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Mein Freund, mit mir ist's aus, der Würfel fiel;
Zum Sterben müde steh' ich schon am Ziel:
Genug der Wunden, die das Schicksal schlug,
Genug der Leideslasten, die ich trug;
Mutter Natur hat wohl noch manche Tage
Mir zugedacht, Tage voll Not und Plage.
Sie meint's zu gut! – Ich aber mag nicht mehr!
Im Herzen Stille, schreit' ich freudig zu,
Mit festem Blick, dem Ziel der großen Ruh,
Der Friedensfreistatt, wo ich sicher wär'.
Mich kostet's nicht ein Seufzen, nicht ein Beben,
Der Parze, die da spinnt mein leidig Leben,
Den Faden zwischen ihren Händen beiden,
Eh' meine Spindel leer ward, zu durchschneiden.
Atropos nickt. Hinab, der Ferge harrt:
In seinem Nachen sind sie alle gleich,
Der Fürst, der Hirte, keiner höherer Art.
Auf tut sich mir des ewigen Friedens Reich.
Fahrt hin, fahrt hin, Truglorbeer, Heldenkränze!
Fürwahr, das heißt zu hohen Preis bezahlen,
Damit dein Name noch der Nachwelt glänze:
Vielleicht auf einen Augenblick bewundert
Für vierzig Jahr der Mühsal und der Qualen,
Nährst du der Gegner und der Hasser hundert!
Wahnträume ihr der Größe, fahret hin!
Ihr Lichtgebilde, kaum erglüht,
Und schon erloschen und versprüht,
Ihr blendet nimmer mir den Sinn.
Den Werdenden im Lebensmorgenlicht
Hat euer falscher Glanz betört;
Da blühten Wünsche auf, töricht, vermessen –
Der Wahrheit Schüler hat sie längst vergessen,
Erkenntnisreife machte sie zunicht,
Zeno hat Wert und Unwert mich gelehrt,
Und längst hab' ich's gelernt, mich zu bescheiden,
Den Giftpokal der Eitelkeit zu meiden.
Auch ihr, der Liebe Seligkeiten,
Fahrt hin, fahrt hin!
Die ihr umschmeicheltet zuzeiten
Den zärtlichen, verwöhnten Sinn;
Du Reigen süßer Huldgestalten,
Der Blumenketten um mich wand,
Solang ich selbst im Lenze stand,
Allzeit in Lust zu mir gehalten –
Doch ach, gar bald mein Blühen schwand!
Das leidige Alter stellt sich ein,
Hinfällig, frostig, unerquicklich:
Und von mir gingt ihr augenblicklich.
Nun, Amor wird nicht allzu böse sein:
Neun Lustren gingen hin, mein Herbst ist nah,
Wie leicht sagt sich's Valet der Liebe da;
Weiß ich doch selber kaum, wer von uns beiden
Es eiliger hatt', vom anderen zu scheiden.
Doch still, wohin
Schweift noch dein Sinn!
Was gilt mir alle Lust der Welt,
Zum Tode traurig, wie ich bin?
Wer mag, wenn ihn mit grimmen Fängen
Ein Geier hält,
Nach Philomeles Liebe fragen
Und ihren zärtlichen Gesängen,
Der Turteltaube Girrn und Klagen?
Wie lange schon in diesen trüben Tagen
Bringt jedes Morgenlicht mir neue Plagen,
Wie lang rann mir kein Körnlein Mohnes nieder
Aus Morpheus' karger Hand auf meine Lider.
Den Morgen fragt mein Auge tränenschwer:
Was kündet mir in seiner Wiederkehr
Der junge Tagesschein als neue Not?
Ich sprach zur Nacht: dein endlos Dunkel droht,
Ins Endlose mein schlaflos Weh zu dehnen.
Ich ward es müde, ewig nur zu schaun
In diese Nacht von Mißgeschick und Graun
Und immer nur dem Hasseswüten
Verworfener die Brust zu bieten,
Den Streichen ihrer Niedertracht.
Ich hoffte auf die Segensmacht
Der Zeit, die, säumig zwar und sacht,
Ein freundlicheres Schicksal bringt;
Dann weicht die Wetterwolkennacht,
Der Sturm erschweigt,
Und strahlend steigt
Das Licht, das alles Grau durchdringt,
An unsrem Lebenstag hinan.
Dann ist die Erde wieder hold
Und liegt in lautrem Sonnengold,
Und bessre Tage brechen an!
Wahn, mein geduldig Hoffen, Wahn!
Ins Ungemeßne steigen, türmen
Die Sorgen sich, es brüllt das Meer,
Und unter wilden Donnerstürmen
Blitzt das Verderben auf mich her.
Umstarrt von Klippen allerwärts,
Ein Wrack das Schiff, von Not und Tod
An allen Enden nur bedroht;
Still steht vor Graun das Seemannsherz:
Wo ist ein Hafen, der uns rette,
Wo eine letzte Zufluchtsstätte?
Versiegt die Quelle, ausgeleert,
Die meines Staates Glück genährt!
Dahin die Palmen über mir,
Verwelkt all meine Lorbeerzier!
Soll ich, erschöpft und ausgegeben
An Tränen, Seufzern, und zermürbt,
Die Jammertage überleben,
Da mir mein Vaterland verdirbt?
Du Dienst der Pflichten, der mir heilig war,
Nun wardst du überflüssig ganz und gar!
Bin ich denn noch des Staats Verteidiger?
Mein Arm sinkt nieder, müde und geschwächt,
Mein Ruhm, mein Name bleiben ungerächt,
Es triumphieren die Beleidiger;
In Zukunft wird kein Mensch mehr davon sagen,
Wie ich die Feinde einst aufs Haupt geschlagen.
All meine Helden sind dahin,
Hin jedes Siegestags Gewinn!
Von Übermacht und Überzahl
Erdrückt, erschlagen,
Verlor ich alles – ja sogar
Die Hoffnung, die mein Letztes war:
Ich dürfte doch dereinst einmal
In besseren Tagen
All unsre Tempel wieder sehn
Aus ihren Trümmern neu erstehn.
Helden der Freiheit, die ich ehre,
Catos und Brutus' hohe Manen,
Ihr seid mir Vorbild, Trost und Lehre!
Mit eurer Todesfackeln Brand
Weist ihr mich hier die rechten Bahnen,
Heraus aus Wahn und Unverstand,
Den Weg, dem Pöbel unbekannt.
Hat jedes Römers Herz in alten Tagen
Höher als heut ein Königsherz geschlagen?
Nein, einen König gibt's, der eisern hält
An seinem guten Recht auch gegen eine Welt,
Der anders als ein freier Mann
Nicht leben oder sterben kann,
Der nach der Satzung nicht der feigen,
Vorurteilsvollen Menge fragt,
Und der's wie jene Alten wagt,
Erhabnen Römersinn zu zeigen.
Wer hoffnungslos im Staube liegt,
Sich der Tyrannenherrschaft fügt,
Der Übermacht, die endlich siegt,
Wird dem das Leben nicht
Verbrechen, Tod zur Pflicht?
Mich schreckt nicht das Phantom mit klapperndem Gebein;
Das freudige Asyl sei mir der Sarg,
Das aus des Schiffbruchs Graus und Pein
Roms größte Söhne rettend barg.
Bei dir, d'Argens, begreif ich's immerhin,
Wenn dir dein Leben teuer ist:
Ein stiller Lebenskünstler, der du bist,
Der von Ambrosia lebt, da hat es Sinn:
Schoßkind der Künste, stets gewiegt
Von Melodien, stets umschmiegt
Von Grazienanmut, Musenhuld.
In schönem Gleichmaß flieht dein Leben,
Maßvoll und ohne Ungeduld
Ist all dein Wünschen und Bestreben;
Und so gefeit
Vor Furcht und Neid,
Vor Herzeleid und Bitternis,
In feingestimmtem Wechsel holder Freuden
Hat deine Lebensweisheit hier euch beiden,
Dir und der liebsten aller lieben Frauen,
Verstanden, eine kleine Welt zu bauen,
Darinnen sich's behaglich thronen ließ,
Ein rechtes Müßiggängerparadies.
Mich reißt der Wildstrom der Begebenheiten
Hindann, wehrlos hindann.
Mit muß ich, ungefragt, ob ich noch kann,
Im Strudel ewiger Widerwärtigkeiten.
Aufs Haupt geschlagen, rings umstellt,
Unstet und flüchtig in der weiten Welt,
Verraten von der Freunde Niedertracht –
So frag' ich mich in meiner Harmesnacht:
Ob wohl Prometheus so gebüßt
In jener Welt, der all in seinem Leid
Nur ein Gebild der wunderreichen Sage ist –
Wie ich in dieser Welt und Wirklichkeit.
Nun ist's genug. Wer tief im Kerker schmachtet,
Verargst du's ihm, wenn er zum Lichte trachtet?
Zu lang des rohen Schicksals Beute schon,
Hat sich sein hoher Sinn emporgerafft,
Der Wachsamkeit der Schergen lacht er Hohn
Und bricht die Haft!
So ich – das Wie, es soll mich wenig grämen!
Die Bande, die unseligen, die so fein
Und doch so zäh die freie Seele mein
An diesen leidigen Leib hier, diesen Schemen,
Zernagt von Kummer, allzu lange ketten –
Ich breche sie, zur Freiheit mich zu retten!
D'Argens, leb' wohl! Betracht' es und gestehe:
Dies Bild ist wahr, und recht ist's, daß ich gehe.
Doch denke nicht, daß aus dem großen Nichts
Des Grabes ich mich eitel sehn',
Im Schimmer des Verklärungslichts
Neu zu erstehn.
Nur eine Bitte sei dem Freund vergönnt,
Das fleht mein Lied:
Solang dir noch des Himmels Leuchte brennt,
Wann längst ich schied,
Von jedes neuen Lenzes Blütensegen
Sollst einen vollen Strauß in Treue du
Von Myrten und von Rosen niederlegen
Da, wo ich ruh'.