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Als die beiden in scharfem Ritte die Höhe vor Fraubrunnen erreichten, hörten sie im Dorfe Trompeten schmettern; weiter die Straße hinab und zur Rechten gegen Burgdorf hin rollte zwischen dem Sturmgeläute Trommelwirbel. "Ich glaube wahrhaftig", rief der Lieutenant, "unsere Kanoniere blasen zum Aufsitzen; am Ende wären die ohne uns ausgerückt."
"Das nun wohl nicht", erwiderte der Hauptmann; "aber ich habe ihnen schon am Abend die Weisung zugehen lassen, die Pferde anzufüttern und sich beim ersten Alarmzeichen in Marschbereitschaft zu setzen." Dieser Befehl war getreulich vollzogen Als die Offiziere in den Schloßhof einritten, saßen die Fuhrleute bereits in den Sätteln, die Mannschaft stand auf ihren Posten neben den Feldstücken, und die Unteroffiziere hielten ihre Rosse an den Zügeln, zum Aufsitzen bereit. In einer Viertelstunde rollte die Batterie zum Dorfe hinaus.
Ungefähr tausend Schritte jenseits desselben steigt die Straße eine sanfte Anhöhe hinan, auf welcher, von einer mächtigen Linde überdacht, ein schmuckloser Denkstein steht. Eine alte Inschrift, die er trägt, erzählt, wie im Jahre 1375 vom Elsaß her ein wildes Kriegsvolk, seiner hohen Eisenhüte wegen die Gugler genannt, mit Sengen und Brennen ins Land gekommen sei, aber zur Stelle mit Gotteshilfe in blutiger Schlacht seinen Untergang gefunden habe. Hier befahl der Hauptmann Halt zu machen, während er selbst mit dem Junker die Straße weiter ritt.
Die Kanoniere standen in leisen Gesprächen an ihren Stücken und schauten mit klopfendem Herzen in die Landschaft hinaus, durch welche die Hochwachten leuchteten und mit immer wilderem Klange die Sturmglocken erschallten. Vor ihnen und zur Linken streckten sich im Feuerschein dunkle Waldungen dahin, während zur Rechten in der Tiefe ein grauer Duft über der Gegend schwamm, der den gewundenen Talgründen der Emme folgte.
Der Wachtmeister lehnte an den Denkstein und blickte lange unverwandt nach dem Hause des Kirchmeyers, das am Rande der Anhöhe lag und mit einem matten Lichtscheine herüberschimmerte; dann streckte er beide Arme aus, murmelte ein leises: "wie Gott es will" und ging langsam hinter den aufgestellten Geschützen herum, den Belper-Fritz aufzusuchen.
Dieser saß auf einer Lafette in leisem Gespräche mit Ruedi, der dem Wachtmeister schweigend die Hand entgegenreichte und sich entfernte. "Warum geht er", fragte Christen, "hab’ ich Euch gestört?"
"Nein, einfältige Geschichten", erwiderte der Belper-Fritz, mit der Hand über die Augen fahrend, "er hat mir Grüße an Vater und Mutter aufgetragen, und sie sollen nicht trauern um ihn, wenn er nicht mehr heimkehre."
"Das kann jeder dem andern auftragen", sagte der Wachtmeister ernst; "aber keiner weiß, wer’s ausrichten wird."
"Das denk’ ich auch, aber auf alles Zureden schüttelt er den Kopf und meint, er habe ja lange genug gelebt, um das Sterben nicht zu fürchten."
"Wer weiß", sprach der Wachtmeister langsam vor sich hin, "vielleicht wünscht am Abend noch mancher, es hätte ihn statt eines andern getroffen."
"Nun, beim Himmel", rief der Belper-Fritz, von der Lafette aufspringend, "jetzt fängst du das nämlich Lied an, das Ruedi gesungen hat. Nichts da – jetzt ist keine Zeit dazu! Aber eins muß ich dir doch sagen", fuhr er nach einem Augenblicke leiser fort, "auch der Hauptmann will mir heute nicht recht gefallen, hast du nicht bemerkt, wie bleich er war, als er mit dem Junker ankam?"
"Es kam mir selbst so vor", erwiderte der Wachtmeister; "er ist wohl müde und wird den ganzen Tag und die Nacht wenig vom Sattel gekommen sein."
"Nein, das ist es nicht", schüttelte Belper-Fritz den Kopf, "mich wundert’s nur, ob ihm der Junker nicht schlimmere Berichte von seiner schönen Base gebracht hat als du gestern."
"Da du gerade darauf kommst", sagte der Wachtmeister nach einigem Besinnen, "so will ich dir noch etwas erzählen, Fritz, obwohl mir die Mutter verboten hat, es jetzt schon zu tun; aber ich weiß ja doch nicht, ob ich’s später noch kann, und am Ende hast du bei der Marterturmgeschichte ebensowenig gefragt, ob es blutige Köpfe für uns absetzen könnte, als ich selbst."
"Nun, was werd’ ich hören?" rief der Belper-Fritz neugierig."
"Ich habe dir gesagt, ich wisse nicht, wo unser Fräulein die Zeit über gewesen sei und warum es daheim fortgegangen."
"Und du weißt es?"
Der Wachtmeister nickte bedächtig mit dem Kopfe. "Höre nur", fuhr er fort; "das Fräulein hatte von jeher einen Abscheu vor dem Marquis, es fühlte ihm an, daß er ein Spitzbube sei. Der gnädige Herr aber war anderer Meinung und wollte ihn sogar zum Tochtermann haben, vielleicht bloß um unsern armen Hauptmann aus dem Felde zu schlagen. Gleichviel; am Morgen nach der Nacht, da dieser freigesprochen wurde, kam es im Schlosse zu harten Worten, ich glaube fast zu noch mehr, und der gnädige Herr schwur im Zorne hoch und heilig, daß er nun erst mit der ganzen Macht des väterlichen Ansehens auf die Seite des Marquis treten wolle, bis er seinen Willen erfüllt sehe. Das Fräulein klagte seine Not meiner Mutter, und diese war schnell entschlossen. Sie brachte es in der nächsten Nacht heimlich zu ihrer Schwester, die mit ihrem Manne, dem alten Bannwart, hinterm Gurten droben haust, und dort hat sich das Fräulein die ganze Zeit als Bauernmädchen verkleidet verborgen gehalten, ohne daß eine Seele davon erfahren hätte. "
"Na, da seh’ mir einer die Weiber", rief der Belper-Fritz, "und der Hauptmann wußte nichts davon?"
"Gerade so viel wie du und ich", sagte der Wachtmeister; "meine Mutter gab das nicht zu, aber wacker hat sie sich doch für das bekümmerte Fräulein bemüht. Den ganzen Tag lief sie um Nachrichten und schickte unsern alten Sepp nach allen Himmelsgegenden unter dem Vorwande, Korn zu kaufen – weißt du, er suchte uns ja ein paarmal selbst in unsern Quartieren auf. Und was sie am Tage erfahren, das trug sie jede Nacht getreulich nach dem Waldhause hinauf. Als am Freitage das erste Gerücht von der Verräterei des Marquis nach Bern kam, nahm sie ein paar Dublonen in die Hand, ging mit denselben frisch aufs Rathaus und hatte die Wahrheit erfahren, noch bevor sie allen Herren vom Regimente selbst bekannt geworden. Das war die froheste Botschaft, die sie auf den Berg bringen konnte, und im Augenblicke war die Rückkehr ins Schloß beschlossen, da nun der falsche Mann, der zum Feinde übergegangen, nicht mehr zu fürchten war. Meine Mutter und das arme Fräulein wußten noch nichts von dem Unfalle, der den gnädigen Herrn betroffen hatte."
"Nun, bei meiner Treu", sagte der Belper-Fritz, "jetzt könnt’ ich dem Marquis seinen Schurkenstreich bald nachsehen, da er damit den Frauen einen so guten Dienst geleistet; denn ohne das möchten deine Mutter und das Fräulein doch schwere Not bekommen haben, wenn der Oberst die Geschichte endlich entdeckt hätte."
"Das denk’ ich auch’’, erwiderte der Wachtmeister, "aber meine Mutter besinnt sich nicht lange, wenn einmal Not am Mann ist. Ich möcht’ nur, daß der saubere Marquis mir ein wenig zwischen die Finger käme – ich wollt’ die Rechnung ausgleichen."
"Oh, der wird sich hüten", rief der Belper-Fritz; "aber horch, was ist das?"
"Sie schießen – es ist hinterm Schaluner-Walde; gottlob, daß doch der Morgen da ist."
Die Kanoniere horchten unruhig auf das Feuer, das sich abwärts gegen Solothurn von Minute zu Minute lebhafter erhob und die Wälder mit einem dumpfen Tosen erfüllte. Noch standen sie allein auf dem dämmernden Felde, aber zu ihrer Rechten und im Rücken erschallte in kurzen Pausen Trommelwirbel oder auch ein verworrenes Geschrei, und das Feld begann sich allmählich mit Truppen und Landsturmscharen zu bedecken. Doch auch der Lärm des Kampfes kam mit bedenklicher Schnelligkeit näher, und als der Hauptmann und der Lieutenant die Straße heransprengten, ergossen sich bald hinter ihnen aus dem Walde flüchtige Scharen, die wie ein austretender Strom in verschiedenen Richtungen das Feld überschwemmten. Kaum einige Minuten später erschien unter Trommelschlag und lautschallendem Gesange die Spitze der feindlichen Kolonne am Waldrande. Der Wachtmeister warf noch einen ängstlichen Blick nach einer Landsturmschar, die sich vom Hause des Kirchmeyers langsam über das Feld heranbewegte, bückte sich dann auf die erste Piece nieder und horchte mit einer Empfindung süßen Grauens dem krachenden Knalle, der den Boden erschütterte.
Der Morgen war mild, und die Lüfte schienen in banger Erwartung sich nicht regen zu dürfen. Dem ersten Kanonenschusse folgte auf allen Seiten das Knattern des Kleingewehrfeuers, dessen Rauch das Feld in kurzer Frist mit einem undurchdringlichen Nebel bedeckte. Da und dort stürzten in denselben dichtgedrängte Haufen, denen ein wildes Geschrei folgte, das vom Handgemenge zusammenprallender Scharen Zeugnis gab; aber das Geschrei verstummte wieder, und aus dem Nebel tauchten nur noch einzelne Gestalten hervor, die rückwärts nach dem Walde oder Dorfe hinliefen.
Die Kanoniere selbst brachen sich mit ihren sausenden Kugeln eine lichtere Bahn, auf der sie ihr Ziel zu erkennen vermochten; doch mehr als einmal mußten sie das Feuer einstellen, um nicht die sich vorüberwälzenden Haufen der eigenen Leute niederzuschmettern, und hatten diese den Platz geräumt, so war er auch im Augenblicke von dem herandringenden Feinde eingenommen. "Ich will dich ablösen, Wachtmeister", rief der Hauptmann, der eine Weile nachdenklich das Feld überschaut hatte, indem er vom Sattel sprang; "reite schleunig zu den Schützen hinüber, die dort droben am Walde stehen, und sage ihnen, daß sie sich augenblicklich hier herabziehen, sonst werden wir niedergeritten. Siehst du dort?" Der Wachtmeister warf einen Blick über das Feld hinab, wo sich am lichteren Saume der Rauchwolke ein dunkler Reiterschwarm zusammenzog, und jagte dann in gestrecktem Laufe den Schützen entgegen.
Hie und da schlug eine Stückkugel in seiner Nähe ein und überschüttete ihn mit aufgewühlter Erde. "Hoffentlich werden die Unserigen bessere Geschäfte machen und nicht so nutzlos im leeren Felde herumfahren", sagte er, mit unwillkürlichem Wohlgefallen auf die Schläger hörend, die unablässig aus seiner Batterie aufkrachten. Aber noch hatte er den Wald lange nicht erreicht, als ein unerwarteter Anblick seinen Gedanken eine andere Richtung gab. Die Schützen nämlich, die er ins Blachfeld herabholen sollte, zogen sich eilfertig ins Gebüsch zurück, um aus demselben hervor ein lebhaftes Feuer zu eröffnen, und als der Wachtmeister nach der Ursache dieser Bewegung um sich blickte, sah er mit Schrecken am jenseitigen Waldrande die Spitze einer feindlichen Kolonne heraufmarschieren.
"Wir werden umgangen", rief er erschrocken, in dem er das Roß wieder herumwarf, "und die Schützen dort sind verloren für uns!" Aber auch hinter ihm schien sich die Szene in der kurzen Zeit bedenklich verändert zu haben. In der Taltiefe jenseits der Batterie, welche die Luft noch fortwährend mit Donner und Blitz erschütterte, zog sich der Rauch und Lärm des Kleingewehrfeuers bereits in langen Streifen nach dem Dorfe hin – zum sicheren Zeichen, daß das bernische Fußvolk dort zurückgedrängt worden sei; diesseits standen nur noch einzelne Landsturmhaufen, die in unsicheren Bewegungen hin und wieder zogen. Während der Wachtmeister mit klopfendem Herzen nach einem dieser Haufen blickte, an dessen Spitze ein alter Mann in dunkler Kleidung marschierte, bewegte sich durch die Rauchwolke ein langer Schatten heran, zuerst verworren und undeutlich, aber in wenigen Augenblicken klarer und bestimmter, wie eine in Bewegung geratene finstere Mauer, über die ein hellrotes Dach hinweglief. Es waren die schwarzen Husaren des Feindes mit den roten Roßschweifen an den Helmen, die jetzt mit der Schnelligkeit einer jagenden Meute gegen die Landsturmhaufen heransprengten. "Vater – Anna!" schrie der Wachtmeister mit bebender Stimme und, ohne klar zu wissen, was er wollte oder tat, drückte er seinem Rosse die Sporen in die Flanken, daß es mit stäubenden Hufen den feindlichen Reitern entgegenstürzte.
Christen war später nicht imstande, zu erzählen, was ihm von diesem Augenblicke an im einzelnen begegnet war – es schien, als ob die Erinnerung an einen Gegenstand das Gedächtnis für die anderen Vorgänge ausgelöscht habe. Es schwebte ihm nur noch dunkel vor, daß die ersten Feinde, auf die er stieß, vor der Wucht seines Anpralles auseinanderstoben oder von den Rossen sanken und er sich plötzlich im dichtesten Getümmel befand, das sich um einen mit blutigem Todesmute kämpfenden Landsturmhaufen zusammengedrängt hatte. Da rief ihm eine durchdringende Stimme: "Christian, Christian!" und als er mit den Blicken dem Rufe folgte, sah er Anna mit hochgeschwungener Waffe im wildesten Gewühle stehen; ihr Gesicht war bleich, aber ihre sonst so milden Augen funkelten, und das gelbe Haar rollte in aufgelösten Wellen auf die Schultern herab. "Anna, ich komme", schrie der Wachtmeister zurück, und der nächste Franzose, der den Säbel nach ihm schwang, sank taumelnd vom Sattel hinab; aber jetzt war auch die Tochter des Kirchmeyers dem Blicke verschwunden, und als Christen mit der Anstrengung eines Verzweifelten zur Stelle gelangte, wo sie gestanden, lehnte sie, das blutige Haupt zur Seite geneigt, über zwei Leichen hingesunken, die hart nebeneinander am Boden lagen. Es waren Vater und Schwester, die der Sterbenden vorangegangen. Der Wachtmeister stieß einen wilden Schrei des Entsetzens aus, und im nämlichen Augenblicke fiel ein Schlag über seinen Kopf, der ihn mit schwindelnden Sinnen vom Pferde stürzte, es wurde Nacht vor seinen Augen, und es war ihm, als ob sich das wilde Getöse um ihn in weite dämmernde Fernen verlöre. Doch noch einmal, bevor es ganz stille ward, drang ein scharfes, schrilles Klingen an sein Ohr. Dann sank er, von einem dumpfschmerzlichen Stoße geschoben, langsam über einen jähen Abhang in nächtliche, bodenlose Tiefe nieder.
Er kam mit so hartem Falle zu Boden, daß er meinte, der Kopf müsse ihm zerschmettert sein, und hastig versuchen wollte, den brennenden Schmerz mit der Hand zusammenzupressen, aber er war nicht imstande, dieselbe emporzuheben, und es kam ihm vor, sie werde mit Gewalt festgehalten. Er strengte sich an, die Augen zu öffnen, vor denen rötliche Schatten auf- und niederschwammen, mit hellen, stechenden Lichtern heranfuhren und dann langsam in eine dunkle Gestalt zusammenflossen, aus der endlich das besorgte Gesicht des Belper-Fritz hervorschaute. "Was ist das?" fragte der Wachtmeister aufatmend, als er bemerkte, daß seine Hand von seinem Kameraden festgehalten wurde – "wo bin ich, Fritz?"
"Gottlob, daß dich das wieder wunder nimmt", rief sein Begleiter; "ich fürchtete bald, du werdest gar nie mehr darnach fragen. Sei nur ruhig, du sitzest festgebunden auf einem Protzwagen; aber wie ist’s dir denn – bist du schwach?"
"Der Kopf brennt mich", erwiderte der Wachtmeister langsam, "aber um Gottes willen – wo sind wir, das dort ist doch nicht Fraubrunnen?"
"Nein", sagte Belper-Fritz ernst; "es ist Urtenen."
"Wir sind auf dem Rückzuge?"
Fritz nickte mit dem Kopfe und deutete mit der Hand schweigend über die Straße zurück, auf der zerstreute Haufen heraneilten und zu beiden Seiten über das Feld dahinliefen. Weiter rückwärts krachten Kanonenschüsse, und der Wachtmeister sah, wie eine Schar seiner Kameraden sich vor zwei Feldstücke gespannt hatten, welche andere mitten im Marsche luden und mit einem augenblicklichen Halte losfeuerten. Er wollte bei diesem Anblicke bestürzt von seinem Sitze herabspringen; aber vor seinen Augen begannen wieder dunkle Schatten hin und her zu spielen, zwischen denen plötzlich das todbleiche Antlitz Annas von Fraubrunnen hervorschwebte. Er sank zurück, das Gesicht mit beiden Händen bedeckend, während er mit bebender Stimme rief: "Nun weiß ich’s wieder – sie ist tot, ich bin zu spät gekommen."
Er saß eine Weile schweigend, ohne auf die tröstenden Worte seines Kameraden zu achten, bis er endlich die Hände von den Augen sinken ließ und leise fragte: "Hast du sie gesehen, Fritz?"
"Du mußt dich trösten", antwortete der Gefragte mit trübem Blicke; "sie sind mit vielen anderen den gleichen Weg gegangen; es wird mancher fehlen beim nächsten Appell."
"Sie sind tot – und ich, wie komm’ ich hieher?"
"Davon magst du freilich wenig wissen", erwiderte der Belper-Fritz, "am besten wird dir’s der Hauptmann erzählen können. Nachdem uns zwei Stücke in einem Augenblicke zusammengeschossen wurden und wir von allen Seiten verlassen waren, befahl er den Rückzug, sprengte aber plötzlich das Feld hinab, einem Haufen Husaren entgegen. Ich und Ruedi ritten ihm nach und kamen gerade noch dazu, um zu sehen, wie er einem der Roßschweife, der noch zuletzt standhalten wollte, vom Sattel half. Der steigt nicht wieder in den Bügel – sieh, er ritt den Schimmel, der neben dir angebunden geht; dich aber fanden wir in der Nähe unter deinem Braunen liegend, der auch kein neues Eisen mehr nötig hat. Wenn wir nur bald am Grauholz wären – hörst du, wie sie dort draußen schon wieder über Verräterei schreien?"
Der Wachtmeister hörte den wilden Lärm und fragte dann ängstlich nach dem Hauptmann und Ruedi, die er nirgends erblicken könne.
"Der Hauptmann ist mit dem Junker dort hinten an der letzten Kanone", erwiderte Fritz; "du vermagst ihn vielleicht nicht zu erkennen, weil er seinen Hut nicht trägt – sieh, der ist’s, der ein weißes Tuch um den Kopf gebunden hat."
"Ist er verwundet?"
"Nicht bedeutend – behauptet er; ein Husarenhieb."
"Und Ruedi?"
Belper-Fritz fuhr mit der Hand über das Gesicht und hob sie dann langsam in die Höhe. "Er ist zu Mädeli gegangen, wie er schon lange erwartet hat. Was ist’s weiter – bei Fraubrunnen liegen an den verlorenen Geschützen bei zwanzig von unseren Kameraden; aber lebendig ist den Franzosen keiner in die Hände gefallen."
"Halt den Wagen an, Fritz!" sagte der Wachtmeister, "ich will in den Sattel steigen und bis ans Grauholz vorausreiten – ich könnte jetzt den Knall der Geschütze noch nicht in der Nähe ertragen, ohne daß mir schwindlig würde. Es wird besser werden, wenn ich einen Augenblick niederliegen kann. Am Rande des Waldes will ich warten auf Euch – grüße den Hauptmann und die Kameraden; auf Wiedersehen!"
Der Belper-Fritz, über die unruhige Hast, mit der diese Worte gesprochen waren, mißtrauisch, wollte Einwendungen machen, aber Christen deutete mit der Hand schweigend nach den Kanonen zurück, die ihr Feuer hartnäckig fortsetzten, bestieg mühsam den französischen Schimmel und begann durch das Getümmel vorwärts zu reiten.