Friedrich der Große
Gedichte
Friedrich der Große

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Sanssouci

An Marquis d'Argens

(1747)

Lenz will's werden; schwach zum Sterben, räumt der Winter ihm das Feld,
Und die eis'gen Stürme haben schon ihr Wüten eingestellt.
Draußen, wo die Saaten keimen, frei und froh die Welle rollt
Durch des Eises Trümmerschollen, das sie gar ersticken wollt'.
Hei, und unsre Rieselbäche! Über goldig-klaren Sand
Treiben lustig die erlösten ihren Schlängellauf durchs Land.
           Flora aber hat Natur
           Wie ein Lieblingskind bedacht:
           Flora schmückt uns Feld und Flur
           Schon mit Frühlingsblumenpracht.
Neu wird alles unterm Himmel, und es mahnt das junge Jahr
Alles Holden, alles Lieben, das vor Zeiten unser war.

           Doch indes mein Griffel hier
           Euch zu schildern treu bemüht ist,
           Wie ringsum die Welt erblüht ist –
           Was, mein träger Herr Marquis, tut Ihr?
Faulheit, die geliebte Herrin, hält Euch fest in Bann und Fron,
Unbeweglich, taub an Sinnen, ihre Lider schwer von Mohn!

           Wie ein Klausner lebt Ihr hin,
           Unbekannt schier in Berlin,
           Mitten in der Residenz,
           Und zu freudigerm Genießen,
           Draußen, wo die Saaten sprießen,
           Ruft vergebens Euch der Lenz.
           Ei, so laßt mal Euern Bau,
           Wo die Langeweile nistet,
           Die Gedanken grau in grau.
           Eure Händel, Eure Grillen,
           Ärgernisse, die die Galle
           Nur erregen, laßt sie alle!
           Euer Herz mit Lust zu füllen,
           Wüßt' ich schon ein Wo und Wie:
           Kommt zu mir nach Sanssouci!
Dort erst ist man recht ein König, ist sein eigner Fürst und Herr,
Auf dem Lande, in der Stille! Weiß nicht, wo man freier wär'!
Fragt Ihr nun, wo sie gelegen, meine grüne Einsamkeit,
Wo beschaulich diese Strophen Euer Freund für Euch gereiht,
Jener Ort, wo meiner Tage schönste mir die Parze spinnt –
           Hört, ob Ihr ein Bild gewinnt!

           Hoch auf eines Hügels Rücken,
           Wo das Auge mit Entzücken
           Schweift, soweit der Himmel blau,
           Hebt gebietend sich der Bau.
           Hohe Kunst ward dran gewendet;
           Sorglich schuf und meisterlich
           Mir des Meißels Hieb und Stich
           Steingestalten formvollendet.
           Die das Ganze prächtig schmücken,
           Ohne lastend es zu drücken.
           Morgens taucht mein Schlößlein ganz
           Sich in goldnen Frühlichtglanz,
           Der es grüßt, wenn er erwacht.
           Sechs bequeme Treppen lassen
           Nieder über sechs Terrassen,
           Mählich sacht
           Euch zum Haine niedersteigen,
           Euch zu flüchten
           In die grüne Dämmernacht.
           Dorten läßt dann unter dichten,
           Unter hundertfarbigen Zweigen
           Loser Nymphen Schelmerei
           Klare Silberwellen nieder
           Sprudeln über Marmorglieder –
           Gab's seit Phidias jemals wieder
           Solche Meisterbildnerei?

           Seht, dort regelt meine Tage
           Holdes Gleichmaß, still gedeihlich,
           Fern der dummen Modeplage
           Endlos langer Prunkgelage,
           Steif, nach Vorschrift und langweilig.

Mittags ladet unser Tisch zu bescheidenen Genüssen,
Die mit wertvollen Gesprächen weidlich wir zu würzen wissen.
Wie das sprudelt, wie das schäumet! Funkenhelle Geistesblitze –
Manchmal macht man auch auf Kosten fremder Dummheit seine Witze.

           Diese stille Einsamkeit
           Ist mir Bollwerk, Wehr und Turm
           Wider jeden Stoß und Sturm
           Dieser wildbewegten Zeit,
           Wider alles, drein so gern
           Uns die Menge möchte zerrn,
Uns, die Weisen, die dem Wissen, die den Künsten sich geweiht.
           Ach, d'Argens, besieht man's recht,
           Ist das menschliche Geschlecht
           Nichts als gierig, dumm und schlecht!

Glücklich, wer abseits vom Wege sich ein Heiligtum gebaut,
Zuschaut, wie zu seinen Füßen Sturm und Wetter grollt und braut;
Wüste Trümmer sieht er treiben drunten in dem Klippenmeer,
Und er nickt: es ist nicht anders, seelenloses Ungefähr
Treibt sein Spiel mit eurer Ehrsucht! Seht, nun deckt den weiten Strand
Trümmergraus so stolzen Hoffens, das gar bald sein Ende fand!
Glücklich jeder Unbekannte, ja, gesegnet tausendmal,
Der den Kopf sich klar behalten, der des Ruhmes Giftpokal
Von sich stieß, noch ungekostet, der sich zeitig noch besann,
Was an all dem Lorbeersegen der Geschichte ernstlich dran,
Der in treuer Pflichterfüllung quitt mit seiner Mitwelt ward
Und die Müh' um sein Gedächtnis bei der Nachwelt gern sich spart,
           Nicht erbettelt ihre Gunst
           Und ihr bißchen Weihrauchdunst!
Nein, Marquis, die eitlen Streber, laßt uns alle sie verachten.
Wir, fürwahr, sind nicht die Narren, ihrem Glückswahn nachzutrachten.
Mögen denn die Ruhmbedürft'gen nur sich selber Beifall spenden,
Ungesättigt bleibt ihr Hunger, ihre Not wird nimmer enden.
Pläne über Pläne häufen mögen sie, der Unrast Beute,
Nur von ihrer Hoffnung lebend, abgestorben für das Heute!

           Uns lockt alles dies vergebens;
           Wir genießen unseres Lebens
           Nach der Kunst und Möglichkeit!
           Bellt nur, Höllenhund und Neid!
           Uns sei eines nur bewußt:
           Jedes Augenblickes Lust
           Raubt der Sturmgang uns der Zeit,
           Die uns unsre schönsten Tage
           Wie im Fluge hetzt vorbei;
           Heut des Lebens Blütenmai,
           Morgen Alters Last und Plage!
           Ach, der Mensch, geworden kaum,
           Ist er auch gewesen schon,
           Ja, das Leben ist ein Traum! –
           Doch wenn dieser trockne Ton
           Der Betrachtung Euch verdrießt,
           Ei, so hört denn, was davon
           Meine Nutzanwendung ist –
           Ob Ihr der Euch wohl verschließt?!
Maßen meine Freundestreue Euch beschwört, nur zuzugreifen,
Frisch die Freude festzuhalten, die Euch will vorüberstreifen,
Leichter Hand und leichten Herzens, eh' die flüchtige entschwinde!

           Ob das Schicksal uns, das blinde,
Einen Vorrat langer Jahre gnädig noch hat zugedacht,
           Ob's mit Götterhuld uns lacht,
           Oder ob es ohn' Erbarmen
           Droht, mit seinen wucht'gen Armen
           Uns, betäubt von Not und Schrecken,
           Nieder in den Staub zu strecken –
           Einerlei!
           Rosen! Rosen bringt herbei!
           Schlingt sie feiernd um die Stirn!
           Seliger ist holdes Irrn
Als die wahren Daseinsgüter! Darum raubt die flinken Schwingen
Jenen Liebesgötterschlingeln, ihre Pfeile, laßt sie schwirrn,
           Laßt sie klingen, laßt sie springen
In die Herzen unsrer Schönen! – Denn zuletzt sind wir nur Herrn
           Dieser flüchtigen Gegenwart;
           Wer da aufschiebt, was er gern
           Sein genannt, ist meist genarrt.
           Drum so sag' ich: unverdrossen
           Jedes Augenblicks genossen:
           Heut ist uns der Himmel hold;
           Weiß nicht, ob er morgen grollt!

Der Schloßhügel von Sanssouci.


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