm trennen. Auf ihm liegt die ganze Last ihrer kleinen und großen Bedürfnisse; nie und am wenigsten an Festtagen darf er mit leerer Hand vor ihr erscheinen; ihr leisester Wunsch, ihr flüchtigster Einfall muß ein Befehl für ihn sein; er ist verpflichtet, für ihre Unterhaltung zu sorgen und ihre Launen zu respectieren, mit einem Worte: er ist nichts als die Creatur seiner Schönen, deren glühende Phantasie mit egoistischem Trotze häufig Unmöglichkeiten verlangt.«

Ein Spanisches Blatt (die »Novedades«) skizzirt folgenderweise den Charakter der Französinnen, Engländerinnen und der Deutschen Frauen. »Die Französin – sagt das Journal – heirathet aus Berechnung, die Engländerin, weil es üblich ist, die Deutsche aus Liebe. Die Französin liebt bis zum Ende der Flitterwochen, die Engländerin das ganze Leben, die Deutsche ewig. Die Französin führt ihre Tochter auf den Ball, die Engländerin führt sie in die Kirche, die Deutsche beschäftigt sie in der Küche. Die Französin hat Geist und Phantasie, die Engländerin hat Intelligenz, die Deutsche Gefühl. Die Französin kleidet sich mit Geschmack, die Engländerin geschmacklos, die Deutsche bescheiden. Die Französin plaudert, die Engländerin spricht, die Deutsche urtheilt. Die Französin bietet eine Rose an, eine Dahlia die Engländerin, die Deutsche ein Vergißmeinnicht. Die Ueberlegenheit der Französin liegt in der Zunge, die der Engländerin im Kopfe, die der Deutschen im Herzen. Und die Spanierinnen? O diese – meinen die »Novedades« – können Französinnen, Engländerinnen und Deutschen zum Muster dienen: sie sind Meister in allem, besonders aber um die Beute zu locken und zu ergreifen.«

Mistr. Jameson sagt:

»Bei einigen Frauen ist die Coquetterie ein Instinct; bei andern eine Unterhaltung; bei noch andern ein raffinirter Plan, und bei vielen eine Wissenschaft, die sich erlernt. Bei den Deutschen Frauen ist sie eine Leidenschaft. Sie spielen die Coquetten wie sonst irgend etwas anderes: mit Gemüth, Treue und Begeisterung, ohne daß deshalb die Coquetterie zur Liebe würde.«

* * *

Die Italienerin.

»Von schönen Künsten und Wissenschaften haben diese corsischen Frauen keine Kunde; sie lesen keine Romane; in der Dämmerstunde spielen sie die Zither und singen einen schwermuthsvollen Vocero, eine schöne Todtenklage, die sie vielleicht selber improvisiren. Aber in dem kleinen Kreise ihrer Anschauungen und Gefühle bleibt ihre Seele stark und gesund für die göttliche Natur, keusch und fromm und lebenssicher, und fähig aller Aufopferungen und heroischen Entschlüsse, welche die Poesie der Civilisation als die erhabensten Bilder menschlicher Seelengröße für alle Zeiten aufstellt, wie Antigone und Iphigenia.

Dieses Naturvolk der Corsen kann jeder einzigen heroischen That des Alterthums eine gleiche an die Seite stellen.«

( Corsica von Gregorovius.)

»Die Italienerin hat Talente und Leidenschaften, aber weder Geist, noch Geschmack. Geist nicht, weil sie mehr natürlich und sinnlich, als intelligent ist; Geschmack nicht, weil sie in ihrer Natürlichkeit Form und Convenienz ignorirt.« Aus meiner Schrift: »Der Mensch und die Leute«.)

Es giebt gewisse sanctionirte Faseleien; zu ihnen gehört auch das Schönthun mit der Charakter-Naivetät und Grandiosität der italienischen, und insbesondere der römischen Frauen, da sie den Naturalismus verklären sollen, so wird die nachstehende Interpretation der weiblichen Liebenswürdigkeit Italiens am Orte sein.

Die körperlichen Vorzüge der Italienerin: die dunkeln Augen; die plastischen Formen der Römerin: ihr dreister, naiver und zutreffender Verstand innerhalb der engsten Lebens-Sphäre; die Sicherheit, die Energie und Abrundung des Charakters, welche mit einem beschränkten, sinnlichen, profanen Verstande und Lebenskreise naturnothwendig verknüpft sind. Der Zauber, welcher jede neue Erscheinung und Situation begleitet, ist der Grund all' der Illusionen, welche durch Reise-Phantasieen und Bilder über italienische Frauen verbreitet worden, über welche aber Jeder, der längere Zeit in Italien lebte, die Achseln zuckt, wenn er sich auch selten aufgelegt fühlt, solchen Illusionen entgegen zu treten, die mit jedem neuen Maler, Dichter und ästhetischen Stylisten von neuem erzeugt werden und sich eben so wenig zerstören lassen wie fata morgana in der Wüste, oder Nebel und Dunst auf der Haide. Diese italienischen Weiber haben keine Ahnung von den Gemüthszuständen, von den Seelen-Mysterien einer deutschen Frau; sie kennen keine sittliche oder ästhetische Delicatesse; sie haben keine tiefere Gemüthsbildung, schon weil sie keine Geistesbildung besitzen. Gleichwohl ist manches deutsche Bauermädchen, verglichen mit vielen gebildeten Römerinnen, eine Priesterin der sublimsten Sentimentalität. Die modernen Gelehrten und Künstler sind aber eben von der Gemüthlosigkeit, von dem dreisten, prallen, sinnlich-profanen Verstande der Römerin entzückt. Sie nennen die Rücksichtslosigkeit »antike Majestät«; die Bigotterie und Faulheit und Sorglosigkeit: »praktischen Mystizismus«; die Seelenlosigkeit scheint ihnen eine Seelenkeuschheit zu sein; die krasse Unwissenheit und Bornirtheit gilt ihnen für Naivetät, und die allerdings vorhandene sinnliche Grazie spiegelt ihnen eine Liebenswürdigkeit des Geistes vor, die nimmermehr existirt. –

Es ist etwas vom Fischblut in den römischen Weibern, was durch eine Verspottung der deutschen Sentimentalität zu keinem warmen Herzblut umgewandelt wird. Diese Weiber haben allerdings die schöne Plastik, Gesundheit und Naivetät der Natur, aber auch eine elementare Selbstsucht, Gefühllosigkeit und Beschränktheit, bei der dem durchgeistigten und von Sympathien geschwellten Menschen angst und bange wird. Die Italienerin zeigt die Oekonomie der Natur, die ihre Gebilde aus einem organischen Punkt heraus gestaltet, und sich nur so weit mit der Außenwelt verwickelt, daß sie sich ungeschädigt und ungeschwächt wieder auf ihr individuelles Prinzip zurückziehen kann; aber von deutscher Mitleidenschaft und deutschem Verständniß, von einem beseelten Verstande, von der Fähigkeit, sich zu Menschen und Geschichten hinüber zu fühlen; die Poesie einer Situation zu empfinden: ist bei der gebildetsten und genialsten Römerin vielleicht auf Augenblicke eine Disposition zu finden, aber kein entwickeltes Organ zu erspähen. Die Italienerin kann wie eine lebendig gemachte Antike sein, so einfach, so naiv, so bildschön wie diese; so voll plastischer Grazie und Würde; so keusch, so auf sich selbst, d. h. auf ihren sinnlichen Verstand und ihren natürlichen Stolz gestellt; aber so kalt und seelenlos, wie Marmor und Erz. – Diese Natur der Römerin zeigt auch darin ein heidnisch-klassisches Prinzip, daß sie durchaus keinen Ueberschuß von Geist und Seele leidet; sondern jede Empfindung und Gedankenkraft in dem Augenblick, wo sie transscendental werden will, mit der natürlichen Basis aufsaugt. Die Römerin ist daher nie in Schmerz und Freude, in unbestimmtes Sehnen, in Hangen und Bangen aufgelöst. Sie ist vielleicht in keinem Augenblick ihrer Liebe ein sentimentales Klärchen »in schwebender Pein«, sie ist nicht »freudvoll und leidvoll«, aber » gedankenvoll« zu sein, ist noch weniger ihre Sache; oder ihre Gedanken sind verzweifelt egoistisch und profan. –

Der Italiener respectirt keine Logik, keine zwingenden Beweisgründe; er ist ganz und gar Augenblicksmensch und Naturalist, der seine Sympathieen, Antipathieen und Interessen für die letzten Gründe ansieht. Wenn man ihn mit Vernunft-Gründen oder Thatsachen in die Enge treibt, so schneidet er den Disput durch die Redensart ab: »Sprechen wir nicht weiter davon.«

Die Weiber sind aber in dieser Naturgeschichte noch barbarischer und unvernünftiger als die Männer. Mit ihnen läßt sich über kein Thema raisonniren: und je größer ihr Irrthum, ihre Thorheit, desto leidenschaftlicher und sinnloser vertheidigen sie Unrecht und Unverstand.

Eine italienische Mutter ist eine solche zumeist nur im physischen Begriff. Daß sie ihr Kind als sittliches Wesen zu behandeln und zu bilden habe, kommt ihr gar nicht in den Sinn. Eine deutsche Frau und Mutter fühlt, diesen italienischen Weibern gegenüber, so viel heraus, daß ihnen keine deutsche Seele und Zärtlichkeit und keine Hingebung für ihr Kind in allen Augenblicken innewohnt. – Für eine Frau, der das Kind gestorben ist, kochen die Freundinnen vor allen Dingen eine Fleischbrühe zur Stärkung; so werden die Mysterien des Schmerzes verstanden und geheilt. Lobt man des Kindes Schönheit, so schmeichelt das der mütterlichen Eitelkeit; spricht man aber von den Eigenschaften des kleinen Menschen, so hört die Dame nicht hin oder bemerkt höchstens: die Range sei impertinent oder » cattivo«; oft äußert sie sich so lieblos und profan, wie wenn sie gar nicht die Mutter wäre.

Um bequemer die kleinen Kinder handhaben zu können, werden ihnen auch die Aermchen und Hände eingeschnürt, und solcher Gestalt Kinder von einem Jahre jämmerlich malträtirt; nicht selten wie todte Sachen über Seite gelegt; dann wieder in horizontaler Lage (den Kopf nach hinten hinaus) unter den Arm geklemmt, fortgetragen wie ein Actenstück oder Packet. – Kinder am Gängelbande werden nicht nur von ihren Wärterinnen, sondern auch von ihren Müttern, wenn sie sich im Eifer des Gesprächs herumwenden, an dem Bande so plötzlich von einer Seite zur andern geschleudert, wie man es in Deutschland mit keinem jungen Hunde thun würde. – Die kleinen Kinder werden auch schlechtweg » Kreaturen« genannt. – Der Mangel an Respect vor der Menschen-Person giebt sich aber nicht nur in der Mißhandlung der kleinen Kinder, sondern im Theater, wie bei Begräbnissen und überall kund. – Wer's bezahlen kann, thut Mädchen vom siebenten bis zum sechzehnten Lebensjahre in ein klösterliches Pensionat.

* * *

Ein paar Striche zur Physiognomie der russischen Frauen.

Die Frau des russischen Volkes ist, ähnlich ihrer Ehehälfte, niemals scrupulös im Punkte der Reinlichkeit. – Die Nothwendigkeit, sich gegen Kälte und jähen Witterungs-Wechsel abzusperren, die Schwierigkeit, im Winter Wäsche zu besorgen, mag die russische Unreinlichkeit erklären, aber die Erklärungen ändern diesmal die Thatsache nicht: daß die im Klima begründete Unsauberkeit ein russisches Erbübel geworden ist. Im Uebrigen kann man den russischen Volks-Weibern viel Gutes nachsagen. Sie sind zärtliche Mütter, wie die Männer zärtliche Väter, und helfen ihrem Mann im Geschäft, falls sie Kaufmanns- oder Bauerfrauen sind. Es fehlt ihnen nicht an natürlicher Gutmüthigkeit, an einer behäbigen, gemüthlichen Art und Weise, an Gastfreundlichkeit und an derjenigen Liebenswürdigkeit, die aus einer allgemeinen Sanftmuth des Charakters entspringt. – Das gemeine russische Volk zeichnet sich durch eine Weichheit und Zärtlichkeit für Kinder und Thiere aus, die in einer gewissen Indolenz und Formlosigkeit des Charakters begründet ist. Die betrunkenen Exemplare umarmen sich wie in Polen; aber mit diesem » weichen Hindu-Charakter« verbindet sich nicht nur Fuchslist, Stupidität, Charakterfeigheit, Mangel an Gewissen und an Ehrgefühl, sondern auch gelegentliche Gefühllosigkeit und eine Grausamkeit, welche ohne Leidenschaft ausgeübt wird. Der Corse bezahlt Beleidigung mit Mord und Todtschlag. Der Russe hat etwas vom Eisbären und vom Fisch. Die russischen und litthauischen Bauern, die Kosaken brachten die halbtodten Franzosen mit einer schauerlich harmlosen Geschäftigkeit und Gemüthsruhe um's Leben; so etwa, wie man Ungeziefer beseitigt; und die Weiber, die zärtlichen Mütter und Freundinnen halfen gelegentlich mit. Was unter Umständen von der sanften Hindu-Natur zu erwarten steht, haben die jüngsten Ereignisse im englischen Indien dargethan; und der russischen Volks-Weichheit oder Kosaken-Melancholie möchte ich weder unter allen Umständen mein Leben noch mein Eigenthum anvertrauen. Wo aber die Männer keine sittlichen Garantieen gewähren, darf man diese wahrlich nicht bei den Weibern vermuthen. Barbarisch bleibt barbarisch; ein sanftes Thier ist immer noch ein Thier; halbbarbarisch und halbthierisch ist vollends eine verzwickte Humanität und eine verzweifelte Cultur.

Was die gebildeten Frauen anbetrifft, so tritt an ihnen, außer der russischen Physiognomielosigkeit und listigen Diplomatie, ein Mangel an Phantasie und Lebenswärme, der Mangel eines prononcirten Temperaments, eine Herzenskälte, Convenienz und Undurchdringlichkeit heraus, durch welche die weibliche Natur aller Blüthen und lebendigen Liebreize beraubt werden muß. Man kann eben so selten an den russischen Frauen, als an ihren Männern herausfühlen: ob sie phlegmatisch, sanguinisch, cholerisch oder melancholisch sind. – Aber das fühlt man den Gebildeten an, daß ihr Verstand alle Leidenschaften und Temperamente beherrscht. Die russische Natur erzeugt, mit der französischen Erziehungs-Chablone und Tournüre, bei Männern und Frauen ein Fabrikat von Bildung und Hoffart, welches noch viel unheimlicher, todter und widernatürlicher ist, als die Prüderie der englischen Frauen oder die plaudernde Oberflächlichkeit und Leichtfertigkeit der Französinnen. In den Bürgerständen giebt es weibliche Charaktere, die um ihrer Naivetät willen originell erscheinen.

* * *

Zur vergleichenden Charakteristik der Frauen.

»Auch ich genoß die Gunst des Schicksals, eine schöne vornehme Albionstochter auf der Ueberfahrt nach Alexandrien und Malta verstohlen in's Auge zu fassen. Sie war eine von den hohen, schlanken, in Musselinfalbles, in Ascetik und Fashion verklärten Gestalten, wie sie nur das aristokratisch-puritanische, hochmüthig-philantropische vaterlandsstolz herum vagabondirende England producirt. Die junge Dame debütirte eine stolze Juno, eine spröde Diana in sublimirter Potenz, und sie war in der That eine Venus, wenngleich ohne Ueppigkeit und etwas in's Englische übersetzt. Sie hatte schmale Hände, schmale Füßchen und weiße Zähne wie ein Bauernmädchen. Ihrem großen, schön bewimperten Auge mit mysteriösem Auf- und Niederschlag und einem leisen Anflug von Schwärmerei fehlte nichts weiter als eine demokratische Seele und warmes Licht für den, der mit ihr sprach. Die leise wohltönende Stimme widersprach der Prüderie dieser Dame nur darum nicht, weil aus dem weichen Tone mehr die vollkommene physische Organisation als ein weiches und naives Gemüth herauszuhören war. Ohne Zweifel conservirte die Treffliche für ihren zukünftigen Gemahl alles das, was sie an Liebenswürdigkeit und Grazie einstweilen Jedermann vorenthielt.«

( Der Mensch und die Leute von Bogumil Goltz.)

Die Italienerin hat eine zu starke, die Engländerin eine zu schwächliche und dürftige Natur, welche durch ein Erbe von Förmlichkeiten der Energieen und Divinationen der Leidenschaft quitt gegangen zu sein scheint. Die Italienerin ist zu naiv und unwissend, um gefühlvoll, herzensdelicat, oder gar geistreich zu sein; die Engländerin aber lernt und grübelt so viel, daß sie ihren Herzensinstinct irre macht, daß sie den unmittelbaren Rapport zwischen Sinnlichkeit und Geist verliert und einen Bruch zwischen diesen Lebensfactoren herbeiführt, bei dem die Grazie und Harmonie des weiblichen Wesens unmöglich in die Erscheinung treten kann.

Die Italienerin ist rücksichtslos und egoistisch mit plastischer Naivetät: sie zeigt, wo sie auf Widerstand trifft, einen klassischen Heroismus, der dem Ehemann sehr unbequem zu werden pflegt.

Die italienische Weiblichkeit kann in England und Deutschland für Männlichkeit passiren; die Französin ist ebenfalls eine Männin, nicht nur mit Esprit, sondern auch mit einer Geschäftigkeit und Nachdrücklichkeit, welche die französischen Männer verzweifelt geniren müßte, wenn sie eben rechte Männer wären. – Von der Italienerin kann man dagegen sagen, daß sie dem männlichen Geschlecht durch Nichtsthun die italienischen Gerechtsame beeinträchtigen darf. Die Französin menagirt und conservirt sich besser als die Frauen in Italien und vollends in Spanien, aber nur: weil ihr wenig plastische und divinatorische Natürlichkeiten zu verwalten übrig geblieben sind. Das bischen Leidenschaft an einer Französin wird mit Convenienz, Lectüre, Komödien, Reminiscenzen und blasirtem Esprit so stark durchsetzt, wie der französische Tischwein mit Wasser, oder die französische Bouillon mit Weißbrod und Kraut.

Ueber die Französin ist bereits so viel raisonnirt und phantasirt. Man hat sie nicht nur vom Kopf bis zu den Füßen und den hüpfenden kleinen Schritten, von der coquettgeschmackvollen Coiffüre, bis zu der elegantesten Chaussure beschrieben, sondern auch Dinge hinzugedichtet, die eben nur möglich, aber lächerlich selten in Wirklichkeit vorhanden sind. Grisetten, wie die » Lachtaube« in Sue's Mysterien, mag es gegeben haben, aber sie sind heute unendlich rarer als die Urbilder einer » Agnes von Lilien« oder einer Ottilie in Goethe's Wahlverwandtschaften, als eine Friederike von Sesenheim, Faust's Gretchen oder das Käthchen von Heilbronn! – Die » Madelons« der deutschen Novellisten und photographirenden Ethnographen sind prächtig gedichtet; aber man merkt ihnen doch zu sehr den deutschen Vater an.

Die tiefste Französin kann nicht die französische Flachheit, die Natürlichste nicht die nationale Unnatur, die Solideste nicht die gallische Wetterwendigkeit und Chamäleons-Natur verläugnen. Die Französinnen haben ihre Lebens-Rolle ein wenig mit den Männern vertauscht; sie helfen ihnen mit männlichem Geschick und Verstande im Geschäft; sie sind dafür auch desto schlechtere Mütter. Die heiligsten Mysterien der Mutterschaft und des Familienlebens vertragen sich mit dem männlichen Thun und Treiben nimmermehr. Die Französinnen zeigen viele Accente des Charakters, viele Präcisionen und Energieen des Verstandes, welche einer deutschen Frau nicht eigen sind und sogar den französischen Männern im Werktagsleben gebrechen: aber diese Emphase der Französin, die Zuspitzung ihrer Empfindungen und Begriffe, ihre kaltdestillirte Begeisterung, die in Phrasen explodirt und Stellungen vor dem Spiegel probirt; ihre Occupation des Haus-Regiments, ihr vorherrschend actives Wesen, ihre Initiativen und Intriguen in den delicatesten Verhältnissen, verschulden eben ihre weibliche Unnatur. Der Esprit und die Grazie einer Französin, ihre simulirte, ostensible, auf Stelzen gehende und declamatorische Leidenschaft ist dem deutschen Manne so unerträglich als die klassisch französische Tragödie. Im besten Falle fehlt der Französin das Mittelglied zwischen Sinnlichkeit und Geist: die gebildete Seele, es fehlen ihr das deutsche Gewissen und das deutsche Gemüth.

Die Spanierin manifestirt eine tiefere Leidenschaft und Geisteskraft, einen edlern Stolz nicht nur als die Französin, sondern als die Italienerin. Ihre Intentionen sind feuriger, phantasievoller, kühner und viel schärfer accentuirt, als dies die geistlose Sinnlichkeit der italienischen Frauen erlaubt, welche mit Trägheit und Indolenz gepaart ist, der man es gleichwohl anfühlt, daß sie jeden Augenblick in die schlimmsten Paroxysmen des cholerischen Temperaments umschlagen kann. –

Die Spanierin bekundet in allem Thun und Lassen, bis in die unwillkürlichsten Lebensäußerungen hinein, den originell und großartig ausgeprägten, den überlegenen und romantischen Genius des ganzen Volksstammes, dem sie angehört; aber ihrer Charakter-Energie fehlt die Sanftmuth, die weibliche Milde. Bei beiden Geschlechtern steht eine glühende phantasiereiche Sinnlichkeit einem feurig enthusiastischen Geiste ohne die Vermittlung einer gebildeten Seele gegenüber.

Den Gemälden der spanischen Schule, an denen alle Meister geniale Auffassung, Styl, Kraft und Charakter-Ausdruck bewundern, fehlen häufig die Mitteltinten; die Farben sind meist hart, opak, ohne Schmelz und Durchsichtigkeit. In dieser Malerei spiegelt sich nicht nur der Charakter der spanischen Männer, sondern ihrer Frauen. Sie fühlen ihre Liebe und die des Mannes mehr in der Herrschaft, in der Tyrannei, welche sie ausüben dürfen, als in einer solchen Eingebung, welche sich alle Augenblicke in tausend kleinen freudigen Selbstverläugnungen bewährt. Die Spanierin hat kein Gemüth im Sinne der deutschen Frauen; Herzens-Weichheit gilt ihr für elende Schwäche, für Feigheit und Nichtswürdigkeit. Ihre Tugenden leiden, wie die der Männer, an einer Ueberkraft, die weder in Künsten noch in Wissenschaften eine Ableitung, eine Milderung und Ausgestaltung erfährt. Ihre eingesperrte Naturkraft verzehrt sich in unbändigen Leidenschaften, in stiller Melancholie, in übertriebenen Ideen; oder sie explodirt von einem bloßen Funken bei der unrechten Gelegenheit, ohne an der Kritik, am Geschmack und gebildeten Geiste ein Gegengewicht zu haben. Die spanischen Frauen wissen zu herrschen, zu imponiren, aber nicht zu dienen; sie wissen sich zu opfern, aber sie bringen dies Opfer weniger dem geliebten Gegenstande, als ihren unbändigen Leidenschaften und einem Stolze, welcher ohne den Einfluß einer natürlichen Herzens-Güte in Wahnsinn ausarten und durch Charakter-Consequenz zu verbrechen führen muß.

Ohne Demuth entartet die Kraft des Weibes zur Dämonie. Demuth ist in Deutschland ein Product der Race und Erziehung; und wie sie an deutschen Männern zu einer Unmännlichkeit und Niederträchtigkeit ausarten kann, so ist sie an den deutschen Frauen eine nirgend so wiederzufindende Zierde und Liebenswürdigkeit. Mit ihr in Harmonie steht die Sinnigkeit deutscher Frauen: als eine Versöhnung von Geist und Einbildungskraft, als eine Neutralisation von Seele und Verstand, von Tiefsinn und Mutterwitz, wie sie ebenfalls nur aus den Factoren der deutschen Schulbildung und der deutschen Naturtiefe hervorwachsen kann.

Die Polin ist ein echtes Weib, mit einem zärtlichen Herzen, mit einer unverkümmerten und doch gezähmten, veredelten Natur; mit einer sich aufopfernden Leidenschaft. Sie besitzt die ästhetischen Talente, die Grazie und den Heroismus, welchen man der Spanierin zuschreibt; ganz entschieden aber die italienische Ungenirtheit und Naivetät, ohne die südliche Selbstsucht, Trägheit und Rücksichtslosigkeit. Die Polin bewährt bei vielen Gelegenheiten die delicate Mitleidenschaft, den vollbeseelten, aber leider nicht den sittlich gebildeten Geist einer deutschen Frau! Nicht ihre natürliche Solidität und Schamhaftigkeit, nicht die deutsche Ordnungsliebe und symbolisch gewordene Säuberlichkeit, nicht die deutsche, gleichmäßig sorgfältige Arbeitsamkeit, nicht die religiöse Gewissenhaftigkeit und resignirte Bescheidenheit, welche unsere Frauen schmücken.

Die Schaumünzen der Tugend findet man nicht nur im civilisirten Süden, sondern unter Türken und Tartaren; das deutsche Tugend-Capital ist aber in Goldstücken und zugleich in Courant ausgeprägt. Die Frauen haben freilich, verglichen mit den Männern, viel angeschmutzte Tugend-Münze im Vertrieb; aber nur die deutsche Frau und die Engländerin haben sogar blanke Pfennigstücke bei der Hand!

Unter den deutschen Frauen findet sich das Wunder der Schöpfung in der sublimsten Potenz: eine Versöhnung, ein Wechselhauch von Natur und Geist, durch das Erbe von ungezählten Generationen in vielen Jahrhunderten bewirkt; eine Harmonie von Sinnlichkeit und Vernunft, von Seele und Verstand: concentrirt in einem Herzen und verklärt in einem Gemüth, in welchem die wilde Natur ihre List und Selbstsucht, wie ihre Gewaltthätigkeit verloren, der Geist aber seinen schroffen Schematismus zu einer milden, flüssigen und graziösen Lebensart abgewandelt hat. – Ich lasse hier aus meiner Schrift: » der Mensch und die Leute« eine Skizze zur Charakteristik der polnischen Frauen folgen:

» Das Damen-Genre« aristokratischer Polinnen besteht in einer halb natürlichen, halb affectirten, etwas lasciven Grazie, deren Element weniger der französische Esprit, als vielmehr ein phantastisches, melancholisch-sanguinisches Pathos zu sein scheint, welches nur auf Augenblicke effectiv plastisch wird, sich aber dann in einem einzigen Blick und Seufzer, in einer Geberde, als ein Dahinschmachten und Aufgelöstsein von idealen Affecten, als eine liebreizende Pathologie des Geistes, als eine gestaltlose Schwärmerei kund giebt, der man aber anfühlt, daß sie sich jeden Augenblick in eine vom Wirbel bis zur Zeh geharnischte Leidenschaft umwandeln kann.

Die Trägerinnen dieser höchst complicirten, sinnlich-mystischen Grazie besitzen alle körperlichen Mittel, mit welchen eine solche Virtuosität für die Männer wirksam in Scene gesetzt werden muß: Fein modellirte, höchst bewegliche Gesichtszüge, die mit unglaublicher Leichtigkeit und Präcision, ja mit einem künstlerischen Witz die leisesten Schattirungen wechselnder Seelenstimmungen malen; ein Mienenspiel, welches jeden Affect, von der tiefsten bis zur höchsten Note mit Blitzesschnelligkeit ausmeißelt, oder andeutend telegraphirt; eine weiche, melodiöse Stimme, von der dieses metamorphosenreiche Geberdenspiel vollkommen secundirt wird. Diese polnischen Frauen verfügen über ein Organ, welches der Furien- wie der Sirenentöne gleich mächtig, und einer so musikalischen Aussprache der consonantenreichen polnischen Worte fähig ist, daß ihre natürliche und sonore Kraft zur französischen Delicatesse, zum italienischen Wohlklange abgewandelt wird.

Diese Spanierinnen des Nordens haben dunkle, schön bewimperte, schmachtende, liebetrunkene, feuchtverklärte Augen, welche sie in italienische, arabische und alle andern Augen umzuwandeln vermögen, und mit denen sie eben so leicht Guido Reni's Magdalenen portraitiren können, als racheschnaubende Medäen, als Aspasien, Heloisen oder Chlorinden.

Endlich gehört zu ihren originellsten und hinreißendsten Schönheiten: ein weicher, schmiegsamer und biegsamer Wuchs, von jener mittleren Größe und Constitution, welche die Eleganz dictirt; ein Wuchs, der durch keinen Schnürleib versteift und verstärkt wird, vielmehr in der Bekleidung köstlicher Seiden-Roben eine Taille von reizender Feinheit bildet, an welcher die leiseste Bewegung eine lebengeschwellte und graziöse werden muß.

Denkt man sich zu diesen Leibes-Waffen einer polnischen Eva noch eine zierliche, weiße, weiche, selbst bei den Hausfrauen noch im spätern Alter durch Handschuhe und durch Nichtsthun conservirte Hand, einen kleinen, schmalen, hochgesattelten Fuß, eine hervorspringende Hacke, in einem Warschauer weißen Atlasschuh, der, ohne Hackenleder gemacht und wie ein Strumpf angezogen, kaum in Paris so vollkommen dem Fuß anschließend und kleidsam fabricirt wird: so kann man sich wohl erklären, daß die so schon lebhaften, stattlich polnischen Männer sich, diesen verführerischen Frauenbildern gegenüber, nicht nur zu einer conventionellen Galanterie aufgelegt, sondern sehr oft zu einer Ritterlichkeit begeistert, zu einer Leidenschaft fortgerissen fühlen, die schwerlich noch in einem andern Lande als in Spanien heut zu Tage ihres Gleichen findet; und so geschieht es, daß diese Polen sehr oft noch als bejahrte Ehemänner im Dienste ihrer eignen Ehefrauen ein Musterbild von Courtoisie und Aufmerksamkeit sind. Daß dieser ritterlichen Galanterie aber eine musterwürdige Treue oder sonstige Solidität zum Grunde liegt, soll hiermit nicht erhärtet sein.«

* * *

Die Grazie der Polin hat einen Anhauch von schwärmerischer Hingebung und Schwermüthigkeit, welche weder der Französin noch der Italienerin oder gar der Russin eigen zu sein pflegt.

Die Grazie der Römerin ist plastisch, naiv, bequem und negligent; die Venetianerin zeigt hier wie überall eine elegante und zierliche Modification. Die Grazie der Spanierin setzt sich spannkräftig, feurig, stolz und genial in Scene; ist initiativ und emphatisch, aber mit Majestät und ohne gemeine Coquetterie.

Die Französin giebt sich, wie in allen Lebensarten, so auch in der Grazie witzig, pikant, coquett mit prononcirtem Esprit, zierlich elegant und gewandt, wie die Damen in Venedig und Florenz; aber ohne das Lüstre der Phantasie, welche in Italien die Folie zu bilden pflegt. Die Russin des Volkes verräth so wenig natürliche Grazie wie das männliche Geschlecht. Die russische Dame kann im Allgemeinen nur als ein Phantom der französischen Bildung gelten, wenn gleich mit mehr Charakter, Tiefe und Urtheilskraft, aber auch mit weniger Esprit, Originalität, Witz und Liebenswürdigkeit. Die Grazie der Polin ist durch leidenschaftliches und phantastisches Colorit der italienischen Weise verwandt, nähert sich aber zugleich der deutschen Lebensart und Intention durch einen Charakter von elegischer Sentimentalität, zu der aber noch ein lascives Ermatten höchst effectvoll affectirt wird, welches glücklicherweise nur ausnahmsweise in Deutschland prakticirt wird.

Das Bildungs- und Lebens-Princip der Französin besteht mehr in einem conventionellen Verstande als in einer tiefen Natur und zeigt wiederum mehr sinnliches Naturell, als gebildete Seele oder natürliche Inspiration.

Die gebildete Russin hält noch weniger von Natur und Gemüth als die Französin; und die allzunatürliche Italienerin, wie die inspirirte Spanierin kommen darin mit Russinnen und Französinnen überein: daß es nichts Lächerlicheres und Abgeschmackteres giebt, als die Sentimentalität deutscher Frauen. In Bezug auf den Vorwurf der Empfindsamkeit, welcher nicht nur im Auslande gedankenlos und ohne Gefühl nachgeplaudert, sondern auch im Vaterlande so oft erhoben wird, als irgend ein Literat seine vermeintlich gesunde Welt-Anschauung und Männlichkeit vor dem Publiko erhärten will, sei noch gleichnißweise ein Wort gesagt.

* * *

»Empfindung ist häufig Sentimentalität, d. h. Empfindung ohne Gegenstand, oder ohne großen Gegenstand. Vermeinte Sinnigkeit bedeutet oft die Abwesenheit der Sinne, und jene kühle, nur deutschen Mädchen eigentümliche Schwermuth, welche aus dem dunkeln Bewußtsein geistiger Kraftlosigkeit kommt. – Durch den Blumenflor aller weiblichen Tugenden schleicht sich die Prüderie. Es ist viel Schwächliches, viel Abgestandenes in dem blaßblonden Geschlechte Thusnelda's.«

( Kürnberger's Amerika-Müder.)

Es zeigen sich Unterschiede bei den Frauen, nicht nur wie zwischen Wasser und Wein, sondern wie zwischen Wasser aus einem Fluß und einem Brunnen. Zum Gedeihen der Pflanzen sind die Wasser, welche unmittelbar vom Himmel kommen, die besten; aber wenn das weiche Regenwasser, indem es sich durch die Erd-Schichten und Höhlen filtrirt, endlich als hartes Quell-Wasser erscheint, hat es den mineralischen Geschmack, also die irdischen Elemente angenommen, durch die es dem Erden-Menschen am trinkbarsten wird. So müssen auch die weichgeschaffenen und ideal gearteten Frauen-Gemüther, durch den mannigfaltigsten und speziellsten Verkehr mit dem wirklichen Leben, ihren Weich-Wasser-Geschmack verlieren, wenn sie der praktische Weltmensch genießbar finden soll. – Die Gesundbrunnen bestehen freilich alle aus mineralischen Wassern; aber zu gewissen Medikamenten, zu chemischen Prozessen und elementaren Verbindungen ist das destillirte und das weichste Wasser das allein brauchbare: und so ist auch gewiß, daß man nur mit himmlisch reinen und weichen Frauen-Gemüthern die Mysterien des idealen Lebens, die Schmerzen und Freuden der Seele austauschen, daß man nur mit ihnen in den Himmel der Freundschaft und Liebe eingehen kann.

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»Verhöhne die deutsche Frauen-Sentimentalität mit und ohne Affectation, wer da wolle; ich für mein Theil habe die Erfahrung gemacht, daß deutsche Empfindung bis an's Ende des Lebens aushalten, daß die deutsche Ehe eine Vergeistigung und Veredlung der bräutlichen Liebe werden kann; daß mit der deutschen Sentimentalität, das wahrhaftigste und intensivste Seelenleben, eine unwandelbare Treue, eine transscendentale und immanente Kraft des Gemüthes getraut sein kann.

Ich halte daran fest, daß der wahrhafte Mann, daß der schwer zu lösende Geist des deutschen Mannes eben ein deutsches Weib mit leicht gelöster Seele braucht; und daß es die weibischen, verschwiegen sentimentalen Mannsbilder sind, welchen die männlich geartete, antik-naive, die sinnlich verständige, plastisch-keckliche Römerin convenirt und imponirt. – Ein Mann mit prononcirt männlichem Charakter fühlt sich nur durch ein Weib mit entschiedener Weiblichkeit ergänzt und beglückt!«

( Der Mensch und die Leute von B. Goltz.)

Nur in einer deutschen Frauen-Seele haben alle heiligsten Sympathien Himmels und der Erden, haben die duftigsten Blüthen, die Mysterien der Liebe, der Sittlichkeit, der Poesie und Religion ihren lebendigen Schoß und Schooß. Nur ein deutsches, in ihrer Seele durchgebildetes Weib, bewahrt und bewährt in allen Wechseln des Geschicks, auf allen Altersstufen und in allen Augenblicken ihres Lebens: eine unermüdliche, keinem Manne je ganz faßliche, sich in Opfern verwirklichende Mitleidenschaft, die sich in der Ehe zu einer immerwährenden Hingebung, zu einer übermenschlichen Selbstverläugnung, zu einer Blumen-Verduftung der Seele, zu einer himmlischen Liebenswürdigkeit verklärt. Liebe und Ehe sind in Frankreich, in Italien, in Rußland und fast in allen Ländern der Welt sehr oft nur ein Geschäfts-Appendix und Geschäfts-Comfort für die Männer; eine Bedingung des Lebensunterhalts für beide Contrahenten. Im besseren Falle darf die Heirath für das Product einer oberflächlichen Neigung, einer sinnlichen Liebe, oder eines sittlichen Instinctes gelten, welcher dem Manne sagt, daß ihn die Junggesellen-Wirthschaft körperlich und geistig ruinirt; dessen nicht zu gedenken, daß sie kostspieliger als die eheliche Lebensart ist. Die Aristokratie giebt, außer einigen von den genannten Gründen, bei Heirathen auch noch der Nothwendigkeit Raum: mit Ehren Leibes-Erben und zugleich eine anständige Maske zu haben, hinter der ein Cavalier seinen Libertinagen, besonders bei Ehefrauen nachgehen darf. Nur in England und Deutschland finden wir eine Geschlechts-Liebe, in welcher sich Sinnlichkeit und Natur bis zur Lebens-Poesie, zur Natur-Religion, zur höchsten irdischen Glückseligkeit verklären und erhöhen; und nur aus einer deutschen Liebe vermag eine Ehe zu erwachsen, durch welche dem Idealismus des Herzens ein Körper zugebildet wird. Nur eine Ehe, in welcher sich Vernunft und Herz zu einer absoluten Lebensart gegattet haben, kann das reelle Centrum aller Lebens-Mysterien, die Incarnation des Staates wie der Kirche, die Wurzel und der Wipfel aller Weltgeschichten, das Herz der menschlichen Cultur-Prozesse sein!

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