Salomon Geßner
Idyllen
Salomon Geßner

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Der veste Vorsaz.

Wohin irret mein verwundeter Fuß, durch Dornen und dicht verwebete Sträuche? Himmel, welch scheuerndes Entzüken! Die röthlichten Stämme der Fichten, und die schlanken Stämme der Eichen steigen aus wildem Gebüsche hervor, und tragen ein trauriges Gewölb über mir; Welche Dunkelheit, welche Schwermuth zittert ihr von schwarzen Ästen auf mich! Hier will ich mich hinsezen, an den holen vermoderten Eichstamm, den ein Nez von Epheu umwikelt;, hier will ich mich hinsezen, wo kein menschlicher Fußtritt noch hingedrungen ist, wo niemand mich findt, als ein einsamer Vogel, oder die summenden Bienen, die im nahen Stamm ihr Honig sammeln, oder ein Zephir, der in der Wildniß erzogen, noch an keinem Busen geflattert hat. Oder du, sprudelnder Bach, wohin rauschest du, an den unterhöhlten Wurzeln und durch das wilde Gewebe von Gesträuchen? Ich will deinen Wellen folgen, vielleicht führest du mich ödern Gegenden zu; Himmel! welche Aussicht breitet sich vor meinem Aug aus! hier steh ich an dem Saum einer Felsenwand und seh ins niedere Thal; hier will ich mich auf das zerrissene überhangende Felsen-Stük sezen, wo der Bach stäubend in den dunkeln Tannenwald herunter sich stürzt, und rauschet, wie wenn es fernher donnert. Dürres Gesträuch hängt von dem Felsen-Stük traurig herunter, wie das wilde Haar über die Menschen-feindliche Stirne des Timons hängt, der noch kein Mädchen geküßt hat. Ich will in das Thal hinunter steigen, und mit traurig irrendem Fuß da wandeln, ich will an dem Fluß wandeln, der durch das Thal schleicht. Sey mir gegrüßt einsames Thal, und du Fluß, und du schwarzer Wald; hier auf deinem Sand, o Ufer, will ich izt irren; einsiedlerisch will ich in deinem Schatten ruhen, melancholischer Wald; Leb izt wohl Amor, dein Pfeil wird mich hier nicht finden, ich will nicht mehr lieben, und in einsamer Gegend weise seyn; Lebe wohl, du braunes Mädchen, das mit schwarzen Augen mir das Gift der Liebe in mein bisher unverwahrtes Herze geblizet hat; Lebe wohl, noch gestern hüpftest du froh im weissen Sommer-Kleid um mich her, wie die Wellen hier im Sonnen-Licht hüpfen; und du blondes Mädchen lebe wohl! dein schmachtender Blik – – ach! zu sehr, zu sehr hast du mein Herze bemeistert, und dein schwellender Busen – – ach! ich förchte, ich werd ihn hier oft in einsamen traurigen Betrachtungen sehen und seufzen! Lebe wohl, majestätische Melinde, mit dem ernsten Gesicht wie Pallas und mit dem majestätischen Gang, und du kleine Chloe, die du muthwillig nach meinen Lippen aufhüpftest und mich küßtest; in diese Gegenden will ich izt fliehen, und in ernsten Betrachtungen unter diesen Fichten mich lagern, und die Liebe verlachen; in melancholischen Gängen von Laub will ich irren, und – – Aber – – Himmel! was entdeket mein Aug am Ufer im Sand! ich zittre, ach – – der Fußtritt eines Mädchens; ach, wie klein, wie nett ist der Fuß! – – ernste Betrachtung! Melancholie! ach wo seyd ihr? – – wie schön war ihr Gang! ich folg ihr – – Ach Mädchen, ich eile ich folge deiner Spur! ach! wenn ich dich fände, in meinen Arm würd ich dich drüken, und dich küssen! Flieh nicht mein Kind, will ich sagen, oder flieh wie die Rose flieht, wenn ein Zephir sie küßt, sie biegt sich vor ihm weg, und kömmt lächelnder zu seinen Küssen zurük.


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