Jakob Frey
Die Waise von Holligen
Jakob Frey

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

V

Als Herr v. Amiel den Junker am Aarbergertore so kurz verabschiedet hatte, stellte er sich mit einer raschen Wendung an die dunkle Ecke des nahen Wachthauses und schaute dem Davongehenden nach, bis derselbe in der nur von spärlichem Laternenscheine erhellten Straße dem Blicke entschwunden war. "Der wäre für einmal hübsch angeführt", murmelte er, die Hand wie zu einer spöttischen Abschiedsbewegung ausstreckend, "vor dem bin ich sicher." Dann trat er wieder auf die Straße und ging eilig durch das Tor zurück, wie einer, der ein wichtiges Geschäft vergessen haben mochte.

Kaum hatte er jedoch die ersten Bäume der Allee erreicht und sich durch rasches Zurückblicken überzeugt, daß die zwei torhütenden Soldaten sich nicht um ihn bekümmert, als er langsamer zu gehen begann und hie und da, während er sorgfältig zu beiden Seiten nach den dunkeln Baumstämmen spähte, ein unterdrücktes Hüsteln hören ließ. So mochte er etwa dreißig Schritte gegangen sein, als ihm hart zur Seite mit einem ähnlichen Laute Antwort gegeben wurde und geräuschlos hinter einem Baume eine Gestalt hervorglitt. "Dacht’ ich mir’s doch, überaus vorsichtiger Bürger Olivier", flüsterte er, "Sie seien uns nachgeschlichen; einmal war’s mir sogar, ich müßte Ihren Atem im Nacken spüren. Hören oder sehen jedoch konnte ich nichts von Ihrer Allgegenwart."

"Mais diable!" erwiderte der andere ebenso leise, "ich konnte doch nicht wissen, ob mich der Junker wirklich in guten Treuen für einen ausgehungerten Bedienten genommen, zumal er mich vor kaum drei Wochen in Aarau gesehen und mit mir gesprochen hat."

"Ah, in der Tat", machte Herr v. Amiel, "es war ihm auch, als müsse er einmal von Ihrem Gesichte geträumt haben, indessen ist es ein glücklicher Vorzug dieses junkerlichen Blutes, daß es sich nicht vorzustellen vermag, wie sich ein stolzer Gesandtschaftsattaché unter Umständen in einen demütigen Lakaien verwandeln könne. Reisen Sie also ruhig und glücklich, ich erkläre", fügte er nicht ohne einen Anflug von Spott bei, "daß sich Bürger Olivier um die Sache der Republik verdient gemacht."

"Es ist nicht das erste Mal", entgegnete der andere kalt, "daß ich die Ehre dieses Verdienstes mit Bürger Amiel zu teilen habe, besonders seit derselbe richtig herausgefunden, daß eine Republik eine ersprießlichere Dankbarkeit zu zeigen vermöge als der selige Bettelhof von Koblenz."

Die Nacht war nicht dunkel genug, um dem lauernden Blicke die grimmige Wirkung zu verbergen, die diese Worte auf dem Gesichte des Herrn v. Amiel hervorbrachten. Der Fremde trat unwillkürlich einen kleinen Schritt zur Seite, fuhr dann aber gleichmütig fort: "Indessen können wir zuverlässig darauf rechnen, Bürger Amiel, über die Aufstellung der Bernertruppen von Nidau bis Aarberg rechtzeitig unterrichtet zu werden?"

"Wie ich Ihnen bereits gesagt", erwiderte der Gefragte, mit hörbarer Mühe die Worte hervormurmelnd, "meinen patriotischen Gruß an Ihren Meister Mengaud, und somit Gott befohlen, Bürger Olivier!"

Der Fremde machte eine leichte Handbewegung nach dem Kopfe und war wie ein verhuschender Schatten in der Dunkelheit verschwunden.

Die empfangene Demütigung, die dem Sprößling eines altadeligen Hauses freilich um so empfindlicher sein mußte, als sie von einem Menschen herkam, der sich vor wenigen Jahren noch als Abschreiber bei Pariser Advokaten ein kümmerliches Brot erwarb, war nicht die einzige Unannehmlichkeit, die diesen Abend dem Herrn v. Amiel begegnen sollte. Kaum war er in seiner Wohnung angelangt und hatte die Geldrollen überzählt, die ihm der französische Geschäftsträger Mengaud zur Ermutigung für weitere "patriotische" Dienste überschickt, als sich der rote Jakob anmelden ließ. "Wenn der Schurke mir Angenehmes mitzuteilen hätte, würde er sich so spät nicht mehr herbemühen", murmelte Herr v. Amiel zwischen den Zähnen, befahl aber doch, den Mann unverweilt hereintreten zu lassen. Alsbald ertönten auf dem Vorsaale schwere Tritte, und herein trat eine hohe, breitschulterige Gestalt mit trotzig roher Haltung. Über der niedrigen Stirne sträubte sich dichtborstiges, rotes Haar empor. Dem Antlitz entsprach vollkommen die starkknochige Gestalt, die ein enganliegendes Wams und Lederhosen bekleideten, während bis über die Knie herauf grobe Reiterstiefel ragten. Das war der unvermeidliche Vertraute junger und alter Patrizier und sonstiger reicher Wüstlinge.

"Wichtige Neuigkeiten, Meister Jakob, aber hoffentlich angenehme?" fragte Herr v. Amiel den Eingetretenen mit dem Ausdrucke freundlicher Zutraulichkeit; "es muß ja schon spät sein!"

"Allerdings", erwiderte der andere; "ich wollte dem gnädigen Herrn nur vermelden, daß Eurem Freunde, dem Junker Dießbach, diesen Abend ein Unglück passiert ist, das ihm wohl vor einem Monat lieber gewesen wäre."

"Ich versteh’ dich nicht, was ist’s denn?"

"Nu", antwortete der Rote mit einer zuckenden Verlängerung des Mundes, die wohl ein Lächeln hätte bedeuten sollen, "es hat sich eben ein zwanzigjähriges Hühnchen gemausert; wär’s vor einem Monate, vor dem Gackern, geschehen, so hätte der Junker die schönen Goldfüchse behalten können, mit denen er das Nest belegen mußte."

"Zum Teufel mit deinen Rätseln und Dummheiten", brummte Herr v. Amiel; "deshalb brauchtest du nicht herzukommen."

"Nu, nu, nichts für ungut, gnädiger Herr", erwiderte der Judenbube, "solche Geschichten könnten gegenwärtig beim Pöbel böses Blut machen, und ich meint’ eben, das wär’ Euch angenehm – "

"Spitzbube!" fuhr Herr v. Amiel auf, "wer wagt zu sagen, daß mir das angenehm wäre?"

Durch die Augenhöhlen des Judenbuben bewegte sich’s wie der gleißende Schein einer vorüberschießenden Schlange; aber ruhig, fast treuherzig sagte er dem näher tretenden Franzosen: "I Jerum, was ist der gnädige Herr heut’ übler Laune! Ich meinte ja bloß, es müsse Euch angenehm sein, solches zu wissen, denn wie gegenwärtig die Sachen stehen, muß auch der beste Hauptmann die Stimmung seiner Leute kennen, wenn er nicht Unangenehmes riskieren will. Das mein’ ich allein, Herr Kapitän!"

Herr v. Amiel wendete sich ab, um langsam wieder dem Kamine zuzugehen. Er zog einen Beutel hervor und zählte einige Silberstücke auf die Hand. "Sonst nichts Neues?" fragte er scheinbar zerstreut, dem Roten das Geld entgegenhaltend.

Dieser schob die Taler gleichmütig in die Tasche und erwiderte: "Mit Verlaub seh’ ich Euch morgen wieder, Ihr seid heut’ nicht gut gelaunt, gnädiger Herr!"

"Nur herausgerückt, Jakob, du meinst es ja in allem gut mit mir."

Der Judenbube schien den spöttischen Ton, in dem diese Worte gesprochen waren, nicht zu beachten und fuhr leiser fort: "Es ist eine ärgerliche Geschichte, gnädiger Herr; aber seit Eure Ernennung zum Hauptmann bekannt geworden, wird da und dort in der Stadt gemunkelt, Ihr wüßtet vielleicht am besten, wie und warum Euer Vorgänger, der Maler König, das Leben verloren habe. Wenn nur die morgen einrückenden Soldaten nichts davon erfahren!"

Herr v. Amiel machte eine rasch auffahrende Bewegung, als wollte er mit der Kaminzange, die er in der Hand hielt, zu einem Schlage gegen seinen Besuch ausholen; aber ebenso schnell beugte er sich wieder nieder und stieß einen Fluch hervor über den Feuerfunken, der ihm auf die Hand gefahren sei. Hastig rieb er sich den schmerzenden Brandfleck und sagte dann gleichgültig: "Hör’, Freund, diesmal möchtest du mir mit falschen Karten das Spiel abgewinnen; aber da ich’s gemerkt habe, soll’s dir nicht gelingen."

"Bei meiner Seele, Ihr tut mir Unrecht, gnädiger Herr", entgegnete der Rote; "was ich Euch sage, hab’ ich mit eigenen Ohren vor kaum einer Stunde gehört, droben im "goldenen Rind".

"Nun, dann, Jakob, bist du der abgefeimteste Halunke, der je im Dunkeln herumgeschlichen; denn kein Mensch als du konnte diesen Verdacht auf mich lenken."

"Wenn Ihr das meint, so kann ich gehen", antwortete der Judenbube trotzig, indem er sich der Türe zuwendete; "vielleicht treff’ ich den gnädigen Herrn ein andermal höflicher."

Herr v. Amiel ließ ihn gehen, bis die Türe geöffnet war; dann aber rief er ihn zurück und hielt ihm die Börse entgegen, aus der er vorhin einige Stücke hervorgezählt. "Sei’s, wie es sei, da nimm", murmelte er, "durchstreife die Wirtschaften und horche aus, was gesprochen wird! Wo nötig, lenkst du den Verdacht ab – um jeden Preis, verstehst du? Vergiß nicht, daß dein Kopf in der gleichen Schlinge steckt. Morgen früh erwarte ich weiteren Bericht."

"Zu Befehl, gnädiger Herr", erwiderte der Rote, den dargebotenen Beutel ruhig einsteckend, "Ihr sollt mit mir zufrieden sein, Herr Hauptmann."

Als er die Türe hinter sich zugezogen, warf sich Herr v. Amiel in einen Fauteuil, der am Kamine stand, nachdenklich die Hand auf die Stirne legend, die sich mit kaltem Schweiß bedeckte; aber bald erhob er sich wieder, um in unruhiger Hast das Gemach auf und nieder zu gehen. "Wenn der Schurke die Wahrheit spräche", sagte er dazwischen laut vor sich hin, "wenn meine mit Mühe und Gefahr angelegten Pläne endlich an einem Ungefähr, an einer rohen Pöbel-Einmischung scheitern sollten – ha, Adelaide, stolze Holligerin, was muß ich für deinen Besitz wagen, während ich nicht einmal weiß, ob ich dich mehr liebe oder hasse! Ein elend und erbärmlich Leben das, aber mein mußt du dafür werden. Ja, mein mußt du werden", fuhr er nach einer Pause mit fast grimmigem Lachen fort; "fürwahr ein schönes Wort, dieses mußt, während ich einen Schurken um seinen Beistand anbettle, der vielleicht schon den Preis in seiner Tasche trägt, um den er mich verraten wird." Er warf sich wieder in den Polsterstuhl, mit dumpfem Brüten in die Kohlen starrend, die leise knisternd im Kamine zusammensanken.

Diesmal jedoch hatte Herr v. Amiel in seinen Gedanken dem Judenbuben unrecht getan; wenigstens war es nicht des letzteren Schuld, wenn er seinem Patrone nicht die erwünschten Dienste leisten konnte. Unverweilt begab er sich ins "goldene Rind", wo trotz der vorgerückten Abendstunde noch ein reges Leben herrschte. Außer den gewöhnlichen Gästen, die hier ihren Abendschoppen suchten, saß an einem Tische auch eine Soldatengruppe, die eine leise, aber sichtlich angelegentliche Unterhaltung führte. Der Judenbube erkannte an ihren Abzeichen, den dunklen blauen Röcken mit den dicken roten Achselwulsten, daß es Angehörige der ersten Zwölfpfünder-Batterie waren, und trat näher, da sich ihm hier gerade die beste Gelegenheit zur Erreichung seiner Zwecke darbot; aber mit verlegenem Zögern blieb er wieder stehen, als er mitten unter den Soldaten den Ädemajor Wacker erblickte, der ebenfalls schon die bäuerliche Kutte mit dem Soldatenkleide vertauscht hatte. Die Gelegenheit war indessen zu verlockend und der rote Jakob auch schon zu nahe herangetreten als daß er eine Schwenkung nach einem anderen Tische hätte versuchen sollen; er langte daher nach einem leeren Stuhle, der neben Wacker stand, und schickte sich an mit einem: "Erlaubnis, Ihr Mannen" Platz zu nehmen. Der Ädemajor blickte auf und erwiderte, rasch den Stuhl zurückziehend, unhöflich genug: "Ohne Erlaubnis – ist schon besetzt und hier kein Platz mehr." "Wart, Hund", murmelte der Judenbube in sich hinein, kehrte sich jedoch mit scheinbar gleichgültiger Miene ab und ließ sich am nächsten Tische nieder.

Der Ädemajor warf ihm einen verächtlichen und zugleich drohenden Blick nach und sagte dann, sich wieder zu seinen Kameraden wendend: "Hoffentlich gibt’s auch eine Kugel oder noch besser eine Mistgabel für diesen da, wenn’s einmal losbricht. Ich wollt’ meinen Kopf gegen einen roten Heller setzen, er hat zu dem Schurkenstreich an Euerem Hauptmann mitgeholfen."

"Der da?" fragten mehrere Stimmen zugleich, indem sich alle Blicke nach dem Ankömmling richteten, während einer sich wie vor kaltem Grauen schüttelnd hinzufügte: "Ist’s nicht der Judenbub?"

"Ja, der ist’s freilich", fuhr der Ädemajor fort, "und ich hab’s am Neujahr gleich gesagt, als es hieß, die Geisterkutsche sei gesehen worden, da müsse wieder eine Schelmerei unserer gnädigen Herren im Spiele sein. Es verging auch keine Stunde, so rannte Euer Wachtmeister durch die Straßen mit der Botschaft, der Hauptmann sei ermordet."

"Fassen wir den Burschen einmal", sagte ein Kanonier, seine mächtigen Fäuste auf den Tisch streckend und drohend nach dem roten Jakob blickend, "wir wollen ihm seine Geheimnisse herausklopfen."

"St!" machte der Ädemajor, "noch nicht, ’s ist noch nicht reif; aber mit anderem wird auch das reif werden. Das weiß ich von einem Knechte, der einmal bei dem Roten dort in Dienst gewesen, daß er selbst leibhaftig der Teufel ist, der die Geisterkutsche führt, die bald drüben am Marterturme, bald drunten an der Aare am Blutturme still hält und ihre Insassen durch ein Türchen verschwinden läßt."

"Ja, das hat mir schon meine Großmutter mehr als hundertmal erzählt, als ich noch ein kleines Büblein war", sagte der Kanonier; "wer einmal in den Blutturm kommt, hat am längsten gelebt. Er wird in eine Stube geführt, die prächtig mit Seide und Sammet ausstaffiert ist; aber droben an der weißen Decke ist mit schwarzen Farben der Tod abgemalt, die Sense in der Hand, und drunter steht in großen Buchstaben: Du mußt sterben! Während nun der erschrockene Mensch hinaufblickt, sinkt unter ihm der Boden ein, und er stürzt in die Tiefe auf scharfe Messer und nadelspitze Zinken herab. An der Grundmauer des Turmes färbt sich einen Augenblick ein roter Streifen in die Aare hinaus, und alles ist vorbei, als ob nichts geschehen wäre."

"Und dahin sollte unser braver Hauptmann geführt worden sein?" fragte ein anderer den Ädemajor leise.

"Bestimmt möcht’ ich das nicht sagen", antwortete dieser, "daß etwas schändlich Geheimes vorgegangen, wissen wir alle; ist ja auch die Leiche des Hauptmanns nirgends gefunden worden, und so mag jeder denken, was er will. Aber was ich sagen wollte, ist noch etwas anderes. Seht’ Ihr Mannen, Ihr seid heute alle schon von weit hergekommen, damit Ihr am Morgen zur rechten Zeit auf dem Kasernenplatze sein könnt; Ihr habt willig Vater und Mutter, mancher Weib und Kind verlassen, weil Ihr meint, es gehe fürs Vaterland, für unsere Freiheit und Religion, und unsere gnädigen Herren und Junkerlein seien bereit, mit uns zu sterben, wenn’s sein müsse. Haha, was wir alle für alte Narren sind!" Er faßte mit voller Hand sein Glas, um es in einem Zuge zu leeren und dann hastig auf den Tisch niederzustoßen. "Ja, Narren, sag’ ich", fuhr er lauter fort; "Kinder, einfältige Kinder, wenn Ihr lieber wollt. Oder was meint Ihr denn? gehen die Augen Euch endlich nicht einmal auf? Ihr hattet einen Hauptmann, wie’s keinen besseren und braveren gibt, landauf und ab, das wißt Ihr, aber jetzt ist er fort, verschwunden wie eine Prise Tabak, die ich in Wind werfe, und Ihr habt dafür einen anderen, einen Fremden, einen Franzosen, den Ihr in Euerem Leben noch nie gesehen habt, so wenig als er Euch – und warum das? Ja, jetzt schaut Ihr mich an, als wär’ ich ein rotes Tennstor, und doch ist die Sache klar wie ein Wassertropfen von der frischen Brunnenröhre weg! Der König war ein Bursche, der Kopf und Herz auf dem rechten Flecke hatte, der schon lange die falschen Karten durchschaute, mit denen unsere gnädigen Herren und Oberen spielen, der mit Leib und Seele an Euch hing wie Ihr an ihm, der drum auch nie zugegeben hätte, daß Euer Blut und Leben schändlich und sündhaft für nichts und wieder nichts in die Schanze geschlagen würde – das wußte man; drum mußte er weg, und jetzt habt Ihr einen Franzosen, der Euch gegen die Franzosen führen soll! Ha, Teufel, so geht es; wir lassen uns in bester Meinung totschießen, und wer übrig bleibt, ist eines schönen Morgens verkauft und verraten. Die gnädigen Herren drücken den Franzmännern die Hand und sagen lächelnd, man habe den dummen Bauern eben den Spaß lassen müssen."

Der immer eifriger gewordene Mann leerte sein Glas abermals, ohne sich lange zu unterbrechen. "Ihr seht ja", begann er aufs neue, "wie wir belogen werden von den Herren im Rathause und ihren Helfern in der Kirche. Als es da vor einigen Nachten blutrot hinter den Jurabergen aufstieg, hieß es, das sei die himmlische Kriegsflamme, die der Herrgott expreß für uns angezündet habe. Aber was war’s? Die Schwarzbuben und Baselbieter haben ihre Landvögte fortgejagt, ihre Schlösser angezündet und gesagt, sie wollen zuerst im Lande selbst reinen Tisch machen, bevor sie mit den Franzosen ein Wort reden. Die verstehen’s, und so sollten wir’s auch machen. Das ist meine Meinung."

Kaum war aber diese Meinung ausgesprochen, als sich eine schwere Hand auf die Schulter des Redners legte und eine tiefe Stimme sagte: "Ich fordere Euch auf, Ihr Mannen, an die Worte zu denken, die Ihr eben gehört habt, und mir diesen Rebellen sofort verhaften zu helfen."

"Ah", machte der Ädemajor zurückblickend, nach kurzem Besinnen, "du bist’s, Judenbub? Versprich den Leuten da nur, du wolltest mich dahin bringen, wo du ihren Hauptmann hingebracht hast, dann werden sie dir schon helfen. Übrigens lass’ ich mir diesen Rock nicht von einem Schelm anrühren – weg mit der Hand da!"

"Hinaus mit dem Schnüffler!" rief der Kanonier, der schon vorhin seine kampffertigen Fäuste gewiesen, und im Augenblick war der rote Jakob von Armen umklammert, unter deren Druck seine Kraft zusammenbrach. Er rief die übrigen Gäste um Beistand an; aber kein Mund mahnte ab, und keine Hand mochte sich helfend aufheben. Fast lautlos ging es der Türe zu, bis von außen das Geräusch eines schweren Falles in der Stube hörbar wurde. Die zwei Kanoniere, die ihr Werk so handlich verrichtet, kamen gleichmütig zurück, als hätten sie einen Sack Korn aus der Tenne getragen.


 << zurück weiter >>