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Emil Frommel

Vorwort

»Nachtschmetterlinge« habe ich die nachfolgenden Blätter genannt, weil für sie nur die stille Nacht übrig geblieben, um darin auszufliegen. Der Tag mit seiner Arbeit und Unruhe, mit seinem Kommen und Gehen der Menschen läßt – und soll auch, wenn man ein Amt hat – schließlich keine Zeit lassen zu dem, was doch mehr oder minder Schmuck, Erholung und Spielwerk ist. Wessen Beruf das Bücherschreiben ist, bei dem ist's freilich etwas Anderes; er darf sich einschließen und »Selbstverleugnung« üben – d. h. sich verläugnen lassen. Das geht nun einmal bei unser Einem nicht, der seine Selbstverläugnung zumeist darin zu beweisen hat, daß er sich ohne Murren stören läßt. »Nur zwei Minuten« – ja – aber diese sind hinreichend, um die Gedankenfäden abzuschneiden, die so leicht sich nicht wieder knüpfen. Es ist gerade, als träte Einer in ein Telegraphenbureau und sagte: »Nur eine Minute«, und schlüge den ganzen Apparat entzwei. Freilich eine Minute, die aber Stunden kostet. So bleibt mir denn nur zu solcher Arbeit die stille Nacht, die sonst Niemandes Freund, aber doch solchen Erholungen hold ist.

Beim offenen Fenster und Lampenschein fliegen auch Schmetterlinge von draußen herein, die im Sonnenschein des Tages sich tummelten. So ziehen in stiller Nacht die Eindrücke des Tages durch Herz und Sinn, die ich hier eingefangen habe. Es sind zum Theil Vorträge, mit denen ein Mensch in Berlin sich und andere plagt; traute Erinnerungen, allerhand Wanderungen – alles fliegt bunt durcheinander. Einen Theil davon haben das Daheim und etliche Kalender u. s. w. gebracht. – Da ich seit Jahren meinem Herrn Verleger gegenüber verpflichtet bin, solche zerstreuten Schmetterlinge in seine Sammlung zu liefern, so mag sich der Leser trösten, wenn er hier und da Gelesenes wieder findet.

Hoffentlich sieht man den Schmetterlingen nicht zu sehr das Nachtgewand an. Und doch würde ich nicht trauern, wenn einer über ihnen sänftiglich einschliefe. Ich halte es wirklich für eine gute That, wenn man in dieser ruhelosen, schlaflosen Zeit einem Menschen zu ein paar Stunden soliden Schlafs verhilft. Und nun, Gott befohlen, lieber Leser, quäle die beschwingten Geschöpfchen der Nacht nicht mit deiner Kritik zu Tode, das ist meine einzige Bitte.

D. Emil Frommel.

Vorwort zur dritten Auflage.

Die Bitte, die ich am Schlusse des Vorworts zu den »Nachtschmetterlingen« aussprach, die kleinen Geschöpfe nicht zu quälen, ist mir reichlich erfüllt worden, und habe ich nur freundlichen Dank von Vielen zu verzeichnen, denen sie ins Zimmer geflogen. Fast hätte ich mich verleiten lassen, ihrer noch mehrere einzufangen, aber die Zeit drängt zu sehr, wenn diese Auflage noch zur rechten Zeit fertiggestellt werden soll, damit Keiner, der etwa auf den thörichten Gedanken kommt, diese Schmetterlinge zur Weihnacht verschenken zu wollen, die Kunde hört, daß sie sämmtlich beim Herrn Verleger ausgeflogen sind. Mögen sie denn zum drittenmale ausfliegen und – sich nicht in »Krebse« verwandeln!

Berlin, zur Weihnacht 1894.
D. Emil Frommel.


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