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Wir müssen noch einmal zu dem Morgen zurückkehren, an dem Kapitän Becker mit Leutnant Beatty auszog. Zu gleicher Zeit hatten oben auf dem Plateau Jack und Holleck ihr Frühstück beendet. Während Holleck noch am Feuer sitzen blieb und nachdenklich in die Flammen sah, ging Jack eifrig daran, seine Decken zusammenzulegen und seine Vorräte in ein Bündel zu schnüren.
Als er damit fertig war und das kleine Paket in die Decke steckte, sagte er:
»Ein paar Nächte werden wir draußen lagern müssen und das da noch brauchen. Nachher sorgt Sydney für mehr, und wir haben die Schlepperei nicht. Ich habe das Buschleben auch richtig satt und will Gott danken, wenn ich die verdammten Nimmergrün nicht mehr zu sehen brauche.«
»Es ist aber doch ein verzweifeltes Unternehmen«, sagte Holleck, der die fröhliche Zuversicht seines Gefährten keineswegs zu teilen schien. »Wenn es schiefgeht...«
»Hasenherz!« rief Jack verächtlich. »Da hattest du genug Mumm, der königlichen Post aufzulauern, und hast dich dabei wie ein Mann benommen – wenn auch nur wie ein schlechter Schütze.«
»Das war etwas anderes!« rief Holleck. »In der Nacht hatten wir es nur mit den Passagieren zu tun, und es stand zehn zu eins, daß wir alles glücklich durchführen würden. Gegen einen Unglücksfall kann natürlich niemand etwas. Hier aber, am hellen Tag, mit einer Eskorte berittener Polizei – dabei muß Blut vergossen werden, viel Blut, und wir haben nachher das ganze Land hinter uns in Aufruhr.«
»Sind wir denn jetzt sicher?« fragte Jack höhnisch. »Kannst du dich irgendwo blicken lassen, Kamerad, ohne aufgegriffen und wegen Raub und Mord angeklagt zu werden?«
»Schrei nicht so...«
»Ach was, hier hört uns niemand. Laufe ich nicht auch Gefahr, überall wiedererkannt zu werden? Pah, soviel für deinen Aufruhr hinter uns! Was war denn für ein Aufruhr hinter euch nach dem Postkutschenüberfall? Kein Mensch hat davon gesprochen oder sich nach den Täter nur umgesehen!«
»Weil uns die Goldentdeckung half!« rief Holleck. »Und die Gier danach, bei der die Polizei alle Hände voll zu tun hatte. Da war das Interesse am Überfall einzelner schnell vergangen. Überfallen wir aber die Goldeskorte, und zeigt es sich, daß der Transport der Schätze selbst bewaffnet nicht mehr sicher ist dann werden alle interessiert sein, sich zu schützen. Jeder Goldgräber ist unser Feind und würde uns mit Wonne verraten und ausliefern.«
»Hol sie alle der Teufel!« lachte Jack. »Wenn die Sache erst erledigt ist, wird keiner von den Goldkratzern uns in den Weg kommen, denn unser Ziel liegt in Sydney. Jeder hat da ein sicheres Versteck, bis wir uns einschiffen können. Wir brauchen nur das Gold.«
»Ist der Transport wirklich sicher?«
»Das hat Smith sehr gut besorgt. Der Fuhrmann, mit dem er hochkam, ist ein alter Mate von ihm. Sie haben beide einmal in einem Kettengang gearbeitet. Bezahlen müssen wir ihn natürlich gut, und der Lump hat noch nicht einmal ein großes Risiko. Er braucht, bis er an Ort und Stelle ist, gar nicht zu wissen, was er fährt. Er geht aber mit seinem leeren Wagen noch heute vom Turon ab und übernachtet im ›Roten Haus‹. Das ist keine tausend Meter von der Stelle entfernt, an der wir unseren Plan ausführen. Das Gold wird gleich am Tag in die vorbereitete Grube geworfen und bei Nacht abtransportiert. Wenn übermorgen die Polizei den Busch nach den schwerbeladenen Räubern absucht, fährt der Alte unseren Schatz ganz ruhig mitten zwischen ihnen durch.«
»Wenn es erst so weit wäre!« seufzte Holleck. »Mir will die Sache noch immer nicht behagen. Ich würde eher ein Schiff im Hafen stehlen und hinausführen.«
»Das kommt später und hoffentlich ohne viel Arbeit. Aber jetzt los«, sagte er und warf sich das Bündel auf die Schulter, als wäre es eine Feder. »Wir müssen noch gut drei Stunden marschieren, bis wir unseren Nachtlagerplatz erreichen. Und morgen müssen wir vor Tagesanbruch wieder auf den Beinen sein, um den Baum an der Straße anzusägen. Ich hätte große Lust, das Nest hier anzuzünden, bevor ich gehe.«
»Wozu? Damit die Leute mit Gewalt auf uns aufmerksam werden?« sagte Holleck mürrisch.
»Schadet doch nichts. Hierher kehren wir doch nicht zurück. Der Platz ist mir auch so verhaßt seit ich neulich – den schwarzen Kadaver da vor der Tür habe liegen sehen. Aber hol der Böse alle Erinnerungen, jetzt haben wir es mit der Zukunft zu tun, und daß die für uns günstig wird, liegt in unserer eigenen Hand.«
Mit den Worten ging er zur Tür, und Holleck griff seine Sachen auf, um ihm zu folgen.
Draußen vor der Hütte, dicht an der Tür, kauerte eine schwarze, unheimliche Gestalt. Während die beiden drinnen sprachen, war sie auf Händen und Füßen herangekrochen und hatte die Männer durch einen Spalt beobachtet.
Es war derselbe junge Bursche, der damals das Brot aus der Hütte gestohlen und dann seine vergiftete Mutter hier heraufgeschleppt hatte, um Hilfe bei ihrem Mörder zu finden. Heute kam er aber nicht, um Hilfe zu erbitten. In der Hand hielt er krampfhaft umspannt den kurzen, aber gefährlichen Waddie der Eingeborenen. Er paßte eigentlich nicht so recht zu dem schwarzen Frack und den engen schwarzen Hosen. Seine Augen hafteten stier am Boden, während er das Ohr gegen die dünne Rindenwand der Hütte gepreßt hielt.
Jetzt regten sich die Männer da drin. Der Lauernde zuckte zusammen, aber rührte sich weiter nicht, denn er kauerte schon sprungbereit.
Jack trat zuerst ins Freie hinaus. Sein Blick ging zunächst, wie immer, zum Rand der Lichtung. Aber die Gefahr war näher, als er vermutete. Wie ein Panther schnellte in diesem Augenblick der Schwarze vom Boden empor. Gleichzeitig schwang der Waddie durch die Luft. Hätte er mit dem Hieb seinen Feind getroffen, dann wäre dessen Laufbahn beendet und seine Zukunft gesichert gewesen. Jack war aber von Jugend auf an Gefahren gewöhnt und reaktionsschnell. Blitzschnell erfaßte er den Arm des Mannes dicht über dem Handgelenk. Gleichzeitig traf er ihn mit der Rechten so heftig an der Schläfe, daß der Bursche wie von einer Kugel getroffen zusammenbrach und regungslos liegenblieb.
Als Holleck dicht hinter ihm aus der Tür trat, war schon alles vorüber. Jack deutete mit dem Fuß verächtlich auf den Körper und sagte:
»Da hast du eine Kostprobe unserer Nachbarschaft. Ich glaube jetzt wirklich, daß es Zeit wird, sich in eine zivilisiertere Gegend zurückzuziehen. Die Burschen sind noch schlimmer als wir – nur nicht so gefährlich«, setzte er lachend hinzu. »Wenn man sie nur anrührt, liegen sie auf der Seite.«
»Aber was wollte der?« rief Holleck entsetzt und wandte sich angeekelt von dem Unglücklichen ab, von dessen Stirn das Blut langsam herablief und auf den Boden tropfte.
»Er gehörte mit zu der Gesellschaft, der ich neulich das Brot gesalzen habe«, sagte Jack höhnisch. »Ich glaube, er hat diesmal genug und kann hier zur Verzierung der Hütte liegenbleiben, für die anderen als Beispiel, wenn sie sich wieder einmal an einem Weißen vergreifen wollen.«
»Ein böser Anfang«, sagte Holleck kopfschüttelnd. »Mord und Mord, wohin wir den Fuß setzen. Wenn das nur kein schlechtes Vorzeichen für unser Unternehmen ist!«
»Holleck, Holleck!« erwiderte da Jack und musterte ihn mit einem höhnischen Blick von Kopf bis Fuß. »Ehe ich dich kannte, Mann, hatte ich eine sehr gute Meinung von dir. Nach dem letzten, bis auf die Kleinigkeit gar nicht so ungeschickt ausgeführten Streich hielt ich dich sogar für etwas Besonderes. Jetzt fängst du an, mir leid zu tun. Ich sehe, daß wir dich zu deinem Glück zwingen müssen.«
»Zwingen?« lachte Holleck finster. »Ich weiß nicht, ob du gerade die Macht dazu hättest. Glaubst du etwa, daß ich mich vor der Gefahr fürchte? Nur das Mißlingen durch Ungeschicklichkeit macht mir Sorge, und zu viele wissen schon von dem Geheimnis.«
»Pah!« lachte Jack. »Keiner, der nicht auch seinen Hals fest in der Schlinge hätte. Und die Gefahr ist noch nicht einmal besonders groß. Denk dran, daß wir den Kutscher sicher haben, daß die Hälfte der Eskorte, die diesmal nur aus vier Mann besteht, vorausreitet. Der Baum stürzt, sowie die erste Abteilung vorüber ist. Der Kutscher weiß genau, wo er hält, die Reiter können an der Stelle, wo rechts ein Abgrund und links eine steile Wand ist, mit ihren Pferden gar nicht in den Wald. Sie müssen absteigen, und daß sie dann verloren sind, brauch ich eigentlich nicht zu erwähnen, das versteht sich von selbst.«
»Ist der Kutscher wirklich sicher?«
»Der Trompeter fährt«, lachte Jack. »Er hat es sehr geschickt angefangen, und ich denke doch, daß wir uns auf den verlassen können.«
»Also dann, meinetwegen. Wenn wir dann aber nur ein Schiff hätten!« sagte Holleck und ging neben Jack über das Plateau.
»Wenn, wenn und wenn«, brummte sein Gefährte ungeduldig. Er warf einen Blick auf den Eingeborenen zurück und kümmerte sich dann nicht weiter um ihn. »Kommt Zeit, kommt Rat. Jetzt liegen wenigstens ein Dutzend Schiffe in der Jackson Bai und nur Steuermann oder Steward an Bord. Kleine Küstenfahrer sollen auch mehrere vor kurzer Zeit eingelaufen sein, denen natürlich auch die Mannschaft durchgebrannt ist. Da müßte es mit dem Teufel zugehen, wenn nicht zwölf entschlossene Männer auch etwas für sich darunter finden können. Na, was hast du?«
»Sollen wir den Schwarzen wirklich da oben so ohne Hilfe liegenlassen?« erkundigte sich Holleck mit einem letzten Funken Menschlichkeit.
»Ach, laß das schwarze Aas«, rief Jack finster. »Wir haben jetzt keine Zeit mehr zu verlieren.« Damit bog er in einen kleinen Pfad ein, der mitten durch den Busch zum Turon führte.
Totenstill lag der Platz mit dem Körper des unglücklichen Eingeborenen. Ein großer Raubvogel, der gerade über die Lichtung strich, drehte den Kopf herunter, beschrieb einen Halbkreis und hockte sich dann auf einen der nächsten hohen Bäume, die unter dem Wind vor dem Haus standen.
Noch lag der Schwarze so, wie ihn der Schlag des Engländers niedergeworfen hatte. Sein Körper lag über einer alten Wurzel, der Kopf tiefer als die Füße, die Augen geschlossen – aber nein – nicht geschlossen. Schon seit einiger Zeit blinzelte er vorsichtig unter den langen dunklen Wimpern hervor, ohne sonst ein Glied seines Körpers zu rühren. Erst als er sich vollkommen sicher fühlte, als er wußte, daß der Feind verschwunden und auch das letzte Geräusch der beiden Männer verhallt war, hob er vorsichtig den Kopf. Er sah eine Weile in die Richtung hinüber, dann sprang er mit einem Satz in die Höhe, griff seinen Waddie und glitt wie ein Wiesel blitzschnell über den Boden in das schützende Dickicht hinein. Sein Plan war es, den Fährten der beiden Weißen zu folgen, um zu sehen, wohin sie gingen. Aber er hatte seinen Seidenhut hinter einen Gumbaum gestellt und dachte nicht daran, ihn im Stich zu lassen.
Hatte ihn der Schlag seines Feindes wirklich betäubt gehabt? Gut getroffen war er jedenfalls, denn das Blut tropfte ihm noch von der Stirn. Aber er wischte es noch nicht einmal weg, setzte seinen Hut auf, schob den Waddie mit dem Stiel in den Hosengurt und kreuzte die Lichtung wieder. Wie ein Bluthund nahm er dann die Fährte der Weißen wieder auf.
Leutnant Beatty fühlte sich beunruhigt, als der vermißte Kapitän noch immer nicht zurückkehrte. Allerdings blieb ihm immer noch die Hoffnung, daß der Verirrte nach irgendeiner Richtung auf Menschen gestoßen und gerettet war. Aber wenn er aufrichtig war, glaubte er selbst an keine Rettung, denn er kannte den furchtbaren, monotonen und trockenen Busch viel zu genau. Das schlimmste war, daß man nichts tun konnte, um ihm zu helfen. Er mußte seinem Schicksal überlassen bleiben.
Armer Kapitän! Beatty konnte den Gedanken an den Unglücklichen gar nicht aus dem Kopf bringen.
Die eingefangenen Seeleute wurden inzwischen in sicheres Gewahrsam gebracht. Der Steuermann bat um einen Polizisten als Unterstützung, um sie nach Sydney zu bringen und dort der Wasserpolizei zu übergeben, bis die »Susanna Baxter« segelfertig war. Er hatte, wie er meinte, gegenwärtig die Verantwortung für die Abfertigung des Fahrzeugs und konnte sich nicht der Gefahr aussetzen, die Leute hier oben wieder zu verlieren. Wenn der Kapitän zurückkehrte – was er von ganzem Herzen hoffte –, mußte er ihm ohnehin so schnell wie möglich nachfolgen.
Leutnant Beatty beschäftigten übrigens auch noch andere Dinge als Kapitän Beckers Verschwinden. Er war dazu bestimmt worden, die Goldeskorte nach Sydney zu führen. Wenn er auch keine Ahnung hatte, daß das hier umherlungernde Gesindel frech genug war, seine Leute anzugreifen, wollte er doch bei den vorgeschriebenen Anordnungen nichts versäumen. Er war noch ein junger Offizier, und es wäre ihm nichts unangenehmer gewesen als ein Verweis.
Daß überhaupt eine Eskorte abging, mußte natürlich bekannt gemacht werden, damit die Miner ihr Gold einlieferten und dafür ihre Quittungen erhielten. Die Abfahrt war auf zwei Tage später angesetzt, als sie wirklich stattfinden sollte. Die geringe Wachmannschaft war angewiesen worden, sich erst eine halbe Meile vom Büro entfernt dem Wagen anzuschließen. Die Leute selbst waren gut bewaffnet. Jeder hatte einen Karabiner, zwei Sattelpistolen und dazu den schweren Säbel an der Seite. Die Abfahrt des Karrens, der von vier kräftigen Pferden gezogen wurde, war auf elf Uhr mittags festgelegt worden.
Vier Mann und der Leutnant waren natürlich als Bedeckung sehr schwach. Dazu kamen noch zwei Kassenbeamte, die ebenfalls bewaffnet mit im Wagen saßen. Aber im Falle eines Angriffs konnte man wohl nicht ernsthaft auf sie zählen. Der eine war ein alter Herr mit weißen Haaren und schwächlichem Körper. Der andere war ein tüchtiger Kassierer, aber klein und verwachsen. Sie waren nie in ihrem Leben im Waffengebrauch unterrichtet worden. Aber es dachte niemand an eine wirkliche Gefahr, da ja die Straße selbst auch sehr belebt war und selten eine Viertelstunde verging, in der ein Reisender nach Sydney nicht einem anderen Trupp frischer Goldsucher begegnet wäre.
Der nächste Morgen kam. Die beiden Kassenbeamten hatten noch gewaltig zu arbeiten, um die laufenden Geschäfte in Ordnung zu bringen. Leutnant Beattys erster Gang war an diesem Morgen zu Kapitän Beckers Zelt. Aber der Vermißte war noch nicht zurückgekehrt. Es bestand jetzt kein Zweifel mehr, daß er sich verirrt hatte, und der junge Offizier gab den Mann verloren. Er kannte genügend Beispiele aus dem australischen Busch, die alle tragisch endeten.
Es war elf Uhr geworden und der Transport noch nicht zum Aufladen fertig. Der Wagen mit den vier Pferden fuhr vor und hielt vor dem Blockhaus, das aus riesigen Balken gebaut war und als Finanzgebäude der Minen diente. Der Leutnant ging ungeduldig davor auf und ab. Einer der Polizisten stand schon in der Nähe mit seinem fertig gesattelten Pferd. Da näherte sich dem jungen Mann eine merkwürdige Erscheinung, der wir schon öfter begegnet sind. Leutnant Beatty war sie aber unbekannt. Für einen Moment glättete sich seine in Furchen gezogene Stirn.
Es war der junge Schwarze in seinem Frack und den schwarzen Hosen, wie immer barfuß und mit dem Zylinder auf dem Kopf. Er kam auf ihn zu und blieb dicht vor ihm stehen, machte eine sehr förmliche und tiefe Verbeugung, zog seinen Hut und setzte ihn wieder auf.
»Sehr angenehm, Ihre Bekanntschaft zu machen«, sagte der Leutnant lächelnd. »Wo kommen Sie her, wenn man fragen darf?«
Der Eingeborene hatte die Verbeugung so ernst gemacht, weil er sich wohl in den Kopf gesetzt hatte, daß das so Sitte bei den Europäern wäre. So ungelenk und steif er sich dabei auch benahm, so verändert war die elastische Gestalt des Wilden, als er wieder in eine natürliche Stellung zurückfiel. Mit halb unterdrückter Stimme und mit vollkommen reinem Englisch, wenn auch etwas gebrochen, sagte er:
»Aus dem Busch – gerade von den Leuten, die Ihr Gold nehmen wollen.«
»Mein Gold?« rief der Leutnant. Es war nicht das erstemal, daß die Schwarzen den königlichen Dienern wesentliche Hilfe bei der Aufspürung entsprungener Verbrecher geleistet hatten. »Was weißt du von meinem Gold, Bursche?«
»Alles«, erwiderte der ruhig und warf einen vorsichtigen Blick in den Hof. Sein Auge fiel dabei auf den Kutscher, der auf dem Bock saß. Der schien ihn auch scharf zu beobachten, und der Eingeborene sah gleichgültig zu ihm hinüber. Dann nahm er noch einmal seinen Hut ab und machte eine noch tiefere Verbeugung. Dabei sagte er leise: »Geben Sie mir etwas Geld, Mann da bei den Pferden braucht nichts zu wissen. Kommen dann hinter Haus!«
»Ach so, darauf läuft es hinaus!« spottete Beatty, griff in die Tasche und warf dem Schwarzen ein paar Penny in den Hut. »Da, mein schwarzer Adonis, und jetzt mach, daß du weiterkommst, oder ich lasse dir durch einen meiner Leute noch viel schönere Komplimente machen. Die verstehen das besonders!«
Der Schwarze nahm das Geld aus dem Hut und betrachtete es.
»Rot Geld«, sagte er geringschätzig. »Aber schadet nichts. Kommen hinter Haus – rasch – ich gehe auch.« Damit wiederholte er seine Verbeugung und ging dann langsam aus dem Hof hinaus, als wollte er den Fluß entlang abwärts gehen.
Der Leutnant sah ihm lächelnd nach, denn er kannte die Unverschämtheit dieser Leute in allem, was die Bettelei betraf, zur Genüge. Er zweifelte keinen Moment, daß der Bursche nichts weiter als ein Almosen von ihm wollte. Die Andeutung, hinter das Haus zu kommen, war nur ein Versuch, weißes Geld zu bekommen, daß die Eingeborenen ganz gut von dem roten Kupfergeld unterscheiden können. Trotzdem behielt er die schwarze Gestalt im Auge und bemerkte jetzt, wie der Seidenhut plötzlich an der Stelle, wo er vom Haus aus nicht mehr gesehen werden konnte, links abbog und in einem Bogen rasch und heimlich zurückkehrte.
»Merkwürdig«, murmelte Beatty leise vor sich hin. »Sollte er mich wirklich sprechen wollen? Was weiß er überhaupt von dem Gold? Die verwünschten Federfuchser brauchen aber heute auch eine Ewigkeit, und wir versäumen die schöne Zeit. Er kommt bei Gott zurück, na, hören muß ich doch, was er mir zu sagen hat.« Langsam, als wollte er seinen unterbrochenen Spaziergang fortsetzen, schlenderte er zum Haus, blieb dort einen Moment stehen und ging dann auf die andere Seite. Tatsächlich schien ihn der Schwarze dort schon ungeduldig zu erwarten.
»Na, was willst du von mir?«
»Sie gehen heute mit viel Gold nach Sydney.«
»Wer hat dir davon erzählt?«
»Weiße Männer im Busch, böse Männer, viel bös, haben alte Frau bezaubert und ihre Butter Butter, der Name für Fett. Aber nach der Vorstellung der australischen Wilden wird man selbst stärker, wenn man sich mit dem Nierenfett eines getöteten Feindes einreibt. So ist diese Redewendung als »umbringen« zu verstehen. genommen. Wollen auch heute das Gold nehmen.«
»Tatsächlich?« sagte Beatty aufmerksam. Er unterschätzte die Nachricht keinen Moment. Schon daß der Schwarze von dem Goldtransport wußte, war ein Beweis. Da er aber nicht sicher war, ob die »weißen Männer« nicht auch hier in der Nachbarschaft ihre Spione hatten und ihnen ein langes Gespräch mit dem Eingeborenen verdächtig sein mußte, beschloß er, ihn im Haus weiter auszufragen.
»Geh in das Haus hier hinein«, sagte er ruhig. »Ich werde zurück in den Hof gehen und von der anderen Seite kommen, verstehst du, wie ich's meine?«
»All right«, bestätigte der Schwarze, ohne auch nur dazu mit dem Kopf zu nicken. Er wußte, es war eine geheime Verabredung.
Beatty traute ihm auch genug Schlauheit zu, drehte sich ab und ging wieder zu dem Wagen.
»Sind die noch nicht fertig da drin?« fragte er den Kutscher.
»Wir werden wohl vor heute Nacht nicht wegkommen«, brummte der mit einem Fluch. »Und meine Pferde wollen nicht länger stehen.«
Beatty trat in das Haus und schloß die Tür hinter sich. Neben dem entgegengesetzten Eingang wartete schon der Eingeborene. Er erzählte jetzt dem jungen Mann das ganze Gespräch, das er gestern oben auf dem Plateau belauscht hatte.
»Und hast du keinen Namen gehört?«
»Der eine heißt Holleck.«
»Was? Das ist ja interessant!« sagte Beatty. »Ist der Anführer?«
»Nein, der Zauberer ist es.«
»Der Zauberer?«
»Der die alte Frau mit dem Brot verzaubert hat, daß sie elend sterben mußte.«
»Aha, und wie heißt der?«
»Ich habe seinen Namen nicht gehört.«
»Aber du kennst ihn?«
Die Augen des Schwarzen blitzten wie Brillanten.
»Ich kenne ihn und muß sein Blut haben«, knirschte er zwischen den Zähnen durch.
»Hm, und der Kutscher soll mit ihnen einverstanden sein?«
»Das sagte der Zauberer.«
»Und der muß es wissen«, sagte Beatty und lächelte grimmig vor sich hin. »Aber ich hoffe doch, daß auch ich gelegentlich die Bekanntschaft des Herrn mache. Bis dahin wollen wir sehen, was zu tun ist. Also in der Nähe vom ›Roten Haus‹ – da kann ich mir ungefähr denken, an welcher Stelle. Nimm das hier vorerst für deine Nachricht«, fuhr er fort und drückte ihm einige Zwei-Schilling-Stücke in die Hand, die der Schwarze mit einer seiner zierlichsten Verbeugungen in Empfang nahm. »Jetzt geh aber voraus auf die Straße nach Sydney, bis der Wagen dich da überholt. Du sollst uns begleiten, und wenn sich deine Nachricht bestätigt, kann ich dir versichern, daß ich dich gut belohnen werde. Wovon bist du eigentlich so blutig im Gesicht?«
»Ich bin gefallen«, sagte der Eingeborene, der sich wohl hütete, von seinem Angriff auf den Weißen zu erzählen. Mit seiner Belohnung sehr zufrieden, verschwand er wieder durch die Tür. Vorher wollte er sich von dem Geld zu essen, viel zu essen kaufen.
Beatty zweifelte keinen Augenblick mehr daran, daß eine Anzahl Gesindel einen Überfall beabsichtigte. Er traf alle Vorbereitungen, die in der kurzen Zeit noch möglich waren. Er überraschte den sehr gemütlich auf seinem Bock sitzenden Kutscher zuerst dadurch, daß er ihn in das Haus rief, ihn dort verhaften und in Eisen legen ließ. Einer der Polizisten, der früher eine Zeitlang die Post gefahren hatte, mußte dafür auf den Bock. Zu den beiden Kassierern kamen noch zwei gut bewaffnete Leute und drei von den Goldwäschern, junge Leute, Söhne von Stationsbesitzern, die ihre Pferde hier oben hatten. Sie wollten den Transport bis zu dem kleinen Städtchen an der anderen Seite des »Roten Hauses« begleiten. Dort war es dann eine Kleinigkeit, eine ordentliche Polizeieskorte zusammenzustellen.
So hatte Beatty in kaum einer Stunde seine Schutzmannschaft um fünf Bewaffnete verstärkt. Im schlimmsten Fall konnte er auch auf den Beistand des Kutschers rechnen, der seinen Karabiner und die beiden Pistolen mitführte. Jetzt konnte er leichten Herzens den Befehl zum Aufbruch geben.
Das Gold war in kleinen Kisten im Wagen sicher untergebracht. Um den Angriff selbst zu vereiteln, hatte sich der mit dem Gelände völlig vertraute Offizier schon seinen Plan zurechtgelegt.