Johann Wolfgang von Goethe
Aus einer Reise in die Schweiz über Frankfurt, Heidelberg, Stuttgart und Tübingen im Jahre 1797
Johann Wolfgang von Goethe

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Einiges über Glasmalerei

Bei der Glasmalerei ist vor allem das Clairobscur und die Farbengebung zu betrachten.

Das Clairobscur ist an der vordern Seite, d. h. nach dem Gebäude zu, eingeschmolzen; es mögen nun mit dem Pinsel die Umrisse aufgetragen, oder Licht und Schatten in breiten Flächen angegeben sein. Das zweite geschah dergestalt, daß man die Platte mit dem ganzen chemischen Grunde überdeckte, und mit einer Nadel die Lichter herausriß; es ist also, wenn man will, eine Art schwarzer Kunst, oder besser: es ward gearbeitet, wie man auf dunklem Grunde die Lichter aufhöht. Dieses geschah mit der größten Feinheit und Akkuratesse. Ob sie nun diesen Grund zuerst einschmolzen, und die Farben auf die andere Seite brachten und nochmals einschmolzen, oder ob alles zugleich geschah, weiß ich noch nicht.

Es gibt, in Absicht auf Färbung, auf Glas gemalte und aus Glas zusammengesetzte Bilder.

Die ersten haben nur gewisse Farben: Gelb bis ins Gelbrote, Blau, Violett und Grün kommen darauf vor, aber niemals ein Purpur. Wahrscheinlich braucht der Goldlack ein stärkeres Feuer, um in Fluß zu geraten, als die übrigen, und konnte daher nicht mit jenen Farben zugleich eingeschmolzen werden.

War also Zeichnung und Clairobscur eines Bildes fertig, so wurden auf der Rückseite die Farben aufgetragen und eingeschmolzen. Merkwürdig ist die gelbe Farbe, die sie durch ein trübes Mittel, nach dem bekannten optischen Gesetz, hervorbrachten; der Teil der Scheibe, welcher inwendig herrlich gelb aussieht, erscheint von Außen als ein schmutziges Hellblau, das ins Grünliche oder Violette spielt.

Wenn sie schwarz hervorbringen wollten, so ließen sie den chemischen Grund auf dem Glase unberührt. Weil derselbe aber doch noch durchscheinend und braun gewesen wäre, so bedeckten sie ihn hinten mit irgend einem undurchsichtigen Schmelzwerk, wodurch das Schwarze ganz vollkommen wurde.

Bei der größern Unschmelzbarkeit des roten Glases wurde es, wie so viele Fälle zeigen, nur in einzelnen Stücken eingesetzt. Bei dem artigen Fall, daß ein weißer Steinbock auf rotem Grunde erscheinen sollte, verfuhr man folgendermaßen: Man schmolz zuerst einen purpurnen Überzug auf weißes Glas, so daß die ganze Tafel schön purpurn erschien. Sodann brannte man die Figur, nach Zeichnung und Schattierung, auf die weiße Seite ein, und schliff zuletzt von der Hinterseite die rote Lage des Glases weg, so weit sie die Figur des Steinbocks bedeckte, wodurch dieser blendend weiß auf dem farbigen Grunde erschien.

Sobald ich wieder eine Anzahl solcher Scheiben antreffe, werde ich meine Bemerkungen komplettieren und zusammenstellen.

 

Stuttgart, den 3 September 1797.

Gestern besuchte ich die Bibliothek, die ein ungeheures hölzernes Gebäude, das ehemals ein Kaufhaus war, einnimmt. Es steht am gewerbreichsten Teile der Stadt, zwar rings herum frei, jedoch nicht so, daß es vor aller Feuergefahr sicher wäre. Die Sammlung zum Kunst-, Antiquitäten- und Natur-Fach ist besonders schön, so wie auch die Sammlung der Dichter und des statutarischen Rechtes von Deutschland. Bibliothekare sind Petersen und Hofrat Schott.

Vorher besuchten wir den Professor Thouret, bei dem ich verschiedene gute Sachen sah. Eine Allegorie auf die Wiedergenesung des Herzogs ist ihm besonders wohlgelungen. Diese sowohl als eine Allegorie auf die französische Republik, so wie Elektra mit Orest und Pylades, zeugen von seiner Einsicht in die einfachen symmetrischen und kontrastierenden Kompositionen; so wie die Risse zu einem fürstlichen Grabe und zu einem Stadttor sein solides Studium der Architektur beurkunden. Ich werde nach diesem und nach der Zeichnung, die ich in Hohenheim von ihm gesehen, raten, daß man bei Dekorierung unseres Schlosses auch sein Gutachten einhole.

Nach Tische ging ich zu dem preußischen Gesandten von Madeweiß, der mich mit seiner Gemahlin sehr freundlich empfing. Ich fand daselbst die Gräfin Königseck, Herrn und Frau von Varchimont und einen Herrn von Wimpfen. Man zeigte mir ein paar vortreffliche Gemälde, die dem Legationsrat Abel gehören. Zunächst eine Schlacht von Wouvermann. Die Kavallerie hat schon einen Teil der Infanterie überritten und ist im Begriff ein zweites Glied, das eben abfeuert, anzugreifen. Ein Trompeter, auf seinem hagern Schimmel, sprengt rückwärts, um Sukkurs herbei zu blasen.

Das andere Bild ist ein Claude Lorrain von Mittelgröße und besonderer Schönheit: ein Sonnenuntergang, den er auch selbst radiert hat. Es ist fast keine Vegetation auf dem Bilde, sondern nur Architektur, Schiffe, Meer und Himmel.

Abends bei Herrn Kapellmeister Zumsteeg, wo ich verschiedene gute Musik hörte. Er hat die Colma, nach meiner Übersetzung, als Kantate, doch nur mit Begleitung des Klaviers komponiert. Sie tut sehr gute Wirkung und wird vielleicht für das Theater zu arrangieren sein, worüber ich nach meiner Rückkunft denken muß. Wenn man Fingaln und seine Helden sich in der Halle versammeln ließe, Minona singend und Ossian sie auf der Harfe akkompagnierend vorstellte, und das Pianoforte auf dem Theater versteckte, so müßte die Aufführung nicht ohne Effekt sein.

Heute fuhren wir ins kaiserliche Lager. Wir kamen durch Berg, worauf die Hauptattaque von Moreau gerichtet war; dann auf Kannstadt; Münster sahen wir im Grunde liegen. Wir kamen durch Schmiedheim und fingen an das Lager zu übersehen. Der linke Flügel lehnt sich an Mühlhausen, alsdann zieht es sich über Aldingen bis gegen Hochberg. In Neckar-Rems wurden wir vom Hauptmann Jakardowsky, vom Generalstabe, gut aufgenommen, der uns erst früh das Lager überhaupt von dem Berge bei Hochberg zeigte, und uns gegen Abend an der ganzen Fronte bis gegen Mühlhausen hinführte. Wir nahmen den Weg nach Kornwestheim, da wir denn auf die Ludwigsburger Chaussee kamen, und so nach der Stadt zurückfuhren.

Im Lager mögen etwa 25 000 Mann stehen, das Hauptquartier des Erzherzogs wird in Hochberg sein.

Der Pfarrer in Neckar-Rems heißt Zeller, der Oberamtmann von Kannstadt Seyfarth und ist ein Bruder des Professors in Göttingen.

 

Stuttgart, den 4 September 1797.

Nachdem ich früh verschiedenes zu Papiere gebracht und einige Briefe besorgt hatte, ging ich mit Herrn Professor Dannecker spazieren und beredete hauptsächlich mit ihm meine Absichten, wie Isopi und Thouret auch für unsere Weimarischen Verhältnisse zu nutzen sein möchten. Zu Mittag speiste ich an der Table d'hote, wo sich ein junger Herr von Liven, der sich hier bei der russischen Gesandtschaft befindet, als ein Sohn eines alten akademischen Freundes mir zu erkennen gab.

Hernach besuchte ich Herrn Beiling, dessen Frau sehr schön Klavier spielte. Er ist ein sehr passionierter Liebhaber der Musik, besonders des Gesanges.

Aus den brillanten Zeiten des Herzogs Karl, wo Jomelli die Oper dirigierte, ist der Eindruck und die Liebe zur italiänischen Musik bei ältern Personen hier noch lebhaft verblieben. Man sieht wie sehr sich etwas im Publikum erhält, das einmal solid gepflanzt ist. Leider dienen die Zeitumstände den Obern zu einer Art von Rechtfertigung, daß man die Künste, die mit wenigem hier zu erhalten und zu beleben wären, nach und nach ganz sinken und verklingen läßt.

Von da zur Frau Legationsrat Abel wo ich die beiden schönen Bilder, die ich bei Herrn von Madeweiß gesehen, nochmals wieder fand. Außer diesen zeigte man mir noch eine vortreffliche und wohlerhaltene Landschaft von Nicolaus Poussin, und noch einen anderen Claude aus einer frühern Zeit, aber unendlich lieblich.

Wir machten darauf einen Spaziergang auf die Weinbergshöhen, wo man Stuttgart in seinem Umfange und seinen verschiedenen Teilen liegen sieht.

Stuttgart hat eigentlich drei Regionen und Charaktere: unten sieht es einer Landstadt, in der Mitte einer Handelsstadt, und oben einer Hof- und wohlhabenden Particulierstadt ähnlich.

Wir gingen ins Theater wo man Ludwig den Springer gab.

Das Ballett, diesmal ein bloßes Divertissement, war ganz heiter und artig. Mad. Pauli, erst kurz verheiratet, zeigte sich als sehr hübsche und anmutige Tänzerin.

Die Stuttgarter sind überhaupt mit ihrem Theater nicht übel zufrieden, ob man gleich auch hier und da darauf schilt.

Merkwürdig war mir's auch heute daß das Publikum, wenn es beisammen ist, es mag sein wie es will, durch sein Schweigen und seinen Beifall immer ein richtiges Gefühl verrät. Sowohl im heutigen Stücke als neulich im Carlos, wurden die Schauspieler fast nie, einigemal aber das Stück applaudiert; kaum aber trat diesen Abend die Tänzerin, mit ihren wirklich reizenden Bewegungen auf, so war der Beifall gleich da.

 

Stuttgart, den 5 September 1797.

Früh im großen Theater. Ich sah daselbst verschiedene Dekorationen welche sich von Colomba herschreiben. Sie müssen sich auf dem Theater sehr gut ausnehmen, denn es ist alles sehr faßlich und in großen Partien ausgeteilt und gemalt. Die Frankfurter Dekorationen haben aber doch darin den Vorzug, daß ihnen eine solidere Baukunst zum Grunde liegt und daß sie reicher sind, ohne überladen zu sein; dahingegen die hiesigen in einem gewissen Sinne leer genannt werden können, ob sie gleich wegen der Größe des Theaters und wegen ihrer eigenen Grandiosität sehr guten Effekt tun müssen.

Sodann bei Herrn Meyer, der verschiedene gute Gemälde hat. Er zeigte mir Blumen- und Frucht-Stücke von einem gewissen Wolfermann, der erst mit naturhistorischen Arbeiten angefangen, sich aber darauf nach de Heem und Huysum gebildet und sowohl in Wasser- als Öl-Farbe Früchte und Insekten außerordentlich gut macht. Da er arm ist und sich hier kaum erhält, so würde er leicht zu haben sein und bei künftigen Dekorationen vortrefflich dienen, um die Früchte, Insekten, Gefäße und was sonst noch der Art vorkäme zu malen und andern den rechten Weg zu zeigen. Auch könnte man ihn zu der neuen Marmormalerei brauchen, wenn ihn Professor Thouret vorher darin unterrichten wollte.

Ich sah bei dem Hoftapezierer Stühle von Mahagoni-Holz gearbeitet; sie waren mit schwarzem gestreiftem Seidenzeug überzogen, das Pekin satiné heißt und eine sehr gute Wirkung tut. Besonders artig nehmen sich daran hochrote seidene Litzen aus, mit denen die Kanten der Kissen bezeichnet sind.

Nachmittags war ich bei Regierungsrat Frommann, der mir einige schöne eigene, so wie andere dem Legationsrat Abel gehörige, Gemälde vorzeigte. Unter den letztern zeichnete sich besonders ein Faun aus, der eine am Baum gebundene Nymphe peitscht. Dieselbe Idee ist in den Scherzi d'amore von Carracci vorgestellt und mag dieses Bild, das vortrefflich gemalt ist, wohl von Lodovico sein. Auch dieser Liebhaber hat manches aus den französischen Auktionen für einen sehr billigen Preis erhalten.

Abends bei Rapp. Vorlesung des Herrmann und Dorothea.

 

Stuttgart, den 6 September 1797.

Früh besuchte mich Herr Professor Thouret, mit dem ich über die architektonischen Dekorationen sprach. Dazu kam Professor Heidloff, der leider sehr an den Augen leidet; ferner ein Oberlieutenant von Koudelka, von den Östreichern, ein wohlgebildeter junger Mann und großer Liebhaber der Musik. Darauf ging ich mit Thouret, sein Modell zum Ovalsaal in Stuttgart zu sehen, das im Ganzen gut gedacht ist; nur wäre die Frage: ob man den Übergang von den langen perpendikularen Banden, der mir zu arm scheint, nicht reicher und anmutiger machen könnte. Ich ging alsdann mit ihm, Scheffhauer und einem würtembergischen Offizier, der ganz artig malt, das Schloß zu besehen, wo ich nichts Nachahmungswertes fand, vielmehr unzählige Beispiele dessen was man vermeiden soll. Die Marmore, besonders aber die Alabaster (Kalkspäte) des Landes nehmen sich sehr gut aus, sind aber nicht zur glücklichsten Dekoration verwendet. Übrigens sind die Zimmer, man möchte sagen, gemein vornehm; so z. B. sieht man auf einem gemein angestrichenen weißen Gypsgrunde viele vergoldete Architektur, die Türen bei ihren schnörkelhaften Vergoldungen mit Leimfarbe angestrichen, die Guibalischen Plafonds nach der bekannten Art.

In dem Wohnzimmer des jetzigen Herzogs sah ich eine halbe Figur, die auf Quercin hindeutet. Einige Landschaften aus Birmanns früherer Zeit; ein gutes Bild von Hetsch, die Mutter der Gracchen im Gegensatz mit der eitlen Römerin vorstellend.

Ich ging mit Herrn Professor Thouret die verschiedenen Dekorationen durch, die bei Verzierungen eines Schlosses vorkommen können, und bemerkte hiervon folgendes.

Das erste worin wir übereinkamen war, daß man sich, um eine Reihe von Zimmern zu dekorieren, vor allen Dingen über das Ganze bestimmen solle, man möge es nun einem einzelnen Künstler übertragen, oder aus den Vorschlägen mehrerer nach eigenem Geschmacke für die verschiedenen Zimmer eine Wahl anstellen. Da ohnehin ein solches Unternehmen jederzeit großes Geld koste, so sei der Hauptpunkt, daß man stufenweise verfahre, das Kostbare nicht am unrechten Platze anbringe, und sich nicht selbst nötige, mehr als man sich vorgesetzt zu tun.

So sei z. B. bei dem Appartement unserer Herzogin, dessen Lage ich ihm bezeichnete, es hauptsächlich darum zu tun, aus dem Anständigen eines Vorsaals, in das Würdigere der Vorzimmer, in das Prächtigere des Audienzzimmers überzugehen; das Rundel des Eckes und das darauf folgende Zimmer heiter und doch prächtig zu einer innern Konversation anzulegen; von da ins Stille und Angenehme der Wohn- und Schlafzimmer überzugehen, und die daran stoßenden Kabinette und Bibliothek mannichfaltig, zierlich und mit Anstand vergnüglich zu machen.

Wir sprachen über die Möglichkeit, sowohl durch das anzuwendende Material, als durch die zu bestimmenden Formen, einem jeden dieser Zimmer einen eignen Charakter und dem Ganzen eine Folge durch Übergänge und Kontraste zu geben. Er erbot sich, wenn man ihm die Risse und Maße der Zimmer schickte, einen ersten Vorschlag dieser Art zu tun, den man zur Grundlage bei der künftigen Arbeit brauchen könnte.

Decken und Gesimse sind das erste, an deren Bestimmung und Fertigung man zu denken hat, allein diese hängen von der Dekoration des Zimmers sowohl in Proportionen als Ornamenten ab.

Die Gesimse oder den Übergang von der Wand zur Decke kann man auf zweierlei Art machen; einmal, daß man ein mehr oder weniger vorspringendes Gesims in die Ecke anbringt und die Decke unmittelbar darauf ruhen läßt, oder auch, daß man durch eine größere oder kleinere Hohlkehle die Wand und Decke sanft verbindet. Jene Art würde in ihrer größeren Einfachheit sich wohl für die Vorzimmer schicken und, wenn man Glieder und Teile mehr zusammensetzt, auch wohl den prächtigen Zimmern gemäß sein. Doch haben die Hohlkehlen immer etwas Heiteres, und sind mannichfaltiger Verzierungen fähig. Isopi will selbst über dem architektonischen Gesims noch jederzeit eine Hohlkehle haben, um dem Ganzen mehr Freiheit und Ansehen zu geben. Eine Meinung die sich noch prüfen läßt.

Gesimse und Decken stehen in einer beständigen Korrelation; die Einfalt des einen bestimmt die Einfalt des andern, und so teilen sie einander auch ihre mannichfaltigen Charaktere mit. Stuck, Vergoldung und Malerei können mit einander hier wetteifern und sich steigern. Wir haben hiervon in dem römischen Hause schon sehr schöne Beispiele.

Was die Wände selbst betrifft, so leiden sie die mannichfaltigsten Veränderungen. Eine sauber abgetünchte Wand, auf welcher die angebrachte Stukkatur durch einen leichten Ton abgesetzt wird, gibt für Vorsäle die angenehmste und heiterste Verzierung.

Sehr wichtig aber ist für Dekoration die Kenntnis: Granit, Porphyr und Marmor auf verschiedene Weise nachzuahmen.

Die bekannte Art des sogenannten Gypsmarmors tut zwar, nächst dem natürlichen Stein, den schönsten und herrlichsten Effekt, allein sie ist sehr kostbar, und die Arbeit geht langsam; hingegen bedient man sich in Italien außerdem noch dreier anderer Arten, welche nach dem verschiedenen Gebrauch und Würde der Zimmer anzuwenden sind, und alle drei sehr guten Effekt machen.

Die erste wird auf nassen Kalk gemalt, und hinterdrein vom Maurer verglichen, und von dem Maler wieder übergangen, so daß beide immer zusammen arbeiten; sie können auf diese Weise des Tages 6 Quadratschuh fertig machen. Der neue Saal von Hohenheim wird auf diese Weise dekoriert, und man könnte daselbst im Frühjahre schon die Resultate sehen.

Die zweite ist was die Italiäner Scajola nennen, eine Art von nassem Mosaik. Der Pilaster, oder die Füllung, die auf diese Art bearbeitet werden soll, wird mit einem einfärbigen beliebigen Gypsgrunde angelegt. Wenn er trocken ist, sticht der Künstler, der freilich darin Praktik haben muß, mit Eisen die Adern oder was man für Zufälligkeiten anbringen will, heraus und füllt und streicht die entstandenen Vertiefungen mit einer andern Farbe wieder aus, wozu er sich kleiner Spateln bedient. Wenn dieses wieder trocken ist, übergeht er es abermals, und das so lange, bis der Effekt erreicht ist, da denn das Ganze abgeschliffen wird. Man kann durch diese Art weit mehr, als durch das Mischen des Marmors, die Natur erreichen und es soll bei gehöriger Praktik um einen großen Teil geschwinder gehen.

Die dritte Art ist für Vorsäle und Zimmer, die man leicht behandeln will; sie soll sich aber auch sehr gut ausnehmen. Der Marmor wird nämlich mit Leimfarbe auf die abgetünchte Wand gemalt und mit einem Spiritusfirnis überstrichen.

Alle drei Arten offeriert Herr Thouret durch Beschreibung, noch lieber aber durch persönliche Anleitung mitzuteilen. Er widerrät das Malen des Marmors mit Öl auf die abgetünchte Wand, weil die Arbeit eine unangenehme der Natur widersprechende Bräune nach und nach erhält.

Der Gebrauch der Seide zur Verzierung der Wände ist auch wohl zu überlegen. Ganze Wände damit zu überziehen hat immer etwas Eintöniges, man müßte ihnen denn nach Größe und Verhältnis der Zimmer starke Bordüren geben, und auf die großen Räume wenigstens einige würdige Gemälde anbringen.

Übrigens aber sind die kleinern seidnen Abteilungen, mit Stukkatur und Marmor verbunden, immer das Angenehmste und Reichste, wie wir das Beispiel auch im römischen Hause sehen.

Da die Spiegel nunmehr jederzeit als ein Teil der Architektur angesehen, in die Wand eingelassen und niemals in mehr oder weniger barbarischen Rahmen aufgehängt werden, so fallen die Rahmen dazu meist in das Feld der Stukkaturers, wenigstens hat der Bildschnitzer nicht viel daran zu tun. Dagegen ist zu wünschen, daß das Schnitzwerk an den Türen, die im Ganzen einerlei Form haben können, nach Verhältnis angebracht werde; wie sie denn überhaupt nur immer Holzfarbe sein sollten, um so mehr, da man durch Fournierung verschiedene Hölzer, Schnitzwerk, Bronze, Vergoldung, ihre Mannichfaltigkeit sehr hoch treiben kann, und eine weiße Tür immer etwas Albernes hat.

Statt des kostbaren Schnitzwerks lassen sich auch bei Tapetenleisten die von Karton ausgedruckten vergoldeten Zierraten sehr gut brauchen.

Wegen des Lambris hielt man dafür, daß bei hohen Zimmern allenfalls die Höhe der Fensterbrüstung beibehalten werden könne, sonst aber sähe ein niedriger sockelartiger Lambris immer besser aus, indem er die Wand niemals gedruckt erscheinen lasse.

Wegen der Fußböden kamen auch sehr gute Vorschläge zur Sprache, die nächstens im weitern Umfang zu Papiere zu bringen sind.

 

Einer von den Hauptfehlern bei der Dekoration der Zimmer, der auch bei der frühern Konstruktion der Gebäude begangen wird, ist, daß man die Massen, die man haben kann oder hat, trennt und zerschneidet, wodurch das Große selbst kleinlich wird.

Wenn man z. B. in einem Saal eine Säulenordnung die nur einen Teil der Höhe einnimmt, anbringt und über derselben gleichsam noch eine Attike bis an die Decke macht. Dieser Fall ist noch in dem ausgebrannten Schlosse zu Stuttgart zu sehen. Oder wenn man die Lambris verhältnismäßig zu hoch macht, oder die Gesimse oder Friesen oben zu breit. Durch solche Operationen kann man ein hohes Zimmer niedrig erscheinen machen, wie durch die umgekehrte richtige Behandlung ein niedriges hoch erscheint. Diesem Fehler sind alle diejenigen ausgesetzt, welche nur immer an mannichfaltige Verzierungen denken, ohne die Hauptbegriffe der Massen, der Einheit und der Proportionen vor Augen zu haben.

 

Den 6. September.

Nach Tische ging ich mit Dannecker zu Rapp, wo ich ein sehr merkwürdiges osteologisches Präparat fand.

Ein Frauenzimmer, deren Geschwister schon an Knochenkrankheiten gelitten hatten, empfand in früher Jugend einen heftigen Schmerz, wenn die obere Kinnlade unter dem linken Auge berührt wurde. Dieser erstreckte sich nach und nach abwärts bis in die Hälfte des Gaumens; es entstand daselbst ein Geschwür, in welchem man etwas Hartes spüren konnte. Sie lebte 19 Jahre und starb an der Auszehrung. Der Teil des Schädels, den man, nachdem sie anatomiert, zurückbehalten, zeigt folgende Merkwürdigkeiten. Die linke Hälfte des Ossis intermaxillaris enthält zwei gute Schneidezähne; der Eckzahn fehlt und nach der kleinen Alveole sieht man, daß er bald nach der zweiten Zahnung ausgefallen sein müsse; dann folgt ein Backzahn, dann eine kleine Lücke, jedoch ohne Alveole, sondern mit dem scharfen Rand; dann ein starker Backzahn, darauf ein noch nicht ganz ausgebildeter, sogenannter Weisheitszahn. Betrachtet man nun die Nasenhöhle des Präparats, so findet man die große Merkwürdigkeit: es sitzt nämlich ein Zahn unter dem Augenrande mit seiner Wurzel an einer kleinen runden faltigen Knochenmasse fest; er erstreckt sich in seiner Lage schief herab nach hinten zu, und hat den Gaumenteil der obern Maxille gleich hinter den Canalibus incisivis gleichsam durchbohrt, oder vielmehr es ist durch die widernatürliche Berührung der Teil kariös geworden, und eine Öffnung, die größer als seine Krone, findet sich ausgefressen. Die Krone steht nur wenig vor der Gaumenfläche vor.

Der Zahn ist nicht völlig wie andere Backzähne gebildet, seine Wurzel ist einfach und lang und seine Krone nicht völlig breit. Es scheint nach allem diesem ein gesunder Zahn mit lebhaftem Wachstum zu sein, dem aber der Weg nach seinem rechten Platze durch ein ungleiches und schnelleres Wachstum der Nachbarzähne versperrt worden, so daß er sich hinterwärts entwickelt und das Unglück angerichtet hat. Wahrscheinlich ist es der fehlende Backzahn von dessen Alveole keine Spur zu sehen ist. Im Anfange glaubte ich fast es sei der Eckzahn.

Wenn man diesen Fall hätte vermuten können, so bin ich überzeugt, daß diese Person leicht zu operieren und der Zahn herauszuziehen gewesen wäre; ob man aber, bei ihrer übrigen unglücklichen Konstitution, ihr das Leben dadurch gefristet hätte, ist fast zu zweifeln.

Schade, daß man nur das interessante Stück ausgeschnitten und nicht die andere Hälfte der Maxille, ja den ganzen Schädel verwahrt hat, damit man den Knochenbau noch an den Teilen, welche keine auffallende Unregelmäßigkeit zeigen, hätte beobachten können.

 

Den 6 September.

Abends im Theater wurden die Due Litiganti von Sarti gegeben. Die Vorstellung war äußerst schwach und unbedeutend.

Herr Brand gar nichts. Demoiselle Bambus unangenehme Nullität. Madame Kaufmann, kleine hagere Figur, steife Bewegung, angenehme, gebildete, aber schwache Stimme. Demoiselle Ferber nichts. Herr Krebs angenehmer Tenor, ohne Ausdruck und Aktion. Herr Reuter unbedeutend. Herr Weberling, eine gewisse Art von drolligem Humor, den man leiden mag, aber auch weiter nichts.

Ich habe mehrere, die das Theater öfters besuchen, darüber sprechen hören und da kommt es denn meist auf eine gewisse Toleranz hinaus, die aus der Notwendigkeit entspringt diese Leute zu sehen, wo denn doch jeder in einer gewissen Rolle sich die Gunst des Publikums zu verschaffen weiß.

Übrigens hat das Theater so eine seltsame Konstitution daß eine Verbesserung desselben unmöglich wird.


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