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Unser Hof

Ja, das war ein herrlicher Hof, das ist sicher! Ich meine, um darauf zu spielen, denn dort gab's alles: Speicher, Rumpelkammern, Brunnen, Scheunen, Ställe, kleine nette Vorratsräume und eine Menge Ecken und Winkel.

Das Gebäude war von außen gelb angestrichen und hatte zwei Stockwerke; doch das war nun weniger wichtig. Es war auch durchaus nicht schön und sah fast aus wie ein großer, gelber Käse, den man mitten auf dem Hügel gelegt hatte. Übrigens bestand der Hof aus Vorderhaus und Hinterhaus und lag ganz in der Nähe des Marktes und der Kirche.

Wir bewohnten damals die erste Etage im Vorderhause. Aber könnt ihr raten, wer in der zweiten Etage wohnte? O, ich weiß gewiß, das könnt ihr nicht. Denkt nur, das war Jonas Lie!

Derselbe, der alle die schönen Bücher geschrieben hat – ja, das wißt ihr natürlich. Mir ist es ein so sehr lieber Gedanke, daß Jonas Lie in unserm Hause gewohnt hat, und daß ich mit seinen Kindern spielte, als sie klein waren. Damals schrieb er eigentlich noch keine Bücher, er war Anwalt und hatte drei süße, kleine Kinder, Asta, Erik und Mons, kleine, lebhafte, rothaarige Krausköpfe, die eine alte zahnlose Wärterin hatten, die Rönnov hieß. Ich erinnere mich noch, daß Großmutter sie immer sehr rühmte und sagte, daß die Leute zu beneiden wären, die eine solche Wärterin hätten. Ich entsinne mich auch, wie Rönnov draußen war und Mons und Erik aus dem Schmutz zog, wo sie sich gräßlich zugerichtet hatten; dann putzte sie ihnen die Nasen mit dem Zipfel der eigenen Schürze und trug sie hinauf, um sie rein zu waschen. Sowohl Mons wie Erik wollten natürlich nicht mit, aber Rönnov konnte schon mit ihnen fertig werden.

Es war keine Rede davon, daß man sich an die Brunnenwinde hängen oder platt auf dem Leibe liegend in den Brunnen hinabsehen durfte, wenn Rönnov in der Nähe war.

Jonas Lie zog bald nach Christiania. Er wollte nicht mehr Anwalt, er wollte lieber Dichter sein, und darin halte ich's mit ihm. Kurz darauf schrieb er ein schönes Buch: »Der Hellseher«; es sind Schilderungen aus dem Leben hier im Norden. Durch dieses Buch wurde er mit einem Schlage berühmt und reiste nach Italien, wohin er Asta und Mons und Erik mitnahm. Als ich das hörte, meinte ich fast, sie wären gleich ins Paradies gekommen, denn dort wuchsen ja Apfelsinen auf den Bäumen. Meine Verwunderung legte sich dann etwas, als ich erfuhr, daß sie Speisen essen mußten, die mit Öl, anstatt mit Butter zubereitet wurden – aber trotzdem glaube ich, ich möchte lieber in Italien sein und mein Leben lang Speisen mit Öl essen, als einen solchen Sturm und solche Kälte empfinden, wie abend haben.

Ein anderer Mann, der auch im ganzen Lande bekannt wurde, wohnte ebenfalls in unserm Hause; das war Daniel Schiötz.

Er ging 1864 als Freiwilliger mit in den Krieg und starb in Dänemark.

Björnson hat eines seiner herrlichsten Gedichte auf ihn gemacht. Man kann es nicht lesen oder daran denken, ohne zu Tränen gerührt zu werden:

»Er baute auf keine Großmacht der Welt,
Vertraute nur auf Gott.
Und als er hinauszog ins blutige Feld,
Wo er starb den Heldentod,
Da hat er nicht erst Boten gesandt
Nach Frankreich und nach Engelland,
Ob er sterben dürfe Hand in Hand
Mit den Stammesbrüdern am fernen Strand
Der tiefen dänischen See.«

Ja, Schiötz war eines solchen Nachrufes wohl wert. Er war ein hochgesinnter, warmherziger Mensch. Damals war ich ja so klein, daß ich dergleichen nicht verstand, aber sowohl Vater wie Mutter hielten sehr viel von ihm und seiner Frau, der schönen Frau Anna. Wir wurden bald sehr gute Freunde. Schiötz steckte voller Possen und Späße. Das Ehepaar hatte selbst keine Kinder, deshalb wurde ich stets mit offenen Armen empfangen. Jeden Tag war ich einen Husch oben bei ihnen, durfte auf Schiötz seinem Rücken durch alle Zimmer reiten und wurde reichlich mit Kuchen traktiert. Es gehörte fast mit zur Tagesordnung, daß ich Kuchen bekam, denn wenn es einmal nicht geschah, meinte ich, es wäre nicht so, wie es sein sollte.

Eines Tages, als ich wieder auf Kuchenvisite oben war, sagte Schiötz: »Bist du nie im Stall gewesen, Ågot, dort gibt's auch so herrliche Kuchen, komm, wir wollen mal hingehen und zusehen, ob wir welche finden können,« und ehe ich wußte, wie mir geschah, schwenkte er mich auf den Rücken und hopste mit mir davon, um Vaters schönes Pferd »Mazurka« zu besehen, auf das er so stolz war. Ja, Schiötz war ein lieber Mann, das ist sicher, und immer voller Lust und Leben. Obgleich ich damals so klein war, sehe ich doch seine strahlenden braunen Augen mit dem schelmischen Ausdruck immer noch lebhaft vor mir.

Wenn ich bei Schiötz und Frau Anna nicht traktiert wurde, ging ich stets ein bißchen auf den Speicher, und dort fand ich immer etwas.

Ja, das war der herrlichste Speicher, den ihr euch nur denken könnt, ich glaube, er muß verzaubert gewesen sein. Ich spielte so gern ganz allein da oben und bildete mir dann alles mögliche ein.

Es war ein großer schöner Speicher mit vielen dunkeln Ecken und Winkeln und bestaubten Kisten und Balken. Hier und da fiel ein Sonnenstrahl herein mit tausend lichten tanzenden Sonnenstäubchen darin, und mitten in dem Sonnenstreifen stand ich und hüpfte und tanzte den »Staubtanz«. Das war so schön und vor allen Dingen sehr gesund. Dann führte ich einen Seiltanz auf den Balken aus, kroch auf allen Vieren in den Winkeln herum und fand die merkwürdigsten Sachen. Große Stücke Kandiszucker, Schokolade und Kuchen fand ich hier und dort in den Ecken – ja, es ist mir ganz unbegreiflich, woher das alles kam – aber nie ging ich mit leeren Händen vom Speicher fort.

Dort wohnten gewiß kleine, freundliche Heinzelmännchen, die sich darüber freuten, wenn sie mich den Staubtanz im Sonnenstreifen tanzen sahen, und die mich dafür belohnten – ja, anders kann ich es mir wirklich nicht erklären, wie das alles oben auf den Speicher kam.

Als ich eines Tages zu Frau Schiötz heraufkam, war sie gerade damit beschäftigt, einen hübschen Kranz zu binden. Zu jener Zeit trugen die Damen immer Kränze im Haar, wenn sie auf große Gesellschaft gingen.

»Was willst du damit machen?« fragte ich.

»O, ich dachte, ich würde am Sonntag bei deinen Eltern zur Kindtaufe eingeladen, ihr werdet ja große Gesellschaft haben,« sagte Frau Schiötz.

»Das wirst du gewiß nicht,« sagte ich, »denn Mutter findet dich eklig, und dann mußt du uns auch erst die Fleischklöße wiederbringen, die du geliehen hast.«

Gott, wie die beiden lachten! Und Frau Schiötz band ganz ruhig weiter an ihrem Kranz.

Natürlich waren sie eingeladen. Frau Schiötz sah reizend aus. Ich hatte auch ein feines, neues, grün und weißgestreiftes Kleid an, das ich von Großvater bekommen hatte.

Beim Dessert winkte Mutter mich zu sich, sie saß neben Frau Schiötz und redete mit ihr. Und nun mußte ich Rede stehen wegen der Fleischklöße und dem andern. Ich war so erschrocken, daß ich einen von Mutters feinen Desserttellern auf die Erde fallen ließ; ich hatte ja alles vergessen. Mutter war oft ganz außer sich über alle meine Geschichten. Ich erfand so vieles, was gar nicht auf Wahrheit beruhte – ich bildete mir nur immer ein, es wäre wahr gewesen.

Wenn ich allein war, dachte ich mir stets so viel Wunderliches und Schönes aus, und dann dachte ich so lange daran, bis ich glaubte, es müßte wahr sein, und dann sagte ich es.

Aber ich war ja auch nicht mehr als drei oder vier Jahre alt, und in dem Alter ist es nicht leicht, Phantasie und Wirklichkeit voneinander zu trennen – die beiden verschmelzen ineinander. Ich weiß nur eins; ich wollte nicht lügen, sondern ich glaubte tatsächlich, es wäre wirklich so, wie ich sagte.

Eines Tages wurden uns einige feine seidene Sonnenschirme von dem elegantesten Laden der Stadt zugeschickt. Laut Order von – Fräulein. Mutter war wie aus den Wolken gefallen; ich hatte sie durch eines der Dienstmädchen bestellen lassen; ich fand sie so entzückend und konnte mir nichts Himmlischeres denken, als unter einem solchen Sonnenschirm spazieren zu gehen.

»Darf ich einen haben, um darunter zu gehen?« fragte ich – ich hatte die ganze Zeit daran gedacht, daß sie aussahen wie ein kleiner Blumenhimmel.

»Ja, das fehlte auch noch,« sagte Mutter und schickte die Sonnenschirme natürlich wieder zurück.

Die Geschichte habe ich oft wiederhören müssen.

Häufig spielte ich mit einem kleinen Jungen, der Annar hieß. Er war der Sohn eines der besten Freunde von Vater. Eines Tages hatten wir uns geschlagen, und ich hatte es wohl ein bißchen arg gemacht. Als Vater mittags nach Hause kam, sagte er, daß Annars Vater ihm erzählt habe, wie unartig ich gewesen wäre, und Vater hatte versprochen, ich sollte Schläge haben. So, dachte ich, das soll wohl das Dessert nach dem Essen sein. Ich hatte noch nie Schläge bekommen und wußte deshalb auch nicht, wie sie schmeckten. Ich wußte nur, daß drinnen im Schlafzimmer einige braune, mit einem hochroten Wollfaden zusammengebundene Reiser hinter dem Spiegel steckten, wo sie sich ganz hübsch ausnahmen. Die sollten nur da sitzen, damit wir recht artig wären, hatte Mutter gesagt. Aber nun war ich nicht artig gewesen, und die Rute sollte wohl anderswo ihren Platz bekommen. Als wir gegessen hatten, nahm mich Vater bei der Hand und ging mit mir durch die große Stube ins Schlafzimmer hinein.

»Was soll ich hier?« fragte ich, als mir die Sache anfing etwas zu feierlich zu werden.

»Das wirst du gleich sehen,« sagte Vater und begann mit den Vorbereitungen.

Als ich ein paar leichte Schläge bekommen hatte, meinte ich, es könne nun genug sein und sagte: »Danke, mehr nich!«

Vater ließ mich sofort los und sagte: »Ja, jetzt kann's genug sein.«

Ich glaube, es war schlimmer für ihn als für mich. Mutter stand als teilnehmender Zuschauer in der Tür.

Die Exekution war zu allseitiger Zufriedenheit vorüber. Es war das erste und letztemal, daß Vater mir Schläge gab. Ich glaube nicht, daß er Lust hatte, das Experiment zu wiederholen.

* * *

Eines Nachts sah es böse für den Hof aus. Ich erwachte plötzlich dadurch, daß ich Mutter rufen hörte: »es brennt!«

Hu, das war schrecklich! Vater war abends in Gesellschaft gewesen und soeben nach Hause gekommen, hatte sich schon zur Ruhe begeben und schlief jetzt fest. Mutter hatte wach gelegen und den Lichtschein durch die Rouleauxspalte am Fenster gesehen. Sie sprang schnell auf und rief Vater zu: »es brennt ja!«

»Ach was,« sagte Vater im Halbschlaf, »du träumst wohl – geh und leg dich wieder hin!« Und er drehte sich auf die andere Seite um, – und schlief weiter. Mutter wurde ganz verzweifelt und rüttelte Vater, um ihn wach zu kriegen. Vater war nämlich Chef der Feuerwehr und hatte die Schlüssel zum Spritzenhause, so daß keine Hilfe gebracht werden konnte, bevor er kam.

»Du kannst doch wohl sehen, daß es brennt,« rief Mutter und riß das Rouleaux in die Höhe. Ja, das war nicht schwer zu sehen, denn das ganze Zimmer war mit einem Male hell erleuchtet.

Gott, welch ein Anblick! Der ganze Hof war wie ein Flammenmeer. Ein Funkenregen fiel auf die Hofgebäude herab – mächtige Feuergarben schossen in die Luft und hinter ihnen hob sich der Kirchturm ganz schwarz von dem feuerroten Himmel ab. O, wenn die Kirche abbrannte! Aber wo brannte es? War es unser Hof? Zahllose Funken fielen vor unsern Fenstern nieder.

Jetzt hörten wir an die Haustür klopfen und jemand rufen. Nun konnte Vater aber aus dem Bett heraus! Die Decke flog im Nu auf den Fußboden.

»Wo sind die Schlüssel zum Spritzenhause, Vater?« rief Mutter.

»Wo sind meine Kleider, Mutter!« rief Vater – es klopft, schließ auf!«

Himmel, was war das für ein Leben! Mit einem Stiefel und einem Pantoffel – ohne Strümpfe – einem Rock, aber ohne Weste und ohne Hut – so stürzte der Brandchef aus dem Hause. Mutter hinterher mit den Schlüsseln – »du vergißt die Schlüssel, Vater!«

»Zieh die Kinder an, Mutter!« damit lief er in die Winternacht hinaus – es war kurz vor Weihnachten.

Ja, wir Kinder kamen denn auch geschwind aus den Betten und wurden angezogen. Die alte Karen stand in Nachtjacke und Unterrock in der Küche und weinte, weil das Jüngste Gericht da wäre.

Da wurde Mutter auf einmal ganz ruhig und war sich völlig klar darüber, was geschehen mußte.

»Bist du verrückt, Karen, es brennt ja nur – zieh' dich an und geh' mit den Kindern nach Tante Trine, es ist am besten, daß sie von hier wegkommen,« sagte Mutter. Es war der Hagerupshof, der brannte, ein kolossaler Holzbau, der größte in der Stadt. Er lag unmittelbar am Markt und unserm Hofe schräg gegenüber.

Jetzt läuteten die Kirchenglocken. Hu, wie unheimlich das klang mitten in der Nacht! Wir hörten Schlittengeläut und Rufe und Schreie von der Straße her, und in der großen Stube konnten wir die Flammen auf dem Hagerupshofe hoch emporschlagen sehen. Der war nicht mehr zu retten, das sah man deutlich. Bald war er nur noch wie ein einziges Feuermeer. In dem Gebäude befanden sich mehrere öffentliche Bureaus, und wir sahen, wie brennendes Papier in der Luft umherflog und auf unsern Hof herabfiel. Das Dach lag voller Funken. Der Anstrich rann bei uns innen von den Wänden und die Fensterscheiben in der großen Stube begannen in tausend Stücke zu zerspringen, so stark war die Hitze.

»Jetzt müßt ihr aber machen, daß ihr fortkommt,« sagte Mutter und wickelte uns in Shawls und Halstücher ein. Nein, wir wollten nicht von Mutter weg. Doch sie behauptete, es wäre gar keine Gefahr da. »Sie werden den Hof schon retten – ich will nur noch alle Silbersachen in einen Korb legen. Ich sehe eben, daß sie die Brandseile am Hotel in die Höhe ziehen. Die Spritzen werden gleich da sein.«

Und richtig, schon begannen sie zu arbeiten, um unsern Hof und das Hotel zu retten. Der Wasserstrahl wurde schon auf unsre Fenster gerichtet und wir mußten uns schleunigst mit der alten Karen auf den Weg machen. Alle drei – Rikken, Stemsruen und ich. Es war schwarz von Menschen auf dem Hügel und unten auf dem Markt. Wasserstrahlen fuhren zischend durch die Luft. Funken, Menschen, Wasser, Feuer bildeten bei der großartigen Beleuchtung ein wirres Durcheinander. Aber plötzlich fiel mir etwas ein, was ich zu Hause gelassen hatte, und ich setzte mich mitten auf der Anhöhe hin und fing an zu schreien.

»Ich will nach Hause, ich will nach Hause zu meinem Bauernjungen, damit er nicht verbrennt,« heulte ich.

»Ich glaube, du bist von Sinnen, Kind,« sagte Karen.

Plötzlich lief ich spornstreichs die Anhöhe herunter. Mein großer schöner Bauernjunge und das Bauernmädchen, die ich von Vater bekommen hatte und über alles in der Welt liebte, sollten doch nicht mit verbrennen. Ich kümmerte mich weder um Funken noch Flammen noch Wasserstrahlen, sondern lief was ich laufen konnte wieder auf unsern Hof zurück und schrie:

»Ich will meinen Bauernjungen und die Bäuerin haben!« Mutter kam mir entgegen.

»Aber bist denn ganz närrisch, Kind!«

»Gib sie mir, gib sie mir,« heulte ich nur, und Mutter mußte alles im Stich lassen und meine Puppen suchen, anders ging es nicht.

Als ich sie beide, auf jedem Arm eine, bekommen hatte, trabte ich allein wieder die Anhöhe hinauf, bis ich Karen und die Brüder traf, die jetzt schon fast oben bei Tante Trine waren, die höher herauf in der Stadt wohnte, hier bei Tante Trine herrschte große Aufregung und alle waren auf den Beinen. Die kleinen Jungens in der oberen Wohnung saßen in den Betten hinter dem großen grünen Bettschirm im Saal und sahen erschrocken nach dem roten Himmel. Sie waren von dem Läuten der Kirchenglocken geweckt worden. Tante war fertig angezogen, und der Kaffeetisch war gedeckt. Kaffee und Feuersbrunst gehören zueinander wie Kaffee und Zichorie; die ergänzen sich gegenseitig. Als man in Tantes Hause den Feuerschein sah, glaubten alle sofort, daß unser Hof brenne, und man hatte einen Boten hingeschickt, der aber natürlich nicht wieder zurückgekommen war. Tante hatte oben aus dem Bodenfenster herausgeschaut und gesehen, daß das Feuer etwas weiter unten zu sein schien. Wenn nur nicht die ganze Stadt aufbrannte! Wenn wir nur nicht anfangen müßten alles auszuräumen – wenn wir nur nicht – da kamen wir gerade und wurden mit offenen Armen und tausend Fragen empfangen.

»Ach, liebe Kinder, seid ihr da? Wie geht's denn bei euch? Was sagt Mutter? Wo is Vater? Habt ihr die Schlüssel gefunden? Seid ihr auch bange? Glaubt ihr, daß der Hof gerettet wird? Jetzt sieht es aus, als ob der Feuerschein kleiner wird! Nein, jetzt wird er wieder größer! Geh oben ans Bodenfenster! Kommt herein, Kinder! Kommt Mutter nicht? Habt ihr alles ausgeräumt?«

Plötzlich vergaß ich das jener und alles zusammen, denn hier war etwas ganz Reizendes. Zwischen den Doppelfenstern lag Watte und auf dieser lagen Rosenknöspchen, Vergißmeinnicht und Strohblümchen in kleinen Reihen – das war zu schön – wie kleine Blumenbeete im Winter – tausendmal schöner als Feuersbrunst. Mit meinem Bauernjungen – und -mädchen stand ich am Fenster und freute mich über diese Blumen mitten im Winter, die jetzt in dem roten Licht doppelt schön aussahen, bis ich schließlich vor Müdigkeit umsank und zum Sofa getragen wurde, um etwas Milchkaffee zu trinken. Die Knaben wollten nur auf dem Schaukelpferd reiten oben im Saale, wo es jetzt sehr lebendig wurde, und ein Dutzend kleiner Jungens, mit und ohne Höschen, schlugen Purzelbäume im Bett – spielten Zirkus und warfen sich mit den Kissen. Ja, das waren fröhliche Nachtgäste und eine Feuersbrunst war doch riesig lustig. Schließlich schlief ich in der Sofaecke ein, in jeder Hand einen Kringel.

Unser Hof wurde glücklicherweise gerettet. Und als alle Gefahr vorüber war, hörten wir, versteht sich, eine Menge lustiger Geschichten vom Brande – wie man hier und da gänzlich den Kopf verloren hatte und Kronleuchter und Gemälde dadurch zu retten suchte, daß man sie aus dem Fenster warf.

Ein Mann, der einen neuen Rock angezogen hatte, lief schnell herein, zog ihn aus, hing ihn wieder in den Kleiderschrank und zog einen alten an, um mit beim Retten zu helfen; er wollte den neuen Rock schonen – und so verbrannte dieser.

Der Feuerschein war so stark gewesen, daß man ihn viele Meilen weit im Umkreise gesehen hatte – ja sogar in »der Stadt«, sagten einige – das war Christiania. Die Feuersbrunst war selbstverständlich ein so großes Ereignis in der kleinen Stadt, daß die Leute den ganzen Winter hindurch von nichts anderem redeten.

Die Dienstmädchen beim Verwalter wären beinahe verbrannt; sie sahen wohl den Schein vom Speicher her, glaubten aber zuerst, es wäre der Mond und legten sich wieder zum Schlafen hin. Als sie jedoch den Rauch merkten, wußten sie, daß es nicht der Mond sein konnte, und so kamen sie noch im letzten Augenblick heraus.

In einem Hause am Jaren war man nachts damit beschäftigt, ein Schwein zu schlachten, aber als der Metzger den Feuerschein über der Stadt sah, rannte er mit dem Messer in der Hand von dem Schwein auf der Schlachtbank weg und lief eine ganze Meile weit übers Eis – und das Schwein hinter ihm her. Die Einzige, die nicht davonlief, war Mutter. Sie nahm die Sache ruhig und gefaßt und war hinterher sehr stolz darüber.

Und Vater war der Held dieser Nacht gewesen – hatte gearbeitet wie ein Löwe, und war der erste Mann beim Feuer und beim Wasser gewesen. Aber so hatte er auch fast keine Kleider mehr auf dem Leibe, als er nach Hause kam.

»Sieh mal,« sagte Mutter, »da sind große Löcher in deinen Rock gebrannt.« Und der Hut – ja, der war gewiß ganz verbrannt – jedenfalls hatte er keinen, als er nach Hause kam; aber so hatten wir den Hof behalten, und das war doch wichtiger, meinte Vater vergnügt.

Es schwebt mir etwas vor, daß Vater eine öffentliche Ehrenbezeugung nach der Brandgeschichte bekommen hat, aber behaupten will ich es nicht – vielleicht war es nur so etwas in mir, an das ich so lange gedacht hatte, bis ich meinte, es wäre so – aber verdient hatte er sie jedenfalls.

* * *


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