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Nachtrag.


Zwei Scenen, die der Dichter auch bei der ersten Ausgabe der Komödie, als den Fluß der Handlung hemmend, ausgeschlossen.

I.

Gehört zum dritten Auftritt des dritten Aufzugs.

Anna Andrejewna und Marja Antonowna.

Marja Antonowna.

Wirklich, Mama, ich weiß nicht, warum es Ihnen scheint, daß das Schönste an Ihnen die Augen sind ....

Anna Andrejewna.

Unsinn scheint dir, Dummheiten schwatzest du. Als noch die Oberstin bei uns wohnte – und das war eine solche Modedame, wie ich keine zweite gesehen: alle ihre Kleider ließ sie sich aus Moskau kommen – pflegte sie mir beständig zu sagen: »Anna Andrejewna, thun Sie mir den einzigen Gefallen: verraten Sie mir ein Geheimnis! Wie kommt es, daß Ihre Augen förmlich sprechen!« .... Einstimmig hieß es auch: »Anna Andrejewna, ein Augenblick in Ihrer Nähe genügt, daß Ihre Liebenswürdigkeit alles, alles vergessen macht!« Und der Stabs-Rottmeister Starokopytow, der damals hier diente? Er logierte, wenn ich nicht irre, hinter der Remonte .... Ein Bild von einem Manne! Das Gesicht frisch und rosig wie, ich weiß nicht, was; die Augen schwarz, kohlschwarz und die Kragen seines Hemdes von einem Battist, wie ihn unsere Kaufleute uns noch nie dargebracht! Der sagte mir oft: »Anna Andrejewna, ich schwöre Ihnen: solche Augen hab' ich nicht nur nie zu sehen, sondern auch nie zu lesen bekommen; ich weiß nicht, was mit mir vorgeht, wenn ich Sie anblicke!« Damals trug ich noch eine Tüll-Pelerine, mit Weinlaub und Ähren ausgenäht, und ringsum eine Blonde, fein und schmal wie ein Finger – es war bezaubernd schön! Da sagte er denn: »Anna Andrejewna, ich empfinde eine solche Glückseligkeit bei Ihrem Anblick, daß mein Herz« ..... sagt er ... Ich kann mich jetzt nicht mehr darauf besinnen, was er mir alles sagte: es ist zu lange her. Und was für eine Geschichte er später anrichtete! Er wollte sich erschießen, durchaus erschießen, doch hatte er die Pistole irgendwohin verlegt; hätte er sie damals bei der Hand gehabt, wäre er schon längst nicht mehr am Leben.

Marja Antonowna.

Ich weiß nicht, Mama ... aber es scheint mir, als wäre der untere Teil Ihres Gesichts weit schöner als Ihre Augen.

Anna Andrejewna.

Niemals, niemals! Das läßt sich auf keinen Fall behaupten! Was Unsinn ist, ist Unsinn.

Marja Antonowna.

Wirklich, Mama, wenn Sie sprechen oder im Profil sitzen, so sind Ihre Lippen –

Anna Andrejewna.

Schwatzt kein unnützes Zeug! Wirklich, du bist unerträglich: Gott bewahre, nur ein einziges Mal nicht zu widersprechen! Die Mutter hat schöne Augen, und die Tochter beneidet sie drum!.... Doch bei deinem ewigen Streiten und Plappern hab' ich ganz vergessen, daß der Gast jeden Augenblick kommen und uns in Gott weiß was für einem Kostüm überraschen kann! (Eilig ab, gefolgt von Marja Antonowna.)

II.

Folgt auf den siebenten Auftritt des vierten Aufzugs.

Chlestakow und Rastakowskij – (in einer Uniform Katharinas II. mit Achselbändern).

Rastakowskij.

Habe die Ehre, mich vorzustellen: Einwohner hiesiger Stadt, Gutsbesitzer, Sekonde-Major a. D. Rastakowskij.

Chlestakow.

Ah, bitte sehr, Platz zu nehmen; freut mich ungemein. Mit Ihrem Chef bin ich sehr gut bekannt.

Rastakowskij (hat sich gesetzt).

So, Sie kannten den Sadunajskij?

Chlestakow.

Was für einen Sadunajskij?

Rastakowskij.

Den Grafen Rjumjanzew-Sadunajskij, Pjotr Alexandrowitsch; er war mein früherer Chef.

Chlestakow.

Ja, so .... Und Sie dienen schon lange?

Rastakowskij.

Beteiligte mich bereits 1773 an der Belagerung von Silistria. Da ging's heiß zu! Der Türke stand uns so nahe wie hier dieser Tisch. Ich war damals Sergeant, der Sekonde-Major unseres Regiments aber war – vielleicht kannten Sie ihn? – Pjotr Wassiljewitsch Gwosdew.

Chlestakow.

Gwosdew? Was für einer?

Rastakowskij.

Pjotr Wassiljewitsch. Auf allerhöchsten Befehl der hochseligen Kaiserin ward er unter die Dragoner versetzt.

Chlestakow.

Nein, kenn ich nicht.

Rastakowskij.

Das hab' ich mir wohl gedacht, ist er doch seit mehr als dreißig Jahren tot. Unweit von hier, etwa zwanzig Werst von der Stadt entfernt, lebt noch seine Enkelin, die an Iwan Wassiljewitsch Rogatka verheiratet ist.

Chlestakow.

An Rogatka? Was Sie sagen! Das hab' ich mir nicht denken können!

Rastakowskij.

Ja, an Iwan Wassiljewitsch Rogatka .... Und also: der Türke stand uns so nahe wie hier dieser Tisch. Es war ein Winter, ein Frost, ein Schneegestöber und ein Wirrwarr, wie in dem Jahre, da sich die Franzosen Moskau näherten. In unserem Regimente gab's noch einen Sekonde-Major, Namens Ficktel-Knabe, einen Deutschen. Er hieß Siegfried Iwanowitsch, doch der damalige General en chef Potjomkin ließ ihn umtaufen. »Du bist – meinte er – nicht Siegfried, sondern Suppe, so sei drum auch Suppe Iwanowitsch.« Und seit der Zeit wurde er nicht anders als Suppe Iwanowitsch genannt. Dieser Suppe Iwanowitsch also und der erwähnte Sekonde-Major Gwosdew mußten auf Fouragierung ausgehen. Ihnen zukommandiert war ich und der Quartiermeister Trepakin – falls Sie ihn kennen, – Awtonom Pawlowitsch Trepakin; der mag wohl auch seit fünfundzwanzig Jahren tot sein.

Chlestakow.

Trepakin? Nein, kenn ich nicht. Aber ich wollte an Sie die Bitte richten ....

Rastakowskij (ohne auf ihn zu hören).

Eine stattliche Erscheinung: blondhaarig und mit goldenen Achselbändern. Der tanzte Mazurka! Ein Schlag mit der Hand – und die Dame des Obersten selbst fliegt an seiner Seite hin. Alle Mädchen ... hä hä hä!.... Wir hatten damals Zelte .... und sobald man einen Blick in sein Zelt warf .... hä hä hä .... sah man so ein niedliches Ding sitzen, und früh am Morgen geleitet sie der Offiziersbursche hinaus .... als einen Dragoner, im Dreimaster, hähähä .... ein Portepee an der Seite, hä hä hä! .....

Chlestakow.

Eine ähnliche Geschichte passierte einst meinem Bekannten, einem Beamten, der einen sehr einträglichen Dienst bekleidet. Sitzt der eines Tages im Schlafrock und schmaucht sein Pfeifchen; da kommt ein Chevaliergardist – auch mein Freund – und sagt (Hält ein und schaut Rastakowskij scharf in die Augen.) Hören Sie, könnten Sie mir vielleicht etwas Geld borgen; ich habe mich unterwegs ganz verausgabt.

Rastakowskij.

Wer bat denn um Geld: der Beamte den Gardisten oder der Gardist den Beamten?

Chlestakow.

Nein, das bitte ich Sie. Sehen Sie, damit ich's später nicht irgendwie vergesse, so thu ich's lieber gleich jetzt.

Rastakowskij.

Sie also brauchen Geld? Wie sonderbar! Und ich glaubte, der Gardist in der Anekdote hätte um Geld gebeten! Wie sich das manchmal im Gespräche trifft! Sie also brauchen Geld? Und ich, offen gestanden, war gekommen, um Sie meinerseits mit einer allereindringlichsten Bitte zu belästigen.

Chlestakow.

Wieso? Was giebt's?

Rastakowskij.

Ich muß eine Zulage zur Pension bekommen und möchte Sie drum gebeten haben, bei den Senatoren und anderen Standespersonen ein Wörtchen für mich einzulegen.

Chlestakow.

Gern, gewiß.

Rastakowskij.

Ich hatte schon selbst eine Bittschrift eingereicht, doch vermutlich nicht gehörigen Orts.

Chlestakow.

Ist's schon lange her, daß Sie die Bittschrift eingereicht?

Rastakowskij.

Die Wahrheit gesagt, so besonders lange ist's nicht her – achtzehnhundertundeins; dreißig Jahre wart ich nun vergeblich auf die Resolution. Ich hatte die Bittschrift Iwan Petrowitsch Ssossuljkin anvertraut, der damals nach Petersburg reiste; indes ist er kein zuverlässiger Mensch und mag sie sehr leicht nicht gehörigen Orts eingereicht haben. Freilich, ich werde wohl nicht lange mehr zu warten haben: dreißig Jahre sind um, da wird die Sache wohl nun bald entschieden werden.

Chlestakow.

Natürlicherweise, jetzt wird's bald entschieden werden. Übrigens werde ich auch meinerseits .... schön, schön.

 


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