Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Fabeln
Johann Wilhelm Ludwig Gleim

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Die Milchfrau.

                  Auf leichten Füßen lief ein artig Bauerweib,
Geliebt von ihrem Mann, gesund an Seel' und Leib,
Früh Morgens nach der Stadt, und trug auf ihrem Kopfe
Vier Stübchen süße Milch, in einem großen Topfe;
Sie lief und wollte gern: »Kauft Milch!« am ersten schrei'n:
Denn, dachte sie bei sich, die erste Milch ist theuer;
Will's Gott, so nehm' ich heut' sechs baare Groschen ein!
Dafür kauf' ich mir dann ein halbes Hundert Eier;
Mein Hühnchen brütet sie mir all' auf einmal aus:
Gras eine Menge steht um unser kleines Haus;
Die kleinen Küchelchen, die meine Stimme hören,
Die werden herrlich da sich letzen, und sich nähren;
Und ganz gewiß! der Fuchs, der müßte listig seyn,
Ließ' er mir nicht so viel, daß ich ein kleines Schwein
Dafür ertauschen könnte! Seht nur an!
Wenn ich mich etwas schon darauf im Geiste freue,
So denk' ich nur dabei an meinen lieben Mann!
Zu mästen kostet's mir ja nur ein wenig Kleie!
Hab' ich das Schweinchen fett, dann kauf' ich eine Kuh
In meinen kleinen Stall, ein Kälbchen wohl dazu;
Das Kälbchen will ich dann auf meine Weide bringen,
Und munter hüpft's und springt's, wie da die Lämmer springen!

»Sei!« sagt sie und springt auf! und von dem Kopfe fällt
Der Topf; das baare Geld,
Und Kalb und Kuh und Reichthum und Vergnügen
Sieht nun das arme Weib vor sich in Scherben liegen!
Erschrocken bleibt sie stehn und sieht die Scherben an;
»Die schöne weiße Milch«, sagt sie, »auf schwarzer Erde!«
Weint, geht nach Haus', erzählt's dem lieben Mann,
Der ihr entgegen kommt, mit ernstlicher Gebehrde;
»Kind«, sagt der Mann, »schon gut! Bau' nur ein ander Mal
Nicht Schlösser in die Luft! Man bauet seine Qual!
Geschwinder drehet sich um sich kein Wagenrad,
Als sie verschwinden in den Wind!
Wir haben all' das Glück, das unser Junker hat,
Wenn wir zufrieden sind!
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