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Aladin oder Die Wunderlampe

. In China lebte ein armer Schneider, der verdiente so wenig, daß er mit seiner Frau und seinem Sohne aus der bittersten Not gar nicht herauskam. Deshalb hatten die Eltern auch keine Zeit gehabt, sich um die Erziehung ihres Sohnes Aladin zu kümmern, und nun war der Bengel halsstarrig, boshaft und ungehorsam geworden und trieb sich den lieben langen Tag auf der Straße herum. Als er in das Lehrjungenalter kam, nahm ihn der Vater Schneider in seine Bude und unterwies ihn, wie er die Nadel führen sollte. Aber der Junge hatte kein Sitzfleisch, und so oft der Alte den Rücken wandte, schlüpfte Aladin auf die Straße und kam den ganzen Tag nicht wieder. Alle Strafen halfen nichts; zuletzt mußte der Vater seinen Sohn dem liederlichen Leben überlassen und litt darüber so viel Kummer und Herzeleid, daß er starb.

Die Mutter schloß den Laden, machte das Handwerksgeräte zu Geld und ernährte sich und ihren Sohn vom Wollespinnen. Aladin, der nun nicht einmal mehr Furcht vor seinem Vater zu haben brauchte, ward ein immer größerer Taugenichts.

Einst spielte er mit Gassenjungen auf einem Platze der Stadt, als ein fremder Mann des Weges kam. Der betrachtete Aladin eine Weile, erkundigte sich dann heimlich bei den Nachbarn nach dem Jungen, und plötzlich trat er auf ihn zu. »Mein Sohn,« sagte er, »ist dein Vater nicht der Schneider Mustafa?«

»Gewesen!« sagte Aladin keck; »denn er ist schon längst tot.«

Da fiel ihm der Fremde um den Hals, zerdrückte eine Träne im Auge und seufzte: »Dein Vater war mein geliebter Bruder! Ich bin viele Jahre auf Reisen gewesen, und nun, wo ich heimkehre, meldest du mir: er ist tot! Indes: ich freue mich, seine Züge in deinem Gesicht wiederzufinden. Und nun nimm dies Geldgeschenk, grüße deine Mutter und sag' ihr: morgen werd' ich sie besuchen, damit ich den Ort sehe, an dem mein guter Bruder so lange gewirkt hat.«

Aladin lief sehr vergnügt heim; er ahnte nicht, daß der Fremde ein Zauberer war, der fast alles erlogen, was er mit ihm geredet hatte. Und sein Erstaunen wuchs noch mehr, als die Mutter zu ihm sagte: sein Vater hätte nie einen Bruder gehabt.

Des andern Tages traf der Zauberer Aladin wieder, drückte ihm zwei Goldstücke in die Hand und sagte: »Lieber Neffe, sag' deiner Mutter, ich käme heute abend zu ihr, und für dies Geld soll sie mir ein gutes Nachtmahl richten.«

Aladin gehorchte, und die Mutter ging aus, um Speisen und Wein für den Fremden zu besorgen.

Kaum war die Sonne gesunken, trat dieser ins Haus, erzählte mancherlei von seinem verstorbenen Bruder, und es schien, als könne er sich nur schwer über den Tod des Schneiders trösten. Zuletzt wandte er sich auch an Aladin und fragte: »Womit beschäftigst du dich denn? Du bist nun schon bald erwachsen, und ich hoffe, du hast das Gewerbe deines Vaters erlernt.«

Bei dieser Frage schlug Aladin die Augen nieder; denn er geriet in große Verlegenheit. Seine Mutter aber sagte geradeheraus: »Aladin ist ein Faulenzer. Er lungert die Tage über auf der Straße herum, und da ich nicht zugleich mich und ihn durch Spinnen erhalten kann, so werde ich ihm in nächster Zeit mein Haus verschließen, und er mag zusehen, wie er sein Brot findet.«

»Hm, hm,« machte der Fremde und dachte eine Weile nach. »Wie wäre es denn, wenn ich dir aus meinem Vorrate köstlicher Stoffe eine Menge zur Verfügung stellte, mein lieber Neffe? Vielleicht hast du nur eine Abneigung gegen das Gewerbe deines Vaters. Wenn du aber einen Laden mit feinen Geweben und Linnenzeug aufmachst, und du kaufst und verkaufst, so kannst du leicht ein anständiges Auskommen finden.«

Weil Aladin und seine Mutter über dies Anerbieten sehr erfreut waren, besann sich der Zauberer nicht lange und fuhr fort: »Also gut! Morgen werde ich dich für meine Kosten anständig kleiden lassen, und übermorgen wollen wir einen Laden suchen, wie ich ihn im Sinne habe.«

Am nächsten Tage trafen sie wieder zusammen, und Aladin durfte sich bei einem Händler die schönsten Kleider auswählen; dann gingen sie miteinander zu einem Mahle, und erst spät am Abend kehrte der Zauberer mit dem reichgekleideten jungen Manne in das Haus der Witwe zurück.

Die alte Frau war von der Großmut des Fremden zu Tränen gerührt und sagte: »Ich zweifle nun keinen Augenblick mehr, daß Ihr der Bruder Mustafas seid, und dennoch wundere ich mich, daß mein Mann mit mir niemals über Euch gesprochen hat. Ich danke Euch von ganzem Herzen und wünsche Euch ein recht langes Leben, damit Ihr Euch auch von der Dankbarkeit meines Sohnes überzeugen könnt.«

Der Fremde sagte nun, er werde Aladin morgen früh erst einmal durch die schönen Gärten vor der Stadt führen, die schöner seien als alle Gärten der Erde, und danach wollten sie sich nach einem Laden umsehen, den sie mieten könnten.

Am andern Morgen führte er den schöngekleideten jungen Mann vor die Tore der Stadt, wie er versprochen hatte. Und weil Aladin ihm seine große Freude über die Herrlichkeit dieser Anlagen zu erkennen gab, spazierten sie immer weiter und kamen endlich in die Nähe prächtiger blauer Berge.

Aladin hatte in seinem ganzen Leben noch keinen so weiten Marsch gemacht, und weil er die Stadt nur noch in feinem Dunste weit hinter sich sah, sagte er: »Wenn wir noch weitergehen, so weiß ich nicht, ob ich noch Kräfte genug habe, um wieder zurückwandern zu können.«

»Ach,« meinte der Zauberer, »ein junger Mann darf nicht mutlos werden! Es würde dir sehr leid sein, wenn du jetzt schon umkehrtest; denn das Herrlichste haben wir noch zu betrachten.«

Dabei führte er ihn immer weiter, und über den Geschichten, die er erzählte, vergaß Aladin die Mühsale des Weges.

Endlich kamen sie in ein Tal zwischen mäßig hohen Bergen, und der Zauberer begann: »Wir sind jetzt an Ort und Stelle; ich werde dir nun Dinge zeigen, die ganz außerordentlich und allen Sterblichen unbekannt sind. Während ich mit diesem Stahle Feuer schlage, häufe du hier so viel trockenes Reisig an, als du auftreiben kannst.«

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Als das Reisig aufloderte, warf der Zauberer Räucherwerk in die Flamme. Ein dicker Rauch quoll empor, den er bald nach dieser, bald nach jener Seite fächelte, und dabei murmelte er geheimnisvolle Sprüche, von denen Aladin kein Wort verstand. Alsbald aber öffnete sich die Erde und ein Stein tauchte daraus hervor, der war viereckig und trug in der Mitte einen bronzenen Ring und ein Siegel.

Aladin erschrak über dies alles heftig und wollte die Flucht ergreifen. Der Zauberer aber sprach: »Lieber Neffe, du brauchst dich gar nicht zu ängstigen; denn ich verlange von dir nichts weiter, als daß du mir pünktlich gehorchst. Dafür werde ich dir große Vorteile verschaffen. Unter diesem Steine befindet sich nämlich ein Schatz, der für dich bestimmt ist, und der dich reicher machen wird als die reichsten Könige der Erde. Und nun komm her, fasse den Ring und hebe den Stein in die Höhe.«

Aladin tat, wie ihm der Zauberer geheißen, hob den Stein mit leichter Mühe empor und legte ihn beiseite. Da sah man eine Höhle von drei bis vier Fuß Tiefe, die war mit einer kleinen Tür verschlossen, und zu der Tür konnte man auf einigen Stufen hinabsteigen.

»Diese Stufen schreite hinab, dann wird sich die Tür öffnen und du gelangst alsbald durch drei Säle. Wenn du den dritten Saal verlassen hast, kommst du in einen sehr schönen Garten. Dort steige die fünfzig Stufen aus weißem Marmor empor und du wirst eine Nische sehen mit einer kleinen brennenden Lampe. Diese Lampe nimm und lösche sie aus; und wenn du den Docht fortgeworfen und die brennbare Flüssigkeit ausgegossen hast, so stecke die Lampe vorn an deine Brust und bringe sie mir. Wenn die Früchte im Garten deine Eßlust reizen, so darfst du davon nehmen so viel du willst. Dieser Ring aber, den ich dir jetzt an den Finger stecke, ist ein Mittel gegen alles Übel, das dir auf deinem Wege begegnen könnte. Und nun steige ohne Furcht hinab und sei freudig in dem Gefühle, daß wir durch deinen Gang beide steinreiche Leute werden.«

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Aladin machte sich auch sofort auf den Weg, fand alles, wie es der Zauberer geschildert hatte, steckte die Lampe zu sich, und während er durch die schönen unterirdischen Gärten zurückschritt, hielt er Umschau über all die Herrlichkeiten, die da blühten, wuchsen und standen. Es gab da Blumen und Früchte von allen Farben und von leuchtendem Glanze: die weißen waren Perlen, die leuchtenden Diamanten, die dunkelroten Rubinen, die blauen Türkise. Und alle waren von einer Größe und Vollkommenheit, daß man sich nicht sattsehen konnte.

Aladin nahm von jeder Art ein paar und füllte damit alle Taschen seines Gewandes. Dann ging er wieder zu der kleinen Tür, durch die er hereingekommen war, und sah den Zauberer mit Ungeduld warten. Sobald er ihn erblickte, rief er aus der Vertiefung herauf: »Lieber Oheim, ich bitte, reicht mir die Hand und helft mir heraus!«

»Mein Sohn,« rief der Zauberer, »gib mir zuvor die Lampe; denn sie könnte dir hinderlich sein.«

»Nein, nein, sie ist mir gar nicht hinderlich; ich werde sie Euch geben, wenn ich oben bin.«

Aladin hatte die Lampe nämlich bei all den Früchten verpackt, von denen er auch etliche vor der Brust geborgen hatte, und er hätte das Gefäß in seiner Lage gar nicht freibekommen. Der Zauberer aber, weil er glaubte, Aladin wolle ihn um die Wunderlampe betrügen, geriet in eine fürchterliche Wut, warf wieder von seinem Hexenpulver ins Feuer, und kaum hatte er zwei Zauberworte gesprochen, so sprang der Stein an seinen vorigen Platz, und die Erde schloß sich, ehe der Sohn Mustafas aus der Höhle herausgestiegen war.

Wie der Hexenmeister um seine schönsten Hoffnungen sich betrogen sah, kehrte er schleunigst in seine afrikanische Heimat zurück.

Mit Aladin aber mußte es allem Anscheine nach für immer vorbei sein. Allein – gerade der, welcher ihn vernichten wollte, hatte ja Sorge getragen, daß dem Jungen kein Leid geschähe: er hatte ihm jenen Ring an den Finger gesteckt, der ihn vor allem Übel bewahrte.

Zuerst geriet er zwar in die größte Bestürzung und rief tausendmal um Hilfe aus den Tiefen der Erde herauf. Vergeblich! Endlich stieg er wieder die Treppe der Höhle hinab; da merkte er zu seinem Schrecken, daß die Mauer, die ihm vordem offengestanden, sich schon wieder geschlossen hatte.

In undurchdringlicher Finsternis saß Aladin nun zwei Tage; am dritten aber rang er die Hände und flehte Gott an, er möge ihn aus seiner Qual durch einen sanften Tod erlösen. Dabei drehte sich der Ring an seinem Finger, und alsbald stand ein Geist von ungeheurer Größe und schreckhaftem Ansehen vor ihm und sprach: »Was verlangst du?«

»Wer bist du, Fürchterlicher?« fragte Aladin mit zitternder Stimme.

»Ich bin dein Sklave; denn du trägst den Zauberring an deinem Finger.«

»Wenn das so ist, so bringe mich aus dieser Finsternis!«

Kaum war dieser Wunsch ausgesprochen, da öffnete sich die Erde, und Aladin befand sich genau an der Stelle, an die er von dem Zauberer geführt worden war; denn das Reisigfeuer verglomm zwischen den Steinen.

Mit schnellen Schritten eilte er nach Hause; aber sein dreitägiges Fasten und die Freude des Wiedersehens verursachten, daß er seiner Mutter wie leblos in die Arme sank. Als er sich endlich erholt hatte, berichtete er ihr von seinen Erlebnissen und zeigte ihr alles, was er aus dem Wundergarten mitgebracht. Aber sie erkannten den Wert dieser Dinge nicht. Dann sank er in einen langen und sehr tiefen Schlaf, aus dem er erst am dritten Tage erwachte. Da bemerkte er, daß seine Mutter gerade ausgehen wollte, um einen Teil ihrer Baumwolle zu verkaufen. Für den Erlös wollte sie gute Speisen erstehen, damit ihr Sohn rascher wieder zu Kräften käme.

Aber Aladin bat sie: »Liebe Mutter, behalte nur deine Baumwolle. Ich werde gehen und die Lampe verkaufen.«

Die Mutter holte die Lampe hervor, und weil sie sehr schmutzig war, nahm sie Wasser und Sand und wollte sie putzen. Kaum rieb sie das Metall, da stieg auf einmal ein riesenhafter, gräßlicher Geist aus der Erde empor und rief: »Was willst du von mir? Ich bin dein Sklave; denn ich muß dem gehorchen, der diese Lampe besitzt.«

Der Frau versagte die Stimme; da sprang Aladin herzu, der schon in der Höhle einen so unheimlichen Gesellen gesehen hatte, und rief: »Wir haben Hunger. Bring uns etwas zu essen!«

Der Geist verschwand, kam aber schon im nächsten Augenblicke wieder und trug ein großes silbernes Becken. Darin waren zwölf silberne Schüsseln, gefüllt mit vortrefflichen Speisen, sechs große Brote, weiß wie Schnee, zwei Flaschen köstlichen Weines und zwei silberne Trinkschalen. Er setzte alles zusammen auf den Tisch am Sofa und verschwand.

Mit größtem Erstaunen setzten sich Mutter und Sohn zu Tische, und es schmeckte ihnen ausgezeichnet; denn sie hatten noch nie eine so reiche Tafel gesehen. Nun erwies es sich, daß der Vorrat an Speisen für mehrere Mahlzeiten ausreichte, und als endlich doch alles aufgezehrt war, nahm Aladin eine der silbernen Schüsseln unter seinen Mantel und ging zum Althändler, um sie zu verkaufen.

Der Händler war ein schlauer und unehrlicher Mann, der sehr bald merkte, daß Aladin gar keine Kenntnis von dem Werte der Schüssel hatte. Er gab ihm ein Goldstück und hätte ihm doch hundert Stücke geben müssen, wenn er die Torheit des Knaben nicht ausgenützt hätte. Und im Laufe der Tage trug Aladin die übrigen Schüsseln zu dem Händler, zuletzt aber das Becken, für das er zehn Goldstücke erhielt.

Als auch von diesen zehn Goldstücken nichts mehr übrig war, nahm Aladin seine Zuflucht wieder zu der Lampe. Der Geist erschien abermals, und der Knabe verlangte etwas zu essen. Wieder kehrte er mit einem ähnlichen Tafelgerät zurück wie das erstemal, setzte es auf den Tisch und verschwand.

Und wieder ging Aladin nach einigen Tagen, um die erste der silbernen Schüsseln zu verkaufen.

Da kam er am Laden eines Goldschmieds vorüber, der war ein guter und ehrlicher Mann. Er trat zu ihm hinein, und der Goldschmied fragte, wieviel ihm der Althändler bei früheren Verkäufen bezahlt habe. Da nannte Aladin die Summe.

»O der Spitzbube!« rief der ehrliche Alte. »Er hat dich hundertfach betrogen.« Dann wog er die Schüssel und zählte dem Knaben hundert schwere Goldstücke auf die Tafel. Aladin dankte dem guten Manne, und obwohl er nun mit seiner Mutter eine unversiegbare Goldquelle an der Wunderlampe hatte, lebten sie doch mäßig wie zuvor, nur daß Aladin immer etwas zur Seite legte, um sich gut zu kleiden und die Wirtschaft besser einzurichten.

So lebten sie mehrere Jahre lang von der Lampe, die Aladin von Zeit zu Zeit rieb.

Unterdessen hatte er nicht versäumt, sich in dem Geschäfte eines Gold- und Juwelenhändlers sorgsam auszubilden, und er hatte erkannt, daß er in den vermeintlichen Glasfrüchten aus dem unterirdischen Garten unschätzbare Kleinodien besaß. Er war indes so klug, sich vor den Leuten seines Besitzes nicht zu rühmen, und diesem weisen Schweigen verdankte er das hohe Glück seines Lebens.

Als Aladin eines Tages in der Stadt spazierte, hörte er den Befehl des Sultans ausrufen: jeder solle seinen Laden und seine Haustür schließen und sich so lange in das Innere seines Hauses zurückziehen, bis die Prinzessin Badrubur, die Tochter des Sultans, nach dem Bade gegangen und wieder zurückgekehrt sein würde.

Aladin, der großes Verlangen hatte, die schönste aller Prinzessinnen einmal zu sehen, versteckte sich in ein Gebüsch in der Nähe des Bades. Badrubur kam in Begleitung von vielen dienenden Frauen, und als sie in die Nähe des Bades gelangt war, nahm sie ihren Schleier vom Antlitz. Ihre Züge waren von unvergleichlicher Schönheit, sie war schöner als der Frühlingshimmel mit der Sonne, und Aladin konnte das reizende Bild nicht mehr vergessen. Eines schönen Tages, nachdem er schon lange ein verändertes Wesen gezeigt hatte, zog er seine Mutter ins Vertrauen und sagte ihr, er hätte den Entschluß gefaßt, um die Prinzessin Badrubur zu werben.

Darüber geriet die alte Frau in die höchste Sorge; denn sie dachte, ihr Sohn hätte den Verstand verloren.

»Ei,« rief sie ein über das andere Mal, »wer bist du denn, daß du dich an die Tochter des Sultans wagst? Hast du vergessen, daß dein Vater der ärmste Schneider der Stadt war? Und weißt du nicht, daß die Töchter eines Sultans nur Königen oder Prinzen ihre Hand reichen?«

Aber Aladin blieb hartnäckig bei seinem Entschlusse und sagte, keine Macht der Erde würde ihn davon abbringen.

Einige Tage nachher suchte er all die Dinge hervor, die er damals aus dem Zaubergarten mitgebracht hatte. Er ordnete die köstlichen Blüten und Früchte, die noch an ihren Stengeln saßen, in eine Porzellanvase, und sie machten nun einen so über alle Beschreibung herrlichen Eindruck und gaben einen so kostbaren Glanz, daß sie eines Sultans und seiner schönen Prinzessin wohl würdig waren.

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Aladin beschloß also, damit in den Palast zu gehen, die Vase dem Sultan zum Geschenke zu bieten und um Badrubur zu werben. Weil es aber in jenem Lande Brauch war, daß die Mutter die Werbung um eine Gattin für den Sohn übernahm, so fand sich endlich auch die alte Frau bereit, den schweren Gang zu tun. Sie ging einige Male in den Palast, bis sie endlich der Sultan wahrnahm und rufen ließ.

»Gute Frau,« sagte er, »ich sehe dich schon seit einiger Zeit bei den Sitzungen immer am Eingange des Saales stehen. Welche Angelegenheit führt dich hierher? Rede ganz ohne Scheu!«

Die alte Frau erzählte nun alles, was sich zugetragen hatte und warum sie gekommen sei, und der Sultan hörte sie mit vieler Milde und Güte an und machte sich nicht einmal lustig über sie. Doch ehe er ihr noch eine Antwort erteilte, fragte er sie, was sie in dem leinenen Tuche trage.

Sogleich enthüllte sie die Vase von Porzellan, warf sich vor dem Throne nieder und überreichte sie dem Herrscher.

Es ist unmöglich, die Überraschung und das Erstaunen des Sultans zu beschreiben, als er so viele über die Maßen kostbare, schöne und leuchtende Edelsteine beisammen sah, und dazu alle von einer Größe, dergleichen er noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Eine Weile stand er regungslos und geblendet als von einem Glanze des Himmels. Und er und der ganze Hofstaat waren sich darüber einig, daß es auf der Welt nichts Kostbareres und Vollkommeneres geben könne.

»Nun,« begann der Sultan endlich zu seinem Großwesir zu reden, »was sagst du zu einem solchen Geschenke? Ist es nicht meiner Tochter würdig und kann ich sie nicht um solchen Preis dem geben, der um sie anhalten ließ?«

Diese Worte versetzten den höchsten Beamten des Reiches in große Unruhe; denn er hatte gehofft, der Sultan würde Badrubur seinem Sohne geben, und nun sagte er: »Herr, ich muß gestehen, daß dies Geschenk von ganz ungewöhnlicher Kostbarkeit ist, doch ich bitte Euch, die Entscheidung drei Monate hinauszuschieben, vielleicht gelingt es meinem Sohne inzwischen, ein noch herrlicheres Kleinod ausfindig zu machen.«

Der Sultan glaubte zwar nicht daran, er entließ die Mutter Aladins alsbald mit freundlichen Worten und forderte sie auf, in drei Monaten wieder nachzufragen.

Aladin war mit diesem Bescheide nicht sehr zufrieden, aber er war nicht ohne Hoffnung und zählte ungeduldig die Tage, die ihn von seinem Glücke trennten.

Da war eines Abends kein Öl im Hause, und die Mutter begab sich zum Kaufmann. Dabei merkte sie, daß die ganze Stadt festlich beleuchtet und in freudiger Aufregung war.

»Wißt Ihr denn nicht, daß sich der Sohn des Großwesirs mit der Prinzessin Badrubur vermählt?« fragte der Händler. »Sie wird jetzt bald aus dem Bade kommen, und die Hofbeamten versammeln sich soeben, um sie in den Palast zu geleiten; denn die Vermählungsfeierlichkeiten sollen beginnen.«

Weiter wollte die gute Frau nichts hören, lief heim und rief ihren Sohn an: »Es ist alles verloren! Du rechnest auf das schöne Versprechen des Sultans; aber es wird nichts daraus – es ist alles, alles verloren!«

Nun erzählte sie ihm, was sie gehört hatte.

Aladin war wie vom Blitze getroffen.

Doch augenblicklich erinnerte er sich seiner Lampe, lief in sein Zimmer, rieb die Lampe, und alsbald erschien der Geist.

»Was verlangst du? Ich bin bereit, dir zu dienen!«

»So gehe in den Palast des Sultans, entführe die Neuvermählten und bringe sie beide hierher!«

»Mein Gebieter, ich leiste auf der Stelle Folge,« sprach der Geist und entschwand.

Es waren keine drei Minuten verflossen, so stieg der Geist aus den Dielen wieder empor, hielt die Prinzessin unter dem linken, den Bräutigam unter dem rechten Arme und stellte sie beide vor Aladin hin.

Der aber sprach zu dem Geiste:

»Nimm diesen jungen Ehemann, sperre ihn in ein enges Gemach und komm morgen früh bald nach Tagesanbruch wieder.«

Der Befehl ward sogleich ausgeführt, und als Aladin mit der Prinzessin allein war, sprach er zu ihr: »Was ich getan habe, geschah nicht, um dich zu beleidigen. Ich wollte nur verhüten, daß jener dich gegen das gegebene Versprechen des Sultans in Besitz nimmt.«

Die Verwunderung der Prinzessin über das merkwürdige Ereignis war so groß, daß sie keines Wortes mächtig war.

Am Morgen erschien der Geist, und Aladin befahl ihm: »Hole den Sohn des Großwesirs und trage ihn und Badrubur wieder an den Platz, von dem du sie weggenommen hast.«

Als die Eltern des jungen Paares kamen, den Morgengruß zu bieten, erfuhren sie zu ihrem Erstaunen von den Ereignissen dieser Nacht. Sie dachten nicht anders, als: ihre Kinder wären von einer närrischen Einbildung befallen, und ließen sie allein, damit sie wieder zu sich kämen. Am Abend aber sandte Aladin den Geist, forderte von ihm die Neuvermählten wie am Tage vorher und ließ sie am andern Morgen wieder in den Palast tragen.

»Nun, meine Tochter,« fragte die Sultanin, »willst du mir wohl berichten, wie du geruht hast?«

Da hüllte sich Badrubur in tiefes Schweigen und zeigte verstörte Augen, und weil die Eltern merkten, daß sie sehr unglücklich sei, wurden augenblicklich alle Festlichkeiten eingestellt. Der Sohn des Großwesirs mußte den Palast verlassen, und die junge Ehe war, so rasch sie geschlossen, wieder aufgelöst worden.

Aladin ließ nun die drei Monate vollends verstreichen, die ihm der Sultan als Frist gesteckt hatte, dann schickte er seine Mutter in den Palast, um den Herrscher an sein Versprechen zu erinnern.

Das verdroß den Sultan nicht wenig; denn er hatte eine heftige Abneigung gegen die Vermählung seiner Tochter mit einem Manne aus dem Volke. Und als er seine Räte zuzog, sagten ihm diese: »Herr, es gibt kaum ein anderes Mittel, dieser unpassenden Vermählung aus dem Wege zu gehen, als einen so hohen Preis auf die Prinzessin zu setzen, daß jenes Mannes Reichtümer – wie viele er deren immer besitzen möge – doch nicht ausreichen. Dies wird ein gutes Mittel sein, ihn von der verwegenen Bewerbung abzubringen.«

Das leuchtete dem Sultan ein, und er sagte zur Mutter Aladins: »Gute Frau, ein Sultan muß sein Versprechen halten. Und so will ich auch deinem Sohne die Prinzessin geben, wenn er mir vierzig große Becken von gediegenem Golde, mit Kostbarkeiten angefüllt, wie ich solche früher bei dir gesehen habe, überreicht. Und zwar müssen mir die Becken von vierzig schwarzen Sklaven gebracht werden, die aufs herrlichste gekleidet sind.«

Die Mutter erzählte ihrem Sohne, was der Sultan von ihm gefordert habe, und sah mit Erstaunen, daß Aladin diese Nachricht sehr vergnügt aufnahm.

Sobald die Alte ausgegangen war, ergriff er die Lampe, rief den Geist und sagte ihm seine Wünsche.

Kurze Zeit darauf ließ sich der Geist wieder sehen; er kam diesmal in Begleitung von vierzig schöngekleideten schwarzen Sklaven, deren jeder ein Becken von gediegenem Golde auf dem Kopfe trug, angefüllt mit Perlen, Smaragden, Rubinen und Diamanten; und jedes Becken war von goldgeblümtem Silberstoff überdeckt. Zum Überflusse ließ sich Aladin noch vierzig weiße Sklaven in noch viel kostbareren Gewändern von dem Geiste bringen, ordnete alle zu einem Zuge, in dem die weißen vorausschritten, und hieß sie zum Palaste des Sultans ziehen.

Das Volk strömte von allen Seiten herzu, die Herrlichkeit zu sehen; denn man erkannte alsbald, daß die Kleidung eines jeden Sklaven so reich mit Gold und Edelsteinen besetzt war, daß sie auf eine Million geschätzt werden mußte.

Der bloße Anblick dieser unermeßlichen Reichtümer ließ den Sultan keine Minute zweifeln, daß der Eigentümer der richtige und würdige Gatte für seine Tochter sei, und er sprach zur Mutter Aladins: »Gute Frau, geh und sage deinem Sohne, daß ich ihn mit offenen Armen erwarte. Ich will ihm die Prinzessin Badrubur freudigen Herzens zuführen.«

Aladin war von dieser Nachricht, so sicher er sie auch erwartet hatte, aufs angenehmste überrascht; er lief auf sein Zimmer, rieb die Lampe, und als der Geist erschien, sprach er zu ihm: »Bereite mir sofort ein Bad und halte danach für mich die reichste und kostbarste Kleidung in Bereitschaft, die je ein Fürst getragen hat!«

Er hatte dies kaum gesprochen, als ihn der Geist in ein Bad trug, das aus einem sehr weichen und sehr wohlriechenden Wasser bestand; und als er in sein Zimmer zurückkehrte, fanden sich daselbst Kleider von ungeahnter Pracht.

»Führe mir ein Pferd herbei,« gebot er dem Geiste, »das an Schönheit des Wuchses und an Trefflichkeit das edelste Roß im Marstalle des Sultans übertrifft, und dessen Decke, Zaum, Sattel und Zeug über eine Million wert sein müssen. Auch verlange ich, daß du mir noch zwanzig Sklaven herbeischaffst, die mir zur Seite gehen, und zwanzig andere, ebenso kostbar gekleidete, die in zwei Reihen meinem Rosse vorausschreiten. Meiner Mutter bringe sechs Sklavinnen, reicher geschmückt als die der Prinzessin Badrubur; und ferner bedarf ich noch einer Summe von zehntausend Goldstücken in zehn Beuteln. Geh und beeile dich!«

Alles geschah, und der Sultan schickte alsbald einen Boten mit der Nachricht, Aladin werde voller Ungeduld im Palaste erwartet. Der stieg sogleich zu Pferde, und der Zug setzte sich in schönster Ordnung in Bewegung.

Als der Sultan den reichen Herrn Aladin erblickte, stieg er sogleich vom Thron und ging ihm entgegen, breitete seine Arme aus und rief: »Mein teurer Sohn, das Vergnügen, dich hier zu haben und dich zu sehen, ziehe ich allen meinen und deinen Schätzen vor!«

Es war ein sehr herrliches Mahl im Schlosse gerichtet, und als danach der Ehevertrag vom Richter aufgesetzt wurde, fragte der Sultan Aladin, ob er in dem Palaste bleiben und noch am gleichen Tage Badrubur als sein Weib nehmen wolle.

»Herr,« antwortete Aladin, »wie groß auch meine Sehnsucht ist, die schönste der Prinzessinnen zu besitzen, so gewährt mir doch noch so lange Zeit, bis ich einen Palast erbaut habe. Ich erbitte mir dazu von Euch einen Platz in der Nähe und werde Sorge tragen, damit mein Heim möglichst rasch fertig wird.«

Der Sultan schenkte ihm einen der besten Plätze der Stadt und sagte: »Viel Glück zu allem! Aber vergiß nicht, daß ich meine Tochter je eher, je lieber mit dir verbunden sehen möchte, um das volle Maß der Freude zu genießen.«

Danach ritt Aladin höchst befriedigt nach Hause, rief den Geist und sagte: »Mein kluger und mächtiger Geist, ich habe alle Veranlassung, mit dir zufrieden zu sein. Ich brauche aber noch einen Palast; ob du ihn aus Marmor, Jaspis oder Achat bauen willst, das überlasse ich ganz dir; ebenso die Inneneinrichtung; ich erwarte nur, daß du mir oben darauf einen großen Saal mit einer Kuppel und vier ganz gleichen Schauseiten baust, dessen Wände aus Gold und Silber ausgeführt sein müssen, mit sechs Fenstern auf jeder Seite, deren Säulen mit Gold und Diamanten kunstreich geschmückt sein müssen – und zwar so, daß man dergleichen noch nie auf der Welt gesehen hat.«

Die Sonne ging eben unter, als Aladin dem Geiste diesen Auftrag gab. Und bei Anbruch des Tages erschien der Geist und sprach: »Herr, der Palast ist fertig. Komm und sieh, ob du damit zufrieden bist.«

Aladin fand alles über Erwarten herrlich und königlich.

»Nur eines fehlt noch,« sagte er, »es muß nämlich von dem Palasttore des Sultans bis an den Eingang der Zimmer, die in meinem Schlosse für die Prinzessin bestimmt sind, ein Teppich vom schönsten Sammet gelegt werden, damit sie, wenn sie aus dem Palaste des Sultans geht, darüber hinwegschreiten kann.«

»Ich komme in einem Augenblicke wieder,« sprach der Geist, und Aladin sah seinen Wunsch bereits vollzogen, ehe er noch glaubte, daß ihn sein mächtiger Diener verlassen habe. Dann trug er Aladin zurück in seine Wohnung; das war um die Zeit, da die Sonne über den Horizont gestiegen war und am Palaste des Sultans die Tore aufgingen.

Die Nachricht von dem Wunder, das über Nacht geschehen, fand sich mit Blitzesschnelle zum Sultan; da liefen die Räte zusammen, zogen die Brauen in die Höhe und sagten: »Herr, Herr, das ist ein Blendwerk.« Da kam jedoch Aladin schon auf seinem edlen Rosse und inmitten seiner Sklaven des Weges und hielt feierlich Einzug in seinem Schlosse.

»Seht ihr,« rief der Sultan in großer Freude, »seht ihr, daß es kein Blendwerk ist?« Und weil er gerade die Ratsversammlung eröffnen mußte, ward das Gespräch abgebrochen.

Danach ward die Hochzeit gefeiert, und alle waren sich darüber einig, daß es keinen reicheren Mann gäbe als Aladin, und keinen schöneren Palast unter der Sonne als den, in dem Badrubur hinfort wohnen sollte. Der Sultan aber reichte ihm die Hand und sagte: »Mein Sohn, was für ein Mann bist du, daß du so erstaunliche Dinge in so kurzer Zeit auszurichten vermagst? Du hast auf der Welt nicht deinesgleichen, und je mehr ich dich kennen lerne, desto bewundernswürdiger finde ich dich.«

Aladin, der sehr glücklich mit seiner jungen Gemahlin lebte, verschloß sich keineswegs in seinem Palast. Jedesmal, wenn er ausritt, ließ er zwei Sklaven neben seinem Pferde herschreiten, die mußten auf allen Straßen und Plätzen Goldstücke unter das Volk verteilen; und jeder Arme, der an der Pforte des neuen Palastes erschien, kehrte voll Zufriedenheit über die Gaben heim, die ihm auf Aladins Befehl geschenkt wurden.

*

Aladin hatte nun schon mehrere Jahre in ungetrübtem Glücke also gelebt, als der Zauberer sich seiner erinnerte und dachte: »Du mußt doch Gewißheit erlangen, welches Ende jener junge Mann genommen hat, den du damals im Zorne in die Höhle eingeschlossen hast, als er dir die Wunderlampe nicht geben wollte.«

Er zog aus seinem Zauberschranke ein verschlossenes Schächtelchen hervor, hob den Deckel ab und erfuhr durch einige Hantierungen im Sande, der sich in der Schachtel befand, daß Aladin als der Gatte einer Prinzessin in großem Reichtum lebe. Voll Wut sagte der Zauberer: »Dieser elende Schneidersohn hat also das Geheimnis mit der Lampe entdeckt und genießt nun die Frucht meiner Mühen und Nachtwachen! Indes, ich will ihn wohl daran zu hindern wissen, oder ich will des Todes sein.«

Gleich am nächsten Morgen bestieg er seinen Berberhengst, machte sich auf den Weg und kam nach etlichen Monaten auch richtig in die Stadt Aladins. Er fragte seinen Zauberkasten wieder, wo die Wunderlampe sei, und erfuhr, daß Aladin sie in seinem Palaste sehr wohl verwahre. Es kam für ihn alles darauf an, diese köstliche Lampe zu erlangen.

Das Unglück wollte, daß Aladin um diese Zeit gerade für acht Tage auf die Jagd geritten war; er hatte den Palast aber erst seit drei Tagen verlassen. »Das ist ein günstiger Augenblick zum Handeln,« sagte der Zauberer, »und ich darf mir ihn nicht entgehen lassen.« Darauf ging er in den Laden eines Mannes und sprach zu dem Händler: »Ich brauche ein Dutzend kupferne Lampen. Könntet Ihr sie mir wohl ablassen?« Er machte das Geschäft, ging alsbald zum Palaste Aladins und rief: »Wer will alte Lampen gegen neue eintauschen?« Und die Leute lachten darüber und sagten: »Der muß wohl seinen Verstand verloren haben, weil er neue Lampen zum Tausch gegen alte anbietet!« Immer von neuem erscholl sein Ruf: »Wer will alte Lampen gegen neue vertauschen?«

Um diese Zeit trat eine Sklavin zu Badrubur und sagte: »Da von alten Lampen die Rede ist, so weiß ich nicht, ob die Prinzessin schon bemerkt hat, daß da eine auf dem Gesims steht. Der, dem sie gehört, wird es nicht übelnehmen, wenn er statt der alten eine neue findet. Wollen wir sie nicht vertauschen?«

Die Lampe, von der die Sklavin redete, war aber keine andere, als Aladins Wunderlampe.

Die Prinzessin, welche den Wert dieser Lampe nicht kannte, befahl, sie zu nehmen und gegen eine neue einzutauschen.

Der Zauberer nahm sie schnell aus den Händen der Sklavin, verbarg sie und gab dem Mädchen eine andere dafür.

Darauf ließ er alles im Stich, was er besaß, und floh in eine Höhle.

Als die Mitternacht herangekommen war, zog er die Lampe aus seinem Busen und rieb sie. Sofort erschien der Geist.

»Was willst du? Hier bin ich, dir zu dienen!«

»Ich befehle dir, daß du augenblicklich den Palast Aladins mit allen seinen Bewohnern aufhebst und, wie mich selbst, nach Afrika führst.« Ohne etwas zu antworten, schaffte der Geist den Palast nach Afrika, und am Morgen staunte der Sultan nicht wenig, als er den Platz leer sah.

Weil man wußte, daß Aladin sich an einem bestimmten Orte auf der Jagd befand, wurden sofort sechs Reiter abgesandt, die ihn vor den Sultan forderten und den Auftrag hatten, ihn zu verhaften. Sie fanden ihn, warfen ihm eine Kette um Hals und Hände und brachten ihn in diesem Zustande in die Stadt. Der Sultan, weil er nun in seinem Schwiegersohne einen Betrüger sah, der ihn um seine Tochter bestohlen hatte, wollte ihm sofort den Kopf abschneiden lassen. Allein das Volk rottete sich vor dem Palaste zusammen und drohte ihn zu erstürmen, wenn Aladin ein Leid zugefügt würde. Und weil die Rotten schon durch die Tore drangen, begnadigte der Herrscher den Gefangenen, führte ihn in einen Turm und rief: »Sage mir, wo dein Palast und meine Tochter hingekommen ist, oder –«

Aladin erkannte augenblicklich, daß hier der Zauberer seine Hand im Spiele haben müsse, und sagte: »Herr, bewilligt mir eine Frist von vierzig Tagen, damit ich die nötigen Maßregeln treffe, alles in Erfahrung zu bringen. Gelingt es mir nicht, alles wiederherzustellen, wie es war, so will ich Euch meinen Kopf zu Füßen legen, damit Ihr nach Belieben darüber verfügt.«

»Gut,« sprach der Sultan zornig, »die Frist sei dir gewährt. Doch bilde dir nicht ein, du könntest mir entweichen! In welchen Winkel der Erde du dich verkriechen magst, ich werde dich zu finden wissen.«

Aladin war seines Verstandes kaum mehr mächtig, als er in dieser tiefen Demütigung über den Hof des Palastes schritt. Die Hofbeamten sahen ihn über die Achsel an, und die, die ihn zuvor beneidet hatten, höhnten ihn nun.

Er ging aus der Stadt, fragte die Menschen, die er traf, ob sie seinen Palast nicht gesehen hätten, und weil er obendrein in einer härenen Kutte steckte, so dachten die Leute, ein armer Irrer sei ihnen begegnet.

So schritt er immer weiter und kam bei Einbruch der Nacht an das Ufer eines Stromes. Nach der Sitte seines Landes trat er hinzu und wollte sich Gesicht und Hände waschen. Weil aber das Ufer sehr steil und schlüpfrig war, glitt er aus und wäre in die Fluten gestürzt, hätte er sich nicht zu rechter Zeit an einem Felsstück festhalten können. Dabei rieb er den Ring, der noch von dem tückischen Zauberer stammte, und augenblicklich erschien der Geist, der ihm damals in dem unterirdischen Gewölbe begegnet war, und fragte: »Was willst du? Ich bin gekommen, dir zu dienen.«

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»Geist, rette mir zum zweiten Male das Leben, indem du mir anzeigst, wo mein Palast hingekommen ist. Oder trage ihn zurück zu seinem Platze!«

»Das kann ich nicht; denn ich bin nur der Sklave des Ringes. Da mußt du dich an den Sklaven der Lampe wenden.«

»So befehle ich dir, daß du mich an den Ort bringst, wo mein Palast sich befindet!«

Kaum hatte er diese Worte gesprochen, so saß er in Afrika in einer wundervollen Oase vor seinem Schlosse und sah über sich das Fenster seiner Gattin Badrubur. Weil es Nacht war, lehnte er sich mit dem Rücken gegen einen Baum und schlief alsbald ein.

Als die Morgenröte heraufstieg, wuchs seine Freude noch mehr; denn Badrubur sah zum Fenster heraus und erkannte ihren tiefbetrauerten Gatten. Er eilte in das Haus.

»Liebste Badrubur,« rief er ihr entgegen, »sage mir, was aus der Lampe geworden ist, oder wir sind verloren!«

Die Prinzessin zweifelte nun nicht mehr daran, daß die Lampe an dem Unglück schuld sei, und fing an, bitterlich zu weinen. Dabei erzählte sie, was geschehen sei.

»Der Alte war kein anderer als mein Feind, der Zauberer! Aber ich bitte dich, hast du denn nie bemerkt, wo er die Lampe aufbewahrt?«

»Er trägt sie wohleingehüllt unter seinem Gewande auf der Brust und hat sich mir gegenüber oft damit gerühmt; denn er erscheint als der Herr des Palastes täglich in diesen Sälen.«

Da besann sich Aladin auf eine List und sagte: »Ich muß, um meinen Plan auszuführen, in die nächste Stadt gehen. Wenn ich aber an der verborgenen Pforte klopfe, die zu deinen Gemächern führt, so mußt du Sorge tragen, daß mir so rasch als möglich geöffnet wird.«

Die Prinzessin versprach's in freudiger Hoffnung und im Vertrauen auf die Klugheit ihres Gatten; und der ging.

Nicht lange, so traf er einen armen Bauern; den bat er, ihm sein abgetragenes Kleid zu verkaufen; das tat er sich selbst an und ging danach zu einem Apotheker, bei dem er eine kleine Menge eines bestimmten Salzes erstand. Dann kam er durch die verborgene Tür in das Gelaß Badruburs zurück. Er sagte ihr: von dem Pulver müsse sie dem Zauberer in den Wein streuen, dann werde schon alles zu ihrem Glücke sich wenden.

Nicht lange, so erschien der Alte und wünschte der schönen Badrubur einen guten Morgen. Aber Badrubur grüßte ihn noch betrübter als sonst. »Kann ich dir einen Gefallen erweisen, schönste Frau, so rede!« sagte er.

»Ach, lieber Freund, ich habe daheim zum Frühstück stets ein Glas köstlichen Weines getrunken,« – sie nannte ihm auch den Namen dieses Weins, – »wenn ich nur einen einzigen Schluck davon hätte, würde ich fröhlich werden wie zuvor und all mein Leid vergessen.«

»Ah,« lachte der Zauberer, »das trifft sich gut, ich habe zwei Flaschen davon in meinem Keller und werde sofort selbst hinabsteigen, um dir die eine zu bringen.«

Inzwischen nahm Badrubur zwei goldene Becher, schüttete in den einen von dem Pulver, das ihr Aladin gegeben hatte, und als der Zauberer zurückkehrte, füllte sie die Becher und reichte ihm mit dankbarem Lächeln den einen. Der Zauberer trank ihn sogleich leer; aber kaum war der letzte Tropfen über seine Lippen gekommen, so sank er in tiefstem Schlafe auf einen Sessel. Und schon sprang auch Aladin aus dem Nebensaale herein, riß dem Schläfer das Kleid auf und nahm die Wunderlampe an sich. Er enthüllte sie, und nach einer Minute stand der Geist vor ihm.

»Bring diesen Palast unverzüglich an seinen alten Platz!« gebot Aladin, und als die Sonne noch nicht im Mittag stand, war alles geschehen.

Der Sultan, der das Wunder mit sprachlosem Staunen sah, ließ sofort ein Roß satteln und sprengte in den Hof und eilte die Stiegen empor, um seine geliebte Tochter in die Arme zu schließen.

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Nachdem ihm alles berichtet worden war, was inzwischen geschehen, traten sie in das Zimmer, in welchem der Zauberer schlief. Als sie ihn aber anrührten, merkten sie, daß er gestorben war; das Schlafpulver war für sein Alter zu stark gewesen, und all seinen bösen Anschlägen hatte nun der Tod ein Ziel gesetzt.

Nach diesen Ereignissen war schon wieder mehr denn ein Jahr verflossen.

Der alte Zauberer schlief in seinem Grabe, und sein Bruder, der auch ein großer Hexenmeister war, wunderte sich, daß er so lange nichts von jenem gehört habe. Da erforschte er durch seine Kunst, daß der Alte gestorben war, und ließ sich auch Zeit und Umstände seines Todes aufs genaueste sagen. Er faßte auf der Stelle den Entschluß, den Tod seines Bruders zu rächen, zog über Ströme und Gebirge, durch Wälder und Wüsten und kam endlich in die Stadt Aladins.

Dort hörte er von einer frommen Einsiedlerin namens Fatime erzählen, ging um die Mitternacht zu ihr und sagte: »Habe keine Furcht vor mir; ich will nur, daß du mir dein Kleid verkaufst und dafür außer reichlichem Golde das meine nimmst.«

»Dein Gold behalte nur; denn ich kann keines gebrauchen. Weil ich mich aber vor dir fürchte, so nimm mein Kleid und ziehe deines Weges.«

»So schnell geht das nicht,« sagte der Hexenmeister. »Erst schneide mir den Bart ab und färbe mir mein Gesicht gleich dem deinigen, und zwar so, daß ich dir ganz ähnlich sehe und daß die Farbe nicht ausgeht.«

Fatime zündete noch eine Lampe an, nahm einen Pinsel und einen Saft, rieb ihm das Gesicht ein und versicherte, daß die Farbe nicht ausginge – weder vom Regen noch von der Sonne. Sodann setzte sie ihm ihre eigene Kopfbedeckung aufs Haupt, gab ihm einen Schleier und zeigte ihm, wie er sich damit auf dem Gange durch die Stadt das Gesicht verhüllen müsse.

Nachdem dies alles geschehen war, kam den Alten doch eine Furcht an, die Einsiedlerin möchte ihn verraten. Er brach sein Versprechen, ihr nichts zuleide zu tun, erfaßte sie und stürzte sie in einen Brunnen. Nach dieser schlimmen Tat blieb er noch bis zum Morgen in der Einsiedelei und ging darauf in die Stadt, um den Weg zum Palaste zu nehmen.

Sobald die Kunde durch die Straßen lief, die fromme und heilkundige Fatime sei in der Hauptstadt, sammelte sich viel Volk um die vermeintliche Frau und begehrte ihre Hilfe in allerlei Krankheit und Not des Leibes.

Durch das Geschrei und den Volksauflauf war auch die Prinzessin Badrubur aufmerksam geworden, und weil sie schon viel Gutes von Fatime gehört hatte, sandte sie einige Sklaven, die wundertätige Alte zu holen.

»Fromme Frau,« sagten die Sklaven, »die Prinzessin wünscht Euch zu sehen; also kommt und folgt uns.«

»Die Prinzessin erweist mir eine hohe Ehre,« antwortete die falsche Fatime, »ich bin bereit, ihr zu gehorchen.«

Badrubur, die sich sehr freute, die Lebensgeschichte der wundertätigen Alten vernehmen zu können, wies ihr zunächst ein Zimmer zur Ruhe an, denn sie schien nach der langen Wanderung sehr erschöpft.

Inzwischen hatte Aladin den Geist gerufen, um von ihm zu erfahren, welche Bewandtnis es mit der frommen Frau Fatime habe.

Da sprach der Geist: »Fatime ist in der Nacht ermordet worden.«

»Und ist nicht hier?« fragte Aladin erstaunt.

»Nein, Herr, so sehr Ihr auch staunen möget. Die vermeintliche Frau Fatime ist der Bruder des afrikanischen Zauberers, der die Einsiedlerin getötet hat. In ihren Kleidern hat er sich in Euren Palast geschlichen, um seinen Bruder an Euch zu rächen. Sobald er eine Gelegenheit findet, wird er Euch seinen zweischneidigen Dolch ins Herz stoßen.«

Aladin verlor keinen Augenblick, rief Knechte in Waffen und ließ den verruchten Zauberer in Ketten legen und in den Turm werfen. Der Sultan aber, nachdem er von seiner Mordtat erfahren hatte, rief das Gericht zusammen, das ihn zum Tode am Galgen verurteilte.

Auf diese Weise wurde Aladin von seinen Verfolgern befreit.

Wenige Jahre darauf starb der Sultan in hohem Alter. Und da er keine männlichen Nachkommen hinterließ, folgte ihm die Prinzessin Badrubur auf dem Throne und teilte ihre Herrschaft mit Aladin. Sie regierten viele Jahre hindurch, und ihre Untertanen nannten diese glücklichen Jahre das goldene Zeitalter.

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