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IX.
Zur Apologie der Frauen.

»Der Mann erblickt in der Geliebten eine irdische und überirdische Gestalt zugleich. Sein Verstand erkennt in ihr ein schwaches Weib und ein einfältiges Mädchen; aber der heilige Instinct seiner Liebe begreift auch in dem Weibe seines Herzens eine Heroin der Leidenschaft, eine Prophetin, die ihm das Geheimniß der Natur, einen Genius, der ihm die Menschheit dolmetscht und nahe bringt. In jedem Augenblick erscheint sie ihm das Begreiflichste und Unbegreiflichste in der Welt; so heimisch vertraut, wie der helle Tag, und so geisterfremd, so sphärenweit entrückt, wie der Nachthimmel in seiner Sternen-Majestät.«

»Der Mann verleugnet dieses Weib in Augenblicken, aber er giebt sich gleichwohl ihrem Genius hin. Er hadert mit ihr um ein Kleines und opfert ihr doch Alles, was er ist und kann. Er belehrt sie in klugen Worten und lernt von ihr die klügere Lebensart und eine Geistesgegenwart in Sitte und Scham. Er bringt ihr die Schulvernunft zu und borgt von ihr die Schönheit der Seele, die Mysterien des Herzens, den Humor der Liebe, den göttlichen Tiefsinn der Naivetät, das fromme Gewissen und den keuschen Sinn. Er schmält mit der Geliebten um eine Willkür, eine Caprice, um eine kleine Unwahrheit, eine Unregelmäßigkeit oder Inconsequenz; und wenn er die gescholtenen Schwachheiten verlieren soll, so bekennt er sie als eben so viele Mächte über sein Herz; als eben so viele Weiblichkeiten und Liebreize, als die schlagenden Pulse der Grazie, des Liebeszaubers und der Ehe; das sind die Mysterien der natürlichen und himmlischen Oekonomie, der Gegenseitigkeit zwischen Mann und Weib!«

( Der Mensch und die Leute, von Bogumil Goltz.)

Die Frauen zeigen alle Liebenswürdigkeiten und Schrecken der elementaren Natur. Sie sind divinatorisch, phantasiereich, naiv, bildkräftig, erfinderisch, witzig, graziös; aber zugleich wetterwendig, farbenwechselnd und in Augenblicken so egoistisch, verhüllend, listig, unwahr und unbarmherzig als die Natur, als die Sinnlichkeit, welche in ihren Metamorphosen ein Ringen nach Einheit und Ruhe, nach dem vernünftigen Geiste darlegt, den sie erst im Manne erlangt. Aber dieser Mann würde nur ein Abstractum des vernünftigen Geistes auf Erden bleiben, wenn ihm nicht die eingefleischte Natur in Gestalt des Weibes zur lebendigen Hälfte gegeben wäre; wenn ihm dieser weibliche Mensch nicht alle die elementaren Kräfte zubrächte, welche die Charakter-Härten des Mannes auflösen, wie die sanft gerundeten, weichen Körper-Formen des Weibes dem in Facetten geschliffenen Muskelbau des Mannes entsprechen, wie die graziösen verschmelzenden Bewegungen der Evas-Töchter die eckigen, gradlinigen und hastigen des Adams-Sohnes ergänzen: so bildet erst des Weibes Seele und Wesen mit ihres Gatten und Gebieters Geist ein ganzes, heiles und schönes Menschenthum. Das schmiegsame, biegsame, zärtliche und schwache Weib soll sich an dem starken, sturen und steilen Mann wie eine Rebe an der Eiche aufranken; sie soll seinem gewaltthätigen, geradefort hastenden Willen mit natürlichen Listen und Winkelzügen eine Artikulation beibringen: sie soll die Knoten mit geschickten Fingern und liebenswürdiger Dialektik aufzulösen verstehen, die der ungeduldige, keiner zufälligen Hülfe zugängliche Ritter der Wahrheit und Geradheit mit der Schärfe des Schwertes jedesmal auseinander hauen will. Wenn also dem übersichtig gewordenen Vernunft-Großhändler ein herzliches Verständniß und Geschick für alles Kleinste und Zufälligste, und für jede Detail-Tugend abhanden kommen will, so ist es das Weib, welches diesen widernatürlichen Mangel wohlthuend ersetzt.

Und dann wieder sehen wir dasselbe Weib, wie es dem von Schul-Formen, von zu viel Künsten und Wissenschaften zermürbten und entseelten Mann eine elementare Kraft und Seele, wie sie ihm ein Glauben und Lieben einflößt, ihn zu schöner Sitte, zu milden Lebensarten erzieht, ihm Religion und Gottes-Instinct in's vertrocknende und vernunft-stolze Herz zu pflanzen versucht. Daß es noch eine Sitte und einen Gottesdienst, daß es Liebe und Glauben auf Erden giebt, verdanken wir schwerlich den Gelehrten, wohl aber den Frauen und dem Volk.

Wir tragen die natürlichen Elemente in uns, sie configuriren sich als unser Fleisch, sie prozessiren in unseren Sinnen, in unserm Herzblut; und so wohnt auch die Liebe, die Wahlverwandtschaft zum Weibe in uns; sie ist die andere Hälfte unseres Wesens und Lebens durch und durch, wir brauchen das Weib, wie die Elemente, wie Luft und Licht. Die Frauen müssen das Strenge in uns milde, das Harte flüssig machen: sie müssen Seele in unsern Verstand gießen, sie müssen uns inspiriren, mit dem Odem der Liebe durchhauchen, die Schulperücke in natürliche Locken verwandeln; uns in die Arme schließen, uns erwärmen, zu Menschen machen, wenn wir Pedanten, Schulfüchse, Actenmenschen, Automaten oder Barbaren der Civilisation geworden sind, wenn wir, im Parteikampfe oder im Kriege, reißenden Thieren ähnlich sehen.

Wer kann Feuer und Wasser dämmen, wer kann Sonnenstrahlen controlliren, wer kann die Luft fest machen? Aber, was da wächst und blühet, was duftet, sich bildet und färbt, das gedeiht und wird so: durch die elementare Natur. Sie zeigt allerlei Samen, allerlei Blüthen, süße und herbe Früchte, Disteln und Trauben; sie zeugt Fledermäuse und Singvögel in demselben Schooße; und so schafft sie auch im Weibe Rosen und Dornen. In den Augen, den Geberden der Frauen, in ihrer Liebe liegen Himmel und Hölle. Es ist nichts süßer, nichts bitterer, nichts beseligender, nichts dämonischer als ein Weib. Sie kann Alles, sie ist Alles; sie verwandelt sich in Alles; sie erlöst und bindet den Mann; sie ruft durch ihre Liebe eine Glückseligkeit aus dem Nichts, aus der Wüste des Lebens hervor. Mit derselben elementaren Kraft verwandelt das Weib aber auch ihr eigenes Herz und den Frieden des Hauses in eine Hölle, sobald sie der Leidenschaft, der Eifersucht, der Rache, dem Neide, dem natürlichen Egoismus Raum gegeben hat.

Das Weib besitzt eine Divination und Bildsamkeit, die ein Wunder genannt werden muß. Der Student ist in der Regel ein ungeheuerliches Entredeux von Natur- und Cultur-Barbarei, ein Rattenkönig von Wissenschaften und Unverstand, ein Rührei von Enthusiasmus und Trivialitäten. Der Handwerksbursche ist ein wahrer Caktus von Stachlichkeit, von klumpiger Logik, von einbildischer Geschmacklosigkeit und inwendiger Confusion. Der Bauernbursche verläugnet niemals den linkisch brutalen Tölpel, und der Ladenjüngling wird ein blödsinniger Zier-Affe, sobald er den feinen Cavalier mit Glacée und Glanzstiefeln herausbeißen will. Ein junges Mädchen aber, mit Schulkenntnissen, die kaum für einen Quartaner ausreichen, benimmt sich mit Grazie und Takt, und ist ihrem Bruder Studio in wirklicher Erziehung, in Zartgefühl, in Beurtheilung sittlicher Verhältnisse, in Gemüthsbildung weit voraus. Die Magd, die Handwerkers-Tochter hat nicht selten allen Liebeszauber einer Eva; eine Disposition für Erziehung, eine Bildsamkeit und Repräsentation, die sie geschickt macht, jedes Mannes Gattin zu sein.

Das Weib hat viel mehr Talent und Gewandtheit als der Mann; es ist in der Jugend von einem Genius beseelt; schamhaft, keusch und herzens-delicat. Das Instrument ihrer Seele zeigt sich viel klarer besaitet wie das des Mannes: das Weib ist durch ihre Mitleidenschaft eine geborene Krankenpflegerin.

Ein Mädchen erlangt Bildung und Erziehung, ohne daß man begreift wie, wann, wodurch. Für ihren poetischen Sinn, ihren sympathischen und symbolischen Verstand, für ihren sittlichen Instinct werden alle Erlebnisse eben so viele Bildungsmittel; für ihre Hörigkeit, ihr leises Schicklichkeitsgefühl, ihren angebornen Takt: liegen die bildenden Elemente in der Luft. Ganz gemeine Bürgers-, Bauers- und Arbeitsleute haben mitunter Töchter von einer weiblichen Delicatesse und Holdseligkeit, daß sie einen Fürstenthron schmücken könnten; und die Geschichte liefert Zeugnisse dafür. Eben die ungeschulte Natur des Weibes, die Thatsache, daß ein Weib, mit diesen Bruchstücken von Elementar-Kenntnissen und selbst ohne sie: allen Zauber der Weiblichkeit, der Menschen-Schöne, der Menschen-Gesittung gewinnen und effectiv machen kann: dieses nie aussterbende Zeugniß vom Paradiese ist es ja, was den Reiz der Frauen für den schulgequälten Mann in sich faßt. Es ist zwar eine Täuschung auch hierbei im Spiele; denn wo die Männer im nackten Natur-Stande wandeln, wo ihr Geist von keiner Schule und Cultur gezeitigt wird, da bleiben auch die Frauen nur Wilde; aber wir Cultur-Menschen können ohne Paradies-Glauben und Natur-Illusionen schwerlich bestehen. Es ist keine Täuschung, daß, wo die Weiber mit den Männern in Schulkenntnissen und Reflexionen wetteifern, der Rest einer heiligen Paradies-Natur und natürlichen Glückseligkeit verlischt. Das Weib und das Volk conserviren und repräsentiren in den Cultur-Geschichten den weltewigen Factor der Natur! – Und diese Natur charakterisirt sich überall durch Heilkraft und Integrität. Jeder Baum kann uns von der vis plastica und vis medicatrix der Natur überzeugen; denn es verwachsen an ihm die empfindlichsten Verletzungen auch ohne Pflege und Medizin; fast alle Gewächse schlagen wieder aus der Wurzel auf, wenn sie geköpft worden sind. Aehnliche Erscheinungen zeigen sich an den Frauen. Männer geberden sich bei großen körperlichen oder geistigen Leiden unbändig, und übertäuben Schmerz und Kränkungen nicht selten mit Excessen im Trunk und Spiel.

So ein Mädchen aber, das von ihrem Verlobten verlassen ist, nimmt noch an demselben Tage, in der nächsten Stunde wieder ihren Strickstrumpf oder ihr Nähzeug vor; verrichtet alle ihre Obliegenheiten wie sonst; darf sich keiner Extravaganz überlassen, und fühlt dazu auch kein Gelüst: das ist ein Gesetz im Weibe, das ist die Oekonomie ihrer Natur; sie haftet zunächst an ihrer Gewohnheit, sie nimmt das Nächste, die Forderung des Augenblicks, – das Kleine in Acht; sie kurirt auf die Symptome: das ist ihr praktischer Sinn. Ihr ideales Theil ist mit dem realen Leben, mit der Sinnlichkeit in eins gebildet, und läuft ihm nicht blos parallel. Der gebildete Mann ist eben darum, weil er sich oft einem abstracten Idealismus hingiebt, in der Regel empfindsamer als das Weib, der Liebhaber träumerischer, unpraktischer und witzloser als die Braut. Diese bewegt sich in der Liebe, als in ihrem Elemente; sie findet sich durch dieselbe in allen Kräften gesteigert und gesund, – weil sie keusch ist, weil sie ohne gemeine Sinnlichkeit liebt, und weil ihre Sinnlichkeit nicht mit dem Geiste in Zwiespalt gebracht ist, wie bei dem Manne, sobald ihn die Leidenschaft ergreift. Liebe ist im Weibe ein natürlicher und gesunder, im gebildeten Manne sehr oft ein naturwidriger, krankhafter Prozeß.

Eben die koketten Frauen sind in der Regel die am wenigsten unkeuschen; die Frauen des Südens der Verführung viel schwerer zugänglich als eine Deutsche und Engländerin. – Ueber das kalte Blut der Polinnen wird von ihren Ehemännern Klage geführt, und gleichwohl ist es bekannt, wie sinnlich und zur Koketterie aufgelegt sie sind.

Die Frauen haben eben um ihrer größeren Sinnlichkeit und gesundern Natur unendlich mehr Enthaltsamkeit als die Männer. Unkeuschheit und Ausschweifungen aller Art beginnen erst mit der gestörten Harmonie zwischen Sinnlichkeit und Geist, welche eben durch die einseitige Geistesbildung bei den schulgebildeten Klassen der Männer, und insbesondere bei sitzender Lebensart hervorgebracht wird. Das Volk ist eben um seiner größern Sinnlichkeit willen keuscher und frugaler als die gebildeten Klassen; der Wilde ist keuscher als der civilisirte Mensch, und das Thier mäßiger wie der Mensch, weil bei ihm die ursprüngliche Natur nicht gestört worden ist. – Sinnlichkeit darf nie mit Unkeuschheit identificirt werden, und die Koketterie pflegt viel seltener mit Ueppigkeit und Buhlerei als mit kaltem Blute und noch kälterem Herzen gepaart zu sein.

Der sittliche Instinct der Frauen zeigt sich nicht nur in ihrer Empfindlichkeit gegen solche unmoralischen Elemente, die das Gefühl des Mannes nicht afficiren, sondern auch in der Vorempfindung von leicht möglichen Unsittlichkeiten, auch wenn sie nur die Form angehen. Mit dieser Divination verbindet sich ein Genius, durch welchen die Lebens-Atmosphäre gereinigt und alles Gemeine entfernt wird. – In dieser Lebensart besteht eben der produktiv sittliche Takt der Frauen, der für unsere gröberen, wenn auch festeren Organe überall die moralischen Fühlhörner abgeben muß. Die Seele des Weibes ist gelöster, sympathetischer, ihr Verstand mehr im Contact mit ihrem Herzen: diese Thatsache macht ihre Integrität und Poesie.

Es giebt Menschen-Charaktere, die einem Harfenspiel zu vergleichen sind. Die Composition mag einfältig, vielleicht geschmacklos sein; der Mechanismus des Instruments erlaubt nur mit Schwierigkeit und großer Einschränkung Uebergänge aus einer Tonart in die andere; aber der Ton selbst ist voll Seele und Schönheit: so sind viele Frauen. Die Männer dagegen gleichen nicht selten Beethoven'schen Compositionen auf tonlosen Klavieren oder Hackbrettern gehämmert, wenngleich mit richtiger Intention und Virtuosität.

Es ist gar nicht zu sagen, wie weit die Freundschaft mit einer Frau der Freundschaft mit einem Manne: für den Mann vorzuziehen ist. Die Freundin ermüdet nicht nur keinen Augenblick in ihren großen und kleinen Opfern, sondern sie findet in denselben eine Verstärkung ihres Gefühls, während Freunde einander ausnahmsweise ein großes Opfer, aber nie mit freudiger Liebenswürdigkeit kleine Dienste zu leisten verstehen oder aufgelegt sind.

Und wie dürftig, wie machtlos und schattenhaft, wie nichtsbedeutend erscheint diese Freundschaft der beiden Geschlechter, verglichen mit der Liebe und Treue, welche sich in einer guten Ehe schon hienieden eine sittliche Constitution, ein himmlisches Gemüth und einen Aetherleib zubilden darf. Der Mann hat nimmermehr den vollen Werth und die übermenschlichen Tugenden eines edlen Weibes begriffen, wenn er sie nicht in der Ehe kennen gelernt hat! –

Die ehelichen Tugenden und Liebenswürdigkeiten des besten Mannes bleiben ein Dilettantismus im Vergleiche mit der aufopfernden Zärtlichkeit eines edlen Weibes: denn sie ermüdet nicht nur keinen Augenblick in ihren Pflichten gegen den Mann und die Kinder, sondern sie findet in der steten, speziellsten Mühwaltung und Kümmerniß ihr Herzensbedürfniß befriedigt, und gelangt so zu einer Vollendung in der Pflichterfüllung, durch welche die Künste und Wissenschaften des Mannes in den Schatten gestellt werden. Es giebt Frauen, die unter den tausendfältigen Prüfungen, den stündlichen Selbstverläugnungen, unter dem Undank, der Gleichgiltigkeit und Rohheit ihrer Männer eine Läuterung und ein Märtyrerthum gewinnen, welches sie zu größeren Heldinnen macht, als diejenigen sind, von denen die Geschichte vermeldet, und die, in Erz gegossen, der Bewunderung der Welt ausgestellt sind.

Damit dem Manne, dem Halbgott der Schulvernünftigkeit: Herz und Phantasie nicht vertrocknen, und die Harmonie des Lebens nicht abhanden komme, ist ihm das Weib mit seiner permanenten Tugend-Virtuosität zur anderen Hälfte gegeben, und dieses sinnlich geartete subjective Weib beherrscht und leitet den objectiv gebildeten Mann mit ihrer inspirirten Natur.

Jedes menschliche Verhältniß ist hohl und trügerisch im Leben, wenn man es auch nur mit einer mittelmäßigen Ehe vergleicht; in derselben aber ist die Frau mehr, als Mann und Kinder zusammen. Sie ist ein Wunder der Liebe, der sensitiven Mitleidenschaft und einer Divination, die jeder sittlichen Inconvenienz vorzubeugen, jedes Unheil im Hause zu lindern versteht. Sie ist eine Heroin des Alltagslebens und seiner permanenten Quälereien. Verglichen mit des Weibes Virtuosität in der Ehe, ist der Mann nur ein plumper Mechaniker und Dilettant.

Man kann Alles haben, Freundschaft, Ehre, Bildung, Reichthum, Genie: wenn man kein liebendes Eheweib sein eigen nennt, ist man ein trostloser, freudenleerer Mensch. Man kann Alles verlieren, Freunde, Vaterland, Kinder, Geld und Gut, selbst die bürgerliche Ehre; wenn man sein liebes Weib behält, ist man noch nicht ganz lebensunfähig gemacht. Je unglücklicher der Mann wird, je mehr ihn die Welt verläßt, desto mehr Kraft bezieht das Weib: desto größer wird ihr Impuls und ihre Genugthuung: dem Manne Alles zu ersetzen, zu opfern und zu sein: denn das Weib trachtet unendlich mehr danach, glücklich zu machen, als glücklich zu sein; dies ist das Räthsel der weiblichen Natur, das Mysterium der Ehe, die Wunderökonomie, welche Gott in der sittlichen Welt durch das Weib bewirkt. Was wollen alle Schwächen der Frauen besagen im Vergleich zu den Tugenden einer edlen Frau! Mit dem Weibe ist erst der Mann, was er ist; ohne sie erscheint er kaum als ein natürlicher Mensch. Man sagt wohl: die Mutterliebe hat das Weib mit dem Thiere gemein, das aber eben ist ein Wunder aller Wunder, wie im Weibe das Thier mit dem Menschen, die Natur mit dem vernünftigen Geist versöhnt wird; und es ist unsere männliche Schwäche, die Schwäche der Gebildeten, die Schwäche der Zeit: daß der Instinkt, das Gesetz und die Zeugungskraft der Natur so wenig mit unserem Geiste und unserer Bildung im Contact bleiben will.

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