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Abu der Faulpelz

. Ein Rasierer in der Stadt Bagdad hatte einen Sohn, der war so faul, daß kein Mittel ausfindig gemacht werden konnte, ihn von seinem Laster zu heilen. Und als der Vater starb, hatte der Sohn den Ruf, der faulste Mensch der Erde zu sein. Und dazu gehört etwas.

Der Faulpelz lachte darüber. Aber seine Mutter, die Witwe, wußte nicht, wie sie die Schande von ihrem Hause wenden sollte, und sorgte sich so um ihren ungeratenen Sohn, daß sie vor der Zeit alt und gebrechlich wurde.

Abu – so hieß der Faulpelz – war so träge, daß er nicht einmal aufstand, um sich in den Schatten zu legen, wenn die Mittagsonne auf ihn herniederbrannte.

Fünfzehn Jahre hatte er auf diese Weise verbracht, – seine Mutter mußte die Kunden rasieren und ihm zu essen geben, während er auf dem Rücken lag, – da trat sie eines Tages zu ihm und sagte:

»Abu, da hast du fünf Silberlinge.«

»Was soll ich mit dem Gelde machen?« fragte der Junge. »Weißt du nicht, daß ich zu faul bin, mir etwas dafür zu kaufen?«

»Nimm das Geld,« sagte die Mutter, »und gehe damit zu dem Kaufmann Musaffer. Der reist heute auf seinem Schiffe nach China; bitte ihn, daß er dir etwas kaufe, woraus dir für dein Leben ein Gewinn ersprießen kann.«

Aber Abu der Faulpelz rührte sich nicht; da raufte sich die Mutter die Haare und gelobte, sie werde ihn vor Hunger und Durst sterben lassen, falls er nicht aufstünde, zu Musaffer gehe und ihm seine Bitte vortrüge.

Weil die Worte der Mutter von heftigem Zorn erfüllt waren, lauschte Abu und besann sich, was in seiner Lage zu tun wäre.

Schließlich fand er es für am besten, ihr zu gehorchen.

Er zog also die Knie ein wenig an und sagte: »Richte mich auf!«

Da richtete sie ihn auf; und Abu dem Faulpelz liefen die Tränen aus den Augen, weil ihm diese Arbeit so schwer wurde. Dann sagte er: »Bringe mir meine Schuhe!«

Die Mutter tat, wie ihr geheißen, und zog sie dem Faulen auch noch auf die Füße.

Danach sprach er: »Nun stütze mich, damit ich gehen kann!«

Da stützte sie ihn; sie gingen miteinander zum Ufer des Stromes, wo das Schiff Musaffers lag, und der Faulpelz sprach zu dem Kaufmann«: »Nimm diese fünf Silberlinge und erstehe mir dafür etwas im Lande China – vielleicht verhilft es mir zu Glück und Reichtum.«

Weil Musaffer die Mutter des Faulpelzes als eine ehrenwerte Frau kannte, versprach er die Erfüllung des Wunsches, reiste ab und kaufte in China ein ganzes Schiff voller Waren – aber die Bitte des Faulpelzes vergaß er.

Als das Schiff schon wieder auf der Heimfahrt begriffen war, erinnerte er sich seines Versprechens, und er beschloß, sofort umzukehren. Aber die Schiffsleute stellten ihm vor, welche Gefahren die Rückreise bringen könnte, und sagten: »Lieber wollen wir unter uns einhundert Silberlinge sammeln, die kannst du Abu dem Faulpelz übergeben!«

Darein willigte Musaffer; und nicht lange, so segelten sie an einer Insel vorüber, auf welcher sie sehr viele handeltreibende Menschen gewahrten. Deshalb gingen sie vor Anker, stiegen an Land und begannen zu kaufen und zu verkaufen.

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Alsbald bemerkte Musaffer einen Mann, der sehr viele Affen um sich hatte; einem davon waren fast alle Haare ausgerissen, und sobald der Besitzer sich nicht um die Tiere kümmerte, eilten die anderen herzu, schlugen den mit dem gerupften Fell und warfen ihn wie ein Häuflein Lumpen nach dem Besitzer. Darüber ward dieser zornig, verprügelte die Affen und legte sie in Ketten. Aber sie wurden nur noch grimmiger gegen den halbnackten Genossen, und zuletzt wußte der Affenbesitzer gar nicht mehr, was er mit den feindseligen Tieren beginnen sollte.

Musaffer trat zu ihm und sagte: »Verkaufe mir den Affen mit dem gerupften Fell, ich will ihn Abu dem Faulpelz mitbringen.«

Dann gab er ihm die fünf Silberlinge; das Geschäft wurde richtig, und der Affe ward auf das Schiff gebracht. Nicht lange, und es segelte von dannen.

Bald kam es zu einer anderen Insel, an der es wieder vor Anker ging.

Es waren am Strande aber viele Taucher, die im Meere nach Perlen fischten, und als der Affe sie eine Zeitlang beobachtet hatte, sprang er in die Flut und verschwand augenblicklich in der Tiefe.

Schon hatte Musaffer die Hoffnung aufgegeben, ihn wiederzusehen, da tauchte er empor und hatte die Hände voll der kostbarsten Edelsteine. Die gab er Musaffer, und der sagte in großer Verwunderung: »Fürwahr, mit diesem Affen hat es eine besondere Bewandtnis!«

Danach hißten sie die Segel und stachen in See.

Es brach aber ein Sturm los, der trieb sie in der dritten Nacht an einen gefährlichen Strand, und als es Tag ward, bemerkten sie: das war die Insel der Menschenfresser!

Eine Schar von Negern stürzte aus den Büschen; die sangen schauerliche Freudenlieder, fingen die Reisenden und legten sie in Fesseln. Darauf zündeten sie ein Feuer an, schlachteten ihrer sieben und brieten sie augenblicklich. Die anderen aber mußten in jammervoller Lage auf ihr Schicksal warten.

Als es Nacht geworden war, krochen die Neger in ihre Hütten; und weil sie sich in ihrer Freude über den guten Fang einen Rausch angetrunken hatten, schliefen sie tief.

Da stahl sich der Affe aus den Büschen herbei und löste dem Kaufmann Musaffer seine Fesseln.

Als ihn die anderen frei sahen, baten sie ihn flehentlich, er solle auch ihre Stricke zerschneiden. Aber die Wilden hatten ihm weder ein Messer noch eine Waffe gelassen; und die Knoten der Fesseln waren so kunstvoll geschlungen, daß Musaffer sich vergeblich bemühte, auch nur einen der Gefangenen zu befreien.

Da konnte der Affe auf einmal reden und sagte: »Wenn mir jeder von euch tausend Silberlinge bezahlt, so will ich euch losmachen.«

Das versprachen die Schiffsleute, und nun trat der Affe zu ihnen und befreite einen nach dem andern. Ganz leise eilten sie zum Strande, bestiegen im Schutze der Nacht ihr Schiff und entkamen glücklich von dem gefährlichen Eiland.

Als es Morgen ward, lag die Insel der Menschenfresser schon weit hinter ihnen und war kaum noch zu sehen. Da erinnerte Musaffer die Schiffsleute an ihr Versprechen; denn der Affe hatte keinen Laut mehr von sich gegeben, und es war, als hätte er nur in jener gefahrvollen Stunde menschliche Worte gefunden.

Jeder der Schiffsleute aber gab Musaffer tausend Silberlinge, so daß für den Affen eine mächtige Summe Geldes zusammenkam. Und weil der Wind günstig war, erreichte das Schiff nach wenigen Wochen die Heimat.

Der Kaufmann Musaffer brachte den Affen und das viele Geld zu Abu dem Faulpelz, und die Freude im Hause der armen Frau war groß.

Der Faulpelz ließ sich schließlich dazu bewegen, einen Laden aufzumachen und trieb darin ein wenig Handel – aber nicht zu viel; denn er fand: das Faulsein sei eine viel schönere Beschäftigung.

Zudem ging der Affe an jedem Morgen aus dem Hause und kehrte an jedem Mittag mit einem Beutel zurück, darin tausend Silberlinge waren.

So verging ein Jahr. Abu der Faulpelz war der reichste Mann von Bagdad geworden und hatte doch kaum mehr getan, als auf seinem Lager gelegen und Tabak geraucht.

Seit einiger Zeit aber war der Affe bei schlechter Laune; er blieb neben seinem Herrn sitzen, aß wenig, trank wenig und verfiel von Tag zu Tag mehr.

»Das ist eine sehr unangenehme Sache,« dachte der Faule. Er ließ alle Tierärzte rufen, die erreichbar waren; aber keiner konnte helfen.

So saßen Abu der Faulpelz und der Affe sich eines Tages gegenüber und sahen sich mit schweren Sorgen in die Augen. Da wandte sich der Affe ein paarmal nach rechts und ein paarmal nach links, und auf einmal begann er zu sprechen wie ein Mensch:

»Erschrick nicht, Abu, mein erlauchter Herr, ich will dir verkünden, was es mit mir auf sich hat! Ich bin nämlich ein Geist und kam zu dir, um dir aus deiner armseligen Lage zu helfen. Du hast heute so viel Geld, daß du gar nicht mehr weißt, wie viel du besitzest; nun aber bedarf ich deiner in einer Sache, die ich ohne deine Hilfe nicht wohl hinausführen könnte.«

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»Rede,« sagte Abu; »was in meinen Kräften steht, will ich gerne für dich tun.«

»Ich möchte dich gerne mit einem Mädchen vermählen, das ist schön wie der Vollmond ...«

»Und was könnte ich dabei tun?« fragte Abu belustigt.

»Sehr viel.«

»So rede!«

»Ziehe morgen dein schönstes Gewand an,« fuhr der Affe fort, »setze dich auf ein weißes Maultier mit goldenem Sattel und reite zu den Kaufhallen der Futterhändler. Dort erkundige dich nach dem Laden des Scherifs Scherif ist der Titel der Nachkommen Mohammeds des Propheten, deren es unzählige gibt. Die Männer tragen einen grünen Turban, die Frauen einen grünen Schleier. Mohammed und sprich zu ihm, sobald du den Mann gefunden hast: »Siehe, mein Freund, ich komme als Brautwerber deiner Tochter!« Dann gab ihm der Affe noch einige Weisungen, wie er sich zu verhalten habe, wenn der Scherif nicht einverstanden sei, und am nächsten Morgen ritt Abu auf dem weißen Maultiere von dannen.

Nicht lange, so traf er den Scherif in seinem Laden. Und Abu sprach: »Ich bin als Brautwerber gekommen und begehre deine Tochter.«

Da entgegnete der Kaufmann: »Du hast weder Geld, noch bist du von Stand und Adel.«

Abu aber holte einen Beutel mit tausend Goldstücken hervor und erwiderte: »Dies ist mein Stand!«

Darüber wunderte sich der Scherif nicht wenig ... »Tausend Goldstücke?« sagte er. »Eine schöne Summe! Wenn du mir dreitausend geben kannst, sollst du meine Tochter haben.«

Da legte Abu noch zweitausend hinzu, der Ehevertrag wurde geschlossen, und der Scherif sagte: »In zehn Tagen will ich dir die Braut zuführen.«

»Schön,« sagte Abu und ritt von dannen.

Der Affe, als er erfuhr, wie alles zugegangen, war von Stund' an wieder guter Dinge; und als der Tag nahte, der von dem Scherif genannt worden, sprach er zu Abu: »Ich habe nun noch ein Anliegen an dich, und so du es mir erfüllst, sollst du alles von mir erhalten, was du begehrst. In dem Saale, in dem du mit der Tochter des Scherifs zusammentreffen wirst, befindet sich gegenüber dem Eingang eine Kammer. An der Tür zu dieser Kammer ist ein kupferner Ring angebracht. Öffne die Tür, und du wirst in der Kammer einen eisernen Kasten finden, an dessen Ecken stehen vier Fähnlein. Mitten in der Kiste ist ein Becken voll Gold, und in dem Golde sitzt ein weißer Hahn. Auf der einen Seite im Kasten sind elf Schlangen, und auf der anderen befindet sich ein sehr scharfes Messer. Nimm das Messer, schlachte den Hahn damit und zerschneide die vier Fähnlein. Danach stürze den Kasten um.«

Abu versprach, sich alles wohl zu merken, und als der zehnte Tag herangekommen war, begab er sich in den Saal des Scherifs.

Dort fand sich alles, wie ihm der Affe gesagt hatte, und Abu verhielt sich genau nach den Anweisungen, die ihm gegeben waren; er schlachtete den Hahn, zerschnitt die vier Fähnlein und stürzte den Kasten um ...

Mit einem Male erhob sich im Saal ein Schrei, die Braut stand händeringend neben Abu und rief: »O, mein Freund, was hast du getan? Nun hat mich der Geist in seine Macht bekommen, vor dem ich behütet war, solange die Fahnen an den Ecken des Kastens wehten!«

Und kaum hatte sie das letzte Wort gesprochen, so fuhr der Geist auch schon durchs Haus, raubte die schöne Braut und flog mit ihr unter großem Getöse durch eine Öffnung im Dache davon.

Der Scherif betrat gleich darauf sehr traurig den Saal und sprach zu dem verblüfften Abu: »Ach, was hast du getan? Seit sechs Jahren stellte dieser Verruchte meiner Tochter nach! Nun ist er durch deine Schuld mächtig über uns geworden. Du darfst nicht länger in diesem Hause weilen; denn ich müßte dich töten lassen – fliehe also, wenn dir dein Leben lieb ist.«

Abu, der noch gar nicht wußte, wie alles geschehen konnte, eilte nach Hause und suchte den Affen; denn er dachte, er könne von ihm erfahren, was in dieser Sache zu tun sei.

Aber er fand keine Spur mehr von ihm und merkte nun, daß es kein anderer als jener gewesen, der ihm die Braut geraubt hatte.

In bitterlicher Reue zerriß er seine Kleider, lief aus der Stadt und wanderte in die Wüste.

Als die Nacht kam, legte er sich unter eine Palme.

Auf einmal krochen zwei Schlangen des Weges, eine weiße und eine schwarze; die erhoben ihre Köpfe und kämpften miteinander.

Im weißen Mondscheine suchte Abu nach einem Felsstück und warf damit die schwarze Schlange zu Tode. Da verschwand die weiße, kam aber alsbald wieder und brachte zehn andere schneeweiße Schlangen mit. Die rissen die schwarze vollends in Stücke und ließen nichts von ihr übrig als den Kopf.

Abu sah das mit großem Erstaunen.

Als die Schlangen wieder in ihre Höhlen gekrochen waren, ward es auf einmal ganz hell um ihn; ein Geist in Menschengestalt lehnte an dem Stamme der Palme und sprach: »Fürchte dich nicht; denn du hast eine gute Tat getan. Ich bin der Bruder jener weißen Schlange, deren Feindin du getötet hast. Und nun wisse: der, welcher in der Gestalt des Affen dein Gesell war, ist ein widerlicher Geist! Doch gräme dich nicht mehr über diese Sache – meine Brüder und ich werden dich zu deiner verlorenen Braut bringen; denn die Güte, die du uns erwiesen hast, soll dir nicht unbelohnt bleiben.«

Darauf pfiff der schöne weiße Geist auf einer silbernen Muschel, und alsbald erschien ein Trupp fremdartiger Gestalten. Die konnten Menschen sein ... und waren doch keine – und der Geist sprach zu ihnen: »Wo ist der Affe, der die schöne Braut raubte?«

»In der kupfernen Stadt, über welcher die Sonne nicht aufgeht!«

Du,« sagte der Geist darauf zu der Gestalt, die diese Worte geredet hatte, »nimm Abu von Bagdad auf deine Schultern, trag' ihn von hinnen und sag' ihm, wie er seine schöne Braut wiedererlangen kann.«

Der Sklave neigte sich, Abu setzte sich auf seine Schultern, und fort ging die Reise, hinaus in die klare Mondnacht und empor gegen den sternenhellen Himmel über der Wüste.

Während sie so dahinflogen, erschien mit einem Male eine Gestalt in grünem Gewande und mit leuchtendem Antlitz, die trug in der Hand einen funkensprühenden Speer, warf den Speer nach dem Sklaven, und der Sklave zerschmolz vor der Glut und verstiebte als Asche in die Nacht.

Abu aber fiel in sausendem Fluge gegen die Erde und sank in ein stilles, weites Meer.

Aber siehe, es war ein Fahrzeug mit fünf Schiffern in der Nähe, die nahmen den armen Schwimmer auf, allein sie verstanden seine Sprache nicht.

Mit den Schiffern fuhr er bis zum nächsten Abend. Da warfen die ihre Netze aus und fingen einen sehr großen Fisch; den brieten sie und gaben auch Abu davon zu essen. Dann warfen sie Anker an einem fremden Strande, und Abu setzte sich an das Ufer eines Flusses und dachte nach, was er nun beginnen sollte.

Da kam plötzlich ein Reiter auf einem weißen Rosse auf ihn zu und fragte: »Höre du, bist du nicht Abu von Bagdad, den sie den Faulpelz nennen?«

»Der bin ich.«

»Fürchte dich nicht; deine gute Tat ist mir zu Ohren gekommen.«

»Wer bist denn du?« fragte Abu.

»Ich bin ein Bruder jener weißen Schlange, der du das Leben gerettet hast. Setze dich hinter mir auf das Roß!«

Abu tat, wie ihm geheißen, und sie ritten miteinander in eine Steppe. Da sprach der fremde Reiter: »Steige nun ab und wandere zwischen jene Berge, bis du die kupferne Stadt siehst. Halte dich aber ferne von ihr und betritt sie nicht eher, als bis ich wieder zu dir zurückgekehrt bin und dir sage, was du zu tun hast.«

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Da wanderte Abu zu der kupfernen Stadt, und während er die Mauer umschritt, zu sehen, ob irgendwo ein Tor wäre, kam der Bruder der weißen Schlange wieder und händigte ihm ein Schwert ein. Kaum hatte Abu seine Hand an den Griff gelegt, so sprach der Fremde: »Du bist nun unsichtbar und kannst nur von einer gewissen Klasse von Menschen erkannt werden. Du brauchst dich aber nicht vor ihnen zu fürchten, wiewohl sie ein sehr merkwürdiges Aussehen haben.«

Darauf verschwand der Bruder der weißen Schlange, und Abu ging in die Stadt.

Nicht lange, so vernahm er ein heftiges Geschrei und sah einige Leute auf sich zukommen, die hatten die Augen auf der Brust und riefen: »Du bist Abu von Bagdad, der seine Braut sucht! Sie ist in dieser Stadt und wird von einem bösen Geiste gefangengehalten. Wir alle sind Brüder der weißen Schlange.«

»So sagt mir, wo ich meine Braut finde!«

»Steig' in den Bach, der in jenes unterirdische Gewölbe fließt, und tritt mit dem Bach in dies Gewölbe ein! Das Weitere wird sich finden.«

Abu stieg also in das Wasser des Baches, trat mit ihm in das Gewölbe und kam nach einer Weile auf einen großen hellen Platz mit schönen Gärten. Da sah er seine Braut auf einem goldenen Stuhle sitzen, und über ihr hing ein Baldachin aus Brokat. Ringsum standen goldene Bäume mit Früchten aus Edelsteinen.

Als Abu der Jungfrau die Hand reichen wollte, sprach sie: »O, mein Freund und Bräutigam, ich kann dir nicht folgen; denn ich bin tausend Jahre an diesen Thron gebannt. Wenn du aber zu dem Adler gehen willst, der auf der silbernen Säule am Ende dieser Stadt sitzt, so wirst du eine Weisung empfangen, wie du mich erlösen kannst.«

»Das ist eine sehr verwickelte Geschichte,« sagte Abu, »aber ich will nicht säumen. So viel bin ich in meinem ganzen Leben noch nicht gelaufen!«

Da ließ sich plötzlich eine Stimme vernehmen: »Das schadet dir nichts; du bist lange genug faul gewesen!«

»Aha,« dachte Abu, »ist das so gemeint?« –

Auf dem Wege zur silbernen Säule begegneten ihm wieder die Leute, die die Augen auf der Brust hatten, und gaben ihm ein Schächtelein voll Moschus, dazu ein Kohlenbecken voll Glut und sagten ihm, was er damit beginnen solle.

Er fand alsbald die Säule, stellte das Becken vor dem Adler auf und warf das Pulver hinein.

Ein Rauch stieg auf, und aus dem Rauche löste sich ein Geist, der sprach zu Abu: »Zu dienen, mein Herr! Was du mir auch befehlen magst, ich werde dir deine Wünsche sofort erfüllen.«

»So gehe hin, fange den Geist, der mir die Braut geraubt hat, und erwarte mich am Ufer des Meeres.«

»Soll sofort geschehen,« sagte der Sklave und verschwand. Abu aber eilte zu den Gärten mit den goldenen Bäumen, nahm seine Braut an der Hand und schritt zum Ufer des Meeres.

Dort wartete der Sklave schon auf ihn, der den gefesselten Affen führte.

»Schaffe mir augenblicklich ein Schiff her,« gebot Abu, »sorge für guten Wind und segle mit uns in die Heimat!«

Es geschah alles, wie es befohlen ward, und als das Schiff vom Strande stieß, kam der Adler, trug das Kohlenbecken an Bord und setzte sich auf die Spitze des Mastbaumes; denn auch er wollte Abu und seine glückliche Braut auf der Meerfahrt begleiten.

Ohne Unfall kehrten sie nach Bagdad zurück.

Abu ließ sich durch den Geist noch alle Schätze herantragen, die sich in der kupfernen Stadt befanden. Danach baute er sich einen Palast, der war größer und schöner als alle Paläste der Erde.

Den Geist aber, der ihm die Braut geraubt hatte, sperrte er in eine kupferne Flasche, ließ sie verlöten und vor dem Tore seines Schlosses auf eine Säule stellen.

Als der Sultan eines Tages zu ihm kam, um sich die Reichtümer Abus zu betrachten, dessen Vater ein armer Rasierer gewesen war, fragte er auch nach der kupfernen Flasche und was für eine Bewandtnis es mit ihr habe.

Da sagte Abu: »Ich hatte einmal einen Affen, den hab' ich in diese Flasche gesperrt ...« Und dann erzählte er dem Sultan die Geschichte, die hier aufgeschrieben ist.

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