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Ein Zimmer im Hause des Stadthauptmanns.
Der Stadthauptmann, der Kurator, der Schulrektor, der Kreisrichter, der Stadtteilsaufseher, der Arzt, zwei Quartalaufseher.
Stadthauptmann.
Ich habe Sie zu mir gebeten, meine Herren, um Ihnen eine recht unangenehme Neuigkeit mitzuteilen: es kommt ein Revisor zu uns.
Kreisrichter.
Was, ein Revisor?
Kurator.
Wie, ein Revisor?
Stadthauptmann.
Ja, ein Revisor aus Petersburg, und zwar inkognito und mit geheimen Instruktionen.
Kreisrichter.
Da haben wir's!
Kurator.
Das fehlte noch!
Schulrektor.
Herr, mein Gott! Und dazu noch mit geheimen Instruktionen!
Stadthauptmann.
Es hatte mir so etwas geahnt: die ganze Nacht heute träumte mir von zwei ganz ungewöhnlichen Ratten. Ich versichere Sie: nie im Leben habe ich solche Bestien gesehen – ganz schwarz waren sie und von übernatürlicher Größe! Sie kamen, beschnüffelten alles und – verschwanden .... Da will ich Ihnen gleich einen Brief vorlesen, den ich von Andrej Iwanowitsch Tschmychow – Sie kennen ihn ja, Artemij Filippowitsch – erhalten habe. Er schreibt mir wie folgt: »Lieber Freund, Gevatter und Wohlthäter! (Murmelt halblaut, den Brief mit den Augen durchfliegend) .... und dich zu benachrichtigen ...«. Ah, da hab ich's! »Ich eile, dich zu benachrichtigen, daß hier soeben ein Beamter eingetroffen ist, mit der Instruktion, das ganze Gouvernement zu inspizieren, – ganz besonders aber unseren Bezirk. (Hebt vielsagend den Finger in die Höhe.) Ich hab' es mir von durchaus glaubwürdigen Personen sagen lassen. Er tritt als einfacher Privatmann auf. Da ich nun weiß, daß du, wie jeder Sterbliche, deine Fehler hast, weil du ein vernünftiger Mensch bist und fest hältst, was dir ins Garn läuft ...« (Hält inne.) Nun, hier macht er, wie gewöhnlich ... – »so rate ich dir, deine Maßregeln zu ergreifen, da er jeden Augenblick bei euch eintreffen kann, – wenn er nicht schon in eurer Stadt angelangt ist und irgendwo inkognito Quartier genommen hat .... Gestern ....« Nun, hier folgen Familienangelegenheiten: »Gestern ist Cousine Anna mit ihrem Manne zu uns auf Besuch gekommen: Iwan Kirilowitsch ist sehr dick geworden und spielt beständig auf der Violine ....« Und so weiter, und so weiter .... So also stehen die Sachen!
Kreisrichter.
Ja, die Geschichte ist ganz und gar ungewöhnlich und hat einen Haken!
Schulrektor.
Wissen Sie nicht, Anton Antonowitsch, warum der Revisor in unsre Stadt geschickt wird?
Stadthauptmann (seufzend) .
Ja, warum! Schicksalstücke ist's! (Seufzt wieder.) Bisher hatte man – gelobt sei Gott – nur andere Städte damit heimgesucht; jetzt aber ist die Reihe an uns!
Kreisrichter.
Wissen Sie, was ich meine, Anton Antonowitsch? Das Ganze ist nichts weiter, als eine feine Finte, und zwar eine politische! Nämlich: Rußland .... Ja, Rußland rüstet sich zum Kriege und das Ministerium hat einen Beamten abkommandiert, um in Erfahrung zu bringen, ob's nicht hier und da Landesverräter giebt!
Stadthauptmann.
Das war mal ins Blaue getroffen! Sie sind doch ein vernünftiger Mensch, bedenken Sie nur: Landesverrat in einer Kreisstadt! Liegt sie etwa an der Grenze? Sie müssen ja Jahr und Tag reisen, bevor Sie von hier das Ausland erreichen!
Kreisrichter.
Nein, erlauben Sie .... Ich meine .... die Regierung hat einen scharfsinnigen Plan ... Freilich ist's weit bis zu uns, aber sie sieht auch weit, sieht voraus, ist nicht kurzsichtig ....
Stadthauptmann.
Kurzsichtig oder weitsichtig – jedenfalls sind Sie gewarnt, meine Herren; seien Sie vorsichtig! Was mich betrifft, so habe ich schon einige Vorkehrungen getroffen, und rate Ihnen, ein Gleiches zu thun. Namentlich Ihnen rat' ich es, Artemij Filippowitsch! Ohne Zweifel wird der Beamte vor allen Dingen die unter Ihrer Aufsicht stehenden Armenanstalten inspizieren wollen – und darum tragen Sie Sorge, daß alles in der gehörigen Ordnung ist ..... Besonders im Hospital! Daß ja die Nachtmützen sauber sind und die Kranken nicht wie rußige Schmiede aussehen – wie's gewöhnlich der Fall ist.
Kurator.
Saubere Nachtmützen? Die sind bald besorgt.
Stadthauptmann.
Ja .... und dann muß sich über jedem Bette ein Zettel – in lateinischer oder irgend einer anderen Sprache – befinden, – der da besagt: den Namen des Patienten, die Art seines Leidens, das Datum seiner Erkrankung u.s.w. (zu Hiebner.) Das schlägt in Ihr Fach, Christian Iwanowitsch ... Sodann find' ich's schlecht, daß Ihre Patienten einen so starken Tabak rauchen: kaum setzt man einen Fuß ins Haus, muß man in einem fort niesen ... Es wäre überhaupt am besten, wenn es möglichst wenig Kranke gäbe, denn sonst schreibt man es leicht einer nachlässigen Pflege oder der Ungeschicklichkeit des Arztes zu.
Kurator.
O, im Punkte der Behandlung halten wir uns mit Christian Iwanowitsch an das Prinzip: je mehr man sich der Natur nähert, desto besser! Teure Medikamente kommen gar nicht in Anwendung, um so mehr, als die Patienten ja ganz gewöhnliche Menschen sind: müssen sie sterben – so sterben sie trotz aller Medikamente, und sollen sie gesund werden – so werden sie auch ohne Medikamente gesund. Und zudem würde es Christian Iwanowitsch außerordentlich schwer fallen, sich mit ihnen zu verständigen – da er kein Wort Russisch kann.
Arzt.
(stößt einen Laut aus, der einerseits wie J und anderseits wie E klingt).
Stadthauptmann.
Ihnen, Ammos Fjodorowitsch, möchte ich raten, Ihrer Gerichtsbehörde mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Im Vorzimmer, wo sich gewöhnlich die prozeßführenden Personen aufhalten, haben die Diener ihre Gänse samt deren Jungen untergebracht, die einem beständig unter die Füße geraten .... Gewiß gereicht es jedem im allgemeinen und einem Gerichtsdiener im besonderen zur Ehre, wenn er sein Hauswesen bestellt .... aber an einem solchen Ort, wissen Sie .... ist es doch nicht recht passend! .... Ich hab' es Ihnen schon früher bemerken wollen, vergaß es aber immer.
Kreisrichter.
Nun, ich werde sie heute noch in meine Küche schaffen lassen. Wollen wir sie heute zum Mittagsessen probieren?
Stadthauptmann.
Außerdem paßt es nicht, daß im Gerichtssaal selbst verschiedener Quark zum Trocknen aufgehängt wird und gerade über dem Schrank mit den Akten Ihre Hetzpeitsche prangt. Ich weiß, Sie lieben die Jagd; aber dennoch thäten Sie besser, wenn Sie der Peitsche für einige Zeit einen anderen Platz anwiesen; ist der Revisor erst fort, können Sie sie meinetwegen wieder über den Schrank hängen .... Sodann Ihr Beisitzer! Gewiß, der Mann kennt sein Fach ..... aber er strömt immer einen solchen Duft aus, als ob er direkt aus einer Branntweinbrennerei käme – und das taugt nicht! Ich wollte Ihnen schon längst davon sprechen, vergaß es aber jedesmal. Es giebt gewisse Mittel dagegen – wenn ihm in der That dieser Duft, wie er behauptet, angeboren ist; man könnte ihm raten, Zwiebeln oder Knoblauch zu essen oder etwas Ähnliches. In diesem Falle könnte Christian Iwanowitsch mit verschiedenen Medikamenten helfen.
Arzt (stößt den früheren Laut aus) .
Kreisrichter.
Nein, dieser Duft läßt sich nicht austreiben: er behauptet, die Amme habe ihn als kleines Kind fallen lassen, und seit der Zeit hafte ihm der Schnapsgeruch an.
Stadthauptmann.
Nun, ich hab's ja nur so nebenhin gesagt! Was die sonstige innere Anordnung betrifft, weiß ich nichts zu sagen; auch worauf Andrej Iwanowitsch in seinem Briefe mit dem Wort Fehler anspielt, versteh' ich nicht. Auch ist es sonderbar davon zu sprechen, denn jeder Mensch hat seine Fehler und niemand ist frei von Sünden. Das hat nun mal Gott der Herr selbst so eingerichtet, und die Voltairianer werden vergebens dagegen eifern.
Kreisrichter.
Was nennen Sie Sünde, Anton Antonowitsch? Zwischen Sünde und Sünde herrscht ein gewaltiger Unterschied. Ich verheimliche es durchaus nicht und allen ist es bekannt, daß ich Geschenke nicht verweigere; – aber was für Geschenke? Junge Jagdhunde! Solche Geschenke kann man doch nicht zu den Bestechungen rechnen!
Stadthauptmann.
Junge Jagdhunde oder andere Gegenstände – es sind und bleiben Geschenke!
Kreisrichter.
Sagen Sie nicht, Anton Antonowitsch! Ja, wenn sich gewisse Leute einen Pelz von fünfhundert Rubeln oder der Frau einen kostbaren Shawl schenken lassen, allerdings –
Stadthauptmann.
Genug! Gut, Sie lassen sich nur Hunde schenken: aber dafür glauben Sie nicht an Gott und lassen sich in der Kirche niemals sehen! Ich dagegen bin fest im Glauben und Sonntags stets in der Kirche. Sie .... O, ich kenne Sie: wenn Sie von der Erschaffung der Welt zu reden anfangen, stehen einem die Haare zu Berge!
Kreisrichter.
Aber ich bin ganz allein dazu gelangt, durch meinen eigenen Verstand!
Stadthauptmann.
Nun, es giebt Fälle, wo zu viel Verstand schlimmer ist als gar keiner .... Übrigens habe ich das Kreisgericht nur so nebenhin erwähnt; die Wahrheit gestanden, zweifle ich, daß jemand auch nur einen Blick hineinwerfen wird; das ist ein ganz beneidenswerter Ort, den Gott der Herr unter seinen persönlichen Schutz genommen. (Zum Schulrektor.) Sie jedoch, Luka Lukitsch, müssen als Schulrektor Ihre Aufmerksamkeit ganz besonders den Lehrern zuwenden. Gewiß, es sind grundgelehrte Leute, die in verschiedenen Kollegien ihre Bildung genossen haben; indes haften ihnen sehr sonderbare Eigenheiten an, die sich – ich gesteh' es ja gern zu – von dem Berufe eines Gelehrten nicht trennen lassen. Einer von ihnen – z. B der mit dem aufgedunsenen Gesicht .... wie heißt er doch gleich? – kann, sobald er das Katheder bestiegen, nicht umhin, Grimassen zu schneiden, nämlich in der Art (schneidet eine Fratze); sodann fängt er an, unter der Kravatte fort sich den Bart zu glätten. Freilich, wenn er den Schülern eine solche Fratze schneidet, so thut es nichts, ist vielleicht sogar beim Unterricht von Nutzen; doch bedenken Sie: wenn er vor der Obrigkeit eine solche Grimasse macht – kann's leicht Unannehmlichkeiten geben! Der Herr Revisor – oder sonst eine andere hochgestellte Person – könnte meinen, die Fratze gelte ihm, und daraus entsteht dann eine ganz verteufelte Geschichte!
Schulrektor.
Was kann ich thun? Ich habe ihm schon mehrfach desfallsig eine Rüge erteilt. Noch vor einigen Tagen, als der Adelsmarschall kaum die Klasse betreten hatte, schnitt er ihm eine solche Fratze, wie ich keine ähnliche im Leben gesehen! Er meinte es gut damit, gewiß, aber mir machte man den Vorwurf, ich brächte der Jugend liberale Ideen bei.
Stadthauptmann.
Ähnliches gilt auch von Ihrem Geschichtslehrer. Man sieht es auf den ersten Blick, daß er ein studierter Kopf ist und eine schwere Menge Kenntnisse besitzt, – aber er trägt mit solchem Feuer vor, daß er sich vollkommen vergißt. Ich wohnte einmal einer seiner Lektionen bei; nun, so lange er von den Assyrern und Babyloniern sprach, ging's noch an, doch kaum begann er von Alexander dem Großen – was da mit ihm vorging, spottet jeder Beschreibung. Wirklich, ich glaubte, es sei in der Nähe Feuer ausgebrochen! Er sprang vom Katheder und knallte aus Leibeskräften seinen Stuhl an die Diele! Es ist ja richtig: Alexander der Große war ein Held, – aber das ist doch noch immer kein Grund, die Stühle zu zerbrechen und solcherweise den Staat in Unkosten zu stürzen!
Schulrektor.
Ja, er ist etwas hitzig, und ich hab' es ihm schon mehrfach bemerkt. Er meint jedoch: »Wie Sie wollen, aber der Wissenschaft bring' ich mein Leben zum Opfer!«
Stadthauptmann.
Ja, das ist nun mal die unerklärliche Schicksalsfügung: ist ein Mensch klug – so ist er entweder ein Säufer oder schneidet solche Fratzen, daß man die Heiligenbilder aus dem Zimmer schaffen möchte.
Schulrektor.
Gott schütze einen jeden vor dem Lehramt; jede Kleinigkeit erregt einem Furcht! Jeder mischt sich hinein, denn er möchte gern zeigen, daß er auch ein kluger Mensch ist.
Stadthauptmann.
Das wäre alles noch nichts, – aber dies verfluchte Inkognito! Plötzlich steht er vor uns: »Ah, da seid ihr, Freundchen! Wer von euch ist der Kreisrichter?« – »Ljapkin-Tjapkin.« – »Ljapkin-Tjapkin? Her mit ihm! Und wer ist der Kurator?« – »Semljanika.« – »Her mit Semljanika.« – .... Da ist ja das Verwünschte dabei!
Die vorigen, der Postmeister.
Postmeister.
Erklären Sie mir, meine Herren, was es mit dem Revisor auf sich hat!
Stadthauptmann.
Haben Sie denn nichts gehört?
Postmeister.
Freilich wohl, von Pjotr Iwanowitsch Bobtschinskij; er besuchte mich soeben im Postcomptoir.
Stadthauptmann.
Nun also, was denken Sie von der Geschichte?
Postmeister.
Was ich denke? Es giebt Krieg mit den Türken.
Kreisrichter.
Ganz meine Worte, ganz meine Ansicht!
Stadthauptmann.
Ja, ja; ihr habt beide mitten – ins Blaue getroffen!
Postmeister.
Ja, die Türken bekommen Klopfe, und an dem ganzen Kriege sind die Franzosen schuld!
Stadthauptmann.
Krieg mit den Türken! Nicht die Türken, sondern wir bekommen Klopfe! Das unterliegt keinem Zweifel, hier im Briefe haben Sie die Versicherung!
Postmeister.
So? .. Nun freilich, dann giebt's keinen Krieg mit den Türken.
Stadthauptmann.
Nun, wie fühlen Sie sich dabei, Iwan Kusmitsch?
Postmeister.
Ich? ... Hm ... Und Sie, Anton Antonowitsch?
Stadthauptmann.
Ich? .... Hm, Furcht hab' ich nicht, nur ... so, ein wenig .... Die Kaufleute und Bürger machen mir Sorge. Ich habe bei ihnen einen Schinken im Salze .... Du lieber Gott, wenn ich diesen und jenen auch etwas gerupft habe, so geschah es doch wirklich ohne allen Groll. Ich glaube vielmehr (nimmt ihn unter den Arm und führt ihn auf die Seite), ich glaube, man hat mich denunziert! Denn was hätte sonst der Revisor bei uns zu schaffen? .... Hören Sie, Iwan Kusmitsch, könnten Sie nicht zu unser aller Wohl jeden Brief, der im Postamt eintrifft – bei Empfang und Abgabe – wissen Sie ... so ein wenig öffnen und hineinschauen, ob er eine Denunziation oder nur eine gewöhnliche Korrespondenz enthält? Günstigenfalls kann man ihn wieder zumachen .... übrigens kann man ihn auch aufgebrochen abgeben!
Postmeister.
Ich weiß, ich weiß – Sie brauchen mir mein Handwerk nicht zu lehren! Ich thu's ja auch ohne das – zwar nicht aus Vorsicht, sondern aus Neugierde – ich möchte nämlich für mein Leben gern wissen, was Neues in der Welt geschieht! Und ich versichere Ihnen, es ist eine ganz außerordentlich interessante Lektüre! Bei manchem Briefe empfindet man wahrhaft Hochgenuß .... Da werden verschiedene Vorfälle geschildert .... und so erbaulich .... weit besser als in der »Moskauer Zeitung«!
Stadthauptmann.
Nun, und haben Sie nichts von einem Beamten aus Petersburg gelesen?
Postmeister.
Von einem Beamten aus Petersburg? Nein; aber von einem aus Kostroma und Ssaratow ist viel die Rede .... Wie schade übrigens, daß Sie keine Briefe lesen! Manche Stellen sind wirklich wunderbar! Da schilderte neulich ein Lieutenant seinem Freunde einen Ball ... in so reizendem pikanten Ton: »Lieber Freund, ich lebe hier wie Gott in Frankreich .... es wimmelt von schönen Mädchen, die Musik rauscht, die Standartjunker fliegen dahin .....« Wirklich der Brief war mit vielem Gefühl geschrieben .... ich habe ihn mir extra aufgehoben .... Soll ich ihn Ihnen vorlesen?
Stadthauptmann.
Ich habe jetzt andere Gedanken im Kopf ... Also Sie thun mir den Gefallen, Iwan Kusmitsch: falls Sie einen Brief mit einer Beschwerde oder Denunziation finden, so halten Sie ihn ohne weiteres zurück!
Postmeister.
Mit dem größten Vergnügen!
Kreisrichter.
Nehmen Sie sich in acht, es wird Ihnen noch mal schief gehen!
Postmeister.
Mein Gott, Sie glauben?
Stadthauptmann.
Thut nichts, thut nichts! Etwas anderes ist's freilich, wenn Sie den Inhalt eines Briefes an die große Glocke hängen, so aber bleibt's so zu sagen in der Familie!
Kreisrichter.
Ja, da hat man uns eine bittere Suppe eingebrockt! ... Richtig, was ich sagen wollte, eigentlich kam ich zu Ihnen mit der Absicht, Ihnen einen jungen Hund anzubieten: es ist die leibliche Schwester jenes prächtigen Tieres, das Sie ja kennen .... Auch werden Sie gehört haben, daß Tscheptowitsch und Warchowinskij miteinander Prozeß führen, und das kommt mir denn sehr zupaß: ich jage jetzt die Hasen bald auf Tscheptowitsch's und bald auf Warchowinskij's Grundstück.
Stadthauptmann.
Lieber Freund, lassen Sie mich mit Ihren Hasen ungeschoren; jetzt steckt mir nur das verfluchte Inkognito im Kopf! Jeden Augenblick, glaub' ich, müsse die Thür aufgehen und herein –
Die vorigen; Bobtschinskij und Dobtschinskij stürzen atemlos herein.
Bobtschinskij.
Ein außerordentliches Ereignis!
Dobtschinskij.
Eine überraschende Neuigkeit!
Alle.
Was giebt's? Was ist los?
Dobtschinskij.
Eine unerwartete Geschichte! Wir kommen ins Wirtshaus –
Bobtschinskij (unterbricht ihn).
Ich komme mit Pjotr Iwanytsch ins Wirtshaus –
Dobtschinskij (einfallend).
Erlauben Sie, Pjotr Iwanytsch, ich werde alles erzählen!
Bobtschinskij.
Nein, mir .... mir erlauben Sie! ... Sie besitzen keine Rednergabe –
Dobtschinskij.
Und Sie werden den Faden verlieren und einiges vergessen.
Bobtschinskij.
Nichts werde ich vergessen, bei Gott, gar nichts! Lassen Sie mich erzählen und unterbrechen Sie mich nicht! .... Meine Herren, thun Sie mir den einzigen Gefallen, lassen Sie Pjotr Iwanytsch schweigen!
Stadthauptmann.
So sprecht, um aller Heiligen willen! Ich vergehe vor Ungeduld! Setzen Sie sich, meine Herren, da sind Stühle. Pjotr Iwanytsch, hier haben Sie einen Stuhl (Alle setzen sich und bilden um Bobtschinskij und Dobtschinskij einen Kreis.) Nun, was giebt's?
Bobtschinskij.
Erlauben Sie, erlauben Sie ... ich werde der Reihe nach .... Also: kaum hatte ich das Vergnügen gehabt, Sie zu verlassen .... nachdem Sie beim Lesen jenes Briefes so bestürzt worden waren .... ja .... da lief ich – bitte, unterbrechen Sie mich nicht, Pjotr Iwanytsch, ich weiß alles, alles weiß ich! – da lief ich, wie gesagt, zu Korobkin. Da jedoch Korobkin nicht zu Hause war, ging ich zu Rastakowskij, und da ich Rastakowskij nicht antraf, zu Iwan Kusmitsch (auf den Postmeister weisend), um ihm die von Ihnen empfangene Neuigkeit mitzuteilen, und begegnete auf dem Rückwege Pjotr Iwanytsch –
Dobtschinskij (einfallend).
Am Schilderhaus, in der Nähe des Kuchenbäckers –
Bobtschinskij.
Am Schilderhaus in der Nähe des Kuchenbäckers. Ja, also ich begegne Pjotr Iwanytsch und sage zu ihm: »Haben Sie schon von der Neuigkeit gehört, die Anton Antonowitsch in einem Briefe aus sicherer Quelle erhalten hat?« Pjotr Iwanytsch hatte davon bereits durch Ihre Haushälterin Awdotja Nachricht erhalten, die Sie, ich weiß nicht warum, zu Filipp Antonowitsch Potschetschujew geschickt hatten –
Dobtschinskij (einfallend).
Nach einem Fäßchen zum Franzbranntwein –
Bobtschinskij (seine Hände zur Seite schiebend).
Nach einem Fäßchen zum Franzbranntwein ... Wir gingen nun zusammen zu Potschetschujew ... Bitte, Pjotr Iwanytsch, unterbrechen Sie mich nicht! .... Wir gehen also zu Potschetschujew und unterwegs sagt Pjotr Iwanytsch: »Gehen wir ins Wirtshaus, ich habe seit dem Morgen nichts gegessen und verspüre im Magen so ein gewisses Kullern« .... In Pjotr Iwanytsch's Magen .... »Der Wirt – sagt er – hat soeben frischen Lachs erhalten, wollen wir uns davon einen Imbiß geben lassen!« Kaum sind wir im Wirtshaus, sehen wir plötzlich einen jungen Mann –
Dobtschinskij (einfallend).
Von angenehmem Äußern, in Civil –
Bobtschinskij.
Von angenehmen Äußern, in Civil ... Er geht im Zimmer auf und ab, im Gesicht – Gedankenreichtum ... Physiognomie ... Thatenlust .... und hier (weist nach der Stirn) viel, viel und mancherlei. Gleich kam mir eine gewisse Ahnung und ich sage zu Pjotr Iwanytsch: »Das hat was zu bedeuten!« Ja. Und Pjotr Iwanytsch hatte bereits den Wirt – Wlas heißt er – herangewinkt ... Seine Frau ist vor drei Wochen niedergekommen .... mit einem drallen Buben, der später, gleich dem Vater, Gastwirt werden soll ..... Pjotr Iwanytsch also hatte Wlas herangewinkt und fragt ihn leise: »Wer ist – sagt er – dieser junge Mann?« und der Wirt antwortet: »Das ist« – sagt er .... Aber so unterbrechen Sie mich doch nicht, Pjotr Iwanytsch, Sie werden's ja doch nicht erzählen können, Sie stoßen mit der Zunge an und haben zudem einen pfeifenden Zahn im Munde! .... »Das ist – sagt der Wirt – ein junger Mann, ein Beamter, der aus Petersburg kommt, seine Familie – sagt er – ist Iwan Alexandrowitsch Chlestakow; er reist – sagt er – ins Gouvernement Ssaratow und attestiert sich – sagt er – höchst sonderbar: schon weit über acht Tage wohnt er bei mir, nimmt alles auf Borg, zahlt keinen Kopeken und will nicht ausziehen.« Wie eine Offenbarung kam's über mich bei diesen Worten! »Aha!« sagte ich zu Pjotr Iwanytsch –
Dobtschinskij.
Nein, Pjotr Iwanytsch, ich war's, der »Aha!« sagte –
Bobtschinskij.
Nun gut, erst sagten Sie »Aha« und dann sagte ich »Aha!« »Aha« sagten wir zusammen: was hat er hier zu sitzen, da ihn doch sein Weg nach Ssaratow führt? – Ja .... und das ist der Beamte aus Petersburg!
Stadthauptmann.
Wie? Was für ein Beamter?
Bobtschinskij.
Der Beamte, von dessen Ankunft Sie benachrichtigt worden sind, – der Revisor!
Stadthauptmann (bestürzt).
Gott! ... Nein, das ist er nicht!
Dobtschinskij.
Er ist's! Zahlt nicht und will nicht ausziehen – wer könnte es anders sein? Dabei lautet sein Reisepaß auf Ssaratow!
Bobtschinskij.
Er ist's, bei Gott, er ist's! ... Und was für ein scharfes Auge er hat, wie er auf alles acht giebt! Als er sah, daß wir mit Pjotr Iwanytsch Lachs aßen – weil doch Pjotr Iwanytsch's Magen – unterwarf er sogar unsere Teller einer Prüfung! Kalt und heiß wurde es mir dabei vor Angst!
Stadthauptmann.
Herr, mein Gott, geh nicht ins Gericht mit uns Sündern! .... Welches Zimmer bewohnt er denn?
Dobtschinskij.
Nummer fünf, unter der Treppe.
Bobtschinskij.
Dieselbe Nummer, wo sich im vorigen Jahre die durchreisenden Offiziere geprügelt haben.
Stadthauptmann.
Und weilt er schon lange in unserer Stadt?
Dobtschinskij.
Seit ungefähr zwei Wochen. Er kam am Tage des heiligen Wassilij von Ägypten.
Stadthauptmann.
Zwei Wochen! (Für sich.) O all ihr Himmelsgeister und Heiligen, rettet mich! Während dieser Zeit ist die Unteroffiziersfrau durchgepeitscht worden, haben die Arrestanten ihre Rationen nicht erhalten .... die Stadt wimmelt von Kneipen .... kniehoch liegt der Schmutz auf den Strassen .... O Schmach, o Schande! (Greift sich mit beiden Händen an den Kopf.)
Kurator.
Was meinen Sie, Anton Antonowitsch: sollten wir nicht in Paradeuniform zum Hotel fahren?
Kreisrichter.
Nein, nein! Voran muß der Bürgermeister, die Geistlichkeit und die Kaufmannschaft; steht es doch schon in dem Buche: »Die Thaten Johannes des Freimaurers« .....
Stadthauptmann.
Nein, nein, lassen Sie mich nur machen! Es gab in meinem Leben schon mehrfach schwierige Fälle, aus denen ich mich nicht nur herauswand, sondern obendrein Dank einerntete. Da wird mich der liebe Gott wohl auch jetzt nicht im Stiche lassen! (Zu Bobtschinskij.) Sie sagen, er ist ein noch junger Mann?
Bobtschinskij.
Ganz jung, etwa drei- oder vierundzwanzig ....
Stadthauptmann.
Desto besser: ein junger Mann läßt sich leichter durchschauen, denn er giebt sich wie er ist; nur mit einem alten Teufel hat man seine liebe Not .... Sie, meine Herren, müssen Ihrerseits alle Maßregeln ergreifen; ich aber gehe allein hin – oder in Dobtschinskijs Begleitung – ganz harmlos, als machte ich einen Spaziergang, um nebenbei zu erfahren, ob dem Fremden der Aufenthalt in unserer Stadt nicht vielleicht verleidet wird ... He, Swistunow!
Swistunow.
Zu Befehl!
Stadthauptmann.
Lauf zum Stadtteilsaufseher ... oder nein, ich habe dich selbst nötig .... Sage jemand, daß man mir so schnell als möglich den Stadtteilsaufseher herschickt, und sodann komm gleich zurück. (Swistunow eiligst ab.)
Kurator (zum Kreisrichter).
Gehen wir, Ammos Fjodorowitsch, gehen wir; in der That, es kann ein Malheur geben!
Kreisrichter.
Was haben Sie zu fürchten? Sie stülpen den Kranken reine Nachtmützen auf und die Sache ist abgemacht.
Kurator.
Nachtmützen! Wenn's nur das wäre! Aber es ist uns vorgeschrieben, den Patienten Hafersuppe zu geben – statt dessen aber riecht es in allen Korridoren dermaßen nach Sauerkohl, daß man sich die Nase zuhalten muß.
Kreisrichter.
Da bin ich für mein Teil ganz unbesorgt. Wirklich, wem sollte es einfallen, das Kreisgericht in inspizieren? Und selbst wenn jemand seine Nase in irgendwelche Akten stecken sollte, so würde er seines Lebens nicht froh sein. Ich sitze nun fünfzehn Jahre auf dem Richterstuhle, und schau ich mal in ein Referendum – selbst der weise Salomo würde Recht von Unrecht nicht unterscheiden können! (Der Kreisrichter, der Kurator und der Postmeister entfernen sich und begegnen in der Thür dem zurückkehrenden Swistunow).
Der Stadthauptmann, Bobtschinskij, Dobtschinskij und Swistunow.
Stadthauptmann.
Steht die Droschke vor der Tür?
Swistunow.
Zu Befehl!
Stadthauptmann.
Geh auf die Straße ... oder nein ... wart ... geh, bringe mir ... Ja, wo sind denn die andern? Bist du ganz allein? Ich hatte doch auch Prochorow herbefohlen! Wo ist Prochorow?
Swistunow.
Prochorow ist im Stadtteil, indes läßt sich kein Gebrauch von ihm machen.
Stadthauptmann.
Wieso?
Swistunow.
So. Man hat ihn heute morgen sinnlos betrunken ins Teil gebracht; schon zwei Eimer Wasser haben wir ihm über den Kopf geschüttet und noch immer hat er sich nicht ernüchtern können.
Stadthauptmann (sich an den Kopf fassend).
O, mein Gott, mein Gott! ... Geh schnell auf die Straße ... oder nein ... lauf hier in das Zimmer ... hörst du? ... und bringe mir den Degen und den neuen Hut ... (Zu Dobtschinskij) Nun, Pjotr Iwanytsch, fahren wir!
Bobtschinskij.
Ich auch, ich auch .... erlauben Sie mir auch, Anton Antonowitsch! ....
Stadthauptmann.
Nein, nein, Pjotr Iwanytsch, das geht nicht! Es könnte Verdacht erwecken, und zudem ist kein Platz in der Droschke.
Bobtschinskij.
Thut nichts, ich werde nachlaufen .... wie ein Hahn, wie ein Hahn, wie ein Hahn! Könnte ich nur durch die Thürspalte sehen, wie seine Manieren ....
Stadthauptmann (von Swistunow den Degen nehmend).
Lauf, treibe alle Nachtsoldaten zusammen, jeder von ihnen nehme .... Ach, der Degen ist voll Schrammen! Dieser verfluchte Abdulin, dieser Halunke von Kaufmann, sieht, daß der Stadthauptmann einen alten Degen hat und schickt ihm keinen neuen! Ist das eine Spitzbubenbande! Und Beschwerdebriefe haben die Räuber wohl auch schon fertig in der Tasche! ..... Jeder soll eine Straße zur Hand nehmen ... hol's der Teufel, einen Besen! ..... und die ganze Straße, die zum Wirtshaus führt, rein und sauber machen! Hörst du? Und dann paß mir auf ... du, ja du ... ich kenne dich! Du stehst bei Hinz und Kunz Gevatter und steckst dann beim Taufschmaus silberne Löffel in deine Kanonenstiefel! Sieh dich vor. Wie bist du neulich mit dem Kaufmann Tschernjajew umgesprungen? Er gab dir zwei Arschin Tuch zur Uniform, und du stecktest das ganze Stück ein! Du besportelst dich nicht nach deinem Range! Nun, marsch! (Swistunow ab.)
Die vorigen und der Stadtteilsaufseher.
Stadthauptmann.
Aber so sagen Sie mir nur um Gottes willen, Stepan Iljitsch, wo Sie so lange stecken? Da hört ja alles auf!
Stadtteilsaufseher.
Ich stand hier in der Nähe vor dem Thor.
Stadthauptmann.
Na, so hören Sie mal, Stepan Iljitsch! Der Beamte aus Petersburg ist angekommen. Haben Sie Ihre Maßregeln getroffen?
Stadtteilsaufseher.
Genau Ihren Befehlen gemäß. Den Quartalaufseher Pugowitzin habe ich mit den Wachsoldaten abkommandiert, das Trottoir zu säubern.
Stadthauptmann.
Und Dershimorda ist wo?
Stadtteilsaufseher.
Dershimorda befindet sich bei der Feuerspritze.
Stadthauptmann.
Und Prochorow ist betrunken?
Stadtteilsaufseher.
Vollständig.
Stadthauptmann.
Wie haben Sie so was zulassen können?
Stadtteilsaufseher.
Gott weiß, wie's geschah! Gestern entstand vor dem Stadtthor eine Rauferei, er fuhr hinaus, um Ordnung zu schaffen und wurde betrunken heimgebracht.
Stadthauptmann.
Jetzt werde ich Ihnen sagen, was Sie zu thun haben! Der Quartaloffizier soll mit seiner respektablen hohen Figur auf der Brücke Posto fassen. Der morsche Zaun neben dem Schusterladen soll augenblicklich niedergerissen und an seine Stelle eine Reihe Meßfähnchen aufgepflanzt werden, damit es den Anschein weckt, als sollte der Ort planiert werden. Je mehr niedergerissenes Holz umherlagert, desto beredter bezeugt es die Rührigkeit der Stadtverwaltung .... Gott, da hab' ich's ja rein vergessen, daß neben diesem Zaun gegen vierzig Karren verschiedenen Unrats abgeladen worden sind! Ist das eine erbärmliche Stadt! Kaum hat man irgendwo ein Denkmal oder eine gewöhnliche Hecke errichtet – weiß der Teufel, sofort ist ein Dreckhaufen da!.... Und falls der Beamte jemanden von euch fragt, ob er mit seiner Stellung und Lage zufrieden sei – daß mir jeder antwortet: »Durchaus zufrieden, Euer Hochwohlgeboren!« und sollte sich ein Unzufriedener finden, so werde ich ihn später so zufrieden stellen, daß er an der Hälfte genug hat! .... (Tief seufzend.) O, ich habe viel vor dem Herrn gesündigt. (Nimmt statt des Hutes die Hutschachtel.) Doch wenn mir der liebe Gott aus der Klemme hilft, so werde ich ihm eine Kerze weihen, wie sie ihm noch kein Mensch auf Erden geweiht hat: jede Bestie von Kaufmann soll mir drei Pud Wachs dazu liefern! O Gott, o Gott! ..... Fahren wir, Pjotr Iwanytsch! (Will statt des Hutes die Pappschachtel aufsetzen.)
Stadtteilsaufseher.
Anton Antonowitsch, das ist die Schachtel, nicht der Hut.
Stadthauptmann (die Schachtel fortschleudernd).
Die Schachtel? Hol sie der Teufel! ..... Ja, und sollte er fragen, warum die Hospitalkirche – wozu man vor fünf Jahren die Baugelder assigniert hat – nicht gebaut ist, so sage man, sie sei während des Baues abgebrannt; ich habe hierüber seinerzeit schriftlich rapportiert: daß sich ja keiner in seiner Dummheit verplappert, mit dem Bau sei gar nicht begonnen worden ..... Und Dershimorda soll seine Fäuste etwas im Zaum halten: Schuldigen und Unschuldigen versieht er in seinem Amtseifer die Augen mit einer violetten Laterne! Fahren wir, Pjotr Iwanytsch! (Geht und kommt zurück.) Und daß man die Soldaten nicht nackt auf die Straße läßt: diese Lumpengarnison zieht die Uniform über das bloße Hemd – und unten ist nichts! (Alle ab.)
Anna Andrejewna und Marja Antonowna stürzen herein.
Anna Andrejewna.
Wo, wo sind sie? Ach, mein Gott! ... (Öffnet die Thür.) Mann! Anton! Antoscha! (Spricht sehr schnell.) Und daran bist du, einzig du schuld! Dieses ewige Kramen: »eine Nadel!« »das Busentuch!« (Eilt ans Fenster und ruft.) Anton, wohin, wohin? Er ist angekommen? Der Revisor? Hat er einen Schnurrbart? Was für einen?
Stimme des Stadthauptmanns.
Später, später!
Anna Andrejewna.
Später? Das fehlte noch! Ich will nichts wissen von deinem »Später!« Sage mir nur ein Wort: Ist er Oberst? Wie? ... Fort ist er! Wart, das will ich dir gedenken! .... Und daran trägst nur du die Schuld: »Mamachen, lassen Sie mich nur das Busentuch hinten zustecken; gleich bin ich fertig!« Da hast du's mit deinem »Gleich!« – Nichts haben wir erfahren! Aber freilich: – das verwünschte Kokettieren! Du wußtest, daß der Postmeister hier ist – und die Ziererei vor dem Spiegel ging los: von vorne, von hinten, rechts, links! Du bildest dir ein, daß er dir den Hof macht? Eine Grimasse schneidet er dir, sobald du dich abkehrst!
Marja Antonowna.
Da läßt sich nun nichts weiter thun, Mama; nach zwei Stunden werden wir alles wissen.
Anna Andrejewna.
Nach zwei Stunden? Danke bestens! Eine saubere Antwort! Warum nicht gar nach einem Monat? Dann werden wir's noch besser wissen! (Beugt sich aus dem Fenster.) He, Awdotja! ... Awdotja, hast du nicht gehört, wer angekommen ist? Nein? Dummes Geschöpf! Er hat dir mit der Hand fortgewinkt, sagst du? Einerlei, du hättest ihn dennoch ausfragen sollen! Aber dein Kopf ist voll Blödsinn, du denkst nur ans Heiraten! Was sagst du? Sie fuhren zu rasch? Warum bist du der Droschke nicht nachgelaufen? Schnell, laufe, renne, hol sie ein und frage, wohin sie fahren und wer der Fremde ist – aber erkundige dich genau, hörst du? Sieh durchs Schlüsselloch und merke dir alles, auch was für Augen er hat: schwarze oder blaue. Und dann sei für den Augenblick wieder hier! Hörst du? Rasch, rasch, rasch, rasch! (Ruft so lange zum Fenster hinaus, bis der Vorhang fällt.)