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4.

Vera Teuerkauf ging stolz und hochbeglückt in der Wohnung umher. Sie war heute elf Jahre alt geworden, zwölf Lichter hatten am Morgen, alter Sitte gemäß, auf ihrem Geburtstagskuchen gebrannt, und sie hatte sich unendlich gehoben gefühlt, als sie schon zur Schule den neuen Mantel anziehen durfte und ihre Mutter, sie musternd, sagte: »Ich hätte es nicht geglaubt, aber die Leute im Geschäft haben recht. Vera braucht nun Backfischgröße für ihre Sachen.«

Ein Backfisch! Also schon halb und halb ein Fräulein. Wie nett das doch klang!

Sie war auch in der Klasse gebührend gefeiert und beglückwünscht worden, und ihr neuer Mantel »Backfischgröße« hatte aller Mädchen Bewunderung und bei mancher wohl auch ein wenig Neid erweckt.

Nun erwartete sie ihre Gäste zum Nachmittagskaffee. Die zwölf Lichter brannten hell, Blumen standen in Sträußen auf dem Tische. Kuchen war bereitgestellt, und in einer kühlen Ecke stand noch eine verdeckte Schüssel mit süßer Nachspeise. Das Geburtstagskind hatte rote Wangen und fiebrige Augen. Die Uhr tat drei gewichtige Schläge, und von draußen herein klangen die Schläge der nahen Turmuhr, die die Meldung ihrer kleinen Gefährtin im Zimmer bestätigten.

Die Geladenen fanden sich pünktlich ein. Eine Viertelstunde später waren alle, die Vera eingeladen hatte, am Kaffeetisch versammelt. Nur Roselore Stelling fehlte noch.

Die Mädchen musterten die Geschenke auf dem Gabentische. Neben dem über einen Stuhl gebreiteten neuen Mantel hatte Vera noch Taschentücher, Handschuhe, Strümpfe und Schokolade von ihren Eltern bekommen, und die Freundinnen hatten ebenfalls Geschenke gebracht: Eine hübsche Tasse, ein Töchterbuch und einen Karton Seife.

»Was wird Roselore wohl schenken?« fragte Grete Taurig neugierig. »Vielleicht auch ein Töchterbuch? Oh, das wäre fein!«

»Die wird natürlich wieder mit 'nem Blumentopp ankommen,« sagte Sophie Weinrich etwas geringschätzig. »Weiter weiß sie ja nichts.«

»Mit 'nem Zopf kommt sie natürlich auch wieder an,« spottete Grete. »Habt ihr heute ihre Frisur gesehen? Ein bißchen besser wird es ja nun schon. Jetzt steckt sie den Zopf wenigstens nicht mehr so hoch; so im Nacken sah es gar nicht übel aus.«

»Topp und Zopp,« äffte Berthold Teuerkauf, Veras dreizehnjähriger Bruder, den Mädchen nach. »Wißt ihr nichts Geistreicheres für euer Gespräch? Ich werde nachher ein ›Hoch‹ auf unsere Vera ausbringen, da werdet ihr mal alle lachen, na, und wie!«

»Wenn wir aber nicht lachen wollen?« widersprach Vera, die gar zu gern etwas Überlegenheit über den Bruder gewonnen hätte.

»Wollen, wollen? – Ihr werdet eben wollen müssen!« sagte Berthold seelenruhig. »Wenn ich nun kommandiere: Das geliebte, verehrte Festkind, es lebe … ha ha ha ha …«

Er lachte aus vollem Halse. »Dann müßt ihr es mir alle nachmachen und statt ›Hoch‹ zu rufen, ›Ha ha ha‹ mit einstimmen!«

»Du bist verrückt!« sagte Vera und tippte sich an die Stirn. Da wandte sich Berthold gekränkt ab.

»Vielleicht läßt sich Roselore wieder von Pitt abholen, wie damals beim Schulfest,« meinte Grete. »Oh, das wäre ulkig!«

»Du, das war anders,« korrigierte Vera die Freundin. »Der kleine Bruder hatte darauf bestanden, daß er unseren Reigen mit ansehen dürfe, und da er nicht allein kommen konnte, kam er in Pitts Begleitung.«

»Warum hast du den kleinen Taddy nicht mit eingeladen?« fragte Sophie. »Er ist doch ein reizender kleiner Bengel!«

»Aber er ißt zu viel!« sagte Vera offenherzig. »Du ahnst nicht, wieviel Kuchen der kleine Mann verzehren kann. Und Pitt hätte zuletzt auch noch eine Portion davon bekommen müssen. Da wären wir vielleicht zu kurz gekommen.«

»Himmel, wie knauserig!« dachte Grete Taurig und lächelte überlegen. Ihr Vater war Restaurateur, da kam es auf ein paar Scheiben Kuchen mehr oder weniger nicht an. Ihre Mutter buk alle Sonntage Kuchen.

Jetzt kam Roselore. Plötzlich stand sie im Zimmer, man hatte das Klingeln gar nicht gehört, und Berthold hatte sie eingelassen. Aber war das denn wirklich Roselore mit dem Topf und dem Zopf, die man erwartet hatte? Sie sah so anders aus, so fremdartig … fast wie eine junge Dame.

Hübsch sah sie aus, bildhübsch! Ein neues Kleid trug sie, dessen zartes Blau wundervoll zu ihrem schwarzen Haar paßte. Und was hatte sie denn mit ihrem Haar gemacht? Wirklich, die Zöpfe waren weg! Ab, ganz ab! Und wie schick geschnitten der Kopf war! Seitwärts, über dem rechten Ohr, hielt eine helle Spange die Haarwellen zusammen. Es war eine andere, neue Roselore, die vor ihnen stand.

Roselore genoß mit innigem Behagen den Triumph des Augenblicks. Graziös neigte sie den Kopf zu Vera hin, reichte ihr ein paar herrliche Rosen, die mit einem seidenen Bande zusammengeschlungen waren, und sagte, nachdem sie ihren Glückwunsch ausgesprochen: »Dies Band hier ist ein Lesezeichen, Vera. Eine Indianerfrau hat es gestickt, Mama brachte einige dieser Bänder zum Geschenk an Freunde in der Heimat mit. Gefällt es dir?«

Dabei bewegte sie den Kopf hin und her, wie ein Vögelchen. Sie fühlte sich so leicht, so frei, manchmal mußte sie sich durch Anfassen überzeugen, ob sie ihren Kopf überhaupt noch habe. Die Last der Haarflut war manchmal unerträglich gewesen und hatte ihrer Kopfhaltung etwas Steifes gegeben.

»Ganz entzückend finde ich das Band!« beteuerte Vera erfreut. »Ich danke dir vielmals, liebe Roselore! Das ist das schönste Geschenk von allen! Und die herrlichen Rosen! Ach, ist das nett von dir!«

Roselore mußte zwischen Vera und Sophie Platz nehmen, und Grete schenkte ihr Kaffee ein. Dabei platzte sie heraus: »Bubikopf … also endlich du auch! Sag', wie ist denn das so schnell gekommen?«

»Ganz von selbst,« meinte Roselore. »Mit einem Male waren die Zöpfe ab. Heute früh hatte ich nur noch einen, der linke war schon weg. Habt ihr nichts bemerkt?«

Nun staunten alle Roselores hübschen Kopf an.

»Du trägst den modernsten Schnitt,« sagte Vera mit Sachkenntnis, denn ihre Mutter war Friseuse. »Ich wollte mein Haar auch schon so haben, aber es muß erst noch wachsen, ehe man es so schneiden kann. Nicht wahr, Rose, du bleibst doch, bis meine Mutter heimkommt? Sie macht heute eine Brautfrisur. Sie muß deinen Kopf sehen, unbedingt!«

»Holt dich euer Pitt nicht ab?« erkundigte sich Sophie.

Roselore wurde verlegen. »Ich wollte es nicht haben. Aber Taddy soll mir entgegengehen, und da geht natürlich Pitt mit ihm.«

Nun war das Geplauder und Geplapper im Gange. Roselore fühlte sich frei und sicher werden, das Gefühl der Minderwertigkeit, das sie im Kreise der anderen Mädchen so oft empfunden hatte, war von ihr abgeglitten. Sie trieben aber keine Allotria, trotzdem sie oft allein und ohne die Aussicht eines Erwachsenen waren. Ernsthaft und wichtig behandelten sie die Modefragen, die Versetzungsmöglichkeiten in der Schule zum Herbst, und auch die Frage, ob es wohl unbedingt nötig sei, daß ein Mädel immer unter den Augen der Mutter sich bewege. Roselore hatte doch so lange Zeit ohne ihre Mutter gelebt und war dennoch ein tüchtiger Mensch geworden.

»Ich hab's erst gestern abend erfahren müssen, daß ich so etwas noch längst nicht bin!« sagte Roselore kleinlaut.

Nun wollten sie wissen, was sie damit meine, aber sie schämte sich, davon zu sprechen. Und Sophie lenkte schon auf das Thema der Selbsterziehung der Jugend ein … als Berthold die Türe aufriß und hereinpolterte:

»Jetzt wird erst einmal gelacht, verstanden! Lange Gesichter werden heute nicht geduldet, denn es ist Gefahr vorhanden, daß bei der Lustigkeit, die euch heute in die Beine fährt, leicht auf herabhängende Gesichter getreten wird. Stimmt lieber mit mir in den Ruf ein: Das geliebte Geburtstagskind, es soll leben. … Hahaha! – Hahaha – und zum dritten Male: Hahahaha!«

»Er ist ein Rüpel!« sagte Vera, aber sie wurde von dem Lachen der anderen angesteckt. Die Mädel sprangen von den Sitzen auf, und während Berthold am Klavier Platz nahm und etwas vorspielte, das »Jazz-Musik« sein sollte, hüpften sie munter im Zimmer herum.

Um sieben Uhr brach Roselore auf, wie ihr die Mutter gesagt hatte. Frau Teuerkauf hatte tatsächlich den Schnitt von Roselores Haar sehr kleidsam gefunden und ihrer Tochter versprochen, daß sie es ebenso bekommen werde. Grete und Sophie begleiteten Roselore ein Stück Weges, trafen Taddy mit Pitt, die vor einem Laden mit Süßigkeiten standen und begehrlich durch die Scheiben blickten. Vera hatte für Taddy eine Tüte Kuchen mitgegeben, und das war der Magnet, der ihn und seinen Begleiter von dem Ladenfenster löste. Sonst wäre es Roselore gewiß nicht leicht geworden, sie zum Weitergehen zu bewegen. –

Roselore fühlte sich erfrischt und beglückt an diesem Abend. Sie meinte, noch niemals einen so schönen Tag erlebt zu haben. Ihr neues Kleidchen, das die Mutter ihr genäht hatte, machte ihr Freude, und erst ihr Haar! Sie hatte heute in keiner Weise den anderen nachgestanden.

Der Abend war schwül. Selbst jetzt, nach Sonnenuntergang, war kein Nachlassen der Hitze zu spüren. Feuchte Dünste lagen in der Lust, es war Regen zu erwarten, aber die Wolken gaben ihre Last nicht her. –

Roselore hatte ihr Kleid abgelegt und trat auf den Balkon hinaus, um die Blumen zu begießen. Da fiel ihr Blick auf den großen Topf voll schwarzer, fetter Erde, in den sie damals die Knollen der Blume versenkt hatte, die man in Übersee »Menschenaugen« nannte.

Mitleidig blickte sie darauf nieder. Kein grüner Schimmer war zu sehen, kein Hälmchen sproßte, kein Keim trieb auf zur Höhe. »Wunderblume von Übersee .. du bist gewiß ganz tot,« dachte sie traurig.

Vater und Mutter waren ausgegangen, um in einem nahen Parke noch frische Luft zu genießen. Taddy lag in seinem Bettchen und schlief. Pitt stand auf dem Treppenflur vor seiner Kammer, putzte Stiefel und sang dazu eine schwermütige, langgezogene Weise halblaut vor sich hin. »Das klingt wie Heimweh,« dachte Roselore. Ach ja, sie wußte auch, was Heimweh ist. Zuweilen packte sie heiße Sehnsucht nach Biesenthal, nach der Großmutter und nach Tante Loni, nach ihren Freundinnen, vor allem nach der lustigen Liesel. Die kamen alle so selten einmal in die Stadt; und seit drei Wochen war Roselore auch nicht nach Biesenthal gefahren. Die Mutter wollte das Fahrgeld sparen. »Nun kommen ja bald die Ferien,« sagte sie. »Dann kannst du ein paar Wochen zur Großmutter hinaus, wenn du magst!«

Ob Roselore mochte! Sie freute sich schon unbändig darauf. – Da … nun sang Pitt wieder. Roselore kannte die Weise, ihre Mutter summte das Lied zuweilen vor sich hin. Auch den Text dazu wußte sie schon auswendig:

Nun senkt sich Schlummer leis
Hernieder auf die Erde,
Daß nach des Tages Glüh'n
Sie neu belebet werde.

Und leise, lieblich tönt
Das Wiegenlied der Nacht,
Als hätt' der Mutter Sang
Ihr Kind zur Ruh' gebracht.

Ein Vöglein lockt das and're
Zum Nest mit bangem »Piep!«
Ach, sagte doch auch jemand
Zu mir: »Ich hab' dich lieb!«

Roselore mußte lächeln. Warum summte Pitt dieses Lied? Sehnte er sich nach Liebe?

Aber gleich darauf dachte sie nicht mehr an Pitt, nicht mehr an ihre Mutter, nicht an Vater und Brüderlein, und nicht mehr an die Freundinnen. Traumhaft zogen bunte Bilder durch ihre Gedanken. Zauberhaft schöne Länder, die sie niemals gesehen hatte, schwebten an ihr vorüber. Vielleicht hatte ihre Mutter einmal davon erzählt, sie beschrieben, Roselore besann sich nicht mehr. Träumend sank sie auf ihr Bett und schlief bald darauf ein. Draußen rauschte linder Regen nieder, sie hörte es nicht, so fest schlief sie. –

Als Roselore erwachte, war es ihr, als ob sie tagelang geschlafen hätte. Sie fühlte sich aber sogleich frisch und munter, sprang aus dem Bett, kleidete sich an und trat auf den Balkon hinaus, den die ersten Strahlen der Morgensonne mit mildem Scheine begrüßten. Es war starker Regen über Nacht gefallen; feinrieselnder, warmer Regen, dessen Spuren noch auf den Blättern und auf den Blumengesichtern glänzten. War es nicht, als wenn alle Blumen ihr lächelnd den Guten-Morgen-Gruß boten?

Roselore wollte schon wieder in die Küche zurücktreten, um ihre Kleidung zu vervollständigen, – da fiel ihr Blick auf den großen Blumentopf mit den drei Knollen aus Übersee.

Was war da geschehen? Da keimte und sproßte es ja ganz dick und saftig! Die grünlich-violetten Schäfte der Pflanze drängten sich zum Lichte wie ungeduldige Kinder bei Schulende, wenn jedes zuerst draußen sein möchte. Roselore preßte die Hände aufs Herz und stieß einen Jubellaut aus. Dann stürmte sie ins Zimmer, wo Vater und Mutter beim Frühstück saßen.

»Ich hab' Drillinge,« rief sie in toller Freude.

Das Ehepaar fuhr auf; aber Frau Stelling wußte sogleich, was Roselore meinte. Niemals war sie so überselig wie jetzt, wenn es nicht ihre Blumen waren, die ihr Freude machten. Sie begriff, daß sich da draußen auf dem Balkon über Nacht ein Wunder vollzogen haben müsse.

Sie trat hinter der voraneilenden Roselore in die Küche, ihr Gatte folgte neugierig nach.

Pitt stand in der Türe zum Balkon. Er hatte die Hände wie in Andacht über dem Herzen gekreuzt, seine dunklen Augen leuchteten wie in Verklärung.

»Conchita,« flüsterte er, »Conchita …«

»Ach, die Knollen kommen ja wirklich!« sagte Herr Stelling überrascht. »Na, da gratulier' ich dir, Mädel! Du hast eine glückliche Hand, wie man zu sagen pflegt. Alle drei Knollen sind erwacht! – Aber, Pitt, was hast du denn nur? Schaut doch, wie der Kerl sich freut!«

»Conchita,« wiederholte der Boy noch einmal.

»Ah so, nun verstehe ich,« sagte Herr Stelling. »Die Pflanze heißt bei euch Conchita. Zu deutsch also Menschenauge, was?«

Pitt schüttelte den Kopf.

»Nein, nicht Auge, sondern …,« er zeigte mit der Hand gen Osten, »Sonne, Schein von Sonne. Auge von Menschen nicht immer sein voll Sonne. Sein oft böse und tückisch. Schein von Sonne immer schön und gut.«

»Ja, du hast recht,« sagte Frau Stelling und nickte Pitt zu. »Wollte der Himmel, daß beides immer dieselbe Bedeutung hätte: Sonnenschein und Menschenauge!«

Roselore flog der Mutter schluchzend um den Hals. »Ich freue mich ja so!« stammelte sie überselig.

»Das kannst du auch mit Recht, mein Mädel!« meinte der Vater. »Doch jetzt heißt es für uns beide: die Pflicht ruft. Mach' dich fertig zur Schule, sonst kommst du zu spät.«

Es war gut, daß Roselore heute keine langen Zöpfe mehr einzuflechten hatte, sonst wäre sie wirklich zu spät zur Schule gekommen.

Hochbeglückt erzählte sie dann in der Klasse von ihrem Erlebnis, der Lehrer, Herr Dorn, sah das Mädel wohlwollend an.

»Wir kommen einmal zur Blumenschau zu dir, Roselore …,« sagte er. »Versuche nicht, den Topf umherzutragen; die Pflanzen lieben das nicht. Laß diese Conchita – von der ich übrigens noch niemals gehört habe, es scheint eine fremde Blumenprinzessin zu sein – laß sie dort, wo sie jetzt steht, und warte das Weitere ab … und versäume das Begießen nicht.«

Roselore fühlte, wie ein heftiges Erschrecken durch ihre Glieder fuhr. Das Begießen! Wer sollte wohl dafür sorgen, wenn die Ferien kamen und sie bei der Großmutter in Biesenthal weilte? Der Mutter, der Vielgeplagten, konnte sie doch nicht auch noch diese Last aufbürden!

Diese Sorge beeinträchtigte ihre Freude, das Mädel wurde niedergeschlagen und nachdenklich. »Wie mache ich das nur am besten?« dachte sie in einem fort.

Gegen Abend, als der Vater von der Arbeit heimgekommen war, wurde Roselore von dieser quälenden Sorge um ihre Blumen befreit.

Herr Stelling sah sein Mädel freundlich und bittend an und meinte: »Du bist ein verständiges Mädel, Roserl, und ich weiß, daß du ein liebevolles, opferfreudiges Herz im Leibe hast.«

Erwartungsvoll sah Roselore zum Vater auf. Was kam nun wohl weiter? »Papa macht immer so geheimnisvolle Einleitungen,« dachte sie ungeduldig und ein wenig bange im Herzen.

»Ja, Kind, schau' dir 'mal unsere Mammy an. Sieht sie nicht recht blaß und angegriffen aus? Nicht wahr, du findest das auch. Und du wirst auch schon, wenn du dich im Spiegel siehst, festgestellt haben, daß du wie ein kleiner Landjunker bist, so drall und rund. Kein Wunder auch, fünf Jahre Landluft! Nun höre mal. Sobald deine Schulferien beginnen, schicken wir Mammy mit Taddy zur Großmama nach Biesenthal, und du bleibst hier und versorgst die Wohnung und kochst für mich, oder auch Pitt.«

»Nein, nein! Pitt darf nichts anrühren!« rief Roselore entsetzt. »Ich mach' alles viel lieber allein. Ich kann gut kochen, Papa! Ich weiß alles!«

»Pitt soll mit zur Omama!« rief Taddy dazwischen. »Ich muß Pitt haben.«

»Na gut,« entschied der Vater, »mag Pitt mit nach Biesenthal fahren. Er kann vielleicht der Mutter helfen, kann Gänse hüten.«

»Na, die werden einen schönen Schreck kriegen vor dem Schwarzen!« lachte Roselore hell auf.

Frau Stelling lächelte müde, aber erfreut.

»Es ist mir recht so,« sagte sie, »Pitt wird mir die Aufsicht über Taddy abnehmen, so kann ich mich besser ausruhen und pflegen. – Du wirst also während unserer Abwesenheit ganz allein und selbständig haushalten, Roselore! Wie glücklich bin ich, daß ich dich habe! Du bist mein liebes, verständiges, herziges Mädel.«

»Wir zwei werden schon gut miteinander fertig werden, was, Roserl?« meinte Herr Stelling und zog sein Mädel an sich. »Ich hab' dich schon oft beobachtet, wenn du herumhantiertest. Die ganze Mutter! Und des Sonntags besuchen wir unsere Gesellschaft da in Biesenthal. Hei, das wird fein!«

»Und wie fein das sein wird!« jubelte Roselore und sprang vergnügt im Zimmer herum. –


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