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Das » schöne Geschlecht« darf nicht umsonst so heißen. Die Schönheit gehört zu dem Wesen des Weibes und zu seinem vollkommenen Begriff. Zu beherzigen ist aber dabei und erfahrungsmäßig steht fest: daß eine schöne Seele die Gesichtszüge verklärt, daß sie auch unregelmäßige Formen schön machen kann, daß nur da sinnliche Schönheit möglich ist, wo der gute Geist zur Erscheinung kommt; der Geist, welcher die Welt erschafft und erhält, der Geist der Liebe und der Kraft, die Vermählung des weiblichen und männlichen Wesens in Liebe und Treue!
Schönheit ist die unmittelbar angeschaute Harmonie des Lebens; die Versöhnung, die Verschmelzung aller Weltgegensätze und ihre Polarisation. Schönheit ist die Harmonie von Sinnlichkeit und Vernunft, von Geist und Form; aber diese Form selbst ist eine Neutralisation und Polarisation von Geist und Stoff, von Sein und Nichtsein, von Ruhe und Bewegung, von Ursach und Wirkung, von Mittel und Zweck von Object und Subject, von allen Polen und Gegensätzen der Welt.
Frauen-Schönheit ist der Wechselhauch von Natur und Geist, in welchem sich eine Seele erzeugt, deren Sympathien, deren Schmerzen und Freuden, deren Herzens-Energien sich zu einer historischen Seele, zu einem constanten Gefühl, zu einer sittlichen Konstitution consolidiren und solchergestalt ein Gemüth bilden, das aus Herzens-Gewohnheiten seine Nahrung bezieht. Wo diese Mysterien des Menschen-Gemüths, wo die geheimnisvollen Wechselbeziehungen von Natur und Geist, von Geist und Form unsere Sinne treffen und durch sie der innere Sinn entzückt und aufgeschlossen wird: da ist Schönheit und Poesie! Frauen-Schönheit muß eine Form der Liebe, des Naturlebens, der Gemüths-Mysterien sein!
Es giebt Frauen-Gesichter mit den harmonischen Formen, gleichsam mit den architektonischen Linien der Schönheit aber ohne Melodie, ohne Hauch und Duft, fremd und kalt. Es ist der Körper der Schönheit ohne die Seele, durch welche sich die gerade Linie zur Welle gewandelt, die feste Form weich und flüssig gemacht sieht; es fehlt das Erlösungswunder, die Menschenliebe, welche dem Herzen so vertraut schmeichelt, wie alte bekannte Melodien. Ein Weib darf den Mann mit ihren Blicken nicht umbuhlen, und doch muß in ihrem Auge, in ihrer weichen Stimme, in ihren sanften Geberden und Bewegungen sich Milde, Güte, Duldung, Schmiegsamkeit und Eingebung, die himmlische Wohlthat der Weiblichkeit, der Naturliebe, der Natur-Religion verrathen. Das Weib muß uns das Natürlichste und eben deshalb ein Räthsel, ein Symbolum aller heiligen Mysterien des Himmels und der Erde sein.
Was Meer und Gebirge nicht verkünden, was Gott nicht in Wettern, in Jahres- und Tageszeiten zu offenbaren vermag, das ergreift uns in einem Menschen-Antlitz; aber in den Frauen sind alle Naturgewalten verkörpert und zu himmlischen Genien verklärt. Ein Mann kann nicht mehr ein Adam, ein Weib soll aber immer noch eine Eva sein, die dem Manne das Paradies zurückzaubern darf; und sie verrichtet noch mächtigere Wunder, sie lehrt den Mann durch ihre Mutterliebe den einzig wahren Cultus der Natur und baut selbst einem Heiden durch ihre Natur-Religion und Selbstverläugnung die Brücke zur Christus-Religion!
Die männliche Schönheit mag charaktervoller, erhabener, gewaltiger sein, als die weibliche; diese hat aber, als die seelenvollere, einen größeren Reichthum von Motiven und Konfigurationen. Das Thema der Menschen-Schönheit ist in den Frauen-Gesichtern und ganz besonders in ihren Augen viel melodiöser, viel sinniger und variirt wie bei den Männern, deren ganze Erscheinung vorherrschend das Princip der Kraft manifestirt. Die Schwäche und Hingebung des Weibes, seine natürliche Schmiegsamkeit, List und Furcht, seine leicht gelöste Seele und Leidenschaft, mit der unendlich reichen Scala von Affecten, kann die weiblichen Gesichtszüge unendlich reicher und reizender modelliren als Trotz und Kraft. In der Schönheit sind Seele und Natur das bewegende Princip, und nur ein Frauengesicht zeigt in seiner leichten Beweglichkeit die Grazien auf, welche die Männer-Physiognomien und ihre Gestalten fliehen.
Die Gesichtszüge sind an dem Manne, welcher sein Geschlecht repräsentirt: hart, scharf und bestimmt, also typisch pedantisch und monoton. Nur die weichen, flüssigen Formen des Frauen-Gesichts, welche wie Tonwellen ineinander spielen, gehorsamen den Augen, bilden mit den abgespiegelten Märchen oder Humoren eine entzückende Harmonie und telegraphiren die leisesten Affecte des Herzens, wie den Sturm der Leidenschaft. Ohne diese Symbolik, ohne diese elementare Zeichenschrift der Seele und des Geistes giebt es keine Schönheit, welche dem Herzen genügt. Eben das im schönen Elemente schwimmende Weib, fordert nach dem Naturgesetz der Ergänzung: vom Manne den minder beweglichen, charakterfesten und typischen Geist, aber dieser Mannes-Geist will in die Natur-Mysterien untergetaucht und mit den schön bewegten Grazien vermählt sein.
Wie dürftig erscheint die Mannigfaltigkeit der ganzen Natur im Vergleich zu dem Reichthum, den die Schöpfung in den Frauen offenbart! – Was ist ein Blumenbeet für ein leerer, dummer Anblick, wenn man Sinn und Verstand besitzt für die reizende Scala weiblicher Schönheit, in einem Salon, auf einem Ball, und wie kann die auserlesenste Gesellschaft mehr als ein Sträuschen von dem Frauenflor sein, durch den sich die Menschen-Schönheit in Eva's Töchtern von Geschlecht zu Geschlecht auf der ganzen Erde incarnirt! Wie sollte es der tiefsinnigste Denker, der empfindungsvollste Dichter anfangen, um diesen Reichthum seinem Geist zu enthüllen, um Frauen-Schönheit nur an einem einzigen Weibe zu begreifen; um nur einen Blick aus diesen hellen und dunkeln Augen-Seelen zur Rede zu stellen! Und was ist denn begriffen, was ist zum Bewußtsein gebracht, wenn man nicht weiß, wie einer gewissen Menschen-Seele mit einem Blick aus blauen, braunen und schwarzen Augen geschieht, und ein ehrlich graues thut es auch. Dazu müssen sie noch so verrätherisch hinter langen Wimpern versteckt, im Jugendduft, im Morgenthau der Liebe gebadet, von Seele und Divination verdunkelt, und dann wieder von Lebensmuth und Lebenslust so durchlichtet sein, daß der Geist des Mannes mit der Natur-Seele des Weibes die Mysterien Himmels und der Erde durchbuhlt. Und was die Augen sich nicht enträthseln und aus dem Paradiese entwenden können, das hört das Ohr aus der Melodie der Stimme, das empfinden alle Sinne aus der wundervoll modellirten Harmonie der Gesichtszüge heraus. Aber alles vernommene, alles sinnlich Geahnte, Gedeutete, Gekostete hat nur den Durst vermehrt, die Sinne bethört und in Aufruhr gebracht; der erste Kuß hat vollends die Vernunft in Natur ersäuft; – der Brautstand hat den Geist und Witz des Mannes versiegelt und unter die Vormundschaft des Weibes gestellt; erst in der jungen werdenden Ehe erwacht der Geist in beiden Menschenhälften zu gleichen Rechten mit der Seele und schließt dem ganzen Menschen die ganze Menschen-Schönheit auf. Erst in glücklicher Ehe vermählen sich Natur und Geist in allem Thun und Lassen, in allen Geberden, in jedem Blick und Ton, in jedem Wort. Eine Liebe, die nicht aus der ungetreuen Natur in den getreuen Geist hineinwächst, stirbt in der Sinnlichkeit, begräbt sich im Marmorsarge kalter Form und Convenienz.
Mag man sich immerhin die Schönheit als Harmonie der Formen denken; aber dann muß entweder in dieser Harmonie, wie in der Musik, die Disposition zur Auflösung liegen, oder sie ist ein todtes, fertiges Gleichgewicht in Stein, welches man nur für die antike Baukunst und Bildhauerei, aber nimmermehr als Frauen-Schönheit denken kann.
In der lebendigen Schönheit kommt die sublimste Lebensökonomie zur Erscheinung, wird das Weltgesetz zurückgespiegelt. Eine tiefere Genugtuung, eine mächtigere Leidenschaft kann es für den Menschen nicht geben, als die Mysterien wenigstens im Bilde zu schauen, welche Herz und Gewissen erfüllen. Das Geheimniß des Herzens ist aber nicht der Stillstand und die Gewißheit, sondern die Unruhe und Bangigkeit; nicht die Befriedigung, sondern die Sehnsucht; nicht das förmliche Wissen und Verstehen, sondern das Ahnen; nicht die marmorne Festigkeit der Formen, sondern ihre Lösung und Verwandlung zu immer tieferer Harmonie. Das Menschenherz ist die concentrirte Wahlverwandtschaft der Seele zu allen Geschichten, die zwischen Himmel und Erde spielen. Es hat nicht nur einen immanenten, sondern auch einen transcendentalen Verstand; im Herzen sind Idealismus und Realismus versöhnt.
Im Herzen fühlen wir die Flucht des Lebens, das Werden und Vergehen der Dinge, die Lösung der Formen in dem Augenblick, wo sie entstehen; das Ineinander von Sein und Nichtsein, den zeitlichen Riß zwischen dem Jenseits und Diesseits, zwischen Ideal und Wirklichkeit. Im Herzen allein fühlen wir auch ohne Metaphysik und Theosophie, daß der Himmel nirgend auf der Erde ruhen kann; und doch treibt uns die Sehnsucht von Berg zu Berg, ob nicht der sichtbare Horizont ein wirklicher werden möchte. –
Endlich kommt die Liebe, aber nur, um alle jene Lebens-Räthsel noch tiefer in das Herz zu graben, um alle Mitleidenschaften, alle schmerzenden Seligkeiten eines Wesens zu mehren, das seinen Staub mit dem Aether vermählen kann.
Wohl hat die Liebe Gegenwart, wohl fallen ihr ein paar Augenblicke Himmel und Erde, Ideal und Wirklichkeit ineinander; aber nur, um inne zu werden, daß sie mit diesem Idealismus aus dem Kreise der Mitlebenden geschieden ist, und daß sie mit dem Gedächtniß dieser himmlischen Augenblicke die vollen Sympathien für die wirkliche Welt und ihre materiellen Interessen aufgeben muß. Wen Liebe leibhaftig in den Himmel trug, der taugt nie mehr ganz für die Erde. – Platen sagt ergreifend wahr: »Wer die Schönheit angeschaut mit Augen, ist dem Tode schon anheimgefallen.« –
Ein Herz, welches in der Liebe zum Vollgefühl seiner idealen Kraft und Natur gekommen ist, begreift auch an derselben das Geheimniß seiner Individualität zu tief, um nicht zu fühlen, daß es eben in den Augenblicken des höchsten Entzückens durch eine Sternen-Weite selbst von dem geliebten Herzen getrennt bleiben muß. –
Wer sein Herz bildet, erweitert es zu einer Lebens-Peripherie, die mit der anschauenden Vernunft verschmelzen darf; aber dieser idealen Ausdehnung folgt nach dem Gesetze der Reaction ein Starrkrampf, eine Verdichtung unseres individuellen Wesens, ein unbegreiflicher Egoismus, der in dem geliebten Gegenstande nur sich selbst und die ganze Welt genießen, der in ihrem Mittelpunkte weilen, alle Lichtstrahlen mit dem Demantherzen der Liebe aufsaugen, ausstrahlen, und so einem Gotte gleich sein will. Dies sind Andeutungen von den Mysterien des Menschenherzens, wie es in unseren Zeiten geworden ist, und wie es schon in der heiligen Schrift geschildert ist. –
Dieses Herz ist die durch den Geist und seine Denkprozesse potenzirte und perspectivisch gemachte Seele, die vergeistigte Natur, der persönliche Geist, in welchem sich Sinnlichkeit und Vernunft, Natur und Uebernatur begegnen und fliehen. – Und mit diesen sentimentalen Mysterien, durch welche die Musik eine Korrespondenz zwischen Engeln und Menschen unterhält, sind auch unsere modernen Ideale, unsere sinnlichen Schönheits-Empfindungen zusammengetraut.
Die antike und naive Schönheit mit ihrer unbeweglichen Ruhe und abgeschlossenen Harmonie mag den olympischen Göttern und dem kalten Marmor kleidsam sein; aber sie ist nimmermehr das Schönheits-Ideal und die Seelen-Genugthuung für ein Menschen-Geschöpf, das den Kampf des Lebens mit der Liebe in Seele und Leib ausfechten soll. An Männern wollen wir den Geist herausgespiegelt sehen. Frauen-Schönheit aber ist nur da, wo das Herz seine Geschichten repetiren, symbolisiren und relief machen darf.
Dieses Frauen-Herz, das seine individuelle Natur nicht aufgeben und seine Ideale nicht festhalten, das weder vernünftiger Geist noch natürliche Seele bleiben, und doch den fliehenden Gestalten dieses Erden-Daseins das Räthsel des Jenseits abfragen will; dieses Herzens Himmel- und Höllenfahrten müssen in einem schönen Frauen-Gesichte eine leise Hieroglyphenschrift hinterlassen, ihm die letzte, die sublimste Modellirung, müssen den Augen einen Sternenschein, der Stimme eine Melodie, und allen Lebensäußerungen jenen wunderbaren, von Metamorphosen träumenden Charakter verleihen, dem wir anfühlen, daß er jeden Augenblick aus der scheinbaren Ruhe in die natürliche Unruhe, und aus der Harmonie in Schmerz und Verzweiflung übergehen kann.
Diese Wunder müssen uns in der ganzen Erscheinung eines Weibes durch alle Sinne zum Herzen ziehen, uns die Hälfte unseres männlichen Geistes rauben; » das ewig Weibliche« muß sich dem ewig Männlichen vermählen, wenn das Wunder der Liebe zur Erscheinung kommen soll, und die höchste Schönheit kann nur die Selbstbespiegelung der Liebe und ihrer himmlischen Mysterien sein.
Wo das Christenthum eine Wahrheit geworden ist, wo es unser Leben durchdrungen und verwandelt hat, da hat es auch an Stelle des heidnischen Schönheits-Ideals eine christliche Schönheit und Wahrheit in unserm Sinne und Geiste auferbaut! – Unsern frei gewordenen, transcendentalen und leicht gelösten Seelen, unsern von Liebe und Glauben, von Unsterblichkeits-Träumen berauschten Herzen: entspricht weder die Majestät des olympischen Jupiters, noch der versteinernde Schmerz einer Niobe, noch die Marmor-Schönheit einer Venus von Medicis oder Milos, und auch nicht der göttliche Zorn eines Apoll von Belvedere. Die Schönheit hat ihre Weltreiche wie die Wahrheit!
Man kann gewisse Frauen nur mit ihren Augen vergleichen. In diesen Augen spielen sich alle Wahlverwandtschaften, alle natürlichen Vermittelungsprozesse und Mitleidenschaften, und dann wieder die Selbstsucht, die Wetterwendigkeit und Treulosigkeit, die Unbarmherzigkeit der Natur gegen das Individuum.
Wer kann in Maientagen, unter berauschenden Blüthendüften, im Wonnetaumel des Athmens, wenn das Eingeweide von Himmelslüften gebadet wird, wenn die Sonnenstrahlen durch die Seele blitzen, und das junge Laub in grünem Feuer flammt, wer kann in diesem dargeliehenen Eden die Zeiten errathen, wo sich der blaue Himmel in eine polirte Stahlglocke verhext, die lauen, schmeichelnden Lüfte zu Messerschneiden werden, das fließende Wasser sich in Glas verwandelt, und die weiche, grünende, fruchttreibende Erde zu einem todten Fels erhärtet, von dem der Tritt des Menschen zum ehernen Himmel hallt! Wie können wir solche unmenschlichen Wandlungen in den Stunden prophezeien, wo wir der Mutter Natur am Busen und im Schooße liegen, wo uns die Sinne vor Erdenlust vergehen! Und wer kann es fassen, was ihm geschieht, wenn ihn dieselben Augen eines Tages eiseskalt ansehen, die ihm sonst das Herz schmolzen, die ihm die Seele aus dem Leibe und die Vernunft aus der Seele zogen; die ihm das Blut vor Entzücken gerinnen ließen und dann wieder in einen Feuerstrom verwandelten, der den Geist verzehrte, indem er das Leben in einen Augenblick verdichtete!
Wer kann das fassen, selbst wenn er es erfuhr! Sicherlich kein Mann, kein Mensch, in welchem der getreue Geist mächtiger ist, als die wetterwendige Natur.
Aber die Weiber wissen mit diesen heillosen Mysterien desto besser Bescheid; und die von allen Grazien gewiegten, die inspirirten, die liebreizendsten Verkörperungen der Natur hat sie selbst zu ihren weiblichen Werbern und zu des Mannes Verderben ausersehen! Es geht nicht überall auf Erden so ehrlich und schämig oder so grundvernünftig zwischen beiden Geschlechtern, als im nördlichen Deutschland zu; aber auch dort wissen und executiren die knospenden Töchter der » höheren Töchterschulen« von Liebeskünsten und Naturwissenschaften zuweilen mehr, als in Ovid's Ars amandi zu lesen steht; denn der Mensch, wissen wir, bleibt sich im Wesen unter allen Himmelsstrichen gleich, und die Weiblein schlagen vollends nicht aus der paradiesischen Art.
»Was die Damen betrifft«, schrieb mir einmal ein guter Freund, »so habe ich mit ihnen, bezüglich der geistreichen Mittheilungen noch ein ganz besonders ironisches Geschick und Malheur. Ich bin nämlich ein ganz besonders empfängliches Menschenkind für schöne Augen und was mit solchen Sehsternen so oft vergesellschaftet zu sein pflegt: also für anmuthige Gesichtszüge und Bewegungen. Eine weiche musikalische Sprechstimme aber will mir gradeswegs die Seele aus dem Leibe ziehen. – Nun habe ich zu Hause wie auf Reisen schon manche mit all' jenen natürlichen Zaubern ausgestattete Evastöchter getroffen; sei es indeß, daß sich alle das Wort gegeben hatten, mich zu mystificiren, oder daß mit ihnen die Natur selbst ihre Humore treibt: ich habe fast nie etwas von diesen Pracht-Exemplaren der Schöpfung gehört, was für mehr gelten könnte, als eine Reminiscenz von Lectüren oder eine mehr und minder verblümte Trivialität und Gemeinplätzigkeit: wenn ich gleich nicht läugnen kann, daß eine solche aus schönem Munde, mit musikalischer Sprechstimme und von tiefsinnigen Augen accompagnirt, im ersten Augenblicke wie ein » Schöpfungs-Werde« wirken kann, welches im Frühlings-Wehen das rasselnde Winterlaub des Schulwitzes vom Baume des Lebens abstößt. Aber dieser improvisirte Frühling dauert doch nicht länger als der sinnliche Rausch. Bei andern Damen ist mir jedesmal so zu Muth, als würden und müßten sie jeden Augenblick wie »Imogen«, »Ophelia« und »Desdemona«, oder wie die »Rahel«, die »Staël« und die »Jameson« sprechen: aber es bleibt beim Mundspitzen und es kommt weder zum Pfiff, noch zum Worte. Pfiffigkeit und Praxis ist aber nichtsdestoweniger in dieser schweigsamen und symbolischen Manier, in dieser »Augen-Grazien-Manier«.
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