Friedrich der Große
Gedichte
Friedrich der Große

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Der Geiger

(11. November 1761)

         Ein großer Künstler, Herr Vacarmini,
         Tartinis würdiger Schüler auf der Geige,
         Durchzog die Welt, bald dort, bald hie,
         Auf daß er seine Kunst ihr zeige
         So kam er denn in seinem Wandern
         Mit seiner Geige, seinem Spiel
         Auch eines schönen Tags nach Flandern,
         Wo er aufs äußerste gefiel.
Man staunt ob seinen kühnen Griffen, lauscht
Mit Lust den himmlisch tönenden Akkorden;
         Mit einem Wort: man ist berauscht;
         Solch Beifall ist ihm nie geworden.

Einst spielt er seinem Hörerkreise vor
Und endet unter donnerndem Applaus.
Als seine Geige schweigt, da naht ein Tor
Und spricht: er bäte eine Gunst sich aus.
Der Meister fragt ihn freundlich, was es sei.
»Löst eine Saite von dem Instrument;
         Es bleiben dann noch ihrer drei:
Ob Ihr die fehlende ersetzen könnt
         Mit Eurer Fingerfertigkeit?«
         Der Künstler drauf: »Was Ihr erdacht,
         Ist neu; ich bin jedoch bereit.
         So sei denn der Versuch gemacht.«
Nun spielt er auf drei Saiten, zaubert Töne,
Akkorde voller sanfter, holder Schöne.
         Statt seine Neugier zu bezähmen,
         Begehrt der Tor nun frank und frei,
         Noch eine Saite fortzunehmen;
         So blieben dann noch ihrer zwei.
Der Künstler tat's, mit weniger Gelingen,
Doch recht geschickt noch wußt' er's zu vollbringen.
         Der Tor indessen jetzt gebot,
         Daß er nur eine noch behielte
Der Künstler hatte seine liebe Not,
Als er mit Kunst ein Gassenliedchen spielte.
         Da nimmt der törichte Patron
         Die letzte Saite von der Fiedel:
         »Noch eins gegeigt, mein lieber Sohn!
         Wohlan, nun spiel uns noch ein Liedel!«
Doch stumm das Instrument gab keinen Ton.

         Ihr lieben Bürger, wenn's behagt,
         Die Lehre nehmt aus der Geschicht',
         Daß selbst die größte Kunst versagt
         Wenn es an Mitteln ihr gebricht.


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