Johann Wolfgang von Goethe
Aus einer Reise in die Schweiz über Frankfurt, Heidelberg, Stuttgart und Tübingen im Jahre 1797
Johann Wolfgang von Goethe

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Von Heidelberg über Heilbronn und Ludwigsburg nach Stuttgart

Sinsheim, den 27 August 1797.

Aus Heidelberg um 6 Uhr, an einem kühlen und heitern Morgen. Der Weg geht am linken Ufer des Neckars hinaus zwischen Granitfelsen und Nußbäumen. Drüben liegt ein Stift und Spital sehr anmutig. Rechts am Wege stehen kleine Häuser mit ihren Besitzungen, die sich den Berg hinauf erstrecken. Über dem Wasser, am Ende der Weinbergshöhe, die sich von Heidelberg heraufzieht, liegt Ziegelhausen. Es legen sich neue Gebirge und Täler an; man fährt durch Schlierbach. Über dem Wasser sieht man Sandsteinfelsen in horizontalen Lagen, diesseits am linken Ufer Frucht- und Wein-Bau. Man fährt an Sandsteinfelsen vorbei; es zeigt sich über dem Wasser eine schöne, sanft ablaufende wohlgebaute Erdspitze, um die der Neckar herumkommt. Der Blick auf Neckar-Gemünd ist sehr schön, die Gegend erweitert sich und ist fruchtbar.

Neckar-Gemünd ist eine artige, reinliche Stadt. Das obere Tor ist neu und gut gebaut, ein scheinbarer Fallgatter schließt den obern Halbzirkel. Man hat hier den Neckar verlassen; man findet Maulbeerbäume, dann neben einer geraden Chaussee durch ein sanftes nicht breites Tal, an beiden Seiten Feld-, Obst- und Garten-Bau; die gleichen Höhen sind an beiden Seiten mit Wald bedeckt; man sieht kein Wasser. Der Wald verliert sich, die Höhen werden mannichfaltiger; man findet nur Fruchtbau, die Gegend sieht einer thüringischen ähnlich.

Wiesenbach, sauberes Dorf, alles mit Ziegeln gedeckt. Die Männer tragen blaue Röcke und mit gewirkten Blumen gezierte weiße Westen. Hier fließt wenig Wasser. Der Hafer war eben geschnitten und das Feld fast leer. Der Boden ist lehmig, der Weg geht bergauf, man sieht wenig Bäume, die Wege sind leidlich repariert.

Mauer, liegt freundlich; eine artige Pappelallee führt vom Dorfe nach einem Lusthause. Die Weiber haben eine katholische nicht unangenehme Bildung; die Männer sind höflich, keine Spur von Rohheit; man bemerkt eher eine sittliche Stille. Hinter dem Orte findet man eine Allee von Kirschbäumen an der Chaussee, die durch feuchte Wiesen erhöht durchgeht; sie wird mit Kalkstein gebessert.

Meckesheim liegt artig an einem Kalksteinhügel, der mit Wein bebaut ist; es hat Wiesen und Feldbau.

Zutzenhausen, auf Lehmhügeln; guter Fruchtbau an der rechten Seite, links Wiesen und anmutige waldige Hügel.

Hoffenheim; von da geht eine schöne alte Pappelallee bis Sinsheim, wo wir ein Viertel nach 10 Uhr ankamen, und in den drei Königen einkehrten.

Sinsheim hat das Ansehen eines nach der Landesart heitern Landstädtchens. Das gut angelegte Pflaster ist nach dem Kriege nicht repariert worden. Ich bemerkte eine Anstalt, die ich in dem sehr reinlichen Neckar-Gemünd auch schon, doch in einem sehr viel geringern Grade, gesehen hatte: daß nämlich Mist und Gassenkot mehr oder weniger an die Häuser angedrückt war. Der Hauptweg in der Mitte, die Gossen an beiden Seiten, und die Pflasterwege vor den Häusern bleiben dadurch ziemlich rein. Der Bürger, der gelegentlich seinen Dung auf die Felder schaffen will, ist nicht durch eine allzu ängstliche Polizei gequält, und wenn er den Unrat sich häufen läßt, so muß er ihn unter seinen Fenstern dulden; das Publikum aber ist auf der Straße wenig oder gar nicht inkommodiert.

Sinsheim hat schöne Wiesen und Felder, viel Kleebau, und die Stallfütterung ist hier allgemein. Sie haben auch von der Viehseuche viel gelitten, die noch in der Nachbarschaft grassiert. Die Gemeine hat das Recht, zusammen tausend Schafe zu halten, welche mit einer Anzahl Wiesen, diese zu überwintern, verpachtet ist. Die Schafe werden auf Stoppeln und Brache getrieben. Sobald das Grummet von den Wiesen ist, kommt erst das Rindvieh drauf; die Schafe nicht eher als bis es gefroren hat.

Es ist eine Administration hier, welche die ehemaligen Kirchgüter verwaltet, an denen Katholiken und Lutheraner in gewissen Proportionen Teil nehmen.

Ein Klafter Holz, 6 Fuß breit, 6 Fuß hoch, und die Scheite 4 Fuß lang, kostet bis ans Haus 18 fl., das Pfund Butter kostet gegenwärtig 30 Kreuzer, in Heidelberg 48 Kreuzer.

Um 2 Uhr von Sinsheim ab. Draußen links liegt ein artiges Kloster; eine alte schöne Pappelallee begleitet die Straße. Vorwärts und weiter rechts sieht man an einem schönen Wiesengrund Rohrbach und Steinfurt liegen, durch welche man nachher durchkommt. Die Pappeln dauern fort; wo sie auf der Höhe aufhören, fangen Kirschbäume an, die aber traurig stehen. Der Feldbau ist auf den Höhen und den sanften Gründen wie bisher; der Weg steigt aufwärts. Die Kirschbäume zeigen sich schöner gewachsen. Flötzkalk in schmalen horizontalen, sehr zerklüfteten Schichten. Über der Höhe gehen die Pappeln wieder an.

Kirchhard. Der Weg geht wieder auf- und absteigend. Der horizontale Kalk dauert fort. Gerade Chausseen und schöner Fruchtbau bis

Fürfeld. Geringer Landort. Weiter dauern die Fruchtbäume fort. Auf dieser ganzen Fahrt sieht man wenig oder gar kein Wasser. Man erblickt nun die Berge des Neckartals.

Kirchhausen liegt zwischen anmutigen Gärten und Baumanlagen; dahinter ist eine schöne Aussicht nach den Gebirgen des Neckars; man kommt durch ein artiges Wäldchen und durch eine Pappelallee bis

Frankenbach. Die Kieshügel an der Chaussee erleichtern sehr die Erhaltung derselben. Schöne Pappelallee bis Heilbronn, die hie und da wahrscheinlich vom Fuhrwerk im Kriege gelitten hat und deren baldige Rekrutierung nach dem Frieden jeder Reisende zum Vergnügen seiner Nachfolger wünschen muß. Überhaupt sind von Heidelberg hierher die Chausseen meist mit mehr oder weniger Sorgfalt gebessert.

Abends um 6 Uhr erreichten wir Heilbronn und stiegen in der Sonne, einem schönen und, wenn er fertig sein wird, bequemen Gasthofe ab.

 

Heilbronn, den 28 August 1797.

Wenn man sich einen günstigen Begriff von Heilbronn machen will, so muß man um die Stadt gehen. Die Mauern und Graben sind ein wichtiges Denkmal der vorigen Zeit. Die Gräben sind sehr tief und fast bis herauf gemauert, die Mauern hoch, und aus Quaderstücken gut gefugt und in den neuern Zeiten genau verstrichen. Die Steine waren als Rustica gehauen, doch sind die Vorsprünge jetzt meistens verwittert. Das geringe Bedürfnis der alten Defension kann man hier recht sehen. Hier ist bloß auf Tiefe und Höhe gerechnet, die freilich kein Mensch leicht übersteigen wird; aber die Mauer geht in geraden Linien und die Türme springen nicht einmal vor, so daß kein Teil der Mauer von der Seite verteidigt ist. Man sieht recht, daß man das Sturmlaufen bei der Anlage dieses großen Werks für unmöglich gehalten hat, denn jede Schießscharte verteidigt eigentlich gerade aus nur sich selbst. Die Türme sind viereckt und hoch, unten an der Mauer her geht ein gemauerter bedeckter Weg. Die Türme an den Toren springen vor, und es sind daselbst die nötigen Außenwerke angebracht; nirgends ist ein Versuch einer Befestigung nach neuer Art sichtbar. Unterhalb des bedeckten Weges und an dessen Stelle sind an einigen Orten Baumschulen und andere Pflanzungen angelegt.

Eine schöne Allee führt um den größten Teil des Grabens. Sie besteht aus Linden und Kastanien, die als Gewölbe gehauen und gezogen sind; die Gärten stoßen gleich daran als größere und kleinere Besitzungen.

Die Stadt ist ihrer glücklichen Lage, ihrer schönen und fruchtbaren Gegend nach, auf Garten-, Frucht- und Wein-Bau gegründet, und man sieht wie sie zu einer gewissen Zeit der Unruhe sich entschließen mußte, die sämtlichen Bewohner, sowohl die gewerbetreibenden als ackerbauenden, in ihre Mauern einzuschließen. Da sie ziemlich auf der Plaine liegt, sind ihre Straßen nicht ängstlich, aber meist alt mit überhängenden Giebeln. Auf die Straße gehen große hölzerne Rinnen, die das Wasser über die Seitenwege, welche an den Häusern her größtenteils erhöht gepflastert sind, hinweg führen. Die Hauptstraßen sind meistens rein; aber die kleineren, besonders nach den Mauern zu, scheinen hauptsächlich von Gärtnern und Ackerleuten bewohnt zu sein. Die Straße dient jedem kleinen Hausbesitzer zum Misthof; Ställe und Scheune, alles ist dort, jedoch nur klein und von jedem einzelnen Besitzer zusammengedrängt. Ein einziges großes steinernes Gebäude, zu Aufbewahrung der Frucht, bemerkte ich, das einen reichen Besitzer ankündigte. Man sieht nicht wie an andern Orten verschiedene Epochen der Bauart, besonders keine Ämulation, die solche Epochen mit sich führen. Ein einziges Gebäude zeichnet sich aus, das durch die Bildsäule des Aesculaps und durch die Basreliefs von zwei Einhörnern sich als Apotheke ankündigt. Noch einige neue steinerne, aber ganz schlichte Häuser finden sich auch; das übrige ist alles von altem Schlag, doch wird sich das Gasthaus der Sonne durch einen Sprung, wenn es fertig ist, auszeichnen. Es ist ganz von Stein und im guten, wenn schon nicht im besten Geschmack, ungefähr wie das Sarrasinische auf dem Kornmarkt zu Frankfurt. Das Untergeschoß hat recht wohnbare Mezzaninen, darüber folgen noch zwei Geschosse. Die Zimmer, so weit sie fertig, sind geschmackvoll und sehr artig mit französischem Papier ausgeschmückt.

Was öffentliche Gemeindeanstalten betrifft, so scheint man in einer sehr frühen Zeit mit Mäßigkeit darauf bedacht gewesen zu sein. Die alten Kirchen sind nicht groß, von außen einfach und ohne Zierrat. Der Markt mäßig, das Rathaus nicht groß, aber schicklich. Die Fleischbänke, ein uraltes, ringsum frei auf Säulen stehendes, mit einer hölzernen Decke bedecktes Gebäude. Sie sind wenigstens viel löblicher als die Frankfurter, scheinen aber für die gegenwärtige Zeit zu klein, oder aus sonst einer Ursache verlassen. Ich fand wenig Fleischer darin; hingegen haben die Metzger an ihren in der Stadt zerstreuten Häusern ihre Ware aufgelegt und ausgehängt; ein böser und unreinlicher Mißbrauch. Das weiße Brot ist hier sehr schön. Männer und Frauenzimmer gehen ordentlich, aber nicht sehr modisch gekleidet. Es werden keine Juden hier gelitten. Eine Beschreibung oder Plan konnte ich von Heilbronn nicht erhalten.

Was ich aus dem Erzählten und andern Symptomen durch das bloße Anschauen schließen kann, ist: daß die Stadt durch den Grund und Boden, den sie besitzt, mehr als durch etwas Anderes wohlhabend ist; daß die Glücksgüter ziemlich gleich ausgeteilt sind; daß jeder still in seinem Einzelnen vor sich hinlebt, ohne gerade viel auf seine Umgebungen und aufs Äußere verwenden zu wollen; daß die Stadt übrigens eine gute Gewerbsnahrung, aber keinen ansehnlichen Handel hat; daß sie auf gemeine bürgerliche Gleichheit fundiert ist; daß weder Geistlichkeit noch Edelleute in frühern Zeiten großen Fuß in der Stadt gefaßt hatten; daß das öffentliche Wesen in frühern Zeiten reich und mächtig war, und daß es bis jetzt noch an einer guten mäßigen Verwaltung nicht fehlen mag. Der Umstand, daß der neuerbaute Gasthof auf einmal über alle Stufen der Architektur wegsprang, mag ein Zeugnis sein, wie viel die Bürgerklasse in diesen Zeiten gewonnen hat.

Die Menschen sind durchaus höflich und zeigen in ihrem Betragen eine gute, natürliche, stille, bürgerliche Denkart.

Die Mägde sind meist schöne stark und fein gebildete Mädchen und geben einen Begriff von der Bildung des Landvolks; sie gehen aber meistenteils schmutzig, weil sie mit zu dem Feldbau der Familien gebraucht werden.

Der Neckar ist oberhalb und unterhalb der Stadt zum Behufe verschiedener Mühlen durch Wehre gedämmt; die Schiffahrt von unten herauf geht also nur bis hierher, wo ausgeladen werden muß; man lädt oberhalb wieder ein und kann bis Kannstadt fahren. Diese Schiffe tragen bei hohem Wasser ungefähr 800 Zentner, auch wird hier viel ausgeladen und weiter ins Land hinein zur Achse transportiert.

Vor dem Tor steht ein großes Gebäude, das ehemals ein Waisenhaus war; die Waisen sind aber gegenwärtig nach den bekannten Beispielen auf Dörfer verteilt.

Das Wirtshausgebäude ist von einem Zweybrücker Baumeister, der sich in Paris aufgehalten, gebaut, und von ihm sowohl das Ganze als das Einzelne angegeben. Daß die Handwerker ihn nicht völlig sekundierten, sieht man am Einzelnen.

An den Fensterscheiben fand ich eine Sonderbarkeit. Es sind länglich viereckte Tafeln, die in der Quere stehen und unten eingebogen sind, so daß man von dem Fenster und dem Rahmen etwas abnehmen müßte. Der Hausherr sagte mir nur, daß der Glaser sich nach den Tafeln habe richten müssen; er glaubt daß sie sich, wenn sie noch biegsam sind, so werfen. Ich kann auch nichts Zweckmäßiges darin finden. Übrigens ist es Lohrer Glas.

An der Wirtstafel speiste außer der Hausfamilie noch der Oberamtmann von Möckmühl und die Seinen.

 

Abends um 6 Uhr fuhr ich mit dem Bruder des Wirts auf den Wartberg. Es ist, weil Heilbronn in der Tiefe liegt, eigentlich die Warte und dient anstatt eines Hauptturms. Die wesentliche Einrichtung oben aber ist eine Glocke, wodurch den Ackerleuten und besonders Weingärtnern ihre Feierstunde angekündigt wird. Der Turm liegt ungefähr eine halbe Stunde von der Stadt auf einer mit buschigem Holz oben bewachsenen Höhe, an deren Fuß Weinberge sich hinunterziehen. In der Nähe des Turmes steht ein artiges Gebäude mit einem großen Saale und einigen Nebenzimmern, wo die Woche einige Male getanzt wird. Wir fanden eben die Sonne als eine blutrote Scheibe in einem wahren Scirocco-Duft rechts von Wimpfen untergehen. Der Neckar schlängelt sich ruhig durch die Gegend, die von beiden Seiten des Flusses sanft aufsteigt. Heilbronn liegt am Flusse und das Erdreich erhöht sich nach und nach bis gegen die Hügel in Norden und Nord-Osten. Alles was man übersieht ist fruchtbar; das Nächste sind Weinberge, und die Stadt selbst liegt in einer großen grünen Masse von Gärten. Der Anblick erweckt das Gefühl von einem ruhigen, breiten, hinreichenden Genuß. Es sollen 12 000 Morgen Weinberge um die Stadt liegen; die Gärten sind sehr teuer, so daß wohl 1500 fl. für einen Morgen gegeben werden.

Ich hatte sehr schönes Vieh gesehen und fragte darnach. Man sagte mir, daß vor dem Kriege 3000 Stück in der Stadt gewesen, die man aber aus Sorge vor der Viehseuche nach und nach abgeschafft und erst wieder herbeischaffen werde; eine Kuh könne immer 12 bis 18 Carolin kosten und wert sein; viele halten sie auf Stallfütterung; geringe Leute haben Gelegenheit sie auf die Weide zu schicken, wozu die Gemeinde schöne Wiesen besitzt.

Ich fragte nach dem Bauwesen. Der Stadtrat hat es vor dem Krieg sehr zu befördern gesucht; besonders wird der Bürgermeister gerühmt, der schöne Kenntnisse besessen und sich dieses Teils sehr angenommen. Vor dem Kriege hat man von Seiten der Stadt demjenigen, der nach Vorschrift von Stein baute, die Steine umsonst angefahren und ihm leicht verzinslichen Vorschuß gegeben. Was diese Vorsorge gefruchtet und warum sich die Baulust nicht mehr ausgebreitet, verdient einer nähern Untersuchung.

Die Obrigkeit besteht aus lauter Protestanten und Studierten. Sie scheint sehr gut Haus zu halten, denn sie hat die bisherigen Kriegslasten ohne Aufborgung oder neue Auflagen bestritten. Einer Kontribution der Franzosen ist sie glücklich entgangen. Sie war auf 140 000 Gulden angesetzt, die auch schon parat lagen. Jetzt werden alle Vorspanne, welche die Östreicher verlangen, aus dem Ärarium bezahlt und die Bürger verdienen dabei. Das beste Zeichen einer guten Wirtschaft ist, daß die Stadt fortfährt Grundstücke zu kaufen, besonders von fremden Besitzern in der Nachbarschaft. Hätten die Reichsstädte in früherer Zeit diesen großen Grundsatz von den Klöstern gelernt, so hätten sie sich sehr erweitern und zum Teil manchen Verdruß ersparen können, wenn sie fremde Besitzer mitunter in ihr Territorium einkaufen ließen.

Die Stadt hat eine Schneidemühle mit dem Rechte, allein Bauholz und Bretter zu verkaufen. Diese Befugnisse sind auf dreißig Jahre verpachtet. Der Einwohner kann zwar von einem vorbeifahrenden Flößer auch kaufen, muß aber dem Monopolisten einen Batzen vom Gulden abgeben, so wie der Flößer diesem auch eine Abgabe bezahlen muß.

Da nun der Pachter, indem er Holz im Großen kauft und selbst flößt, das Holz so wohlfeil als der Flößer geben kann, so kann er sich einen guten Vorteil machen. Dagegen wird er, wenn er es zu hoch treiben wollte, wieder durch die Konkurrenz des Flößers balanciert. Unter diesen Umständen scheint also nicht, wie ich anfangs glaubte, diese Art von bedingtem Alleinhandel dem Bauen hinderlich zu sein.

Was die Abgaben betrifft, so sollen die Grundstücke sehr gering, das bare Vermögen hingegen und die Kapitalien hoch belegt sein.

Bei Erzählung von der Warte habe ich einer artigen alten Einrichtung zu erwähnen vergessen. Oben auf dem Turm steht ein hohler mit Kupferblech beschlagener, großer Knopf, der zwölf bis sechzehn Personen zur Not fassen könnte. Diesen konnte man ehemals mannshoch in die Höhe winden und eben so unmittelbar wieder auf das Dach herablassen. So lange der Knopf in der Höhe stand, mußten die Arbeiter ihr Tagewerk verrichten; sobald er niedergelassen ward, war Mittagsruhe oder Feierabend. Seiner Größe wegen konnte man ihn überall erkennen, und dieses dauernde sichtbare Zeichen war zuverlässiger als das Zeichen der Glocke, das doch verhört werden kann. Schade daß dieses Denkmal alter Sinnlichkeit außer Gebrauch gekommen ist.

In dem Hinfahren sah ich auch Weinsberg liegen, nach dem man wohl wie Bürger tut, fragen muß, da es sehr zwischen Hügel hineingedrückt ist, am Fuße des Berges, auf dem das, durch Frauentreue berühmte, jetzt zerstörte Schloß liegt, dessen Ruinen ich denn auch, wie billig, begrüßt habe. Auch hier ist man mit der Ernte sehr zufrieden.

Sie kam, wie überall, sehr lebhaft hinter einander, so daß die Winterfrüchte zugleich mit den Sommerfrüchten reif wurden. Der Feldbau ist auch hier in drei Jahresabteilungen eingeteilt, obgleich kein Feld brach liegt, sondern im dritten Jahre mit Hafer bestellt wird. Außerdem benutzt ein jeder, insofern er es mit der Düngung zwingen kann, seinen Boden in der Zwischenzeit, wie es angeht, z. B. mit Sommerrüben.

 

Ludwigsburg, den 29 Aug. 1797.

Von Heilbronn gegen 5 Uhr, vor Sonnenaufgang fort. Der Weg führt erst durch schöne Gärtnerei, verläßt dann die Allee und man kommt auf die alte Ludwigsburger Straße. Nebel bezeichneten den Gang des Neckars. Bockingen lag rechts im Nebel des Neckartales, links auf der Fläche sah man Feldbau. Man kommt durch Sontheim, das deutsch-herrisch ist und sieht in der Ebene eine immer abwechselnde Fruchtbarkeit, bald Wein, bald Feldbau. Wir fuhren quer durch den obern Teil eines artigen Wiesentals an dem weiter unten Schloß und Dorf Thalheim liegt. Hier wird der horizontale Kalkstein wieder angetroffen.

Lauffen hat eine artige Lage, teils auf der Höhe, teils am Wasser. Die Weinberge sind wieder häufig und der Boden ist so gut, daß sie nach der Ernte noch türkisch Korn gesäet hatten, das grün abgehauen und verfüttert wird. Durch eine schöne Allee von Obstbäumen fahrend sahen wir bald den Neckar wieder und kamen durch Kirchheim, genannt am Neckar. Wir ließen den Fluß links im Rücken, der zwischen engern Hügeln durch geht, aber hie und da an den ausspringenden Winkeln schöne flache Rücken läßt zum Frucht- und Wein-Bau.

Halb 7 Uhr kamen wir nach Besigheim wo wir ein wenig fütterten. Die Enz und der Neckar fließen hier zusammen, und die horizontalen Kalkfelsen, mit Mauerwerk artig zu Terrassen verbunden und mit Wein bepflanzt, gewähren einen erfreulichen Anblick. Brücke über die Enz. Hinter Bietigheim fuhren wir an mächtigen Kalklagern vorbei, durch eine schöne Allee von Fruchtbäumen. Man sah ferne und nahe Wäldchen durch Alleen verbunden, und hatte den Asperg und bald Ludwigsburg vor Augen, wo wir, da der Tag sehr heiß war, bis gegen Abend verweilten.

 

Das bekannte geräumige Schloß in Ludwigsburg ist sehr wohnbar, aber sowohl das alte als das neue in verhältnismäßig bösem Geschmack ausgeziert und meubliert. Im neuen gefielen mir die egalen Parquets von eichenem Holze, die sich sehr gut gehalten hatten. Wahrscheinlich waren sie nicht gerissen, weil die Etage an den Garten stößt und nur wenig über ihn erhoben ist. Auf einer Galerie waren alte schlichte Gemälde von venetianischen Lustbarkeiten, worunter auch die berühmte Brückenschlacht von Pisa. Diese Bilder, besonders dies eine, ob es gleich gar kein Kunstverdienst hat, ist dennoch sehr merkwürdig; denn man sieht, wie der unsinnigste Streich zum Spaß der ganzen Welt gereicht, die alle Balkone füllt und mit Zujauchzen, Schnupftuchwinken und sonstigem Anteil lebhaft ergötzt ist. Das Bild ist nicht übel, zwar nach Art der Dutzendbilder, fabrikmäßig, aber doch charakteristisch gemalt.

Das große Operntheater ist ein merkwürdiges Gebäude aus Holz und leichten Brettern zusammengeschlagen und zeugt von dem Geiste des Erbauers, der viele und hohe Gäste würdig und bequem unterhalten wollte. Das Theater ist 18 Schritte breit auch ungeheuer hoch, indem das Haus vier Logen enthält. In seiner möglichen Länge hat es 76 Schritt. Das Proszenium und das Orchester ist sehr groß, das Parterre dagegen sehr klein, man konnte überall gut sehen und höchst wahrscheinlich auch gut hören. Gegenwärtig ist es seit der Anwesenheit des Großfürsten zu einem Tanzsaale eingerichtet.

Von Ludwigsburg um 5 Uhr abgefahren. Herrliche Allee, vom Schloßweg an der langen Straße des Orts hin. Jede Seite der Allee vor dem Ort ist mit einer doppelten Reihe Bäume besetzt; links sieht man die Neckargebirge. Man kommt nach Kornwestheim; von da stehen Fruchtbäume an der Chaussee, die anfangs vertieft liegt, so daß die Aussicht wenig Abwechselung gewährt. Die Solitude sieht man in der Ferne. Herrlicher Fruchtbau. Der Weg geht über manche Hügel; ein Kalksteinbruch, zum Behuf der Chaussee, liegt ganz nahe an der Straße.

Nach Zuffenhausen hinabfahrend, sahen wir Feuerbach rechts in einem schönen Wiesengrunde. Ein Bauer der eine Querpfeife auf dem Jahrmarkt gekauft hatte, spielte darauf im nach Hause Gehen; fast das einzige Zeichen von Fröhlichkeit das uns auf dem Wege begegnet war. Nach Sonnenuntergang sah man Stuttgart. Seine Lage, in einem Kreise von sanften Gebirgen, machte in dieser Tageszeit einen ernsten Eindruck.

 

Stuttgart, den 30 August 1797.

Ich machte meine erste gewöhnliche Tour um 6 Uhr früh allein, und rekognoszierte die Stadt mit ihren Umgebungen. Eine Seite hat eine Befestigung nach der Heilbrunner Art, nur nicht so stattlich; die Gräben sind auch in Weinberge und Gartenpflanzungen verwandelt. Bald nachher findet man die schönsten Alleen von mehrern Baumreihen und ganz beschattete Plätze. Zwischen diesen und einer Art von Vorstadt liegt eine schöne Wiese. Durch die Vorstadt kommt man bald auf den Platz vor das Schloß oder vielmehr vor die Schlösser. Der Platz ist seit der Anwesenheit des Großfürsten schön planiert, und die teils auf Rasen, in großen regelmäßigen Partien, teils als Alleen gepflanzten Kastanienbäume sind sehr gut gediehen. Das Schloß selbst ist von dem Geschmack der Hälfte dieses Jahrhunderts, das Ganze aber anständig frei und breit. Das alte Schloß wäre jetzt kaum zu einer Theaterdekoration gut. Die alte Stadt gleicht Frankfurt in ihren alten Teilen; sie liegt in der Tiefe nach dem kleinen Wasser zu. Die neue Stadt ist in entschiedenen Richtungen meist geradlinig und rechtwinkelig gebaut, ohne Ängstlichkeit in der Ausführung. Man sieht Häuser mit mehr oder weniger Überhängen, ganz perpendikulär, von verschiedener Art und Größe; und so bemerkt man, daß die Anlage nach einem allgemeinen Gesetz und doch nach einer gewissen bürgerlichen Willkür gemacht wird.

Nachdem ich mich umgekleidet, besuchte ich nach 10 Uhr Herrn Handelsmann Rapp, und fand an ihm einen wohlunterrichteten verständigen Kunstfreund. Er zeigte mir eine schöne Landschaft von Bott, er selbst zeichnet als Liebhaber landschaftliche Gegenstände recht glücklich.

Wir besuchten Professor Dannecker in seinem Studium im Schlosse, und fanden bei ihm einen Hektor der den Paris schilt, ein etwas über Lebensgröße in Gyps ausgeführtes Modell, so wie auch eine ruhende nackte weibliche Figur im Charakter der sehnsuchtsvollen Sappho, in Gyps fertig, und in Marmor angefangen; desgleichen eine kleine trauernd sitzende Figur zu einem Zimmer-Monument. Ich sah ferner bei ihm das Gypsmodell eines Kopfes, vom gegenwärtigen Herzog, der besonders in Marmor sehr gut gelungen sein soll, so wie auch seine eigne Büste, die ohne Übertreibung geistreich und lebhaft ist. Was mich aber besonders frappierte, war der Original-Ausguß von Schillers Büste, der eine solche Wahrheit und Ausführlichkeit hat, daß er wirklich Erstaunen erregt. Ich sah noch kleine Modelle bei ihm, recht artig gedacht und angegeben, nur leidet er daran, woran wir Modernen alle leiden, an der Wahl des Gegenstandes. Diese Materie, die wir bisher so oft und zuletzt wieder bei Gelegenheit der Abhandlung über den Laokoon besprochen haben, erscheint mir immer in ihrer höhern Wichtigkeit. Wann werden wir armen Künstler dieser letzten Zeiten uns zu diesem Hauptbegriff erheben können!

Auch sah ich eine Vase bei ihm, aus graugestreiftem Alabaster, von Isopi, von dem uns Wolzogen so viel erzählte. Es geht aber über alle Beschreibung und niemand kann sich ohne Anschauung einen Begriff von dieser Vollkommenheit der Arbeit machen. Der Stein, was seine Farbe betrifft, ist nicht günstig, aber seiner Materie nach desto mehr. Da er sich leichter behandeln läßt als der Marmor, so werden hier Dinge möglich, wozu sich der Marmor nicht darbieten würde. Wenn Cellini, wie sich glauben läßt, seine Blätter und Zierraten in Gold und Silber eben so gedacht und vollendet hat, so kann man ihm nicht übel nehmen, wenn er selbst mit Entzücken von seiner Arbeit spricht.

Man fängt an, den Teil des Schlosses, der unter Herzog Karl eben als er geendigt war, abbrannte, wieder auszubauen, und man ist eben mit den Gesimsen und Decken beschäftigt. Isopi modelliert die Teile, die alsdann von andern Stukkaturen ausgegossen und eingesetzt werden. Seine Verzierungen sind sehr geistreich und geschmackvoll; er hat eine besondere Liebhaberei zu Vögeln, die er sehr gut modelliert und mit andern Zierraten angenehm zusammenstellt. Die Komposition des Ganzen hat etwas Originelles und Leichtes.

In Herrn Professor Scheffhauers Werkstatt fand ich eine schlafende Venus mit einem Amor, der sie aufdeckt, von weißem Marmor, wohlgearbeitet und gelegt; nur wollte der Arm, den sie rückwärts unter den Kopf gebracht hatte, gerade an der Stelle der Hauptansicht keine gute Wirkung tun. Einige Basreliefs antiken Inhalts, ferner die Modelle zu dem Monument, welches die Gemahlin des jetzigen Herzogs auf die, durch Gebete des Volks und der Familie, wieder erlangte Genesung des Fürsten aufrichten läßt. Der Obelisk steht schon auf dem Schloßplatze, mit den Gypsmodellen geziert.

In Abwesenheit des Professor Hetsch ließ uns seine Gattin seinen Arbeitssaal sehen; sein Familienbild in ganzen lebensgroßen Figuren hat viel Verdienst, besonders ist seine eigene höchst wahr und natürlich. Es ist in Rom gemalt. Seine Portraite sind sehr gut und lebhaft, und sollen sehr ähnlich sein. Er hat ein historisches Bild vor, aus der Messiade, da Maria sich mit Porcia, der Frau des Pilatus, von der Glückseligkeit des ewigen Lebens unterhält und sie davon überzeugt. Was läßt sich über die Wahl eines solchen Gegenstandes sagen? und was kann ein schönes Gesicht ausdrücken das die Entzückung des Himmels vorausfühlen soll? Überdies hat er zu dem Kopf der Porcia zwei Studien nach der Natur gemacht, das eine nach einer Römerin, einer geist- und gefühlvollen herrlichen Brünette, und das andere nach einer blonden guten weichen Deutschen. Der Ausdruck von beiden Gesichtern ist, wie sich's versteht, nichts weniger als überirdisch, und wenn so ein Bild auch gemacht werden könnte, so dürften keine individuellen Züge darin erscheinen. Indessen möchte man den Kopf der Römerin immer vor Augen haben. Es hat mich so ein erzdeutscher Einfall ganz verdrießlich gemacht. Daß doch der gute bildende Künstler mit dem Poeten wetteifern will, da er doch eigentlich durch das was er allein machen kann und zu machen hätte den Dichter zur Verzweiflung bringen könnte!

Professor Müllern fand ich an dem Graffischen Portrait, das Graff selbst gemalt hat. Der Kopf ist ganz vortrefflich, das künstlerische Auge hat den höchsten Glanz; nur will mir die Stellung, da er über einen Stuhlrücken sich herüber lehnt, nicht gefallen, um so weniger da dieser Rücken durchbrochen ist und das Bild also unten durchlöchert erscheint. Das Kupfer ist übrigens auf dem Wege gleichfalls sehr vollkommen zu werden. Sodann ist er an Auch einem Tod eines Generals beschäftigt, und zwar eines amerikanischen, eines jungen Mannes der bei Bunkershill blieb. Das Gemälde ist von einem Amerikaner Trombul und hat Vorzüge des Künstlers und Fehler des Liebhabers. Die Vorzüge sind: sehr charakteristische und vortrefflich tockierte Portraitgesichter; die Fehler: Disproportionen der Körper unter einander und ihrer Teile. Komponiert ist es, verhältnismäßig zum Gegenstande, recht gut, und für ein Bild auf dem so viele rote Uniformen erscheinen müssen, ganz verständig gefärbt; doch macht es im ersten Anblick immer eine grelle Wirkung, bis man sich mit ihm wegen seiner Verdienste versöhnt. Das Kupfer tut im Ganzen sehr gut und ist in seinen Teilen vortrefflich gestochen. Ich sah auch das bewundernswürdige Kupfer des letzten Königs von Frankreich, in einem vorzüglichen Abdruck aufgestellt.

Gegen Abend besuchten wir Herrn Konsistorialrat Ruoff, welcher eine treffliche Sammlung von Zeichnungen und Kupfern besitzt, wovon ein Teil zur Freude und Bequemlichkeit der Liebhaber unter Glas aufgehängt ist. Sodann gingen wir in Rapps Garten, und ich hatte abermals das Vergnügen, mich an den verständigen und wohlgefühlten Urteilen dieses Mannes über manche Gegenstände der Kunst, so wie über Danneckers Lebhaftigkeit zu erfreuen.

 

Stuttgart, den 31 August 1797.

Über das was ich gestern gesehen, wären noch manche Bemerkungen zu machen. Besonders traurig für die Baukunst war die Betrachtung: was Herzog Karl bei seinem Streben nach einer gewissen Größe hätte hinstellen können, wenn ihm der wahre Sinn dieser Kunst aufgegangen und er so glücklich gewesen wäre tüchtige Künstler zu seinen Anlagen zu finden. Allein man sieht wohl: er hatte nur eine gewisse vornehme Prachtrichtung, ohne Geschmack, und in seiner frühern Zeit war die Baukunst in Frankreich, woher er seine Muster nahm, selbst verfallen. Ich bin gegenwärtig voll Verlangen Hohenheim zu sehen.

Nach allem diesem muß ich noch sagen: daß ich unterweges auf ein poetisches Genre gefallen bin, in welchem wir künftig mehr machen müssen. Es sind Gespräche in Liedern. Wir haben in einer gewissen ältern deutschen Zeit ähnliche recht artige Sachen, und es läßt sich in dieser Form manches sagen, man muß nur erst hineinkommen und dieser Art ihr Eigentümliches abgewinnen. Ich habe so ein Gespräch zwischen einem Knaben, der in eine Müllerin verliebt ist, und dem Mühlbach angefangen, und hoffe es bald zu überschicken. Das poetisch-tropisch Allegorische wird durch diese Wendung lebendig, und besonders auf der Reise, wo einem so viel Gegenstände ansprechen, ist es ein recht gutes Genre.

Auch bei dieser Gelegenheit ist merkwürdig zu betrachten: was für Gegenstände sich zu dieser besondern Behandlungsart bequemen. Ich kann Ihnen nicht sagen, um meine obigen Klagelieder zu wiederholen, wie sehr mich jetzt, besonders um der Bildhauer willen, die Mißgriffe im Gegenstand beunruhigen; denn diese Künstler büßen offenbar den Fehler und den Unbegriff der Zeit am schwersten. Sobald ich mit Meyern zusammenkomme und seine Überlegungen, die er mir angekündigt, nutzen kann, will ich gleich mich daran machen und wenigstens die Hauptmomente zusammenschreiben.

Über das theatralisch Komische habe ich auch verschiednemal zu denken Gelegenheit gehabt; das Resultat ist: daß man es nur in einer großen, mehr oder weniger rohen Menschenmasse gewahr werden kann, und daß wir leider ein Kapital dieser Art, womit wir poetisch wuchern könnten, bei uns gar nicht finden.

Übrigens hat man vom Kriege hier viel gelitten und leidet immerfort. Wenn die Franzosen dem Lande 5 Millionen abnahmen, so sollen die Kaiserlichen nun schon an 16 Millionen verzehrt haben. Dagegen erstaunt man denn freilich als Fremder über die ungeheure Fruchtbarkeit dieses Landes und begreift die Möglichkeit solche Lasten zu tragen.

Cotta hat mich freundlich eingeladen in Tübingen bei ihm zu logieren; ich habe es mit Dank angenommen, da ich bisher besonders bei dem heißen Wetter in den Wirtshäusern mehr als auf dem Wege gelitten.

Ich habe nun auch die Vasen von Isopi gesehen, von welchen Wolzogen auch nicht zu viel erzählt hat. Der Einfall, den Henkel und die Schnauze der Kanne durch Tiere vorzustellen, ist sehr artig und sehr gut angebracht, besonders an der einen, da der Kranich der aus dem Gefäße trinkt den Henkel, und der betrübte Fuchs die Schnauze macht. Die Arbeit aber in Hinsicht ihrer Feinheit und Zierlichkeit geht über alle Begriffe. Er verlangt für die beiden großen und noch drei oder vier kleinere 500 Dukaten. Man muß bei der Arbeit wie bei dem Menschen immer an Cellini denken. Obgleich Isopi keine Spur von jener Rohheit hat, so ist er doch ein eben so fürchterlich passionierter Italiäner. Die Art wie er die Franzosen haßt und wie er sie schildert, ist einzig; so wie er überhaupt eine höchst interessante Natur ist.

Als die Franzosen nach Stuttgart kamen, fürchtete man eine Plünderung. Er hatte seine Vasen wohl eingepackt im Danneckerischen Hause stehen. Heimlich kauft er sich ein paar Taschenpistolen, Pulver und Blei und trägt die Gewehre geladen mit sich herum, und da man in der ersten Nacht unvorsichtiger Weise einige Franzosen ins Haus läßt, die, nach der gewöhnlichen Marodeurs-Manier zu trinken forderten, sich aber nachher ziemlich unartig bezeigten, stand er immer dabei und hatte die Hände in der Tasche, entschlossen, dem ersten der sich seinem Zimmer und dem Kasten genähert hätte, eine Kugel durch den Leib zu jagen und neben seinen Arbeiten zu sterben.

 

Stuttgart, den 1 September.

Gestern Nachmittag war ich beim Mechanicus Tiedemann, einem unschätzbaren Arbeiter, der sich selbst gebildet hat. Mehrere Gesellen arbeiten unter ihm, und er ist eigentlich nur beschäftigt seine Ferngläser zusammenzusetzen; eine Bemühung, die wegen der Objektiv-Gläser viel Zeit erfordert, indem diejenigen Gläser die eigentlich zusammengehören, jedesmal durch die Erfahrung zusammengesucht werden müssen. Ein Perspektiv, dessen erstes Rohr ungefähr 18 Zoll lang ist und durch das man eine Schrift von ungefähr einem Zoll hoch auf 600 Fuß sehr deutlich lesen, ja auf einer weißen Tafel kleine Punkte recht deutlich unterscheiden kann, verkauft er für 7½ Carolin.

Wir besuchten Herrn Obristlieutenant Wing, der recht gute Gemälde besitzt. Wir sahen eins von Franz Floris, mehrere Frauen mit Säuglingen beschäftigt, ein besonders in einzelnen Teilen sehr gutes Bild. Ein anderes von Hetsch, Achill von dem man die Briseis wegführt, würde vorzüglicher sein wenn die Figur des Achill nicht in der Ecke zu sehr allein säße. Überhaupt haben die Hetschischen Bilder, so viel ich ihrer gesehen, bei ihren übrigen Verdiensten und bei glücklichen Aperçus, immer etwas, daß man sie noch einmal durchgearbeitet wünscht. Auch sah ich eine Landschaft mit Räubern, die für Rubens gegeben wird, die ich ihm aber nicht zuschreiben würde, ob sie gleich in ihrer natürlichen Behandlungsart vortrefflich ist. Ferner sah ich einige andere, mehr oder weniger kleine, ausgeführte Bilder von Rubens.

Darauf besuchten wir Herrn Professor Harper, einen gebornen Landschaftsmaler. Die Begebenheiten und Bewegungen der Natur, indem sie Gegenden zusammensetzt, sind ihm sehr gegenwärtig, so daß er mit vielem Geschmack landschaftliche Gemälde hervorbringt. Freilich sind es alles nur imaginierte Bilder, und seine Farbe ist hart und roh; allein er malt so aus Grundsätzen, indem er behauptet daß sein Kolorit mit der Zeit Ton und Harmonie bekomme; wie denn auch einige dreißig- und vierzigjährige Bilder von ihm zu beweisen scheinen. Er ist ein gar guter, allgemein beliebter, wohlerhaltener Mann in den Sechzigen, und wird von hier bald nach Berlin abgehen.

Wir sahen die Aloë die in einem herrschaftlichen Garten seit drei Monaten der Blüte sich nähert. Der Stengel ist jetzt 25 Fuß hoch, die Knospen sind noch geschlossen und brauchen allenfalls noch 14 Tage zur völligen Entwicklung. Sie ist auch zufällig, indem man sie in engeres Gefäß gesetzt, zu dieser Blüte genötigt worden.

Hierauf gingen wir ein wenig spazieren und dann in das Schauspiel. Es ward Don Carlos von Schiller gegeben. Ich habe nicht leicht ein Ganzes gesehen das sich so sehr dem Marionettentheater nähert als dieses. Eine Steifheit, eine Kälte, eine Geschmacklosigkeit, ein Ungeschick die Meubles auf dem Theater zu stellen, ein Mangel an richtiger Sprache und Deklamation in jeder Art Ausdruck irgend eines Gefühls oder höhern Gedankens, daß man sich eben zwanzig Jahre und länger zurück versetzt fühlt. Und was am merkwürdigsten ist, kein einziger findet sich unter ihnen der auch nur irgend zu seinem Vorteil sich auszeichnete; sie passen alle auf das beste zusammen. Ein paar junge wohlgewachsene Leute sind dabei, die weder übel sprechen noch agieren, und doch wüßte ich nicht zu sagen ob von einem irgend für die Zukunft etwas zu hoffen wäre. Der Entrepreneur Miholé wird abgehen und ein neuer antreten, der aber die Obliegenheit hat sowohl Schauspieler als Tänzer, die sich von dem alten Theater des Herzogs Karl herschreiben und auf Zeitlebens pensioniert sind, beizubehalten. Da er nun zugleich seinen Vorteil sucht und sich durch Abschaffung untauglicher Subjekte nicht Luft machen kann, so ist nicht zu denken, daß dieses Theater leicht verbessert werden könnte. Doch wird es besucht, getadelt, gelobt und ertragen.

 

Stuttgart, den 2 September 1797.

Gestern war ich mit Herrn Professor Dannecker in Hohenheim. Gleich vor dem Tore begegneten wir Östreichern die ins Lager zogen. Gaisburg liegt rechts der Straße in einem schön bebauten und waldigen Grunde. Wenn man höher kommt sieht man Stuttgart sehr zu seinem Vorteil liegen.

Hohenheim selbst, der Garten sowohl als das Schloß, ist eine merkwürdige Erscheinung. Der ganze Garten ist mit kleinen und größern Gebäuden übersäet, die mehr oder weniger teils einen engen, teils einen Repräsentationsgeist verraten. Die wenigsten von diesen Gebäuden sind auch nur für den kürzesten Aufenthalt angenehm oder brauchbar. Sie stecken in der Erde, indem man den allgemeinen Fehler derer die am Berge bauen durchaus begangen hat, daß man den vordern oder untern Sockel zuerst bestimmt und sodann das Gebäude hinten in den Berg gesteckt hat, anstatt daß, wenn man nicht planieren will noch kann, man den hintern Sockel zuerst bestimmen muß, der vordere mag alsdann so hoch werden als er will.

Da alle diese Anlagen teils im Gartenkalender, teils in einem eignen Werke beschrieben worden, so sind sie weiter nicht zu rezensieren; doch wäre künftig, bei einer Abhandlung über die Gärten überhaupt, dieser in seiner Art als Beispiel aufzustellen. Bei diesen vielen kleinen Partien ist merkwürdig, daß fast keine darunter ist, die nicht ein jeder wohlhabende Particulier eben so gut und besser besitzen könnte. Nur machen viele kleine Dinge zusammen leider kein großes. Der Wassermangel, dem man durch gepflasterte schmale Bachbetten und durch kleine Bassins und Teiche abhelfen wollen, gibt dem Ganzen ein kümmerliches Ansehen, besonders da auch die Pappeln nur ärmlich dastehen. Schöne gemalte Fensterscheiben an einigen Orten, so wie eine starke Sammlung Majolica ist für den Liebhaber dieser Art von Kunstwerken interessant. Ich erinnerte mich dabei verschiedener Bemerkungen, die ich über Glasmalerei gemacht hatte, und nahm mir vor sie zusammenzustellen und nach und nach zu komplettieren; denn da wir alle Glasfritten so gut und besser als die Alten machen können, so käme es bloß auf uns an, wenn wir nur genau den übrigen Mechanismus beobachteten, in Scherz und Ernst ähnliche Bilder hervorzubringen.

Außer einigen Bemerkungen in diesem Fache fand ich nichts Wissens- und Nachahmungswertes in diesem Garten. Eine einzige altgotisch gebaute aber auch kleine und in der Erde steckende Kapelle wird jetzt von Thouret, der sich lange in Paris und Rom aufgehalten und die Dekoration studiert hat, mit sehr vielem Geschmack ausgeführt; nur schade, daß alles bald wieder beschlagen und vermodern muß, und der Aufenthalt feucht und ungenießbar ist.

Das Schloß, das mit seinen Nebengebäuden ein ausgebreitetes Werk darstellt, gewährt den gleichgültigsten Anblick von der Welt, so wie auch sämtliche Gebäude ganz weiß angestrichen sind. Man kann vom Äußern der Gebäude sagen, daß sie in gar keinem Geschmack gebaut sind, indem sie nicht die geringste Empfindung weder von Neigung noch Widerwillen erregen. Eher ist das völlig Charakterlose einer bloßen beinahe nur handwerksmäßigen Bauart auffallend.

Der Haupteingang ist zu breit gegen seine Höhe, wie überhaupt der ganze Stock zu niedrig ist. Die Treppen sind gut angelegt, die Stufen jedoch gegen ihre geringe Höhe zu schmal. Der Hauptsaal, leider mit Marmor dekoriert, ist ein Beispiel einer bis zum Unsinn ungeschickten Architektur. In den Zimmern sind mitunter angenehme Verzierungen, die aber doch einen unsichern und umherschweifenden Geschmack verraten. Einiges sind Nachzeichnungen, die aus Paris gesendet worden, in denen mehr Harmonie ist. Ein artiger Einfall von kleinen seidnen Vorhängen, die mit Fransen verbrämt und in ungleichen Wolken aufgezogen von den Gesimsen herunterhängen, verdient mit Geschmack nachgeahmt zu werden. Die Stukkatur-Arbeit ist meistens höchst schlecht.

Da ein Teil des Schlosses noch nicht ausgebaut ist, so läßt sich hoffen, daß durch ein paar geschickte Leute, die gegenwärtig hier sind, die Dekorationen sehr gewinnen werden. Ein Saal, der auch schon wieder auf dem Wege war in schlechtem Geschmack verziert zu werden, ist wieder abgeschlagen worden, und wird nach einer Zeichnung von Thouret durch Isopi ausgeführt.

Die Gypsarbeit des Isopi und seiner Untergebenen zu sehen, ist höchst merkwürdig, besonders wie die freistehenden Blätter der Rosen und die hohlen Kronen ausgearbeitet und aus Teilen zusammengesetzt werden, wodurch sehr schöne und durch Schatten wirksame Vertiefungen entstehen. Auch war mir sehr merkwürdig, wie er Dinge, die nicht gegossen werden können, z. B. die Verzierungen einer ovalen Einfassung, deren Linien alle nach einem Mittelpunkte gehen sollen, durch einen jungen Knaben sehr geschickt ausschneiden ließ. Die Leute arbeiten außer mit kleinen Federmessern, Flach- und Hohlmeißeln, auch mit Nägeln, die sie sich selbst unten zuschleifen und oben mit einem Läppchen, um sie bequemer anzufassen, umwickeln. Von den größern Rosen bringt ein geschickter Arbeiter nur eine den Tag zu Stande. Sie arbeiten seit Isopis Direktion mit großem Vergnügen, weil sie sehen, wie sehr sie in ihrer Geschicklichkeit zunehmen. Isopi macht, wie sich's versteht, die Modelle, die alsdann geformt und ausgegossen werden. Das Charakteristische von Isopis Arbeit scheint mir zu sein, daß er, wie oben bemerkt, hauptsächlich auf die Vertiefungen denkt. So werden z. B. die Eier in der bekannten architektonischen Zierrat besonders gegossen und in die Vertiefungen eingesetzt.

Ein Hauptfehler der alten Decken-Dekoration ist, daß sie gleichsam für sich allein steht und mit dem Untern nicht rein korrespondieret, welches daher rühren mag, daß alles zu hastig und zufällig gearbeitet worden, das nun bei Thouret und Isopi nicht mehr vorkommen kann. Hier ward ich auch durch die Ausführung in einem Gedanken bestärkt, daß man nämlich bei Säulen-Dekorationen, die in Zimmern angebracht werden, nur den Architrav und nicht das ganze Gebälke anbringen dürfe. Die Ordnung wird dadurch höher, das Ganze leichter und ist dem Begriffe der Konstruktion gemäß.

Isopi will niemals eine Corniche unmittelbar an der Decke haben; es soll immer noch eine leichte Wölbung vorhergehen, die der Geschmack des Architekten nach der Länge und Breite des Zimmers, als das Verhältnis, in dem sie gesehen wird, bestimmen soll.

Die rote Damastfarbe sah ich nirgends als in kleinen Kabinetten, wo sie nur in schmalen Panneaux oder sonst unterbrochen vorkam. Die größern Zimmer waren alle mit sanftern Farben dekoriert, und zwar so, daß das Seidenzeug heller gefärbtes Laub als der Grund hatte. Die Parquets sind sämtlich von Eichenholz, unabwechselnd wie die in Ludwigsburg, aber sehr gut gearbeitet.

Auf dem Hause steht eine Kuppel, die aber nur eine Treppe enthält, um auf den obern Altan zu kommen.

Im Garten ist ein Häuschen von den drei Kuppeln genannt, auch merkwürdig, das inwendig ganz flache Decken hat, so daß die Kuppeln eigentlich nur Dekorationen nach außen sind.

Ich fand die Amaryllis Belladonna blühen, so wie in dem eisernen Hause manche schöne auswärtige Pflanze.

Artig nahm sich zu Fußdecken kleiner Kabinette ein bunter Flanell aus.

In den untern Zimmern des Schlosses ist eine Gemäldesammlung, worunter sich manches Gute befindet. Ein Frauenbild von Holbein, besonders aber eine alte Mutter, die mit Einfädelung der Nadel beschäftigt ist, indeß die Tochter sehr emsig näht, und ein Liebhaber, der bei ihr steht, ihr in dem Augenblick seine Wünsche zu offenbaren scheint, ist fürtrefflich gedacht, komponiert und gemalt. Das Bild hat halbe Figuren von fast Lebensgröße.


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